Abgleich von Spulen

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Abgleich von Spulen 
29.Mar.15 15:07
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Überarbeitete Fassung aufgrund zahlreicher Rückmeldungen auf die Nachfrage nach Fotos von abgleichbaren Luftspulen, sowie Zuschriften per Mail. Allen, die sich gemeldet haben, gilt mein besonderer Dank! 


Für die Resonanz-Frequenz eines Schwingkreises gilt (für geringe Dämpfung) die bekannte Thomson'sche Schwingungs-Formel  ω = 2π·f = 1 ⁄ √L·C für die Resonanz-Frequenz.

Hat man nur einen einzigen Schwingkreis, genügt es, die Induktivität L der Spule gemäß den Bau- oder Wickel-Vorschriften auf einige Prozent genau zu realisieren. Der genaue Abgleich auf die Resonanzfrequenz geschieht dann mit Hilfe der Kapazität C, die in diesem Fall z.B. als Trimmer oder als Dreh-Kondensator ausgebildet ist.

Daher benötigt man bei Empfängern mit nur einem Schwingkreis (z.B. Audion) keine (zusätzliche) Möglichkeit, um die Induktivität der Schwingkreis-Spule auf einen exakten Wert zu "trimmen".

Man hat jedoch sehr rasch festgestellt, daß "Einkreiser" nur bedingt für den Fernempfang geeignet sind und daher eine abgestimmte HF Verstärkerstufe davor geschaltet, wodurch ein "Zweikreiser" entstand. Frühe Empfänger in dieser Art hatten dann auch zwei (von einander unabhängige) Dreh-Kondensatoren, die nach einander - oder mit beiden Händen simultan - zu bedienen waren. Das Auffinden und das Einstellen eines Senders war entsprechend schwierig, zumal zusätzlich auch noch die Rückkopplung der Audion-Stufe zu bedienen war. (Und ggf. noch die Heiz-Spannung der Audion-Röhre bei Batterie-Geräten.)

Daher entstand für die Frequenzabstimmung der Wunsch nach einer "Einknopf-Abstimmung", d.h., beide Drehkondensatoren werden simultan durch einen Drehknopf bedient. Jetzt trat aber das Problem des exakten Abgleichs der Schwingkreis-Spulen in den Vordergrund, denn nur dann, wenn für beide Schwingkreise die Werte von L und C immer exakt übereinstimmen, läßt sich eine (optimale) Einknopf-Abstimmung realisieren. 

Im Falle der Dreh-Kondensatoren wurden zwei exakt gleiche Exemplare mit ihrer Drehachse verbunden. Die Toleranzen, auch diejenigen, die durch Schalt-Kapazitäten entstehen, konnten durch "Trimmer" ausgeglichen werden. Mehrfach-Drehkondensatoren haben meistens solche Trimmer angebaut. Für die Kondensatoren ist somit der exakte Abgleich relativ einfach realisierbar.

Wie aber waren die anfänglich für HF-Spulen verwendeten "Luft"-Spulen in ihrer Indukltivität abgleichbar? Hier wären dann z.B eine halbe Windung zu entfernen, oder in einem anderen Fall noch etwas darauf zu wickeln gewesen. Das geht ja nicht so einfach, wie der Abgleich bei den Dreh-Kondensatoren.

Die nominelle Voraussetzung, daß die Induktivitäten der beiden Spulen übereinstimmen müssen, läßt sich fertigungstechnisch Prozent- bis Promille-genau realisieren. Exakten Gleichlauf der beiden Schwingkreise erhält man dann für genau eine Frequenz, während im restlichen Frequenz-Bereich (MW: 500kHz - 1,5MHz) die beiden Maxima der Resonanzkurven nicht genau deckungsgleich sind. Ist diese Verschiebung nicht sehr groß, geht der Empfang natürlich trotzdem noch, ist aber nicht optimal. Diese Erkenntnis führte auf die erste bei Zweikreisern mit Einknopf-Abstimmung angewendete Lösung des Gleichlauf-Problems.

Zusatz-Drehko

Eine sehr frühe Lösung ist die Verwendung eines kleinen Zusatzdrehkos (Differential-Drehko) zur Erlangung des Gleichlaufs,  wie hier beim Saba Oekonom 2300. (Vielen Dank an Wolfgang Bauer für das Foto per Mail.) Dieser Differential-Drehko ist links am Zweifach-Drehko angebracht und über eine koaxiale Achse unabhängig von diesem zu bedienen. Seine Statoren sind parallel zu je einem der beiden Statorpakete des Hauptdrehkos geschalten.  Damit ist ein "Ausgleich" in weiten Grenzen möglich.

