Drahtantennen in Gebäuden

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Drahtantennen in Gebäuden 
06.Jul.15 21:04
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Jochen Bauer (D)
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Jochen Bauer

Drahtantennen sind als Antennen innerhalb von Gebäuden aufgrund ihrer Eigenschaft, Störungen aus der Umgebung "einzusammeln" meistens nicht sehr beliebt und in vielen Fällen wird hier auf eine Rahmenantenne (Magnetic Loop) zurück gegriffen. Es ist aber auch ganz interessant zu sehen, wie diese Anfälligkeit für Störungen zustande kommt und vor allem wie sie vermindert werden kann, so dass eine Drahtantenne auch als Antenne im Haus dienen kann.

Einen guten Einstieg in die Problematik bietet folgende Überlegung: Nehmen wir an, es steht kein Erdanschluss für unseren Empfänger zur Verfügung. In diesem Fall müssen wir mit einer sogenannten künstlichen Erde, auch Gegenerde genannt, arbeiten. Dies ist einfach ein Stück Draht, dass an den Erdanschluss des Empfängers angeschlossen wird und möglichst in die entgegen gesetzte Richtung zum Antennendraht verläuft. Nehmen wir weiter an, dass der vertikal zur Verfügung stehende Platz begrenzt ist, d.h. wir müssen uns überlegen wie wir die gesamte Drahtlänge zwischen Antenne und Gegenerde aufteilen. Dies ist in der folgenden Abbildung dargestellt.

Offensichtlich läuft dieses Problem auf den asymmetrischen, kurzen Dipol hinaus. "Kurz" bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Gesamtlänge L des Dipols wesentlich kleiner als die Wellenlänge der einfallenden elektromagnetischen Welle ist. (Zur Erinnerung: Die Wellenlänge ist am oberen Ende des Mittelwellenbereiches immer noch ca. lambda=200m). Etwas abstrahiert liegt also eine Situation wie in der nächsten Abbildung vor. Unser Interesse gilt nun der unbelasteten Ausgangsspannung Uoc (open circuit) des asymmetrischen Dipols, sowie dessen Anschlussimpedanz Za.

Aus Gleichung (1) ist sofort ersichtlich, dass die unbelastete Ausgangsspannung nur von der Gesamtlänge des Dipols und nicht von der Lage des Anschlusses abhängt. Andererseits ist die Anschlussimpedanz gemäß Gleichung (2) sehr stark von der Lage des Anschlusses abhängig. Insbesondere steigt die Anschlussimpedanz, welche bei einem kurzen Dipol in guter Näherung ein kapazitiver Blindwiderstand ist, bei der Verschiebung des Anschlusses an das Dipolende stark an. Dies ist beim kurzen Dipol auch unmittelbar daraus verständlich, dass in diesem Fall die Kapazität zwischen den Anschlussklemmen abnimmt und damit der kapazitive Blindwiderstand ansteigt.

Damit kann nun sofort eine Antwort auf die Frage der optimalen Aufteilung von Antenne und Gegenerde aus der ersten Abbildung gegeben werden. Im Falle eines Empfängers mit sehr hoher Eingangsimpedanz, also z.B. mit einer MOSFET Eingangsstufe liefern alle drei Anordnungen die gleiche Eingangsspannung. Die unbelastete Ausgangsspannung der Antenne ist ja von der Lage des Anschlusses unabhängig und durch die sehr hohe Eingangsimpedanz des Empfängers ist die Anschlussimpedanz der Antenne irrelevant. Falls wir jedoch, was eher wahrscheinlich ist, einen historischen Empfänger betreiben möchten, so ist die Situation grundlegend anders. In den meisten historischen Empfängern werden wir es mit einer niederinduktiven Antennenkopplung zu tun haben, d.h. der Strom durch die Antennenkoppelspule im Empfänger wird in diesem Fall hauptsächlich durch den kapazitiven Blindwiderstand zwischen den Anschlussklemmen des asymmetrischen kurzen Dipols bestimmt. Und dieser wird umso größer je näher wir uns mit dem Anschluß den Enden des Dipols nähern. In diesem Fall liefert also der Aufbau 2 (Empfänger in der Mitte) die größte Antriebsspannung an den Eingangskreis im Empfänger.

