Manfred von Ardenne - 100.Geburtstag

ID: 129463
Manfred von Ardenne - 100.Geburtstag 
30.Dec.06 13:48
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Wolfgang Eckardt (D)
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Wolfgang Eckardt

Manfred von Ardenne
Der Baron, Erfinder und Unternehmer vom Weißen Hirsch (Dresden)
 
Vor einhundert Jahren, am 20. Januar 1907, wurde Manfred von Ardenne in Hamburg geboren. Uns „Radioten“ ist er hauptsächlich bekannt im Zusammenhang mit der Loewe-3-fach-Röhre, an deren Entwicklung er zusammen mit Siegmund Loewe gearbeitet hat, sowie mit seinen Arbeiten an der Entwicklung des elektronischen Fernsehens. Er war aber darüber hinaus ein sehr vielseitiger genialer Wissenschaftler, dessen Arbeitsbereich sich auch mit Elektronenstrahl-Mikroskopie, Kernphysik, Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie, Krebsforschung und, und ... befasste und wo er zahlreiche wissenschaftliche Erfolge vorweisen kann.
Hier zusammen als 19-Jähriger mit L. de Forest,
und hier mit Siegmund Loewe
 
Diesem Jubiläum widmet die Zeitschrift „Triangel“ im Heft 1/2007 unter obigem Titel einen 10-seitigen Beitrag. („Triangel“ ist das monatlich erscheinende Kulturmagazin des Hörfunk-Senders MDR-Figaro, ehem. MDR-Kultur).
Am Mittwoch, den 17. Jan. 2007 sendet der MDR Figaro von 22.00 - 23.00 Uhr ein Feature von Paul Kohl unter dem Titel „Manfred von Ardenne - Die Karriere eines Wissenschaftlers“.
 
(MDR Figaro ist ein MDR-Hörfunksender, vorm. MDR Kultur. Zu empfangen terrestrisch auf UKW im Verbreitungsgebiet, auf ADR (Astra-Digital-Radio) und auch über verschiedene Kabel-Gesellschaften.)
Das ist soweit eine erfreuliche Tatsache, auf die ich die Forumleser aufmerksam machen möchte. Weniger erfreulich ist aber, dass dieser Beitrag des Autors Paul Kohl eine Reihe von Fehlern durch schlechte Recherche enthält. Gleich der erste Absatz lässt den Radiohistoriker erschaudern:

 

(Der gesamte Text der ersten Seite ist als Anhang zu lesen.)

Nun könnte man ja einfach den Autor bezichtigen, dass er nicht richtig recherchiert habe. Sicher, er hat oberflächlich und wahrscheinlich nur bei einer Quelle im Internet nachgeforscht. Dort könnte er Folgendes gefunden haben (als Ausschnitt):

1919-1923
Ardenne besucht das Realgymnasium in Berlin. Seine Interessen gelten der Physik und der Technik. Bei einem Schulwettbewerb reicht er die Modelle eines Fotoapparats und einer Alarmanlage ein und belegt damit den ersten Platz.
1923
Er erhält als 15jähriger sein erstes Patent für eine Mehrfachelektronenröhre, die er dem Radiofabrikanten Siegfried Loewe (1885-1962) verkauft. Loewe baut mit der Röhre seinen ersten Rundfunkempfänger "Loewe-Opta".
1925
Mit den Geldern aus dem Patentverkauf konstruiert Ardenne den weltweit ersten Breitbandverstärker, der die Entwicklung des Radars voranbringt.
 
Wenn man nun die Quelle dieses Textes nennt, da kann man sich ganz schön wundern und kommt ins Grübeln und denkt über seine eigenen Kenntnisse (oder Unkenntnisse??) nach:
 
 
DHM - dahinter verbirgt sich das Deutsche Historische Museum in Berlin!
Das hätten Sie jetzt sicher nicht erwartet - ich auch nicht.
Kann man doch in der Regel davon ausgehen, das solche staatlichen Museum meist als eine recht zuverlässige Quelle gelten (sind meine Erfahrungen), da die Recherchen „berufsbedingt“ und deshalb auch „bezahlt“ erfolgen. (So denke ich jedenfalls - oder mache ich hier einen Denkfehler?)
 
Schlussfolgerung: Man sollte sich bei gründlichen Recherchen nie nur auf eine Quelle verlassen. Und selbst im RM.org hätte der Autor richtige Fakten gefunden, die im Zusammenhang mit Loewe-(Opta) stehen.
 