Rechts neben den beiden Röhren ist der Drehko für die Rückkopplung (?) des Audions. Diese Annahme ist naheliegend, weil der benachbarte Spulentopf außer der Schwingkreisspule auch noch eine Rückkopplungs-Spule enthält. Beim Modell sind weitere Detailbilder zu sehen. (Dort sieht man, daß die Spulen für LW (weiß) orthogonal (also entkoppelt) innerhalb der Spulen für MW (grün) angebracht sind.)

 

Schwenkbares Stator-Paket

Bei einem der "Stator"-Pakete eines Zweifach-Drehkos, konnte mittels eines zusätzlich zu bedienenden Hebels das Stator-Paket etwas gedreht werden, so daß für den gewünschten Sender ein exakter Gleichlauf eingestellt werden konnte, nachdem man diesen zunächst "sub-optimal" mit Hilfe der Einknopf-Abstimmung "hereinbekommen" hatte.

Dieses Bild zeigt einen solchen Zweifach-Drehko mit einem einstellbarem (um wenige Grade schwenkbaren) Stator-Plattenpaket, wie er noch 1932 für Bastler im Katalog von Prohaska angeboten wurde. Den Drehko mit dem schwenkbaren Stator verwendete man in der HF-Vorstufe.  Es ließ sich hiermit auch die Verstimmung durch die (unterschiedlichen Längen der) Antenne beseitigen. Das gilt auch für den Zusatz-Drehko beim Saba Oekonom 2300.

In den Modelljahren 1930 - 1932 gab es von vielen Firmen Zweikreiser mit solchen Drehkondensatoren "mit Ausgleich". Für Hörer, die nur den Orts- oder Bezirks-Sender hörten, war diese Lösung des Gleichlaufs sicher völlig ausreichend. Aber es gab damals den "Sport" des "Wellen-Jägers" und für etwas ungeübtere Zeitgenossen waren die hier noch notwendigen diffizilen Einstellungen (Ausgleich, Rückkopplung) lästig. Man verlangte "absolute Einknopfabstimmung", ohne diese zusätzlichen Maßnahmen.

Die Industrie griff das auf, weil sich damit Fortschritt verband und neuer Umsatz generiert werden konnte. (Das war schon immer so und ist heute nicht anders.) In diese Zeit fiel auch der Übergang von den Batterie-Geräten zu den Geräten mit "Voll-Netz" Betrieb und den eingebauten Lautsprechern.

Wollte man aber ohne "Ausgleichs-Hebel" am Drehko auskommen, mußten folglich die HF-Spulen abgleichbar sein.

Die HF-Spulen waren damals noch weitestgehend "Luft"-Spulen, da Ferrocart-Spulen, Spulen mit Kernen aus Eisenpulver oder Ferrite noch nicht (allgemein) verfügbar waren. 

Typische Luft-Spule

Als Luft-Spulen waren Zylinder-Spulen für MW und Kreuzwickel-Spulen für LW üblich.

Hier sieht man den geöffneten Spulenbecher der 2. Stufe des Siemens Länderband 47WL. Die auf ein Pertinax-Rohr gewickelte Zylinder-Spule ist die MW-Spule, während die LW-Spule (oben, hinter dem eingebauten Koppel-C von 110pF) eine Kreuzwickel-Spule ist. (Der Gitterwiderstand 2,5MΩ für die 2. RENS1234 ist ebenfalls im Becher.)

Schirmung für Luftspulen

Bei Mehr-Kreisern müssen die Schwingkreis-Spule immer in Schirm-Becher eingebaut sein, damit keine Rückkopplung entsteht und das Gerät dann HF-Schwingungen macht, wodurch ein Empfang unmöglich wird. Eine solche (notwendige) Schirmung stellt andererseits eine Kurzschluß-Windung dar. Da aber der Koppelfaktor zwischen den Spulen und dieser Kurzschluß-Windung sehr klein ist, wirkt sich das i.W. nur als Erniedrigung des Wertes der Induktivität der Spulen aus. Da das Material des Schirmbechers aus i.a. Kupfer besteht, ist der Widerstand der "Kurzschluß-Windung" sehr klein, so daß da nur eine sehr geringe Verlustleistung entsteht. Da diese Verlustleistung vom Schwingkreis aufgebracht werden muß, erniedrigt sich dadurch dessen Güte, was zu einer breiteren und weniger überhöhten Resonanzkurve (2) führt.

