Der deutsche Zeitzeichendienst (1931)

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Der deutsche Zeitzeichendienst (1931) 
01.Dec.12 23:40
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Georg Richter (D)
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Georg Richter

In der Zeitschrift "Die Sendung", Heft1/VIII vom 02.01.1931 schreibt "rs.":

Der deutsche Zeitzeichendienst

Neben vielen sonstigen Annehmlichkeiten bringt es der Rundfunk auch mit sich, daß das vergessene Aufziehen der Uhr heute auch in den abgelegensten Gegenden nicht mehr die unangenehmen Folgen hat wie früher. Im Rundfunkbetriebe ist es Gewohnheit geworden, daß bei Beginn der Programme oder bei der Ankündigung von Pausen verhältnismäßig oft die genaue Zeit angegeben wird. Wenn man auch durch Vergleich feststellen kann, daß vielfach die Uhr, die der Ansager benutzt, doch wohl nicht ganz genau gehen kann, so genügen die Angaben doch für den Hausbedarf. Viel genauer, ja von absoluter Genauigkeit sind dagegen die Zeitzeichen, die in Deutschland von der Großfunkstelle Nauen ausgesandt werden, sowie deren Übertragungen durch die deutschen Rundfunksender einschl. Königswusterhausen. Das Nauener Zeitzeichen wird auf Welle 18050 täglich um 1 Uhr nachts und um 1 Uhr mittags durchgegeben. Das Zeitzeichen um 1 Uhr nachts wird außerdem auf Welle 1635 vom Sender Norddeich übernommen. Das Signal um 1 Uhr mittags übernehmen neben Königswusterhausen auch die übrigen Rundfunksender.

 Die Abgabe des Nauener Zeitzeichens geschieht wie folgt: Im Hauptgebäude des Nauener Senders hängen einige sehr genau gehende Pendeluhren, die neben dem normalen Zifferblatt auch je eine Kontaktscheibe aufweisen, in deren Rand verschiedene Zeichen eingefräßt sind, so daß bei Drehung dieses Rades an einer Kontaktfeder entlang Stromschließungen eines  Ortsstromkreises erfolgen, welche die Tastrelais des Hochfrequenz-Maschinen Senders betätigen. Normalerweise laufen die genannten Uhren nicht. Sie werden vielmehr kurz vor dem eigentlichen Zeitzeichen in einem ganz bestimmten Augenblick durch einen Stromstoß in Bewegung gesetzt, der von der Hamburger Seewarte aus über eine Telegrafenleitung nach Nauen gelangt. Dieser Stromstoß löst die Arretierung der Uhren aus, und der Sender arbeitet im Takte der im nachfolgenden Schema angedeuteten Morsezeichen. Die ersten Zeichen, die um 12 Uhr 55 Min. nachts bzw. 12 Uhr 55 Min. mittags das Zeitzeichen einleiten, bestehen aus den Buchstaben V ( • • • —). Am Schlusse des letzten Buchstabens V ist genau eine Minute verstrichen. In der nächsten Minute, von 12.56 an ist zuerst eine Pause bis 12 Uhr 56 Minuten 16 Sekunden. Es folgt dann das Ankündigungszeichen, dem die  Buchstaben DFY (Rufname der Station), und MGZ (mittlere Greenwicher Zeit) folgen. Dann kommen wiederum 20 Sekunden Ruhe. Die nächste Minute beginnt mit einem 5 sekundenlangen Strich, dem 6 Zeichen (X = — • • —) folgen. Anschließend der Buchstabe O (— — —). Die  nächste Minute wird wiederum mit dem Buchstaben O beschlossen, nachdem vorher im Abstände von 10 Sekunden 5 mal der Buchstabe N (— •) gegeben wurde. Die letzte Minute wird von 5 Buchstaben G (— — •) ausgefüllt und wiederum mit einem O beschlossen. Im Augenblick der Beendigung dieses letzten Buchstabens O ist es gerade 1 Uhr mittags bzw. 1 Uhr nachts. Danach folgt in der nächsten Minute das sogen. Schlußzeichen, welches für die Bestimmung der Zeit an sich bedeutungslos ist. Um 1 Uhr 0 Minuten 59 Sekunden beginnt dann das sogen. Koinzidenz-Signal, welches bis um 1 Uhr 5 Minuten 52 Sekunden fortgesetzt wird. Dieser letzte Teil des Zeitsignals wird meist von den Rundfunksendern nicht weitergegeben, da er vor allen Dingen für astronomische Ortsbestimmung gedacht ist.

 Zur Übertragung der Zeitzeichen durch die Rundfunksender wird keine Kabelleitung, sondern ein Rahmenempfänger benutzt, der sich meist im Verstärkerraum befindet, und der auf die Nauener Welle von 18050 m abgestimmt ist. Nachdem der Beamte im Verstärkerraum, durch das Mikrofon angekündigt hat: Wir bringen jetzt das Zeitzeichen, schaltet er sein Mikrofon aus, und legt den Empfänger an den Vorverstärker des Rundfunksenders.

rs.

 

Siehe auch folgende Beiträge:

Zeitzeichenempfänger

Zeitsignalsender

Anlagen:

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