Hier noch eine "auf dem Kopf stehende" Kostprobe aus besagtem Museum in diesem Zusammenhang, die ich hier ebenfalls unkommentiert stehen lasse:

Niederfrequenz-Dreifachröhre
Entwickler: Ardenne, Manfred von (Prof.)
Produzent: Loewe, Carl (Berlin)
Entstehungsort: Berlin
Entstehungsland: Deutschland

Maße: 
16,5 cm (Länge), 4 cm (Durchmesser)
 
Material/Technik: 
Glas, Kunststoff, Metall / geblasen, Quecksilber aufgedampft, verdrahtet

Schlagworte: Empfängerröhre · Rundfunktechnik

 
Dafür kann man nun den Jubilar nicht mehr befragen, ob er mit Quecksilber in seiner Röhre gearbeitet haben soll. (Warum wohl? Ist die 3NF etwa gasgefüllt ???)
Aber seine wissenschaftlichen Leistungen wollen wir auf keinen Fall schmälern ihnen auch das gebührende Gedenken widmen, auch wenn selbst in Museen nicht alles der Wahrheit entspricht.
 Einen optimistischen Start ins Neue Jahr sowie Gesundheit und Erfolge für 2007 wünscht
 Wolfgang Eckardt
Editiert: Nur Angaben zur MDR-Sendung am 17.1.07 präzisiert.
 
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Entwicklung der Mehrfachröhre 
30.Dec.06 18:43

Rüdiger Walz (D)
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Rüdiger Walz

Ja, diese Angaben bedürfen einer Korrektur. Aus Siegmund Loewe wird teilweise Carl Loewe und Siegfried Loewe. Aus einem innovativen, intelligenten und erfolgreichen Unternehmer wird ein von einem Patent eines 15 jährigen Abhängiger...

"Geschichte ist die Lüge auf die man sich geeinigt hat" sagte einmal Napoleon. Ich würde den Satz erweitern: "Geschichte sind die Irrtümer, die immer wieder zitiert werden". 

Die Entwicklung der ersten Mehrfachröhre basiert auf den Arbeiten zum Widerstandsverstärker. Dieser war bereits im amerikanischen Patent 1 129 942, Mai 1914 von Harald de Forest-Arnold beschrieben worden, hatte jedoch aufgrund ungeeigneter Widerstände und Röhren keinen breiten Eingang in die Praxis gefunden. (Info Herbert Börner)

Das Prinzip reizte wohl offensichtlich auch Siegmund Loewe. Die Vorteile lagen auf der Hand: Frequenzunabhängige hohe Verstärkung bei einfachem Aufbau. Loewe erkannte, dass die zur Verfügung stehenden Widerstände auf Silitbasis nicht geeignet waren und entwickelte 1924/1925 die Loewe Widerstände auf Basis eines Rußbeschichteten Glasstäbchens, das in ein Glasröhrchen eingeschmolzen wurde. Die Massenfertigung begann 1925. Dadurch war der Grundstein zur richtigen Dimensionierung der Widerstandsverstärker gelegt. Die Arbeit daran übertrug er offensichtlich dem damals 15-jährigen Manfred von Ardenne und H. Heinert (Mitarbeiter in Ardennes Labor), die ihre Ergebnisse Mitte 1925 im Jahrbuch für Drahlose Telegraphie und Telephonie (26 (1925), 52-54) veröffentlichten. Ebenfalls bereits am 4.9.1925 veröffentlicht Siegmund Loewe in der Zeitschrift "Der Radio-Amateur", Heft 36, 3. Jahrgang einen Artikel über Widerstandsverstärker und deren Einbau in einen Röhrenkolben. Die Abbildung ziegt erste Versuchsmuster, eine Doppelröhre für Hf-Anwendungen. Eine solche Röhre kann im Deutschen Museum, München auf den Holzkasten eines NF 333 montiert besichtigt werden (siehe unten).

Ausfluß dieser Untersuchungen war auch die Widerstandsverstärkerröhre LA 77, die von telefnken als RE 054 nachgebat wurde.

Bereits 1921 hatte sich die Dr. Erich Huth GmbH im Patent 394657 den Einbau von Spannungsteilern in Röhren mit einem oder mehreren Systemen patentieren lassen. Loewe hat übrigens bis mindestens 1918 bei Huth die technische Leitung innegehabt und darüber hinaus Kontakte zu dieser Firma gepflegt. Er selbst hatte bereits am 26. September 1924 ein Patent über Mehrfachröhren angemeldet.