Da Aluminium fast so gute Leitfähigkeit wie Kupfer hat, jedoch wesentlich billiger ist, werden Abschirmbecher auch aus Al gefertigt. Bleche aus Eisen, die noch billiger wären, eignen sich jedoch nicht, weil die Leitfähigkeit von Eisen viel geringer ist und folglich größere Verluste darin entstehen, wodurch die Güte der Resonanzkreise dann entsprechend gering wäre.

Die Abgleichmöglichkeiten für Luft-Spulen

1. Der Abgleich mittels Kurzschluß-Scheiben oder Kurzschluß-Windungen

Diese Möglichkeit wird bei den meisten Geräten angewendet, wobei konstruktive Details unterschiedlich sind. Als Beispiel wird eine Schwingkreis-Spule (s.o.) des Siemens-Länderband gewählt. Der zugehörige Abschirm-Becher hat an seiner Oberseite eine Kupfer-Scheibe, die mit Hilfe einer Gewinde-Spindel der oben liegenden LW-Spule genähert werden kann und dadurch deren Induktivität verringert, wie im nächsten Bild zu sehen ist.

Die Abgleich-Vorrichtung für die zylinderförmige MW-Spule besteht aus einer "Kurzschluß-Windung", die wieder mit einer Gewinde-Spindel von unten in die Zylinder-Spule hinein bewegt werden kann.

Hier sieht man diese Abgleich-Vorrichtung (etwas unscharf) am Boden der MW-Spule. Bei einem anderen Gerät war diese oben im Schirmbecher, was sich leichter fotografiern läßt.

In den Abgleichvorschriften derartiger Geräte (hier für den Länderband 47WL) finden sich dann Abgleich-Punkte oben und unten bei den Spulenbechern (induktiv für LW [7, 8, 9] und MW [1, 2, 3] ), sowie Abgleichpunkte an den Dreh-Kondensatoren (kapazitiv für MW [4, 5, 6]).

Die beiden nächsten Bilder zeigen die Spulenbecher des Siemens Länderband von der Ober- und der Unterseite. Die Abgleich-Spindeln sind gut zu erkennen.

Die Konstruktion der abstimmbaren Luft-Spulen unterscheidet sich etwas bei den verschiedenen Firmen, wie ein Blid vom Mende Ultra-Selektiv zeigt, jedoch ist die Gemeinsamkeit deutlich erkennbar, wie an den oben aus den Abschirmbechern heraus ragenden Gewinde-Spindeln zu sehen ist.

2. Der Abgleich durch Einkerbungen im Abschirmgehäuse

Die Erniedrigung der Induktivität einer Spule durch den Abschirmbecher ist abhängig davon, wie weit die Wand des Bechers von der Wicklung entfernt ist. Diese Methode wurde von Philips angewendet und zwar auch noch einige Zeit nachdem sich bei anderen Firmen bereits Kerne aus Eisenpulver durchgesetzt hatten. (Zunächst gab es für Kerne aus Eisenpulver weder mechanisch noch elektrisch wesentliche Vorteile; später aber schon. Aber für das "Marketing" war es vorteilhaft.) 

In "Strutt, M.J.O.: Verstärker und Empfänger, 2.A., Springer, 1951" findet man eine Darstellung von derartigen aufgeschnittenen Spulenbechern, bei denen diese Einkerbungen jeweils genau auf Höhe der Spulen zu sehen sind.

Über die Fertigungs-Methode dieser Einkerbungen findet man instruktive Fotos in einem Niederländischen Radioforum. Es gibt auch ein Patent von Philips (DRP 665 198), das die Einkerbung als solche patentiert. In diesem Patent ist als Skizze eine Konfiguration angegeben, die der zweiten Spule in Abb. 71 entspricht.

Gemäß den Fotos erfolgt der Abgleich indem das Resultat laufend überwacht wurde. Dazu waren die Spule ruhend (oben und unten) eingespannt  und das Werkzeug, das die Kerbe erzeugte, lief rotierend um. So konnte die Größe der Induktivität laufend kontrolliert werden und der Eindrück-Vorgang bei Erreichen der Soll-Induktivität gestoppt werden.

Hier sieht man ein Chassis eines Gerätes von Philips mit den für die damalige Zeit typischen ringförmigen Kerben der Filter-Töpfe.

