aeg: Bg; Neutrodyn

ID: 380383
aeg: Bg; Neutrodyn 
19.Jun.15 18:09
108

Michael Lang (D)
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Michael Lang

Guten Tag in die Runde,

ich konnte vor kurzer Zeit einen "Bg" für meine Sammlung erwerben und stehe bei den Restaurationsarbeiten kurz vor dem Abschluß. Detaillierte Bilder des Innenlebens werde ich in Kürze hochladen.

Den Schaltplan für dieses Gerät habe ich im "Hilfsbuch für den Funkhändler", herausgegeben von der AEG (Jhrg. 1936) gefunden und mit dem mir vorliegenden Gerät abgeglichen. Hierbei konnte ich feststellen, daß es beim Anschluß der beiden Neutrodyn-Kondensatoren und des Gitterableitwiderstandes im Audion einen Unterschied zu der (rund 11 Jahre später) veröffentlichten Schaltung gibt.

Die Substanz des mir vorliegenden AEG ist so gut, daß ich Basteleien hier ausschließen kann. Die Differenzen habe ich in das Schaltbild eingetragen und als Abweichungen deutlich gemacht.

Bei meinem Gerät fällt auf, daß die Schutzkappen der Röhren fehlen. Stattdessen sind die Öffnungen ein wenig aufgebohrt, damit die etwas dickeren Kolben der späteren Röhrentypen hineinpassen. Rückseitig lassen sich die Befestigungen der Kappen noch erkennen.

Mein Gerät ist mit Telefunken-Sockeln ausgestattet und hat als Bestückung 4x RE 064t und 1x RE 154t.

Weitere Bilder folgen in Kürze.

Herzliche Grüße

M. Lang

 

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Verbesserung während des Modelljahres? 
20.Jun.15 16:40
108 from 3279

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Es erscheint denkbar, daß das Modell während der Saison 1925 modifiziert wurde. Im Folgejahr gab es das Modell "Neutrodynempfänger Geadyn", bei dem die Neutralisierungs-Spannung an der Primärwicklung der HF-Übertrager abgegeriffen wurde. Damit diese Spannung aber in Gegenphase zu derjenigen direkt an der Anode wird, müssen die Primärwicklungen die Anodenspannung über eine Anzapfung erhalten. Das "untere" Ende der Primärwicklung gibt dann die gegenphasige Spannung, die zur Neutralisierung der Anoden-Gitter-Rückwirkung der Röhren verwendet werden kann.

Wie man sieht, ist hier auch der Gitter-Ableitwiderstand (17) der Audion-Stufe direkt zum Heizfaden geführt - entsprechend zu Ihrer Untersuchung.

Bitte überprüfen Sie aber nochmal die Schaltung Ihres Gerätes bezüglich des Anschlusses des Neutodon-Kondensators. Denn so, wie Sie die Änderungen eingetragen haben, würde das unweigerlich zu wilden Schwingungen bzw. zur Instabilität des Empfängers führen.


Noch eine Bitte zu Schaltplänen:
Diese bitte immer als .png Dateien - nicht als .jpg Dateien speichern. JEPEG ist nicht in der Lage Linien sauber wiederzugeben, wenn stark komprimiert werden muß. 
Dann sollten Schaltpläne immer s/w mit max. 2 Zwischentönen (4 "Farben") gespeichert werden.

Das Schaltbild hier hat 11kB, während die jpg Schaltbilder auf ca. 45kB kommen


MfG DR

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Es kann auch anders sein. 
20.Jun.15 17:26
122 from 3279

Hans M. Knoll (D)
Redakteur
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Hans M. Knoll

Hallo Herr Rudolph, hallo Herr Lang.

Da gab es auch einst einen harten Fight gegen mich,wo  ich letzendlich recht hatte.

Sie hatten das auch bestaetigt.

Das kann eventuell auch hier der Fall sein.

Gruss Knoll 

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Neutralisation als "Brückenschaltung" 
20.Jun.15 19:39
167 from 3279

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Die Neutralisation erfolgt (elektrisch) in einer Brückenschaltung, bei der die beiden Brückenzweige abgegelichen sein müssen. 

