Die aufbewahrte Menschenstimme 1930

15
ID: 212536
Die aufbewahrte Menschenstimme 1930 
07.Feb.10 17:31
280
15

Uwe Ronneberger (D)
Redakteur
Beiträge: 478
Anzahl Danke: 9
Uwe Ronneberger

Aus "Der Ansporn" 1930 :

 

Die aufbewahrte Menschenstimme.


Jedermann kennt sie, die kleine schwarzglänzende Platte, die imstande ist, schnell verklingende Töne und Stimmen in sich aufzubewahren. Und nur wenige kennen das Wesen dieses Wunders.
Es ist ein Wunder der menschlichen Erfindungsgabe, ein Wunder der Vervollkommnung der Technik. Tausend und abertausend der Bewunderer und Genießer dieses technischen Wunders nehmen es einfach zur Kenntnis, daß die Schallplatte da ist, und denken nur selten darüber nach, wie es eigentlich kommt, daß ein zartes Lied, eine einschmeichelnde Melodie, die man gestern gehört hat, heute oder morgen bereits unwiderruflich verewigt wird.
Denn die Schallplatte bedeutet in der Tat eine Verewigung der Töne. Immerhin ist der Hergang der Entstehung einer Schallplatte von dem Augenblick an, in dem die Töne und Stimmen darin gefangen genommen werden, bis zum letzten Augenblick, in dem sie in der schwarzen Masse lebenslänglich festgehalten werden, sehr lehrreich und wissenswert. Die eigentliche Festnahme der Stimme
geschieht im Studio der Schallplattenfabrik, wo das gespielte und gesungene Lied auf besonders vorbereiteten Wachswalzen eingegraben wird. Diese Walzen sind die Negative der Platten.
In der Werkstatt für Schallplatten werden nun von diesen Negativen die Positivplatten auf Kupfer- und
Stahlplatten übertragen. Eine Reihe von Feinmechanikern sitzt an ihren Tischen. Sie arbeiten mit dem
Vergrößerungsglas des Uhrmachers, mit Rotstift, Ahle und feinen Feilen. Ist eine Furche nicht tief genug, so umzirkelt man die beanstandete Stelle mit Rotstift und vertieft sie mit zugespitzten Holzgriffeln.
Die Geburt der Schallplatte beginnt in der Mühle.
Eine seltsame Mühle! Unter den Mühlsteinen quillt rußig-schwarzes Mehl hervor; der Müller und seine Gesellen sind schwarz wie die Schornsteinfeger. Das schwarze Mehl kommt in die glühende Walzmaschine; und die Arbeiter, die den schwarzen heißen Teig mit dicken Handschuhen unter den Walzen hervorziehen, ballen, rollen und werfen ihn auf riesige Kuchenbleche wie der Bäcker das Brot. Nun kommt er unter eine Knetwalze und läuft, dünn ausgewalzt, auf dem laufenden Band. Nach wenigen Sekunden stehen die Quadrate des abgekühlten Materials, die schwarzen
Schallplattenbiskuits, fertig da. In dem Preßraum stehen einige Dutzende von Maschinen mit positiven
Druckplatten; sie schlucken in jeder Minute eine Menge dieser Biskuits ein und spucken genau nach sechzig Sekunden eine fertige Platte aus.
Diese Platte muß noch an den Wänden geschliffen, dann in einer kleinen Zelle von einer Dame mit feinem Gehör nachgeprüft werden. Wenn diese Dame einen kleinen musikalischen Fehler entdeckt, wird die Platte unbarmherzig zerbrochen und in der Mühle zerkleinert und gemahlen. Es ist keine geringe Plage für diese Prüferinnen, tage-,  wochen-  und   monatelang „Ich küsse Ihre Hand, Madame" oder „In einer kleinen Konditorei" anzuhören.
Nicht einmal die herrliche Stimme eines Caruso oder eines Gigli erfreut einen mehr, wenn man sie tausend- und zehntausendmal hintereinander anhören muß.
Aber Pflicht ist Pflicht; und wenn diese Dame nicht streng genug wäre, würden schon die Packerinnen, die in den Mittagsstunden sich bei den Tönen der neuesten Schallplatten vergnügen, sofort merken, daß die Platte einen Schönheitsfehler hat und in dieser Form nicht in die Welt hinausgehen kann.

Glätten der Metallplatten

Im Arbeitswinkel einer Schallplattenfabrik. Die Metallplatten, auf die die Negative eingeätzt werden, müssen sorgfältig geglättet sein.

Arbeit an den DrehbänkenArbeit an den Drehbänken

 

Fehlersuche mit der Lupe

Die Fehler müssen mit einer Lupe sorgsam aufgesucht und beseitigt werden.

 

Schallplattenrecycling

Die nicht mehr modernen Platten werden zerbrochen und zu neuen umgeschmolzen.

 

Die Preßmaschine spuckt in jeder Minute eine Platte aus :

Preßmaschine und Hörzelle

Jede Platte wird in der Hörzelle genau geprüft

 

Packabteilung

In der Packabteilung.
 

Mittagspause

Nicht nur Arbeit: Mittagspause in der Schallplattenfabrik.

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 2
 3
Schallplattenrückgabe 1941/42 
13.Feb.10 00:26
333 from 7202

Georg Richter (D)
Beiträge: 916
Anzahl Danke: 8
Georg Richter

Schallplattenrückgabe 1941/42:

Aber auch vor dem 1.WK haben die Plattenfirmen zurückgegebene Platten (sowohl Händlern als auch indirekt Endkunden) milde vergütet.

Schellackplattenrückgabe 2010: Klick auf [Mail an Autor]

Beste Grüsse,

GR

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 4
Herstellung auch als Filmmaterial 
13.Feb.10 21:48
435 from 7202

Jochen Amend (D)
Redakteur
Beiträge: 539
Anzahl Danke: 5
Jochen Amend

Ein toller Thread!

im Internet findet man auch Filmmaterial zu diesem Thema. Bitte hier klicken und dann weiterstöbern!

beste Grüße,

Jochen

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 5
Zwischen Herstellung und Entsorgung ... 
15.Feb.10 23:16
559 from 7202

Georg Richter (D)
Beiträge: 916
Anzahl Danke: 4
Georg Richter

... war

Christian Morgenstern (1871–1914)

mit dem leidigen Nadelproblem welches in "Die Ernte - Hauptverzeichnis der Telefunkenschallplatten 1937/38" thematisiert wurde (siehe Anlage).

 

Anlagen:

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.