In dem Bild vom Philips 208U sieht man, daß auch die Spulen der ZF-Kreise entsprechend abgegglichen sind. Der Abgleich der ZF-Kreise ist die weitere Anwendung der bisher beschriebenen Techniken, denn hier müssen die die beiden ZF-Schwingkreise ebenfalls auf gleiche Frequenz abgegelichen sein (und zusätzlich muß der Kopplungsfaktor zwischen den Kreisen so sein, daß die gewünschte ZF-Durchlaßkurve entsteht). [Laut Schaltbild sind die ZF-Kreise der "Ur-Philetta" 208U nicht nachträglich abgleichbar.]

Diese beiden Fotos, die Herr Holtmann dankenswerter Weise noch beisteuern konnte, zeigen die Einkerbungen auf Höhe der Spule deutlicher als dies im Bild (Abb. 71) bei Strutt zu sehen ist.

Die Methode des Abgleichs durch eine Einkerbung des Bechers erfordert eine präzise Fertigung bei den Radios, weil ein nachträglicher Abgleich der Spulen nicht möglich ist.

3. Der Abgleich mittels verschiebbarem Kurzschluß-Ring

Einen (verschiebbaren) Kurzschluß-Ring (statt einer Kurzschluß-Scheibe) verwendet Blaupunkt beim Dreikreiser LW4000. Die Schirmbecher haben dafür (versiegelte) Öffnungen.

Das Detail-Foto zeigt, daß anscheinend nur die MW-Spule abgleichbar ist. Dank an Herrn Steyer.

4. Der Abgleich durch Verformung der Spule

Diese Art eines Abgleichs beschränkt sich auf Zylinderspulen mit wenigen Windungen, wie z.B. Spulen für Kurzwelle. Ein solches Beispiel findet man im Blaupunkt 3W6 und 4W6.

5. Der Abgleich durch Kurzschluß-Scheibe und Spulenverformung

Der Abgleich einer Spule durch eine Kurzschluß-Scheibe wurde auch noch bei frühen UKW-Empfängern angewendet, wie das Beispiel des Pilot-Tuners T601 zeigt.

Die Kurzschluß-Scheibe, welche durch eine Isolierscheibe von der (relativ dicken) Spule getrennt ist und isoliert sitzt, dient hier auch noch dazu, die oberste Windung der UKW-Spule etwas zu quetschen.

6. Der Abgleich mittels Ferrit-Kernen

Der Abgleich von Spulen ist nach Einführung der Kerne aus Eisenpulver oder Ferrit heute vergleichsweise einfach geworden. Beim Abglich von Bandfiltern ist nur noch zu beachten, daß die Stellung der Kerne nicht nur den Wert der Induktivität der Spule, sondern gleichzeitig auch noch die Größe der Kopplung zum zweiten Kreis beeinflußt. Man erhält daher (pro Kreis) zwei (mögliche) Maxima, aber nur eines davon ergibt gleichzeitig auch die richtige (kritische) Kopplung. 

Vor-Selektion der Spulen

Es gibt einige Beispiele von Mehrkreisern aus dieser Zeit, die zwar Luftspulen hatten, die jedoch keinerlei Abgleichmöglichkeiten aufweisen.

Eines dieser Beispiele ist der Saba 41W.

Hier sind die Luftspulen dieses Dreikreisers ohne die Schirmbecher zu sehen. Weitere Beispiele dazu findet man im Post "Luftspulen sind vor-selektiert" .Es gibt keine Abgleichmöglichkeit für diese Spulen. Saba hat das Problem durch Vorselektion gelöst.

In der GFGF Schriftenreihe Nr. 5 "Menzel, W.: Saba, Die Produktion von 1924 - 1949" auf S. 92 bei der Beschreibung des 520W steht dazu folgende Aussage:

"Grundlage des Gleichlaufs war eine äußerst sorgfältige Fabrikation nach dem Auswahlsystem: Spulen und Drehkondensatoren wurden gemessen und je nach Wert in 10 verschiedene Gruppen eingeteilt. Durch entsprechende Paarungen wurde die erforderlich Grundgenauigkeit des Gleichlaufs erreicht."

Da die Spulen des 520W ganz ähnlich waren, gilt diese Aussage wohl auch schon für das Vorjahres-Modell 41W.

Es gibt einige Modelle auch von anderen Firmen, bei denen ebenfalls mehrere abgstimmte Kreise mit Luftspulen vorkommen und bei denen ebenfalls keine Abgleichmöglichkeiten für die Luftspulen vorhanden sind.

