1931 - Tungsram Endröhren mit Doppelsteuerung

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ID: 302027
1931 - Tungsram Endröhren mit Doppelsteuerung 
03.Nov.12 20:24
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Gerhard Eisenbarth (D)
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1931 - Tungsram Endröhren mit Doppelsteuerung

Die grundlegenden Gedanken zur unabhängigen Steuerung eines Stroms mit zwei und mehr Gittern sind seit Mitte der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts bekannt. Daraus resultierende Röhren mit Steuergitter, Raumladegitter, Schirmgitter bzw. Doppelgitter für Modulationsschaltungen (in Frankreich unter der Bezeichnung Bigrille) wurden sukkzessive entwickelt und in Serie eingesetzt. Zur Beseitigung von negativen Eigenschaften durch Sekundärelektronen erfolgte 1927 die Einführung eines weiteren Gitters und damit die Pentode. Dieses dritte Gitter wechselte mehrfach seinen Namen vom Anodenschutzgitter über Fanggitter zum Bremsgitter, welcher heute noch verwendet wird. Die manchmal unlogischen Bezeichnungen bei Röhren sind ein gesondertes Thema, mit denen wir aber zurecht kommen müssen denn wir können jetzt nachträglich daran nichts ändern.

Die Erfindung der Pentode war ein wichtiger Schritt in der Röhrentechnik. Der Weg zu einer besseren Mischröhre, die seit Einführung des Superhet-Prinzips benötigt wurde, führte dann zur Hexode, bei der zwei Steuergitter zur Mischung vorhanden sind und bei der weitere entsprechende Gitter auf festen Potentialen zur stabilen Arbeitsweise der Röhre zusätzlich notwendig sind.

Auf dem Entwicklungsweg der Röhrentechnik zur Hexode, die ja für den Hochfrequenzbereich gebraucht wurde, hat Tungsram für den NF-Bereich diese Technik aufgegriffen und sich für eine neue Steuerung, der Doppelsteuerung bei Endröhren, eingesetzt.  Zeitlich fiel dieser Schritt in die Bemühungen von Tungsram, seine Geschäftsfelder auf Europa stärker auszudehnen und dem Kartell der „Großen der Branche“  beizutreten. Eine Marketing-Strategie von Tungsram ist sicher auch damit verbunden gewesen, dass Kunden diesen neuen und verbesserten Endröhren besondere Beachtung schenken um Tungsram-Röhren den Vorzug zu geben.

Die Technik der Doppelsteuerung bei NF-Endröhren

Im Patent AT137552 von 1931 sind die Besonderheiten dieser Röhrenkonstruktion von Tungsram geschützt worden:

Patentauszug

„Patent-Anspruch:

Schaltung zur Verstärkung von elektrischen Schwingungen für die Endstufe von Radioempfänger-Apparaten mit einer Vierelektrodenröhre mit ineinander angeordneten Elektroden (Kathode, Steuerelektrode, Anode und vierte Elektrode), bei welcher die als Doppelsteuergitter ausgebildete Steuerelektrode aus einem die Kathode umgebenen inneren Gitterteil und einem diesen umgebenen und mit ihm leitend verbundenen äußeren Gitterteil besteht und zwischen diesen beiden Gitterteilen, den inneren Gitterteil umgebend, eine vierte Elektrode bildender durchbrochener Leiter angeordnet ist, welcher an einem Punkt geschaltet ist, dessen konstantes und im Vergleich zur Kathode positives Potential von den verstärkten Schwingungen unabhängig ist, dadurch gekennzeichnet, dass die vierte Elektrode an jenen Pol des in den Anodenstromkreis geschalteten induktiven Widerstands, z.B. Lautsprechers, angeschlossen ist, welcher von der Anode weiter abliegt.“

 

Bild 1: Fig. 1 und 2  aus Patent AT137552

 

Das ursächliche Ziel dieses Patents ist wie folgt beschrieben:

„Eine solche Röhre weist eine entsprechende Steilheit und einen genügend großen Anodenstrom auf, wobei mit ihr und mit der Schaltung gemäß der Erfindung einbuchtungsfreie, also verzerrungslose dynamische Charakteristiken zu erreichen sind.“

Nach meinem Verständnis soll es durch diese Art von Doppelsteuerung zu einer teilweisen Linearisierung der Kennlinie kommen. Der in Fig. 2 dargestellte gerade Kennlinienverlauf im oberen Teil der Kennlinie soll dies aufzeigen. Damit verbunden ist die Realisierung einer größeren Steilheit, die wiederum den Innenwidestand etwas reduziert, um höhere Ströme durch die Röhre leiten zu können.