Die Veröffentlichung von M. von Ardenne und Heinert war übrigens in der Fachwelt sehr umstritten. Im "Funk-Bastler" gibt es eine umfassende Artikelserie, in der A. Forstmann (damals ebenfalls bekannter Röhrenfachmann) und M.von Ardenne teilweise sehr emotional über die Brauchbarkeit von Widerstandsverstärkern streiten.

Erstes Ergebnis der Verstärkeroptimierung waren die Geräte HF 332 und NF 333. Es waren kleine Holzkästen mit ungesockelten Röhren (siehe Abele, Historische Radios. Hier im rm.org leider noch kein Modell). Beide Geräte waren kein Erfolg und sind wie das Parallelmodell von Telefunken, die Arcolette, äußerst selten. Dies, die allgemeine Absatzkrise der Radioindustrie und die Patentverletzungsklage Telefunkens wegen der Röhrenfertigung bei Loewe brachte das Unternehmen in finanzielle Probleme. Erst 1926 nach Abschluß eines Lizenzabkomens mit Telefunken durfte Loewe Mehrfachröhren für den deutschen Bedarf und normale Röhren für den Export bauen. (Inzwischen hatte Loewe eine Reihe von Patenten zu Mehrfachröhren, aber auch zur Verbesserung des Normalröhrenbaus angemeldet und dadurch eine gute Verhandlungsposition)

Das grundlegende Patent über den Widerstandsverstärker wurde M.von Ardenne und Loewe übrigens nie erteilt. Die Anmeldung wurde 1928 wegen eigener Vorveröffentlichung abgewiesen. Sie muß aber, wie die Lizenzverträge mit Telefunken zeigen vom Wettbewerb durchaus als Bedrohung aufgefaßt worden sein.

Wie auch immer: Es gibt kein Patent von M. von Ardenne über Mehrfachröhren. Alle weiteren Patente über Verbesserungen in Mehrfachröhren und Röhren allgemein lauten auf Siegmund Loewe oder Mitarbeiter. Die Mehrfachröhre in ihrer Serienform wurde von Dr. Ing.. E. Römhild bei Loewe konstruiert. Weiterhin waren in die Entwicklung Bruno Wienecke (Labormechaniker) und Herrmann Raffelsieper (Glasbläser) involviert.

Dei erste Mehrfachröhre war die 2 HF, damals noch als Doppelgitteröhre konstruiert gefolgt von der 2 NF und der 3 NF. Die spätere 2 HF und die HF29 waren Doppeltrioden. Bis zum Ablauf der Lizenzvereinbarung 1936 baute Loewe für Deutschland ausschließlich Mehrfachröhren, nach 1936 findet man auch normale Außenkontaktröhren von Loewe in Deutschland, allerdings mit einem eigenen Buchstaben/Zahlencode.

Ohne die Vedienste und den Erfindergeist von von Ardenne schmählern zu wollen: Er war nicht der "Erfinder" der Mehrfachröhre. Er war an ihrer Entwicklung beteiligt und sein Vertrag mit Loewe auf Erfolgsbasis war das Fundament für ein eigenes Labor. Die Mehrfachröhre hat das Unternehmen Loewe gerettet, das ansonsten durch Patentprozesse in den Ruin getrieben worden wäre. Der OE 333 mit der Röhre 3 NF wurde übrigens, wie Herbert Börner in seinem Artikel in der Funkgeschichte zeigen konnte nie in einer Millionenstückzahl gebaut, wie in manchen Veröffentlichungen behauptet. (Funkgeschichte Nr. 138, Seite 187)

Die jährlich Produktion von Mehrfachröhren betrug jedoch 1927/28 ca. 780.000 Stück ! Das zeigt, das viele Röhre zur Ersatzbestückung oder Bastelzwecken verwendet wurden.

Die genauen Geschichte der Fa. Loewe mit allen Details kann in dem empfehlenswerten Buch von Kilian J.L. Steiner, Ortsempfänger, Volksfernseher und Optaphon , Klartext Verlag, Essen 2005 nachgelesen werden. Es ist meiner Ansicht nach die bei weitem beste Veröffentlichung zu diesem Thema. 

Manfred von Ardenne war freischaffender Forscher. Er lebte vor allem von seinem Ruf. Umfangreiche Leistungen und Veröffentlichungen begründeten diesen Ruf. Siegmund Loewe und seine Brüder litten aufgrund ihres jüdischen Glaubens ab 1933 unter nationalsozialistischer Verfolgung. Loewe mußte Deutschland verlassen, sein Unternehmen wurde zwangsverwaltet. Zuerst änderte man den Namen in Löwe-Radio, schließlich in Opta-Radio. Nach dem Krieg konnte Loewe sein Unternehmen wieder übernehmen. Er starb 1962 auf einer Geschäftsreise in den USA.