Beispiele hierzu sind der Vierkreiser für MW "Transatlantik" von Reico und die Eingangskreise des "Imperial 5W" von Staßfurt.

Ein Beispiel aus USA ist die Abstimm-Einheit des Sparton 930AC Equasonne. Dieses Bild hat Joe Sousa zur Verfügung gestellt. Bei diesem Gerät befindet sich das 4-Kreis-Filter vor der ersten Röhre. Die Schirmung der Spulen ist abgenommen.


Ich darf mich bei all denen bedanken, die Fotos zu abgleichbaren Luftspulen und zu den Spulen des Saba 41W beigesteuert haben.

Mein besonderer Dank gilt den Herren Hans Knoll für fachliche Diskussionen, Eckhard Kull für die Beschaffung der Patentschrift DRP 665 198 und Walter Schmidt für die Überlassung der Filter-Töpfe des Länderbandes 47WL.

MfG DR

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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Luft-Spulen ohne und mit Abgleichmöglichkeit 
09.Apr.15 16:18
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Die Frage, die sich nun stellt, ist "warum gibt es Luftspulen ohne Abgleichmöglichkeit und solche mit Abgleichmöglichkeit"?

Das hat sicher etwas damit zu tun, daß die Schwingkreis-Spulen im Laufe der Zeit immer kleiner wurden.

In "Ghirardi, A. A.: Radio Physics Course, 2nd ed. 1932, 10th impr. 1942, p. 605" findet sich ein Foto, das die Verringerung der Größen der Schwingkreis-Spulen im Zeitraum von 1923 bis 1932 zeigt.

Die Spule von 1923 (ganz links) hatte noch einen Durchmesser von 4,5" = 11,43 cm und eine Höhe von 6" = 15,24 cm. Die Spule von 1932 (ganz rechts) hatte noch einen Durchmesser von 1" = 2,54 cm und eine Höhe von ca. 2" = 5,08 cm.

Die Frage dabei ist, wie weit man die Abmessungen von Zylinderspulen (ohne HF-Eisen !) verringern kann, ohne daß dabei die erreichbare Güte Q zu gering wird.

Wie sich die Abmessungen der Schwingkreis-Spulen auf die erreichbare Güte auswirkt, wurde von Terman untersucht.  Hierzu findet sich in "Terman, F. E.: Radio Engineering, 2nd ed., 9th imp. McGraw-Hill 1937"  eine Untersuchung der Faktoren, die die Güte Q einer Spule beeinflussen.

Untersucht wurden die Auswirkungen von:

  • unterschiedlichen Drahtstärken bei gegebenen Abmessungen der Spule
  • unterschiedlicher Spulengröße bei festem Verhältnis von Länge zu Durchmesser
  • unterschiedlichem Verhältnis von Länge zu Durchmesser
  • unterschiedlicher Drahtsorte (Voll-Draht bzw. Litze) bei gleichen Abmessungen der Spule

Die Untersuchungen beziehen sich alle auf Schwingkreis-Spulen für Mittelwelle mit einer Induktivität von L = 185µH.

Unterschiedliche Drahtstärken

Die Drahtstärke wird hierbei mit der Anzahl der "Streckvorgänge" beim Ziehen des Cu-Drahtes angegeben. Eine höhere Zahl bedeutet somit einen dünneren Draht.
Der Draht No. 20 hat mehr als den sechs-fachen Querschnitt des Drahtes No. 28. Trotzdem ist bei diesem die Güte nur ca. 35% geringer.

  • Man nutze den gegebenen Raum durch entsprechende Drahtstärke möglichst voll aus.

Unterschiedliche Spulen-Größe

Das Verhältnis von Länge zu Durchmesser ist mit 0,96 hier schon optimal gewählt. Man erkennt aber, daß kleinere Spulen dünneren Draht und mehr Windungen erfordern.
Da die Induktivitäten gleich sind, ist der magnetische Fluß auch gleich, aber bei einer größeren Spule wird die Dichte des magnetischen Flusses geringer und das auch in der Nähe der Drähte, wodurch sich der Skin-Effekt reduziert.
Folglich lassen sich bei Spulen mit größeren Abmessungen auch höhere Güten erreichen.

Unterschiedliches Verhältnis von Länge zu Durchmesser

Aus Fig. 20 geht hervor, daß für Zylinderspulen die optimale Form diejenige ist, wenn die Länge der Spule und der Durchmesser der Spule gleich groß sind.