Diesen Abgleich kann man sich in einem (mechanischen) Modell wie bei einer Balkenwaage vorstellen. Die kommt zum "Abgleich", wenn beide Waagschalen gleiche Gewichte haben. Ist nun links (A) schwerer, muß man rechts (B) etwas "nachfüllen" - und umgekehrt genau so. Wie groß die Gewichte absolut genommen sind, spielt dabei keine Rolle - so lange die Waage das aushält. 

Bei der Brückenschaltung für eine Neutralisation ist es in der Regel so, daß die Rückwirkungskapazität in der Röhre (Triode) zwischen Anode und Gitter überwiegt. (Waagschale A ist zu schwer.) Dann muß über den Neutrodon-Kondensator eine gegenphasige Spannung eingespeist werden, damit sich die Wirkungen gegenseitig aufheben. Das entspricht dem Schaltbild im "Geadyn".

Nun gibt es aber (vereinzelte) Fälle, bei denen aufgrund des Aufbaus (also, wie die Bauelemente im Gerät angeordnet sind) bereits zu viel gegenphasige Spannung zurückgeführt wird. (Waagschale B ist zu schwer.) Dann muß in der Tat die (ansonsten ungünstige) Rückwirkung zwischen Anode und Gitter so weit vergrößert werden, bis das Brücken-Gleichgewicht wieder hergestellt ist. Das entspricht dem von Ihnen modifizierten Schaltbild.

Herr Knoll weist zu Recht auf diesen (selteneren) Fall hin. Aber, da es sich beim "AEG Bg" um ein frühes Modell handelt, könnte dieser Fall hier tatsächlich auch zutreffen.

Daher ist es spannend aufgrund einer Überprüfung der Schaltung von Ihnen zu erfahren, welcher Fall von Neutralisation hier tatsächlich vorliegt.

MfG DR

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...nochmals nachgesehene original-Schaltung 
20.Jun.15 22:25
200 from 3279

Michael Lang (D)
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Michael Lang

Lieber Herr Rudolph,

haben Sie vielen Dank für Ihren Hinweis. Ich habe die Schaltung tatsächlich nochmals nachgesehen und festgestellt, daß ich einen Fehler in dem modifizierten Schaltbild eingebaut hatte (hierfür bitte ich um Nachsicht sowie gerechte und harte Bestrafung ... ;-)).

Die Neutrodynkondensatoren gehen nicht direkt auf die Anode der jeweiligen Röhre, sondern auf die (wenn ich das mal so nennen darf) ´abgewandte` Seite der Koppelspule. Ein überarbeitetes Schaltbild (diesmal auch als .png-Datei) füge ich hier ein:

Allerdings verbleibt es dabei, daß sich die im original AEG-Buch veröffentlichte Schaltung, wonach es in der Gitterspule der folgenden Stufe eine Mittelanzapfung gibt, die mit den Neutros verbunden ist, in meinem Gerät nicht findet. Dies läßt sich auf einem meiner Bilder auch recht gut erkennen, wo die Gitterspulen gut erkennbar sind und nur die erste eine Anzapfung aufweist (soweit auch dem Schaltbild entsprechend).

Da ich auch den "AEG Geadyn", also das von Ihnen angesprochene Nachfolgemodell des "Bg", besitze, kann ich bestätigen, daß die Aufschaltung der Neutrodyn-Kondensatoren dort anders (und zwar Ihrem Schaltbild entsprechend) gelöst wurde. Nebenbei bemerkt sind die Neutros im "Geadyn" auch regelbar - und zwar durch ein kleines Loch im Gehäuse (vor dem Antennenkasten), durch welches man dann mit einem Schraubendreher die Anpassung verändern kann. Ein Detailfoto eines dieser regelbaren Neutrodyn-Kondensatoren in meinem Gerät habe ich dort hochgeladen.