Rüdiger Walz 

 

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Was sagt Wikipedia? 
31.Dec.06 15:28

Wolfgang Eckardt (D)
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Wolfgang Eckardt

Lieber Herr Walz,

vielen Dank, dass Sie darauf reagiert  und die historischen Tatsachen entsprechend untersetzt haben. Es wird aber immer wieder auftreten, dass historische Tatsachen entstellt bzw. falsch oder halbwahr (verzerrt) dargestellt werden entsprechend Ihres Satzes „Geschichte sind die Irrtümer, die immer wieder zitiert werden.“
 
Auch in Wikipedia gibt es entsprechende widersprüchliche Falschdarstellungen (nur Ausführungen bezüglich Ardenne beachtet!):
Zu Manfred von Ardenne: (Markierungen durch mich)
"Bei einem Schulwettbewerb reichte er die Modelle eines Fotoapparats und einer elektrischen Alarmanlage ein und belegte damit den ersten Platz. Außerdem hatte er sich mit Problemen der aufkommenden Rundfunktechnik befasst und dabei die Idee zur Nutzung spezieller Elektronenstrahlröhren zur Patentreife entwickelt.
Nachdem Manfred von Ardenne im Alter von 15 Jahren sein erstes Patent für eine direktgeheizte Mehrfachelektronenröhre erhalten hatte, musste er 1923 wegen schlechter schulischer Leistungen vorzeitig das Gymnasium verlassen und widmete sich der Weiterentwicklung der Radiotechnik. Siegmund Loewe, der Gründer der Loewe-Opta Werke, der Ardennes technische Begabung erkannte, wurde sein Mentor und förderte ihn. Mit den Geldern aus dem Patentverkauf entwickelte Manfred von Ardenne 1925 den weltweit ersten Breitbandverstärker, eine seiner grundlegenden Innovationen auf dem Gebiet der Funktechnik, die u.a. die Entwicklung des Radars entscheidend voran brachte. Im gleichen Jahr schrieb er sich, dank Hilfe aus dem Familienkreis ohne das Abitur erreicht zu haben an der Universität in Berlin ein und begann Physik, Chemie und Mathematik zu studieren. Er brach das Studium jedoch nach 4 Semestern wieder ab und wandte sich als Autodidakt wieder ganz seinen privaten Forschungen auf dem Gebiet der angewandten Physik zu."
Und zu Siegmund Loewe:
   "1923 - Dr. Siegmund Loewe gründet am 22. Januar zusammen mit seinem Bruder die Radiofrequenz GmbH in der ehemaligen Mechanischen Werkstatt Grütter&Lütgert Berlin. Im Oktober des gleichen Jahres wird die Loewe - Audion GmbH zur Herstellung der Elektronenröhren gegründet.  
September 1924 - Loewe lässt sich das Prinzip der Dreifachröhre patentieren.
  - 1926 - Der Loewe Ortsempfänger OE333 wird produziert, ein Meilenstein in der Radiogeschichte, er benutzt bereits die 3NF, eine legendäre Dreifachröhre. An der Entwicklung ist der Physiker Manfred von Ardenne (1907 – 1997) beteiligt. Die D.S. Loewe AG in Berlin-Steglitz wird gegründet
 -   Ab 1927 wird der Name Radiofrequenz aufgegeben, und unter dem Label Loewe produziert
 -  1930 - Die Firmen von Dr. Loewe werden unter einer AG Dr. S. Loewe vereint.
 -  1933 - Umbenennung in Loewe Radio AG. Präsentation eines ersten „Volksfernsehers“. Auch hier Mitwirkung von Ardenne.
 - 1938 - Arisierung des Unternehmens, Siegmund Loewe musste in die USA emigrieren.
 
- 1942 - entsteht die Opta - Radio AG, wegen der jüdischen Anstammung des Firmengründers Loewe."
 