In der Praxis wird man meistens irgend eine Form von Erdanschluss (z.B. eine Wasserleitung) vorliegen haben, so dass die Gegenerde letztendlich mehr oder weniger gut mit der physikalischen Erde verbunden ist. In diesem Fall sind analytische Berechnungen schwierig bis unmöglich und man ist auf Simulationen angewiesen. Allerdings sind wir hier in diesem Rahmen lediglich am qualitativen Verhalten der Anordnung interessiert. Unter Annahme einer perfekt leitenden Erde und der Methode der Bildladungen lässt sich folgern, dass das qualitative Verhalten der Anordnung dabei gleich bleibt. D.h. die unbelastete Antennenspannung ist ganz grob unabhängig vom Anschlusspunkt, während die Ausgangsimpedanz aber beim Verschieben des Anschlusspunktes zum offenen Ende der Antenne (weg von der Erde/Gegenerde) hin stark zunimmt.

Nach diesen Vorüberlegungen können wir uns nun dem Hauptproblem der Drahtantennen innerhalb von Gebäuden widmen: Das schlechte Verhältnis von Signalspannung zu Störspannungen. Dazu müssen wir uns überlegen, wie diese Empfangsstörungen innerhalb eines Gebäudes meistens zustande kommen. Werden leitungsgebundene Störungen die in den Empfänger über die Stromleitung eintreten vermieden (z.B. durch entsprechende Filter oder noch besser durch Verwendung von Batterieempfängern) so bleiben hauptsächlich kapazitiv in die Antenne eingekoppelte Störungen übrig. In der folgenden Abbildung ist dazu eine typische Situation skizziert.

Der Empfänger befindet sich im Erdgeschoss des Gebäudes und ist mit einer guten Verbindung geerdet, der Antennendraht wird einige Meter nach oben Richtung Dachboden geführt. Die meisten Störquellen in einem Haushalt sind elektrischer Natur und haben typischerweise eine Störspannung gegen Erde. In der obigen Abbildung ist eine derartige Störspannungsquelle "S" eingezeichnet. Da die Entfernungen innerhalb des Gebäudes klein gegenüber den Wellenlängen der relevanten Störsignale (selber Frequenzbereich wie die Nutzsignale) sind, kann die Einstreuung in die Antenne als Kopplung über eine parasitäre Kapazität Cs beschrieben werden.

Gehen wir davon aus, dass der Wohn- und Bürobereich mit den darin enthaltenen Störquellen unterhalb des Dachbodens liegt, so ist die naheliegende Lösung die, den Empfänger und damit auch den Antennendraht nach oben über die Störquellen, wenn möglich sogar etwas zu einem Dachfenster heraus, zu verlagern. (Zur Erinnerung: Die Störspannungen sind meistens gegen Erde gerichtet.) Dazu wird lediglich eine längere Erdungsleitung benötigt, wie in der folgenden Abbildung dargestellt.

Die Störspannungsquelle S koppelt nun kapazitiv hauptsächlich in die Erdungsleitung ein, was zunächst die Impedanz ZE dieser Erdungsleitung in den Mittelpunkt rückt. Diese bildet offensichtlich mit dem parasitären Kopplungskondensator Cs einen Spannungsteiler für die Störspannung und bei einer hinreichend großen Impedanz der Erdungsleitung kann am Erdanschluss des Empfängers wiederum eine signifikanter Störspannung auftreten. Es sei hier daran erinnert, dass der Stromkreis für diese Störspannung über die Kapazität des Antennendrahtes gegen Erde geschlossen wird. Wie allgemein bekannt, trägt also eine gute Erdung mit einer Erdleitung mit niedriger Impedanz zur Vermeidung von Störungen bei. Die Impedanz der Erdleitung setzt sich zusammen aus dem ohmschen Widerstand und dem induktiven Blindwiderstand. In beiden Fällen helfen dicke Kabel oder sogar die Verwendung von Kupferrohren um den ohmschen Widerstand und den induktiven Blindwiderstand möglichst gering zu halten.

