Fehlersuche im Radiogerät - mit dem Ohr!

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Fehlersuche im Radiogerät - mit dem Ohr! 
11.Dec.08 15:43
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Uwe Ronneberger (D)
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Uwe Ronneberger

Fehlersuche im Radiogerät - mit dem Ohr!

Bei der Reparatur von Radiogeräten nimmt die Fehler-
suche im allgemeinen die meiste Zeit in Anspruch. Diese
Zeit läßt sich verringern, je schneller es gelingt, den
Fehler zu lokalisieren. Viele Fehler machen sich durch
störende Geräusche im Lautsprecher bemerkbar. Die Art
dieser Geräusche läßt auf den Sitz des Fehlers schließen.
Ihre richtige Deutung erspart dem Fachmann langes
Suchen und zeitraubende Messungen. Nachstehend sollen
einige besonders charakteristische Störgeräusche, ihre
Ursachen und die Maßnahmen zu deren Beseitigung
beschrieben werden.

1. Motorboating, ein Geräusch, das dem eines in der
Nähe vorüberfahrenden Motorbootes ähnlich ist. Es wird
durch Kippschwingungen hervorgerufen, die durch un-
zulässig hohen inneren Widerstand der Stromquelle ent-
stehen. Unter Stromquelle sei hier nicht das Lichtnetz,
sondern der Netzgleichrichter mit seinen Siebmitteln
verstanden. Da durch diese Siebketten die Summe aller
oder die eines Teiles aller Anoden- und Schirmgitter-
ströme fließt, besteht durch sie eine Verkopplung dieser
Kreise. Diese Kopplung wirkt um so fester, je weniger
wirksam die in den einzelnen Stromkreisen eingeschal-
teten Entkopplungsglieder die Wechselstromkomponente
dieser Kreise von den Siebketten fernzuhalten vermögen.
Verschlechtert sich nun die Entkopplung dieser RC-
Glieder oder steigt der Widerstand der Hauptsiebketten,
so geraten phasengleiche Stromkreise schließlich ins
Schwingen. Die Frequenz dieser sogenannten Kipp-
schwingungen wird durch die Zeitkonstante der Sieb-
glieder bestimmt. Die schädliche Widerstandserhöhung
entsteht zumeist durch allmähliches Austrocknen der
Hochvolt-Elektrolytkondensatoren. In selteneren Fällen
trägt eine Veränderung der RC-Glieder die Schuld. Durch
Parallelschalten eines einwandfreien Blockkondensators
von einigen µF zu den einzelnen Siebblocks ist der defekte
Kondensator bald ermittelt.

2. Summendes Geräusch, ähnlich dem Netzbrummen,
jedoch in höherer Tonlage. Ist kein Empfang möglich,
kann mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit darauf geschlos-
sen werden, daß das Steuergitter einer Röhre offen ist,
das heißt, es besteht keine leitende Verbindung zu
seinem Arbeitspunkt. Auf dem im Störfeld der Wechsel-
strom führenden Leitungen liegenden offenen Gitter
werden Störpotentiale induziert, die den Anodenstrom
beeinflussen und somit im Lautsprecher zu Gehör kom-
men. Die Röhre mit dem offenen Gitter wird gefunden,
indem nacheinander, mit der Eingangsröhre beginnend,
das Steuergitter mit dem Chassis verbunden wird, bis
ein Verstummen des Störgeräusches die fehlerhafte
Stelle anzeigt. Eine Aufnahme macht die Endröhre, bei
der zur Vermeidung einer Überlastung das Steuer-
gitter mit seinem Arbeitspunkt (Gittervorspannung) zu
verbinden ist. Dieser Arbeitspunkt ist bei halbauto-
matischer Gittervorspannung (Verbundröhren ECL 11;
UCL 11) oft nicht das Chassis. Eine Bestätigung der
fehlerhaften Röhrenstufe bringt die Messung ihres
Anodenstromes, der wegen der fehlenden Gittervor-
spannung einen anormalen Wert besitzt.