Es gibt also viel zu tun, diese historischen Halbwahrheiten, Unwahrheiten und Wahrheiten zu erkennen sowie sauber zu trennen. Packen wir es an (wenigsten an ein paar „Zipfeln“) und befleißigen uns wenigstens größter Sorfalt bei der Recherche (Originale Quellen!!) und fallen nicht gleich auf die erstbeste Publikation (Sekundär- ... Tertiär-Literatur) herein - das wäre doch ein schönes Ziel für’s Neue Jahr.
In dem Sinne nochmals alles Gute für 2007
Wolfgang Eckardt
 

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31.Dec.06 16:07

Hans-Thomas Schmidt (D)
Redakteur
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Hans-Thomas Schmidt

Natürlich gratuliere ich auch dem Herrn Baron von Ardenne zum 100sten Ehrentag. Meinen Glückwunsch!

Wäre er nach dem Kriege in den Westen gegangen, hätte er als Erfinder die gleiche Berühmtheit erlangen können wie einst Edison. Die Kriegsereignisse haben dieses aber verhindert, und so arbeitete er im Kalten Krieg für die andere Seite.

Zur Diskussion einer frühen Mehrfachröhre möchte ich Folgendes beitragen (leider ebenfalls nicht patentrechtlich belegbar):
Eine Lieben-Zweifachröhre, entstanden vor 1922 im Laboratorium der AEG in Berlin Oberspree. Robert von Lieben war an der Entwicklung dieser Röhre nicht mehr beteiligt, da er früh verstorben ist. Das Bild stammt aus Forstmann und Schramm, Die Elektronenröhre, 1927.
In einem anderen Buch beschreibt der Röhrenentwickler von Telefunken Hans Rukop die (experimentelle) Verwendung als Modulatior für Telephonie in einem Maschinensender.

LRS-Zweifachröhre

Einen guten Rutsch wünscht, H.-T. Schmidt

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31.Dec.06 19:59

Konrad Birkner † 12.08.2014 (D)
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Konrad Birkner † 12.08.2014

Leider bestätigt sich hier wieder einmal meine eigene leidvolle Erfahrung mit www-Quellen im Allgemeinen und mit Wikipedia im Besonderen. Im Gegensatz zu gedruckten Quellen ist hier nichts festzumachen, weil es jederzeit verändert werden kann. Kein gedrucktes Nachschlagewerk (Lexikon, Enzyklopädie) leistet sich so leichtfertigen Umgang mit Information, denn dort sind Korrekturen nachvollziehbar weil die Fehler nicht verschwinden. Es sind ja nicht nur Fehler, sondern oft alternative Sichtweisen, die auch weiterhin nachprüfbar sein müssen.

Im Internet wird ein Hinweis ins Leere stoßen, wenn die Quelle verändert wurde. Des halb sollte man niemals Internetquellen als primäre Information akzeptieren. Schon gar nicht, wenn es die einzige ist. Ein warnender Hinweis ist das mindeste.

Also VORSICHT

und einen guten Rutsch!

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Was sagt Manfred von Ardenne dazu? 
01.Jan.07 14:30

Mario Spitzer (D)
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Um vielleicht etwas Klärung zur Entwicklung dieser Röhre beizutragen, habe ich ein Auszug aus seiner Autobiographie "Ein glückliches Leben für Technik und Forschung" von 1973 digitalisiert.

Aber vorher kann ich mich Kobis Aussage nur anschließen. Bei Wikipedia bestehen die Informationen auch aus zusammen(geklauten)kopierten Fakten und Texten, die oft sinngemäß verändert werden. Duch Zufall entdeckte ich einen eigenen RM.Org Fachbeitrag, zusammengekürzt mit meinen eigenen Tippfehlern bei Wikipedia wieder, so ist das halt.
Aber nun zu den Ausführungen von Ardenne dazu:


Meine erste wissenschaftliche Arbeit

Ich habe schon gesagt, dass mich 1924 die Kritik an meiner damaligen Arbeitsweise tief beeindruckt hatte und ich allen Ehrgeiz daransetzte, künftig ähnlichen negativen Beurteilungen vorzubeugen. Als erste wissenschaftliche Aufgabe nahm ich die Messung von Arbeitskennlinien an Verstärkerstufen mit Widerstandskopplung in Angriff. Die theoretische und technische Auswertung meiner Ergebnisse ließ die billiger herzustellenden und verzerrungsfreier arbeitenden Widerstandsverstärker in bezug auf Verstärkungsgrad gegenüber den bis 1924 fast ausschließlich benutzten Transformationsgeräten konkurrenzfähig werden. Es war nur notwendig, eine neue Röhrentype mit ungewöhnlich kleinem so genanntem Durchgriff herauszubringen. Zu den Messungen wurde ich durch die zunächst rätselhafte Beobachtung angeregt, dass sich bei einem meiner Empfänger immer dann besonders hohe Lautstärken ergaben, wenn die Kathoden der Verstärkerröhren sehr schwach geheizt wurden, so schwach, dass sie nur ein Hundertstel der sonst gegebenen Emission haben konnten. Diese Untersuchung führte zu einer 1925 gemeinsam mit H. Heinert abgefassten wissenschaftlichen Arbeit, die wir im »Jahrbuch der drahtlosen Telegraphie und Telephonie«, der späteren »Zeitschrift für Hochfrequenztechnik«, veröffentlichten. Außerdem fanden meine Erkenntnisse ihren Niederschlag in einer Patentanmeldung, die nach einigen Jahren in der letzten Instanz, unter dem Einfluss der Gegnerschaft fast der ganzen europäischen Rundfunkindustrie, zu Fall gebracht wurde (Begründung: eigene Vorveröffentlichung). 