Ist das Problem der Erdungsleitung gelöst, so stellt sich aber unmittelbar die nächste Herausforderung. Der Empfänger ist nun an einer Stelle angeschlossen, die sich nahe am Ende des Antennendrahtes befindet und damit eine entsprechend hohe Impedanz (in diesem Falle kapazitiver Blindwiderstand) zwischen den Anschlussklemmen aufweist. Wie bereits geschildert führt dies zu geringeren Antriebsspannungen im Eingangskreis bei historischen Empfängern mit niederinduktiver Antennenkopplung. Eine rein passive Gegenmaßnahme wäre die Erhöhung der Kapazität der Antenne durch eine Dachkapazität (z.B. einen Metallschirm). Dies ist aber konstruktiv wiederum aufwendig. Eine andere Variante ist die Verwendung von aktiven Verstärkerbaugruppen, was uns sofort zu einer sogenannten aktiven Antenne führt, wie sie in der folgenden Abbildung gezeigt ist.


Ausgehend von der Tatsache, das der in der Nähe des oberen Endes des Antennendrahtes liegende Anschluß einen hohen kapazitiven Blindwiderstand zwischen den Anschlussklemmen aufweist, liegt es nahe dort einen (typischerweise in Halbleitertechnik realisierten) Verstärker mit hoher Eingangsimpedanz, also hohem ohmschen Eingangswiderstand und geringer Eingangskapazität, anzuschließen. Dies ist in der obigen Abbildung der Verstärker V1. Weiterhin möchten wir in der Lage sein, den Empfänger an einer beliebigen Stelle innerhalb des Gebäudes zu platzieren, also z.B. wieder
im Erdgeschoss. Es muss also eine Signalübertragung von V1 zum Empfänger über eine ggf. längere Leitung vorgesehen werden ohne sich dabei wieder Störungen aus der Umgebung einzufangen. Hierzu bietet sich eine symmetrische Übertragung an, bei der der symmetrische Ausgang von V1 durch einen entsprechenden Übertrager vom asymmetrischen Eingang getrennt ist. Dies verhindert zudem, dass die Leitung zum Empfänger ungewollt zu einem Teil der Antenne wird. Der Ausgangswiderstand von V1 ist dabei natürlich sinnvollerweise an den Wellenwiderstand der Übertragungsleitung angepasst. Da unser historischer Empfänger für die LMK Bereiche natürlich über keinen Eingang mit einer passenden Impedanz verfügt, wird der Verstärker V2 vorgeschaltet. Dessen Hauptaufgabe ist es mit einer passenden Eingangsimpedanz das Übertragungskabel richtig abzuschließen und am Ausgang ein Signal für den Empfänger mit Hilfe einer künstlichen Antenne (auch Dummy Antenne genannt) passend bereit zu stellen.

Um die durch die symmetrische Übertragung schon weitgehend vermiedenen Störeinstreuungen in das Übertragungskabel zum Empfänger gegenüber den Nutzsignal noch weiter abzusenken kann der Verstärker V1 das Nutzsignal auf einen sehr hohen Pegel (durchaus einige Volt) anheben, während V2 dann aber als Abschwächer arbeitet und den Pegel wieder auf den ursprünglichen Wert herabsetzt. Auf diese Weise kann dem Empfänger der ursprüngliche Antennenpegel mit einer praktisch nicht mehr relevanten Störeinstreuung durch das Übertragungskabel zur Verfügung gestellt werden. (Die Störungen die durch die Antenne eingefangen werden bleiben dabei natürlich erhalten, es geht nur um die Störeinstreuungen in das Übertragungskabel.)

