Buch 'Rundfunk für Jedermann'

ID: 327592
Dieser Artikel betrifft das Buch: Zur Literatur

Buch 'Rundfunk für Jedermann' 
20.Aug.13 08:48
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Martin Steyer (D)
Redakteur
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Martin Steyer

Ab und zu wird bei ebay dieses Buch angeboten. Autor ist ein Heinrich Kluth-Nauen, Peter J. Oestergaard-Verlag, Berlin 1925. Nach eigenen Angaben ein "Buch aus der Praxis für die Praxis".

Abgesehen davon, daß das Buch nur so von Ungereimtheiten strotzt, bedauere ich die Leser, die sich seinerzeit über "Radio" Kenntnisse aneignen wollten. Als Beispiel nur eine Schaltung:

Die anodenstromlose Ankopplung über einen Kondensator ist schon mehr als grenzwertig. Offenbar hatte der Autor keinerlei Ahnung wovon er schreibt.

Ein weiteres Beispiel ist die "Cockaday-Schaltung" mit Festkondensatoren, mit der ein Leser sicherlich überhaupt nichts anfangen konnte (der Autor wohl auch nicht!):

Man beachte den Widerstand "4 Mikroohm" und den in der Luft hängenden Gitterschwingkreis!

Da sind Autor und Verlag wohl seinerzeit ohne Fachkenntnis auf den "Radio-Boom" aufgesprungen, der Umsatz versprach.

Fazit: Als Kuriosität heute ein Buch zum Schmunzeln, damals eine Katastrophe!

M.S.

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Weitere zeitgenössische Kuriositäten in Büchern 
20.Aug.13 11:03
64 from 8596

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Bei den frühen Röhrenschaltungen gab es tatsächlich so einige, die keinen Gitterableitwiderstand hatten, also das Gitter nur über einen Kondensator angeschlossen war - und damit nach heutigen Maßstäben "in der Luft hing". Allerdings hat das wohl mit den damaligen "weichen" Röhren, also mit schlechtem Vakuum,  durchaus (so leidlich) funktioniert, wenigstens bei De Forest.

Beispiele dazu finden sich in dem bekannteren Buch von Nesper "Der Radio-Amateur 'Broadcasting' " von 1923 - 1925, das immerhin im Springer-Verlag in 6 Auflagen erschien.

Wenn schon die Gitter in der Luft hängen, kommt es auf den Schwingkreis b-d auch nicht an. Der darf dann auch in der Luft hängen. Und die Rückkopplung zum Eingangskreis kann getrost über den Kopfhörer und die damit verbundene (nicht definierte und schwankende) Kapazität des Hörers geführt werden.

Wie man aus diesem Beispiel sieht, waren damals auch Bücher "berühmter" Autoren voll von Fehlern, die den "Radio-Amateur", der einen Nachbau versuchte, zur Verzeiflung bringen konnten.

Wenn nun im Buch von Kluth-Nauen "Rundfunk für Jedermann"  die Anoden der Röhren nur über Kondensatoren angeschlosssen waren, zeugt das vielleicht von einer gewissen "Virtuosität" des Autors, gemäß dem "Schluß von n auf n+1" (vollständige Induktion in der Mathematik): wenn bei Nesper die Schaltungen funktionieren, wenn das Gitter nur über einen Kondensator angeschlossen ist, ja dann funktionieren die Schaltungen von Kluth-Nauen auch, wenn hier die Anode nur über einen Kondesator angeschlossen wird. Aber immerhin scheint der Autor erkannt zu haben, daß das Gitter einen Ableitwiderstand braucht. (Mikro oder Mega: klingt doch ganz ähnlich!)

Jedenfalls eins kann man sicher sagen: geschwungen hat so eine Schaltung wenigstens nicht!

MfG DR

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Heinrich Kluth und andere Kuriositäten 
22.Aug.13 20:50
299 from 8596

Nikolaus Löwe (D)
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Nikolaus Löwe

Der Autor des "Fachbuches" hieß wohl nur Heinrich Kluth, der Zusatz "Nauen" soll wohl eine Ortsangabe mit Verweis auf die damals sehr bekannte Großsendestelle Nauen bei Berlin sein. Die Deutsche Nationalbibliothek fürt das angesprochene Buch jedenfalls nur mit dem Namen Kluth.