Mein Gerät arbeitet übrigens gut und trennscharf bereits mit einer Anodenspannung von nur 45 Volt, neigt aber gelegentlich (ich werde das noch weiteren Testläufen unterziehen) tatsächlich zu der ein oder anderen wilden Schwingung, die wie eine Rückkopplung klingt, die das Gerät aber ja gar nicht hat. Bislang habe ich das auf unterschiedliche Antennenlängen zurückgeführt - ich wollte einfach testen, wie selektiv das Gerät arbeitet (noch dazu in den ´doofen` Sommermonaten mit eher bescheidenen MW-Reichweiten).

Herzliche Grüße aus Köln
Michael M. Lang

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Was Theorie und Praxis scheidet... 
26.Jun.15 11:41
358 from 3279

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Eine Überprüfung anhand nur der Bilder beim Modell, kann die Richtigkeit des modifizierten Schaltplans in Bezug auf die Neutralisation nicht bestätigen. Aufrund der Fotos alleine kann nicht erkannt werden, an welche Spulen-Teile die Verbindungen der an den Spule angebrachten Lötösen tatsächlich führen. Das läßt sich nur klären, indem entsprechende Messungen durchgeführt werden.

Das originale AEG Schaltbild des "B" sieht so aus - stimmt (möglicherweise) aber leider nicht:

Tasächlich gilt (höchst wahrscheinlich) das Schaltbild, wie es beim "Geadyn" angegeben ist. Der physikalische Grund dafür ist die Spannungs-Überhöhung durch die Resonanz-Kreise einerseits und die Phasendrehungen, die sich infolge der magnetischen Kopplung von den jeweilgen Anoden-Spulen zu den Gitter-Spulen ergeben.

Folglich ist das vermutlich richtige Schaltbild somit dasjenige, das 1926 beim "Geadyn" gezeigt wird.

 

Da hier die Anzapfungen in den Anoden-Spulen erfolgen, ist die ergibt die Messung mit einem (normalen) Ohm-Meter praktisch einen Kurzschluß zwischen dem unteren Ende der Anodenspule (und damit des einen Endes des jeweilgen Neutrodons) und der "+" Anoden-Leitung.

Damit wird die (fehlerhafte) Interpretation plausibel, wonach die Neutrodons direkt jeweils an der "+" Leitung angeschlossen wären, wie es das "modifizierte" Schaltbild zeigt:

Gemäß diesem (modifizierten) Schaltbild wären die beiden Neutrodons (31) mit den "unteren" Enden der Primärspulen (10) bzw. (14) verbunden. Das macht weder theoretisch noch praktisch Sinn, weil die beiden Enden direkt mit einander und mit der + Anodenspannungsleitung verbunden sind. Damit lägen die Neutrodons nur parallel zu den Drehkos für die Abstimmung, weil die Anodenspannung Wechelstom-mäßig (z.B. über die Batterie) auf Masse liegt. Gemäß Schaltbild ist das keine Brückenschaltung, wie sie für eine Neutralisierung notwendig ist.

Aus Bildern alleine auf eine Beschaltung zu schließen ist leider unmöglich und führt leicht zu Fehlschlüssen.

Die Reihenfolge der (unter dem magischen Winkel) angeordneten Spulen ist von links nach rechts: Audionkreis, Zwischenkreis, Antennenkreis.

Die Spulen von Audion-Kreis und Zwischen-Kreis bestehen jeweils aus zwei konzentrischen Papp-Zylindern für Primär- und Sekundär-Spule. Dagegen gibt es für den Eingangs-Kreis nur einen Papp-Zylinder, weil es da auch nur eine Spule gibt. Wie die Anschlüsse der jeweilgen Spulen sind, läßt sich aus den Fotos nicht eindeutig erkennen.

Genau hinten zwischen den Spulen von Audionkreis und Zwischenkreis ist das Röhrchen des Neutrodons der Zwischenkreisstufe zu erkennen. Es hat in der Mitte eine Lötlasche und der daran angelötete Draht geht innen durch die Audion-Spule an eine da deutlich erkennbare Lötöse. Von der führt ein kurzes Drahtstück nach vorne auf eine weitere Lötöse, an der u.a. eine Leitung angelötet ist, die (anscheinend) unmittelbar zu der entsprechenden Stelle des Zwischenkreises führt. Auch in der Zwischenkreisspule ist der Draht zu sehen, der (schräg nach hinten) zum Neutrodon der Eingangsstufe führt.