Meine Arbeit wurde ein großer Erfolg, weil der aus ihr resultierende Fortschritt für die damalige Rundfunkindustrie von höchster Aktualität war. Ich schlussfolgerte daraus: Es kommt darauf an, eine Aufgabe von hohem Rang scharf zu erkennen und zu einer Zeit zu lösen, da ihre Bedeutung noch nicht offensichtlich ist.

In dem zunächst auf den Empfang stärkerer Rundfunksender beschränkten Widerstands-Ortsempfänger wurden meine Arbeitsergebnisse verwertet. Gemeinsam mit Dr. Loewe konnte ich ein Jahr später dieses Gerät durch den Einbau von drei Verstärkerröhren mit ihren Kopplungsgliedern in einen einzigen Glaskolben erheblich vereinfachen.

Meine Dreifachröhre senkte die Radiopreise auf ein Drittel

Um ungestört arbeiten zu können, dehnte mein Partner seine Tätigkeit bis tief in die Nacht aus. So wurde der Entschluss zur Entwicklung und Fertigung der ersten elektronischen Mehrsystemröhre im Verlauf eines langen, nach Mitternacht geführten Telefongesprächs gefasst. Bei dieser Entscheidung ahnten wir noch nicht, welche Fülle technischer Detail- und Kontrollarbeit zu leisten war, um trotz der bei Mehrfachröhren gehäuften Fehlerwahrscheinlichkeit in der Massenfertigung die Ausschussquote niedrig zu halten. Der schließlich 1926 in den Handel gebrachte einfache Ortsempfänger dieser Bauart senkte die Preise für dreistufige Rundfunkempfänger auf dem europäischen Markt auf etwa ein Drittel. Das Gerät wurde in einer Stückzahl von mehreren Millionen abgesetzt. Lange vor dem erst 1934 kreierten »Volksempfänger« hat unsere Dreifachröhre dem Rundfunk den Weg ins Volk gebahnt. 

Mir selbst flössen aus einem Vertrag dem Absatz proportionale, erhebliche Beträge zu. Sie wurden vor allem zum Ausbau des Laboratoriums und zur Intensivierung der laufenden Arbeit verwendet.

Graf Arco
Nachdem ein Vertrag mit der Firma Loewe über die neue Empfängertype abgeschlossen war, interessierte sich auch die Großfirma Telefunken für die Konstruktion. Der technische

Direktor Graf Georg Arco suchte mich in Begleitung Dr. W. Runges, eines seiner engsten Mitarbeiter, im Laborzimmer in der Hasenheide auf. Für mich war das ein großes Ereignis, kannte ich doch schon als Junge alle erreichbaren Lebensbeschreibungen dieses fortschrittlich gesinnten Mannes in- und auswendig. Als Folge des Besuches nahm Telefunken die Fertigung meines Gerätes (Arcolette) auf. Graf Arco, unter dessen technischer Führung Telefunken zu einer Weltfirma geworden war, ist mir durch seine positive und tolerante Einstellung zu jedem technischen Fortschritt, durch die Sicherheit seines Urteils, die Originalität seiner Gedanken und seinen Charakter stets als Idealgestalt eines Leiters wesentlicher technischer Projekte erschienen.