Andere Veröffentlichungen von ihm erschienen ebenfalls nur unter dem Namen Heinrich Kluth, so z.B. "Das plastische Hörbild im Rundfunk" (1926), sowie "Jeder sein eigener Schallplattenfabrikant" (1932). Weitere rundfunkbezogene Bücher hat er nicht geschrieben. Er gehört also tatsächlich eher zu den Apogryphen, die ohne tiefere Sachkenntnis auf den Zug aufgesprungen sind, und Rundfunkliteratur schreiben wollten.

Genau das kann man von Nesper nicht behaupten, der war wirklich ein Fachmann. Er hat über ein funktechnisches Thema dissertiert, über 30 Bücher unter eigenem Namen veröffentlicht, und mehrere teils wichtige Zeitschriften mit herausgegeben (z.B. Der Radio-Amateur, Jahrbuch der drahtlosen Telegraphie und Telephonie). Hier ist es wohl eher ein Problem des Lektorates.

Fehlerhafte Schaltpläne sind leider nicht allzu selten. Ein einseitig offener Schwingkreis ist aber teils auch absichtlich verwendet worden, um eine sehr lose kapazitive Kopplung herzustellen. Ich erinnere mich an einen Detektor-Schaltplan, wo zwei Spulen übereinander gewickelt waren, von denen eine offen endete - wenn ich es wiederfinde, poste ich ein Bild.

Auch die Patentliteratur ist voller solcher Kuriositäten, denn patentiert wird ein neuartiger Gedanke, kein funktionierender Prototyp. Ein Beispiel: Mahlon Loomis' US-Patent 129,971 von 1872, in dem er zwischen zwei hohen Antennen per Gleichstrom Botschaften austauschen wollte. Immerhin hat er damit deutlich vor den Hertzschen Entdeckungen den Gedanken der Antenne vorweggenommen. Auch schön: DRP373979 von Gerhard Passarge von 1921. Im Prinzip geht es darum, einen Röhrensender mit der von seiner Antenne aufgefangenen Elektrizität zu betreiben. Der angefügte Schaltplan zeigt einen Röhrensender, wo der Gleichstrom, den die Antenne "auffängt", über eine Siebkette die Anodenspannung liefert.

Man darf nicht vergessen, daß das Thema "drahtlose Telegraphie" für viele Leute nahe an Esoterik und Magie grenzte, bevor das Radio ein Haushaltsartikel war. Daher meine besondere Buchempfehlung: Carl Du Prel, "Die Magie als Naturwissenschaft" (1912), darin Kapitel II.1.: Das Telegraphieren ohne Draht und die Telepathie; Kapitel II.2.: Die Röntgenstrahlen und das Hellsehen.

Guten Abend,

Nikolaus Löwe

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Cockaday-Schaltung 
22.Aug.13 22:17
333 from 8596

Martin Steyer (D)
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Martin Steyer

Als Ergänzung für die angeführte "Cockaday-Schaltung":

Die hat Herr Kluth aus Nauen (wenn er denn wenigstens diesen direkten Bezug zur Goß-Sendestelle hatte!) wohl anno 1925 brühwarm aus den USA bezogen.

Allerdings handelte es sich wohl um eine besondere Art der Rückkopplung über die Gitter-Anodenkapazität, denn der Schwingkreis mit der Spule S3 sollte nach Cockaday mit dem hier "offenen" Ende mit der Anode verbunden werden. Ansonsten sind die beiden 500-cm-Kondensatoren natürlich Drehkondensatoren.

Ich gebe allerdings zu, daß sich mir nicht so ganz die Wirkungsweise dieser merkwürdigen Schaltung mit vier Induktivitäten erschließt, vor allem ist mir nicht klar, welche Spulen aufeinander koppeln sollen. Vor allem S1 scheint die Antennenenergie mit nur einer Windung (?) auf S2 zu koppeln, und dieser wiederum muß zum Erzielen der Rückkopplung mit S3 zusammenwirken. S4 scheint dazu rechtwinklig angeordnet zu sein.

Die richtige Schaltung soll so aussehen:

M.S.

 

EE 4.9.13:
Unter dem Titel "Das Cockaday Audion, eine wenig bekannte Schaltung" bringen wir einen neuen Thread, denn hier hat das Thema eigentlich nur bedingt zu suchen. Der Thread ist so interessant, dass es schade wäre, unter diesem titel "begraben" zu sein. Ich schliesse diesen Thread und bitte dort in der Reihenfolge von hier weiter zu fahren. Einfach auf "Quellcode" umschalten, neuen Posttitel am neuen Ort, dann auch auf "Quellcode" umschalten, kopierten Code einfügen, zurückschalten, fertig inkl. Bildern!

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