siemens: 63W: Skala in Blindenschrift

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siemens: 63W: Skala in Blindenschrift 
15.Jan.17 18:37
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

In "Funk" 1937, Heft 8 wird die Möglichkeit des Einbaus einer Skala mit Blindenschrift für diesen Zweikreiser beschrieben. Dieses Gerät hat eine Skala, wo die empfangbaren Sender nach Ländern (bzw. Regionen) in einzelnen "Teilskalen" aufgetragen sind. (Im Grunde eine "abgespeckte" Version der Siemens "Länderband-Skala")

Die Blindenschrift-Empfängerskala

Möglichkeit des nachträglichen Einbaus

Es ist für den Sehenden fast unmöglich, die ungeheure Bedeutung richtig abzuschätzen, die der Rundfunk für den Blinden hat. Ihm ist das Gehör zum wichtigsten Sinn geworden, und für ihn ist der Rundfunk die Brücke zur Weit und zum Leben schlechthin. Er ist ihm Zeitung, Theater und Film, er läßt ihn teilnehmen an Kunst und Kultur, an allem, was sein Volk denkt und tut.

Und doch haben die Konstrukteure der Empfänger bisher niemals an den Blinden gedacht. Sie haben ihre Geräte immer nur für Sehende gebaut, haben die Sendernamen auf die Skalen gedruckt, sie oft mit leuchtendem Farbenspiel mehr oder weniger geschickt unterteilt, um schnelles Auffinden der Bereiche und Sender zu ermöglichen. Der Blinde aber war auf das Probieren und auf sein Gedächtnis angewiesen; er zählte wohl manchmal aus, wie oft er den Abstimmknopf drehen muß, um von einem Ende der Skala auf, München oder Berlin oder Stuttgart zu kommen.

Ein großes Werk ist dem Blinden jetzt als Freund erschienen; wohl aus eigenen Erfahrungen heraus, die es bei der Beschäftigung von Kriegsblinden in bestimmten Abteilungen sammeln konnte, wurde der Zweikreis-Dreiröhren-Standard-Empfänger [63W] mit einer Blindenschrift-Skala ausgerüstet. Man wählte den mittleren Empfängertyp; beim Einkreiser lohnt sich die Auftragung einer größeren Senderzahl noch nicht recht, und das Großgerät wiederum wird von Blinden wenig benutzt. Der empfindliche Zweikreiser eignet sich für diese Umgestaltung am besten.

Erfreulicherweise ging man so vor, daß die Umstellung der Skala auf Blindenschrift an Empfängern möglich ist, die bereits ausgeliefert sind; jeder Händler kann die Umstellung in kurzer Zeit vornehmen. Der die Sendernamen umschließende elfenbeinfarbene Rahmen wird gegen einen neuen ausgewechselt, bei dem in der unteren Schräge die Blindenschriftzeichen in Form leicht erhabener Stiftchen angebracht sind; außerdem ist der Skalenzeiger gegen einen neuen auszuwechseln, der eine vorgebogene Zunge besitzt, die der Blinde zusammen mit den Schriftzeilen abtastet. Er stellt so ein, daß sich die Zunge über dem Zeichen befindet, das dem gewünschten Sender zugehört.

Die Zeichen sind in zwei Zeilen auf dem Skalenrahmen angebracht, und zwar stehen in der oberen Zeile die Anfangsbuchstaben der deutschen Sender Stuttgart, Köln, Deutschlandsender, München, Leipzig, Berlin, Hamburg, Breslau, Königsberg, Frankfurt, Nürnberg und Dresden, in der unteren die Anfangsbuchstaben der europäischen Rundfunkländer, deren Hauptsender in der betreffenden Stellung des Zeigers hörbar ist: F = Frankreich (Paris), S = Schweden (Hörby), B = Belgien (Brüssel), D = Dänemark (Kalundborg), I = Italien (Mailand), E = England (Scot. Reg.), F = Frankreich (Paris II), T = Tschechoslowakei (Prag), Ö = Österreich (Wien), U = Ungarn (Budapest). Ferner hat der Schaltknopf für die Ein- und Wellenbereichschaltung eine fühlbare Markierung in der Aus-Stellung bekommen. Im übrigen bleibt die Senderskala unverändert, so daß das Gerät auch ohne weiteres vom Sehenden zu bedienen ist.

Es ist jetzt also möglich, den Zweikreis-Dreiröhren-Standardempfänger auf Wunsch auch mit Blindenschrift-Skala zu erhalten oder ein vorhandenes Gerät nachträglich mit der Blindenschrift-Skala ausrüsten zu lassen. -dt.

Werkbilder (Siemens)

Zur Erinnerung: Das Verbot, ausländische Sender zu hören, erfolgte erst 1939 mit Beginn des 2. Weltkriegs.

MfG DR

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