CSSR 1935 Alois Kocab: Erfinder eines Fernsehsystems (mech.)

ID: 228130
CSSR 1935 Alois Kocab: Erfinder eines Fernsehsystems (mech.) 
04.Sep.10 14:35
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Wolfgang Scheida (A)
Redakteur
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Alois Kocab – Radioamateur der ersten Stunde und Erfinder eines Fernsehsystems* in natürlichen Farben aus der Habsburgermonarchie

 

 
Teil I
  • Einleitung
  • Allgemeines zur Person
  • Zeitungsartikel Leiden eines Fernseh-Erfinders
  • Analyse seiner Erfindung
 
Teil II
  • Zum Erfinder
  • Lebenslauf
  • Bestätigungen seines Wirkens
  • Auszug der Orte seines Wirkens
  • Anlagen & Quellennachweise
Herr Alois Kocab - Radioamateur & Erfinder eines patentierten mechanischen Fernsehsystems
Bild: Alois Kocab um ~1980 
© Bildquelle: Familienarchiv Schlör 

 
RM.org & GFGF Sammlerkollege Herr Michael Schlör DJ8IJ sandte mir vor einigen Jahren Unterlagen als Antwort auf einen meiner Fernsehhistorischen Artikel zu, welche ich dieser Tage einer Erstaufarbeitung zuzuführen vermag. Zudem verbindet Herrn Schlör ein Verwandtschaftsverhältnis mit dem Erfinder, das im Zuge der Recherchen in einem angehängten Beitrag etwas vertiefender dargestellt werden kann.
 
Allgemeines zur Person und dem Umfeld:
 
Der am 18. Juni 1899 in Mißlitz in Mähren – dem heutigen Tschechien geborene Alois Kocab, † 1986 in W-Deutschland, dürfte ein ähnliches Schicksal teilen das einigen anderen uns zwischenzeitlich vorgestellten Fernsehforschern widerfahren ist.
 
Dies kann hauptsächlich in nachstehenden Umständen begründet sein:
 
  • Seine Patente zum mechanischen Fernsehen fallen zum Einen in eine Zeit, in der politisch motivierte Spannungen für „nicht gebürtige Tschechen“ möglicherweise den Draht zu kompetenten Stellen erschwerten.
  • Die wirtschaftlichen Begleitumstände jener 1930er Jahre hinderten zudem generell den großen Durchbruch des Fernsehens, der zudem auch danach vorerst nur auf einige wenige Schlüsselstädte wie auszugsweise Berlin, London und Paris konzentriert waren. Die Tschechoslowakei gehörte nicht dazu.
  • Der Übergang vom mechanischen, hin zum elektronischen Fernsehen zeichnete sich ab.
  • Herr Alois Kocab konnte zwar Patente begründen, deren praktische Verwertbarkeit hinsichtlich der sehr umfangreich und vollmundig angeführten Eigenschaften, die von „natürlichen Farben = Farbfernsehen!, bei allen Lichtverhältnissen verwendbar – selbst bei Nacht!, billige Herstellung, einfache Bedienung, bis zur freien Wahl der Auflösung = Bildzeilen reichten, lösten wohl berechtigte Zweifel bei den Adressaten seiner Briefe und Vorsprachen aus.
Ich erhielt folgenden Artikel in leider sehr schlechter Vorlagenqualität, was mich bewog den Text abzuschreiben um ihn vernünftig lesbar zu machen.
 
Den Verfasser, wie auch den Verlag der original Veröffentlichung (vermutlich eine Zeitung) muss ich mangels weiterführender Informationen leider schuldig bleiben. Der Zeitraum des Erscheinens dürfte sich auf etwa Mai 1936 eingrenzen lassen. Eine Zeit, in der in Deutschland elektronisches Fernsehen mit 180 Zeilen in einem bestimmten Umfang bereits real praktiziert wurde.
 