Natürlich wird man also bestrebt sein, den Verstärker V1 so weit oben wie möglich an den Antennendraht anzuschließen. Der begrenzende Faktor dabei ist allerdings die Eingangskapazität des Verstärkers, die mit dem kapazitiven Blindwiderstand zwischen den Anschlussklemmen der Antenne einen kapazitiven Spannungsteiler bildet. Zur Erinnerung: Der kapazitiven Blindwiderstand zwischen den Anschlussklemmen der Antenne steigt zum Ende des Antennendrahtes hin stark an. Durch
Anbringen einer kleinen Dachkapazität kann der Anschluß von V1 dann noch etwas weiter nach oben, ggf. sogar aus dem Dachfenster heraus, geschoben werden wodurch er den ganzen "Störnebel" dann unter sich lassen kann.

Abschließend sei noch kurz auf eine sehr populäre, auch käuflich erhältliche, aktive Antenne eingegangen: Die sogenannte Mini-Whip nach dem Amateurfunker PA0RDT. Über diese wurde bereits hier im Einsatz berichtet. Über die Funktionsweise der Mini-Whip kursieren zahlreiche falsche Vorstellungen und Ansichten. Ursprünglich war sie wohl als reine E-Feld Sonde gedacht. Allerdings fällt bei der näheren Betrachtung schnell auf, dass durch die Abschirmung des asymmetrischen Koax-Kabels diese Antenne mehr ein stark asymmetrischer Dipol als eine E-Feld Sonde darstellt. Der kurze Arm des Dipols ist dabei die Kupfer-Fläche an einem Ende, den anderen Arm bildet, wie bereits erwähnt, die Abschirmung des Koax-Kabels. Dies ist der folgenden Abbildung nochmals dargestellt.

Die oftmals angetroffene Behauptung, die Mini-Whip habe eine Abmessung von unter 10cm ist so natürlich nicht korrekt, da das Koax-Kabel der Zuleitung bzw. dessen Abschirmung ein integraler Bestandteil (nämlich der zweite Arm) dieses asymmetrischen Dipols ist. Insofern verwundert natürlich auch nicht, dass der wichtigste Hinweis zur Aufstellung der Mini-Whip "out,out,out", also weit draußen weg vom Empfänger ist. Weit draußen impliziert natürlich ein langes Koax-Kabel und damit eine entsprechend große Länge des asymmetrischen Dipols.

 

Nachtrag:

Es stellt sich natürlich die Frage was passiert, wenn bei einem asymmetrischen Dipol der eine Arm sehr kurz gemacht wird, also also extremes Beispiel vielleicht 1 Meter zu 1 Millimeter. Nach Gleichung (1) sollte die unbelastete Ausgangsspannung davon unbeeindruckt bleiben. Dies wird in der Praxis jedoch nicht so sein und der Grund dafür liegt darin, dass Gleichung (1) eine Näherung zugrunde liegt in der der Draht sehr lang gegenüber seinem Durchmesser ist (thin wire approximation). Diese Näherung bricht natürlich zusammen wenn der Anschlusspunkt sehr nahe an eines der Dipolenden geschoben wird.

Weiterhin sind die oben beschriebenen Umstände natürlich idealisiert, d.h. wir gehen eigentlich stillschweigend von einer ideal leitenden Erde (perfect electric conductor, PEC) aus und einem Gebäude das keine weiteren Leiter wie z.B. Wasserleitungen, die gesamte Elektroinstallation, Stahlbetongitter, Fensterrahmen, Dachrinne, usw... enthält. Die konkrete Situation in einem bestimmten Gebäude kann daher natürlich auch dramatisch von einer solchen Idealisierung abweichen. Es geht hier aber darum die Grundprinzipien zumindest qualitativ zu verstehen und daher sind solche Idealisierungen natürlich sinnvoll.

 

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