Die Spule mit dem kleinsten Durchmesser bei diesen Untersuchen hat immer noch 1,5" = 3,81cm. Aus Fig. 19 kann (mit etwas Vorsicht) extrapoliert werden, daß eine Spule mit 1" = 2,54 cm gerade noch ca. Q = 100 erreicht.

Voll-Draht zu Litzen-Draht

Als Ausweg bietet sich an, den Voll-Draht durch Litzen-Draht zu ersetzen.

Damit war der Weg gefunden, wie die Spulengröße (von Zylinderspulen) weiter reduziert werden konnte.

[Anmerkung: Der 96-38 Litzen-Draht konnte offenbar den Skin-Effekt nicht ganz beseitigen. Aus der Berechnung der Güte Q = ωL/R müßte sich ansonsten ein wesentlich höherer Wert von ca. 1606 (!) für das Maximum ergeben.]

Nun ergab sich aber ein fertigungstechnisches Problem:

  • Während sich Cu-L Volldraht sehr präzise wickeln läßt, weil der Drahtdurchmesser gleichmäßig ist, ist eine Wicklung mit Litzen-Draht nicht mehr so gleichmäßig herstellbar. Das liegt einfach daran, daß die Litze infolge der Verdrillung ungleichmäßig rund ist.
  • Wenn aber eine Wicklung mit Litze sich nicht mechanisch exakt gleich herstellen läßt, gibt es auch Unterschiede in der erreichten Induktivität.
  • Folglich benötigen Zylinderspulen, die mit Litzen-Draht hergestellt wurden
    entweder eine Abgleich-Möglichkeit, wie z.B. eine verschiebbare Kurzschluß-Platte (oder einen Kurzschluß-Ring) aus Cu bzw. Einkerbungungen im Schirmbecher —
    oder aber es ist eine Vor-Selektion der Spulen erforderlich, wie sie bei einigen Geräten von Saba angewendet wurde.
  • Für Kreuzwickel-Spulen gelten entsprechende Überlegungen.

Man findet Abgleichmöglichkeiten für Luft-Spulen daher offensichtlich nur bei solchen Spulen, die aus Litzen-Draht hergestellt sind.

MfG DR

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Induktivitäts-Verminderung durch Schirmung 
19.Feb.16 12:08
2520 from 13878

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Bei den Spulen von Philips (Post #1 Absatz 2) wurde die Größe der Induktivität mit Hilfe von Einkerbungen des Schirmbechers abgegelichen.

Ganz allgemein gilt nämlich, daß ein Schirmbecher die Größe der Induktivität einer Spule vermindert. Im "Refererenc Data Book for Radio Engineers" kann man dazu folgende Kurverschaar finden, die für eine Zylinderspule (ohne Eisenkern) gilt.

Die Kurven zeigen, daß die Abnahme der Induktivität infolge der Schirmung umso größer ist

  • je dichter die Spule an der Schirmung ist und
  • je länger die Spule ist im Verhältnis zu ihrem Durchmesser.

Als Schirmbecher ist dabei ein verlustarmes Material (Cu, Al) vorausgesetzt. Hat der Schirmbecher eine geringe Leitfähigkeit, treten in diesem Ohm'sche Verluste auf. Durch die dadurch der Spule entzogene Energie vermindert sich folglich die Güte der (geschirmten) Spule.

MfG DR

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Vorselektierte Spulen beim Stassfurt Junior 
11.Feb.18 13:29
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Der Staßfurt "Imperial Junior" als früher Superhet hatte "Luftspulen", die entsprechend (zu Saba in Post #1) vorsortiert werden mußten. Die Lösung dieses Problems erfolgte bei Staßfurt in der Weise, daß alle Spulentöpfe über 5 polige Europa-Sockel steckbar waren.

Der Spulentopf rechts unten (Kennzeichnung "Sp 4") ist als Beispiel aus seiner Fassung gezogen und "über Kopf" dahinter aufgestellt.

Die von Staßfurt gewählte Methode der Vorsortierung erscheint kostenträchtiger zu sein, als z.B. die von Saba angewendete. Jedoch führte die praktische Umsetzung zum damaligen Zeitpunkt sicherlich schneller zum Ziel, als erste deutsche Radio-Firma einen Super auf den Markt zu bringen.

Beim "Nachfolger-Modell" Imperial 5W sind die Spulentöpfe (jetzt aus Al) festgeschraubt.

MfG DR

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