3. Klingende Röhre, ein klingendes Nebengeräusch, her-
vorgerufen durch eine mikrofonische Röhre. Ein Fehler,
der besonders bei direkt geheizten Röhren mit Glas-
kolben auftritt und sich nur störend bemerkbar macht,
wenn solche mikrofonischen Röhren als Detektor- oder
Niederfrequenzverstärkerröhren benutzt werden. Durch
Beklopfen mit dem Finger läßt sich durch ein plötzlich
im Lautsprecher hörbares Klingen leicht die fehlerhafte
Röhre ermitteln. Faden- oder Gitterspirale geraten durch
die Erschütterung in ein Schwingen. Die dadurch ein-
tretenden Veränderungen in ihrem Abstand beeinflussen
den Anodenstrom, und kommen als störendes Kling-
geräusch im Lautsprecher zu Gehör. Das Geräusch kann
auch durch das Schallfeld des Lautsprechers, in dem die
Röhre meistens sitzt, ausgelöst werden. Gewöhnlich
klingt das Geräusch nach erfolgtem Anstoß nach mehr
oder weniger kurzer Zeit wieder ab, um beim nächsten
Fortissimo oder Paukenschlag von neuem zu beginnen.
Es kommt aber auch vor, daß es über die ganze Sen-
dung bestehen bleibt. Abhilfe bringt oft die Verschiebung
der Phasenlage des Schallfeldes um 180°. Das geschieht
in einfacher Weise durch Vertauschen der Anschlüsse an
der Primär- oder Sekundärwicklung, des Abwärtstratos.
Manchmal hilft auch ein »allerdings umständlicher Weg,
indem über den Kolben der Röhre eine mit Filz aus-
gekleidete Kappe aus Bleiblech gestülpt wird.

4. Knack- und Prasselgeräusche, die entweder gleich
nach dem Einschalten des Empfängers auftreten und
nach einigen Minuten, wenn die Röhren warm geworden
sind, verschwinden, oder aber, die erst einige Minuten
nach dem Einschalten bei warmen Röhren zu hören sind.
Diese Geräusche sind oft von ruckartigen Lautstärke-
schwankungen der Sendung begleitet. Die Ursache sind
lockere Schweißstellen an den Elektroden innerhalb des
Kolbens. Die Temperaturänderung bewirkt geringfügige
Änderungen in den Abmessungen der Metallelektroden
und damit auch Änderungen in der Kontaktgabe der
lockeren Schweißstellen. Der Fehler zeigt sich auch durch
ruckartige Änderungen des Anodenstromes. Durch Be-
klopfen der Röhre mit dem Finger kann der Fehler
noch verstärkt werden. Abhilfe bringt hier nur die Er-
neuerung der Röhre.

5. Pfeifgeräusche im Superhet-Empfänger. Zuweilen be-
obachtet man, daß in einem Super beim Abstimmen die
Wiedergabe aller einfallenden Sender von einem Pfeif-
geräusch begleitet ist, dessen Tonhöhe sich mit der Ab-
stimmung ändert. Die Ursache ist, daß der Zwischen-
frequenzverstärker schwingt. Wichtig ist für die Abhilfe,
daß die Abschirmbecher der ZF-Bandfilter fest und
schließend auf der Chassisoberfläche sitzen und die Ver-
bindungsleitungen zum Steuergitter und zur Anode der
ZF-Verstärkerröhre  ihren  größtmöglichen  Abstand
haben. Sollte der Fehler trotzdem weiter bestehen und
die ZF-Verstärkerröhre mit ihren vorgeschriebenen
Daten arbeiten, so bleibt nur übrig, den Sekundärkreis
des letzten ZF-BandflIters und äußerstenfalls auch noch
seinen Primärkreis zusätzlich zu bedämpfen. Das ge-
schieht durch Anschluß eines Schichtwiderstandes 1/4
oder 1/2 Watt ( Volt ist Druckfehlerteufel im Originaldokument ! ) von etwa 200 kOhm parallel zu den ZF-Spulen. Das Filter ist hierauf neu abzugleichen.

6. Trägerbrumm. Ein mehr schnarrendes als brummendes
Störgeräusch, das nur auf dem abgestimmten Träger
eines Senders, besonders deutlich in den Sprech- und
Musikpausen, hörbar ist. Stellt man die Abstimmung
neben den Träger oder schaltet der Sender ab, so ver-
schwindet das Geräusch sofort. Mit anderen Worten, das
Geräusch läßt sich wie jede Sendung abstimmen. Die
Störquelle ist der Netzgleichrichter wegen seiner Ober-
welligkeit. Zur Vermeidung dieser Störung werden seine
Gleichrichterstrecken von der Fabrik durch Rohrkonden-
satoren von 5000 oder 10000 pF überbrückt. Dieser
Kondensator bildet für die hochfrequenten Störschwin-
gungen einen Kurzschluß, so daß sie nicht auf den Träger
gelangen können. Der Trägerbrumm wird beseitigt durch
Ermittlung und Erneuerung des defekten Kondensators.