Ein Hinweis gibt es im Patent bezüglich der Ausbildung der beiden parallel geschalteten Steuergitter:

„ …. und die gleichartigen Elemente mit gemeinsamen Zuführungen ausgebildet sind.“

Dieser Hinweis deutet darauf hin, dass die beiden Steuergitter gleichartig aufgebaut sein sollen. Damit ist eigentlich klar, dass ein Bremsgitter, wie es für die Funktion in Pentoden ausreichend ist, für eine Doppelsteuerung nach Tungsram nicht verwendbar ist. Mit einer herkömmlichen Pentode und herausgeführtem Bremsgitter kann die von Tungsram vorgeschlagene Doppelsteuerung nicht erreicht werden. Die Tungsram Röhren mit Doppelsteuerung müssen ein deutlich enger gewickeltes Gitter an der Position haben, an der das Bremsgitter einer Pentode normalerweise angeordnet ist.

Hier hat Wolfgang Holtmann in seinem Tread vom 6. Febr. 2008 – unter der Type APP4120 - die Sachlage zur Doppelsteuerung richtig erkannt als er mit seinen Untersuchungen an der EF8 folgende Erkenntnis gewann:

„Ein ganz anderes Verhalten lässt sich erzielen, wenn man nun das Verhältnis der Steuerwirkung der beiden Gitter zu Gunsten des g3 ändert. Also g1 nicht zu engmaschig und dafür g3 enger wickelt! Das ist meines Erachtens bei den Endröhren mit dieser Parallelschaltung von g1 & g3 so geschehen. Dass dabei eventuell auch noch das Patent auf das Bremsgitter (Philips) umgangen wurde, lasse ich mal dahingestellt. „ 

 

In einem Telefunken-Patent DRP715430 wird 7 Jahre später eine linearisierende Wirkung auf die Ia - Ug1 Kennlinie durch Doppelsteuerung bestätigt.

Patentauszug:

„Es ist bekannt, der Gitterspannungs-Anodenstrom-Kennlinie einer Verstärkerröhre dadurch einen geradlinigen Verlauf zu geben, dass man mit derselben Wechselspannung zugleich zwei negativ vorgespannte Steuergitter (1, 3) steuert, zwischen denen sich ein positiv vorgespanntes Gitter (2 - Beschleunigungsgitter) befindet. Das zwischen Anode und Beschleunigungsgitter liegende Steuergitter (3) nennt man Verteilungsgitter, da von seiner Spannung die Verteilung des von der Kathode kommenden Elektronenstroms zwischen der Anode und dem Beschleunigungsgitter abhängt. Tatsächlich erzielt man mit einer derartigen Doppelsteuerung nicht bei allen Röhren eine Geradlinigkeit. Man müsste die Röhren nämlich in besonderer Weise für diesen Zweck bemessen.“

 

Bild 2: Abb. 1 aus Patent DRP715430

Es wird in diesem Patent darauf hingewiesen, dass man die Röhre für den Zweck der Doppelsteuerung besonders bemessen muss. Nach meinem Verständnis bezieht sich dieser Hinweis auf die Gestaltung der beiden Gitter, mit denen die Doppelsteuerung vorgenommen werden soll.

Im Handbuch der Funktechnik, Band 2, Seite 8 steht zur Ergänzung des Themas folgendes zu den Tungsram-Doppelsteuerröhren:

D o p p e I s t e u e r e n d r ö h r e n.