Der Artikel im Original:
Leiden eines Fernseh-Erfinders
 
Über seine Misserfolge erzählt Kocab:
„Bereits 1932 legte ich meine Erfindung verschiedenen Ministerien vor. Doch sagte man mir: „Das haben wir schon, das ist uns bereits bekannt.“ Ich ging und erhielt 1935 dennoch meine Patente. Im April dieses Jahres schrieb ich noch einmal und erhielt zur Antwort: „Die Grundidee Ihrer Erfindung ist nicht neu. Sie ist enthalten in den Arbeiten der Forscher Brioulli und Majoran. (Siehe Korn-Glatzel, Handbuch der Phototelegraphie, Leipzig, Otto Neumich, 1911, Seite 450 bis 455.;
Es hängt jedoch davon ab, inwieweit sich dieser Gedanke praktisch verwirklichen lässt. Vorläufig haben wir an Ihren Patenten kein Interesse.“
Ich will nur betonen, dass die Herren schwer im Irrtum sind. Beginn 1931 bot ich meine Erfindung dem tschechoslowakischen Postministerium an. Mit besonderem Erlasse wurde mir sofort geantwortet, dass „nur fertige Apparaturen“ gekauft werden. Ich wurde an die Industrie verwiesen. Ich schrieb an alle in Betracht kommenden Firmen. Von allen Seiten wurde mir sofort geantwortet, dass kein Interesse besteht. Schließlich entsandte ein halbstaatliches Unternehmen einen Ingenieur. Dieser war begeistert. Doch der Bescheid aus Prag lautete: „Nachdem die Frage des Fernsehens sich erst in der Entwicklung befindet und wir nicht wissen, welches System eigentlich das beste ist, wollen wir abwarten.“ Erst jetzt nach einem Jahr wurde ich neuerlich aufgefordert, meine Unterlagen einzuschicken. Beginn 1935 sandte ich dem Radiojournal in Brünn einen Vortrag in tschechischer und einen Vortrag in deutscher Sprache. Ich wurde mit dem Vermerken abgewiesen, dass die Vorträge für ein Laienpublikum zu unverständlich seien.
Die Patente habe ich, aber ich habe kein Laboratorium.“
(Zeichen:) fs  
(Weitere Quellenangaben werden gerne nachgetragen wenn dazu Informationen bekannt werden)
 
 
Das besondere dürfte also das Anbringen der Photozellen, anstelle der Löcher wie bei der Nipkowscheibe üblich, sein, was nachvollziehbar eine höhere Lichtausbeute und damit Empfindlichkeit ermöglicht. Anstelle von Schleifkontakten die zwangsläufig Kontaktfehler heraufbeschwören wird ein eigenes Verfahren, vermutlich eine induktive Übertragung genannt, dessen Prinzip sich mangels meiner Tschechischkenntnisse derzeit nicht näher beschreiben lässt.
 
Patentauszug des Empfängeraufbaues von Alois Kocab aus 51.735 von 1935
 
Bild: Patentauszug des Empfängeraufbaues aus 51.735 von 1935
 
Die praktische Bedeutung seines Patents kann nach Faktenlage (7/2010) wohl eher als gering beurteilt werden, da es letztlich auf einer bereits damals überholten Basistechnik (Elektronisches Fernsehen contra mechanischem Fernsehen) basierend war.
 
Dies im Gegensatz zu Paul Nipkow, der mit seinem Patent wiederum zu früh „dran“ war und erst im fortgeschrittenen Alter zumindest eine Anerkennung als Dividende seines Patents, wenn auch politisch motiviert empfing. 
 
Warum Kocab, wie angeführt auf ein mögliches Angebot einer „benachbarten Großmacht“ nicht einging wird wohl sein Geheimnis bleiben.
 
Das es für mechanisches Fernsehen auch zur Zeit des elektronischen Fernsehens noch Spezialanwendungen gab beweist der Einsatz dieser Technik beim Weltraumfernsehen noch viele Jahrzehnte danach.
 
 
 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.