Blockkondensatoren regenerieren

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Blockkondensatoren regenerieren 
20.Aug.10 18:53
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Rüdiger Walz (D)
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Rüdiger Walz

Einleitung

Die nachfolgende Beschreibung beruht auf einem der vielen Bastelratgeber der Nachkriegszeit. Es soll sich um ein Rezept handeln, das auch bei der Deutschen Bundespost in den 40er Jahren verwendet wurde, um unbrauchbare Blockkondensatoren wieder zu regenerieren. Die Literaturstelle ist mir leider nicht mehr gegenwärtig.
Sie werden sehen, dass es ein sehr umständliches Rezept ist, was auch eine eigene Werkstatt erfordert. Es folgt der ursprünglichen Produktion der Kondensatoren. Aufgrund des fortschreitenden Alters der Kondensatoren vermute ich, dass es immer weniger erfolgreich sein wird und kann seine Anwendung eigentlich nicht mehr empfehlen.
Voraussetzung
Der zu regenerierende Blockkondensator darf nicht aufgequollen sein,  sein Gehäuse muss also intakt sein. Er darf keine Kurzschlüsse aufweisen, lediglich die Leckströme dürfen zu hoch sein.
Die Blockkondensatoren in den Geräten der 30er und 40 Jahre bestehen aus Metallgehäusen, in die einer oder mehrere Wickel aus Aluminiumfolie mit Papierisolation eingebaut sind. Das Papier ist mit Paraffin getränkt und der Kondensator  mit Teermasse vergossen. Aus der Teermasse ragen die Anschlüsse direkt heraus oder er hat noch einen Deckel aus Pertinax mit Lötösen.
Unser Beispiel hier (Bild: Block-vor-rest) stammt aus einem Loewe Gildemeister (Restaurationsbericht siehe dort). Die Leckströme betrugen bei 300 V bei den kleineren Kondensatoren ca. 60-100 µA und beim Netzteilkondensator von 3,5 µF ca. 1mA. Damit ist er für den Kurzzeitbetrieb ansich noch geeignet (gerade an der Grenze), aber man sieht, dass durch Erwärmung bereits Teer und Paraffin ausgetreten waren. Daher beschloss ich, an diesem Exemplar das Regenerierverfahren zu demonstrieren.
Hintergrund
Paraffin kann im Laufe der Zeit Wasser aufnehmen und Papier kann sich unter elektrischer und thermischer Belastung zersetzen. Das führt zu erhöhten Leckströmen im Kondensator, die wiederum zu stärkerer Erwärmung führen, die wiederum zu stärkerer Zersetzung des Papiers führt usw. usw.. Im Extremfall schlägt der Kondensator durch und weist einen Kurzschluss auf. Dann kann man auch nicht mehr nach dem beschriebenen Verfahren regenerieren und muss den Kondensator aushöhlen und neue Kondensatoren einbauen oder neue Kondensatoren außen verstecken. Oft geht die Wasseraufnahme und Zersetzung mit Volumenzunahme einher, wodurch der Kondensator aufplatzen kann.
Vorgehen
In diesem Fall musste noch eine Widerstandseinheit abmontiert werden. Dann wurden die Anschlüsse der Einzelkondensatoren von den Lötösen abgelötet. Oft ist der Pertinaxdeckel mit kleinen Laschen befestigt, in diesem Fall war er einfach durch die Teermasse fixiert. Der Deckel wurde abgehoben und die Teermasse mit der Heißluftpistole erweicht und vorsichtig mit einem Schraubenzieher oder Malerspachtel entfernt. Dabei dürfen die Anschlüsse und die Kondensatorwickel nicht beschädigt werden. (Bild: Block-ohne-Deckel-und-Teer) Es bleiben meist noch Reste des Teers im Kondensator, die später das Paraffin schwarz färben, was aber nicht weiter stört.
Für das Auskochen des Wassers aus dem Kondensator habe ich einfach einen alten Kochtopf und eine billige Kochplatte verwendet ( Bild: Block-Auskochapparatur). Man sollte eine Einrichtung zur Kontrolle der Temperatur haben. Es muss nicht unbedingt wie in meinem Fall ein nostalgischer Fallbügelregler der chemischen Industrie aus den 50er Jahren sein.
Das Paraffinwachs (Schmelzpunkt ca. 60 °C) wird langsam auf 80 °C erhitzt. Das muss langsam geschehen, da sich Paraffin beim Erhitzen ausdehnt. Heizt man zu schnell, schmilzt das Paraffin am Boden, kann sich aufgrund der noch harten Deckschicht nicht ausdehnen und verbeult den Kochtopf. Im Topf befindet sich ein Einsatz für Dampfnudeln, damit der Kondensator nicht auf dem heißen Topfboden steht, was seine Lackierung beschädigen könnte.
Der Block wird nun in das geschmolzene Paraffin gegeben und langsam auf maximal 140 °C aufgeheizt. Jetzt tritt Wasserdampf aus, was man gut beobachten kann. (Bild: Block-kocht) Höher als 140 °C sollte man nicht erhitzen, da sich ansonsten das Papier zersetzt. Nach 20 Minuten ging in unserem Beispiel die Dampfbildung zurück. Die Kochplatte wurde ausgeschaltet und bei ca. 80 °C der Block aus dem Paraffinbad herausgenommen. Nach Erkalten wurde mit der Heißluftpistole überschüssiges Paraffin verflüssigt und abgegossen, damit wieder Platz für die Teervergußmasse entstand. (Bild: Block-nach-auskochen)
In einer Porzellanschale wurde die Teermasse mit der Heizluftpistole erwärmt und in den Block gegossen. Hierzu habe ich im Laufe der Jahre Teermasse von aufgeplatzten, defekten Kondensatoren gesammelt. Ich benutze sie auch zum Vergießen kleiner Rollkondensatoren, die im Innern mit neuen Kondensatoren versehen wurden.
Bevor die Masse erkaltete wurde der Deckel wieder aufgesetzt. (Bild: Block-vergossen) und anschließend die Anschlüsse wieder angelötet. Der Block sieht nun wieder sehr gut aus. (Bild: Block-nach-rest). Die Leckströme sind jedoch nicht ganz zufriedenstellend. < 10-20 µA bei den kleinen Kondensatoren, ca. 300 µA beim 3,5 µF Netzteilkondensator.
Ich habe das Verfahren im Laufe der letzten 25 Jahre ca. siebenmal angewendet. Ich muss allerdings feststellen, dass bei den letzten Beispielen die Verbesserung der Leckströme nicht so groß war wie früher, natürlich ist die geringe Anzahl nicht repräsentativ. Ich habe sogar auf diese Art schon einmal Rollkondensatoren regeneriert.
Schluß
Für das Verfahren ist eine separate Werkstatt angebracht. Heißes Paraffin und vor allem Teer entwickeln unangenehme Gerüche, für eine gute Durchlüftung ist zu sorgen. Heißes Paraffin nie unbeaufsichtigt erhitzen, es kann sich bei Überhitzung wie heißes Öl entzünden und muss in diesem Fall genauso mit einem aufgelegten Deckel gelöscht werden. Niemals Wasser benutzen !
Mein Ziel war es dieses exotische Restaurationsverfahren hier zu dokumentieren, bevor es aufgrund des Alters der Kondensatoren nicht mehr sinnvoll ist.
Rüdiger Walz
 

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