Wie groß ist doch die Bedeutung, die den leitenden Persönlichkeiten eines Industriewerkes zukommt! Ihre Qualität beeinflusst nachhaltig das Zusammenspiel der Leitung mit dem Kollektiv der anderen Wissenschaftler und der übrigen Belegschaft und hemmt oder fördert die Entwicklung des Werkes. Von ihrer Menschenkenntnis hängt es meist ab, dass die geeigneten Mitarbeiter gefunden und an den richtigen Platz gestellt werden. Die Fähigkeiten des technischen Leiters tragen

  • zumindest unter sozialistischen Bedingungen, wo die durch Profitstreben und Konkurrenz gesetzten Schranken gefallen sind
  • entscheidend dazu bei, ob neue technische Möglichkeiten rechtzeitig erkannt und ausgenutzt werden. Die Energie und Erfahrung des verantwortlichen Leiters sind ausschlaggebend dafür, dass alle auf dem Weg liegenden Schwierigkeiten schnell überwunden werden.

Viele Jahre nach meiner ersten Begegnung mit Graf Arco hatte ich kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges das Glück, mit ihm gemeinsam einen Erholungsurlaub an der italienischen Riviera zu verbringen. Bald darauf starb er. Vielleicht sind mir gerade deshalb die abendlichen Unterhaltungen in San Remo unvergesslich. Kuriose Geschichten wusste er von dem Pionier der drahtlosen Nachrichtentechnik, dem Italiener Marconi, zu berichten. Beispielsweise: Das Ehepaar Marconi nutzte die erzwungene ländliche Einsamkeit beim Bau der englischen Großfunkstation Carnavon ernstlich und erfolgreich dazu, Gänsen das Seiltanzen auf ausgespannten Drähten beizubringen.

Graf Arco war vom Ausbruch eines neuen großen Krieges überzeugt und sagte die Zerstörung Deutschlands durch den Hitlerfaschismus voraus. Im Zusammenhang mit der seither in der Welt eingetretenen politischen Entwicklung ist es übrigens nicht uninteressant, dass dieser Mann 1929 seinen 60. Geburtstag demonstrativ in Moskau feierte.

 

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 7
MDR-Fernsehen, Sonntag 14.01.07 ab 22.00 Uhr 
14.Jan.07 03:59

Wolfgang Eckardt (D)
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Wolfgang Eckardt

Am Sonntag, 14.Jan. 2007 widmet das MDR-Fernsehen dem Wissenschaftler einen ganzen Themenabend:  

MDR FERNSEHEN
So, 14.01. | 22:00-02:00 Uhr
Manfred von Ardenne wäre am 20. Januar 100 geworden. Das MDR FERNSEHEN zeigt ihn als "Vater des Fernsehens", Mitentwickler der sowjetischen Atombombe und als Privatperson.
"Er gilt als einer der genialsten Erfinder des 20. Jahrhunderts. Als 16-Jähriger bekam er sein erstes Patent. 600 weitere folgten. Er revolutionierte die Radiotechnik und erfand das Fernsehen. Er betrieb Atomforschung für die Nazis und für die Sowjets. In der DDR führte er ein privates Institut! Am 20. Januar 1907 wurde Manfred von Ardenne geboren. Der MDR erinnert." -
 So steht es auf der Webseite des MDR - sicher sehenswerte Sendungen für den funkhistorisch interessierten Zuschauer.

Zum vorstehenden Post 6 mit dem Auszug aus Ardennes Autobiografie "Ein glückliches Leben für Technik und Forschung" (4. Aufl. 1976, S. 62) nur vorerst so viel:
Zitat: "Diese Untersuchung führte zu einer 1925 gemeinsam mit H. Heinert abgefassten wissenschaftlichen Arbeit, die wir im »Jahrbuch der drahtlosen Telegraphie und Telephonie«, der späteren »Zeitschrift für Hochfrequenztechnik«, veröffentlichten. Außerdem fanden meine Erkenntnisse ihren Niederschlag in einer Patentanmeldung, die nach einigen Jahren in der letzten Instanz, unter dem Einfluss der Gegnerschaft fast der ganzen europäischen Rundfunkindustrie, zu Fall gebracht wurde (Begründung: eigene Vorveröffentlichung). "
Ardenne selbst schreibt, dass er zwar ein Patent angemeldet habe, aber es wurde ihm nicht bestätigt - es lief also keines von ihm zu diesem Thema.
W.E.

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 8
Ardennes erstes Patent 
17.Apr.07 15:27

Wolfgang Eckardt (D)
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Wolfgang Eckardt

Immer wieder wird behauptet, dass Manfred von Ardenne sein

erstes Patent als 15/16-Jähriger zur Mehrfachröhre

erhalten hat und damit auch einen Empfänger baute. 