Also anscheinend keine Brückenschaltung zur Neutralisierung, wie die Theorie es erfordert? Aber man sollte den "Altvorderen" nicht unterstellen, daß sie das nicht gewußt hätten! Denn Brückenschaltungen sind Standard z.B. in der Meßtechnik, aber auch beim Telephon.

Im AEG Hilfsbuch dür den Funkhändler wird das gerade anhand des Bg dargestellt.

Was läßt sich aus den Bildern des Aufbaus erkennen?

Hier sieht man die "großzügige" Leitungsführung in dem Gerät zwischen den Spulen, den beiden Neutrodons und den Fassungen für die Röhren. Die Anordnung der Spulen gemäß dem "magischen Winkel" ergab eine weitestgehende Entkopplung der einzelnen Kreise und der "Rest" wurde mit Hilfe der Neutrodon-Brücke kompensiert. Die Röhren, die damals verfügbar waren, erbrachten eine geringere Verstärkung, so daß die realisierten Maßnahmen genügten.

Man hatte damals noch nicht so viel Erfahrung. Und viele der frühen Entwickler kamen entweder aus der Starkstromtechnik oder aus der Telefontechnik. Und da spielten einige Zentimeter mehr an Länge keine Rolle. Auch wurde noch vielfach Wert gelegt auf exakt rechtwinklige Kabelführung und "Kabelbäume".

Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang an ein entsprechendes Gerät aus dieser Zeit von Siemens, das Neutrogerät Rfe12..

Schaut man dessen Innenaufbau an, so sieht man ein noch unübersichtlicheres "Drahtgewirr".

Bei diesem Gerät ergaben sich auch Zweifel daran, ob dies ein "Neutrodyn-Gerät" sein kann. Der Grund war hier, daß der Neutrodon-Kondensator so angeschlossen ist, daß er die Rückwirkungskapazität der HF-Röhre noch erhöht! Das sieht paradox aus. Jedoch, es konnte gezeigt werden, daß hier trotzdem eine Brückenschaltung realisiert ist, weil aufgrund des Schaltungsaufbaus und der dadurch entstandenen Schaltkapazitäten bereits so viel gegenphasige Spannung rückgekoppelt wird, daß es zur Neutralisation notwendig ist, die Rückwirkungs-Kapazität zwischen Anode und Gitter der HF-Röhre (mit Hilfe des Neutrodons) so weit zu erhöhen bis die Brücke abgegelichen ist.

  • Auch hier kann man mit Sicherheit davon ausgehen, daß den Entwicklern die Notwendigkeit einer Brückenschaltung zur Neutralisation bekannt war.

Das Foto der Spulen zeigt bei der Eingangsspule eine Anzapfung für die Antenne, aber bei der Zwischenkreis-Spule sieht man eine schmale Lücke in der Wicklung, die darauf hindeutet, daß  die "normale" Schaltung für die Neutralisierung realisiert wurde.

Im Unterschied zum Siemens Neutro RFE12 wurde beim AEG "B" bzw. "BG" ganz anscheinend "normal" neutralisiert, auch wenn die reine Inspektion der Fotos dies nicht eindeutig erkennen läßt.

MfG DR

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Neutralisations-Brücke in der Radiotechnik 
26.Jun.15 19:22
420 from 3279

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Um Zweifeln zu begegnen, wonach die Neutrodyne-Schaltungen zum damaligen Zeitpunkt in D noch nicht bekannt gewesen sein könnten, seien hier als Beispiele zwei (von 6) Schaltungen aus dem damals sehr bekannten Fachbuch "Lübben, Carl: Röhren-Empfangsschaltungen für die Radiotechnik, Meusser, Berlin, 1925" zitiert.

Informationen, die wie hier in Lehrbüchern erscheinen, sind den Fachleuten bereits aus zuvor erschienenen Fachartikeln bekannt. Die Theorie war somit bekannt....

MfG DR

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