„Diese  Endröhren  stellen  eine Sonderkonstruktion der Firma Tungsram dar und unterscheiden  sich von den Endpenthoden dadurch, daß zwischen dem Schirmgitter und der Anode liegende Fanggitter nicht  mit der Kathode, sondern mit dem Steuergitter  verbunden  ist. Hierdurch erhält  es ebenso wie dieses eine  geringe negative Vorspannung, verhindert also die Bildung  von Sekundärelektronen ebenso wie ein normales  Fanggitter,  beteiligt sich  aber gleichzeitig  an der Steuerung  des Anodenstroms und erhöht hierdurch  die resultierende Steilheit. Gleichzeitig  wird hierdurch  eine starke Herabsetzung  des inneren Röhrenwiderstandes  hervorgerufen,  die sich ihrerseits in einer besonders kleinen Frequenzabhängigkeit  äußert.“

 

Bedingt durch die stetige Fortentwickung in der Röhrentechnik konnte allgemein die Steilheit der Pentoden noch weiter gesteigert werden durch Reduzierung der Abmessungen innerhalb der Röhrensysteme und durch bessere Einhaltung der mechanischen Systemabmessungen durch verbesserte Konstruktionen. Dadurch bedingt war eine Aufbautechnik nach Tungsram  mit Doppelsteuerung nicht mehr notwendig. In den späteren Tungsram-Katalogen sind diese Typen mit Doppelsteuerung ganz verschwunden.

Die folgenden Tungsram-Endröhren-Typen sind mit Doppelsteuerung ausgestattet. Diese Typen sind im französischsprachigen Katalog von 1937 „Memento Tungsram – Et Dictionnaire de Comparaison“ aufgeführt. Gemeinsame Kennzeichnung ist das Doppel „PP“ in der Typenbezeichnung bei den Tungsram Röhren.

Typenliste:

PP230

PP415

PP416

PP430

PP431

PP2018

PP4018

PP4100

PP4101

APP495

APP4120

 

Es ist nicht sicher, ob diese Aufstellung komplett ist. Erschwerend kommt hinzu, dass unter derselben Typenbezeichnung Röhren als normale Pentode und Röhren mit Doppelsteuerung existieren. Ein von außen sichtbarer Hinweis ist eine Verbindung im Innern der jeweiligen Röhre vom dritten Gitter zur Kathode, dann handelt es sich um eine Pentode, oder eine Verbindung vom dritten Gitter zum ersten Gitter, dann handelt es sich um eine Doppelsteuerröhre.

Die technischen Daten und die Sockelschaltungen dieser Typen werde ich unter den jeweiligen Typen einstellen, soweit diese noch fehlen. Die Daten und Sockelschaltungen sind aus oben genanntem Tungsram-Katalog von 1937.

 

Werbebeispiele für diese damals neuartigen Tungsram-NF-Endröhren

Aus  „Popular Wireless“ vom Nov.  1931

„ …. PP230 …..

A new multiple grid output valve having the extremly high magnification factor of 60, consuming less mA, than a power valve.”

 

Bild 3:  Aus "Popular Wireless" vom Nov. 1931

 

Aus Schweizer Illustrierte Radio Zeitung, 1931, RMorg, Wolfram Zylka

„Tungsram „Tetraforte “ PP415, mit Doppelsteuerung

Erhöhte Verstärkung, vereinfachte Konstruktion

Das Steuergitter übt zugleich die Funktion des Anodenschutzgitters aus. Die Elektronen werden daher bei der neuen Röhre Tungsram „Tetraforte“ PP415 zweimal beeinflusst. Daher erhöhte Verstärkung durch Doppelsteuerung.“

 

Aus Tungsram Datenblatt von 1938 zur Type PP4018

„Die Ausgangsleistung der heutigen Endröhren, von welchen die Pentoden die allerwichtigsten sind, reicht bei 110-voltigen Gleichstromnetzen, bei welchen ja die Netzspannung nicht hinauftransformiert werden kann, für den lautstarken unverzerrten Empfang nicht mehr aus.

Die Radioindustrie vermisst seit langem die richtige Ausgangsröhre, welche diesem Übel abhilft; bei den heute noch stark vertretenen 110-voltigen Gleichstromnetzen ist dies nur allzu verständlich.

TUNGSRAM bringt nun die ersehnte Konstruktion, PP4018 genannt, in der Form einer indirekt geheizten Mehrgitterröhre, nach der bewährten PP-Doppelsteuerschaltung ausgeführt, heraus.“

 

Hier spricht Tungsram einen Aspekt an, der damals bei Gleichstromnetzen eine Rolle spielte. Mit Einführung von 220V Wechselspannung in den Stromnetzen entfiel dieser Aspekt.

 

Nov. 2012 - Eib

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