In den vorherigen Beiträgen wurde ja dazu einiges gesagt /geschrieben. Und im Post 7 wird ja noch einmal Ardenne zitiert, dass er ein Patent dazu angemeldet hat. Anmelden und erhalten sind aber "zwei Paar verschiedene Schuhe".

Ja, es stimmt aber, Ardenne hat als 16-Jähriger am 14. Oktober 1923 ein Patent erteilt bekommen, mit dem er sicher auch seine finanzielle Lage - wie er es ausdrückte - zur Selbständigkeit stabilisieren konnte, da es genutzt wurde. Nur - es hat mit der Mehrfachröhre überhaupt nichts zu tun!!

Hier der Titel, der gesamte Wortlaut als Anhang:

Man findet aber aus 1926 eine Reihe von Patenten, die Siegmund Loewe erteilt wurden, alle die Mehrfachröhre betreffend. Die Titel von sechs dieser Patente aus 1926 mal hier als Übersicht, eines davon auch als Anhang. (Die anderen liegen mir als Datei vor.) Man beachte bitte dabei den "Umzug" Loewes von Berlin-Friedenau nach Berlin.Steglitz.

Wenn man halt etwas recherchiert, und das ist Dank Internet sehr viel einfacher geworden, so wird man auch fündig. Dabei will ich Ardennes Leistungen überhaupt nicht schmälern, aber es sollte schon die richtige Ehrung sein, die einem Erfinder gebührt... , auch wenn sich Ardenne bezüglich dieser Röhre und seinem Anteil daran immer "recht nebulös" geäußert hat, und so indirekt (bewusst?? unbewusst??) diesen "Falschdarstellungen" Vorschub geleistet hat.!

Übrigens hat das Deutsche Historische Museum DHM (siehe Post 1) reagiert und seinen Text zur Ardenne-Biografie korrigiert. Die Mehrfachröhre ist allerdings immer nocht mit Quecksilber verspiegelt und stammt von Carl Loewe - das ist ein Komponist, der zu dieser Zeit schon lange nicht mehr lebte, denn er starb 1869 !! .....

W.E.

 

Anlagen:

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Ardenne - neue TV-Sendung 
08.Oct.10 10:22
4460 from 17096

Wolfgang Eckardt (D)
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Wolfgang Eckardt

Ich möchte alle an diesem Thema Interessierten darauf aufmerksam machen, das ein neuer Film über das Leben des Manfred von Ardenne im Fernsehen ausgestrahlt wird.
Filmautor:  André Meier,  Filmdauer: 44 Minuten.

Sonntag, 10.Okt. 2010, 20.15 Uhr im MDR

Manfred von Ardenne - Der wendige Baron

In der Vorschau des Senders ist zu diesem Porträt zu lesen:


In der DDR kannte jedes Kind seinen Namen. In der Ulbricht-Ära war Manfred von Ardenne der Vorzeigewissenschaftler des Regimes, hofiert, mit Preisen überhäuft und als Ratgeber des SED-Chefs wohlgelitten. Und auch wenn sich unter Ulbrichts Nachfolger das Verhältnis abkühlte, blieb Ardennes Sonderstellung unter der Ägide Honeckers unangetastet. Hoch über Dresden kündete Ardennes Villa auf dem Weißen Hirsch von der vermeintlichen Möglichkeit, einer genormten und reglementierten Gesellschaft zu trotzen. Kaum verwunderlich, dass sich um die anachronistische Figur des "roten Barons" bis heute eine geheimnisvolle Aura rankt. Spekuliert wurde über den Wert seiner wissenschaftlichen Arbeit ebenso wie über das Maß der Privilegien, die ihm die Mächtigen gewährten. Zu Recht sah sich Ardenne als einen der letzten Universalgelehrten. Doch so groß seine Meriten als Forscher auch sind, es bleibt die Frage, welchen Preis der Baron für die Erfüllung seiner Forscherträume in den beiden Gesellschaftssystemen, in denen er lebte und wirkte, zu zahlen bereit war.

Der Film über das Genie vom Weißen Hirsch ist der Auftakt der 12. Staffel der "Geschichte Mitteldeutschlands" an fünf Sonntagabenden im MDR FERNSEHEN. Moderator Gunter Schoß präsentiert neben Manfred von Ardenne den Märtyrer der Revolution von 1918, Karl Liebknecht, die Puppenschöpferin Käthe Kruse, den Reformator Thomas Müntzer und die Kaiserin Adelheid, die zweite Frau Ottos des Großen.


Siehe auch diesen Thread.

Wolfgang Eckardt 

 

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