7. Kratzendes Geräusch bei Betätigung des Lautstärke-
reglers. Beim Einstellen der gewünschten Lautstärke mit
älteren, schon lange im Gebrauch befindlichen Reglern
entstehen oft kratzende Geräusche, auch beobachtet man
stellenweise eine sprunghafte Lautstärkeänderung. Die
Ursachen sind Verunreinigungen oder natürlicher Ver-
schleiß des Reglers. Im ersteren Falle hilft eine gründ-
liche Reinigung besonders der Widerstandsschicht mit
Leichtbenzin und eine Erhöhung des Kontaktdruckes der
Schleiffeder durch Nachbiegen und Justieren. Ein durch
Verschleiß defekt gewordener Regler wird zweckmäßig
erneuert.

8. Klirrender Lautsprecher. Hierunter versteht man einen
dynamischen Lautsprecher, dessen Wiedergabe sich von
einer einwandfreien unterscheidet etwa wie die über
einen Kamm geblasene von einer gesummten Melodie.
Die Wiedergabe wird in dieser Weise dadurch beein-
trächtigt, daß sich die in den Ringspalt des Magneten
eintauchende Sprechspule nicht genau zentriert frei im
Ringspalt bewegt, sondern an einer Stelle die Wandung
des Spaltes berührt. Zur Beseitigung des Fehlers muß
der Lautsprecher neu zentriert werden. Dazu wird er
aus dem Empfängergehäuse ausgebaut. Die im Laut-
sprecherkorb sitzenden Befestigungsschrauben der Zen-
trierspinne oder Brille werden gelockert. In den von der
Innenwand des Sprechspulenkörpers und dem runden
Kern des Magneten gebildeten Spalt werden drei um
120 Grad versetzte, etwa 14 mm breite und 0,1 bis 0,15 mm
starke Hartpapierstreifen gesteckt. Damit ist die Sprach-
spule genau konzentrisch im Ringspalt fixiert, ohne auch
nur an einer Stelle die Spaltwandung zu berühren. Nach-
dem auch noch darauf geachtet wurde, daß die Lage der
Sprachspule in ihrer Ausrichtung genau der Ruhelage
der Membrane entspricht, wird der Lautsprecher, mit
seiner Öffnung senkrecht nach oben gerichtet, auf einen
Tisch gestellt; dabei befindet sich der Korbrand in einer
horizontalen Ebene. Der horizontal abgebogene, gewellte
Streifen der Papiermembran, der längs und vor ihrer
äußeren Randaufhängung verläuft, wird jetzt mit einem
in Wasser getauchten flachen Haarpinsel gut durch-
feuchtet und danach mit einem über dem Lautsprecher
angemachten Wärmestrahler (Kohlefadenlampe mit
Reflektor) langsam wieder getrocknet. Nachdem hier-
durch Spannungen innerhalb der Membran beseitigt
sind, werden die gelockerten Befestigungsschrauben der
Zentrierspinne wieder fest angezogen und danach die
drei Hartpapierstreifen vorsichtig herausgezogen. Damit
ist die Zentrierung des schwingenden Systems durch-
geführt und die Wiedergabe in der Regel einwandfrei.
Es kann allerdings in hartnäckigen Fällen vorkommen,
daß dieser Vorgang noch einmal wiederholt werden muß.
Erwähnt sei noch, daß sich der beschriebene Fehler und
seine Beseitigung besonders deutlich bei einem mit Hilfe
eines Tongenerators auf den Lautsprecher gegebenen
Gleichton zeigt,

9. Netzbrumm. Die Natur dieses Fehlers kann man wohl
als ziemlich bekannt voraussetzen, so daß hier nur kurz
darauf eingegangen werden soll. In den meisten Fällen
liegt die Ursache in einer Minderung der Wirkung der
dem Netzgleichrichter nachgeschalteten Sieb- oder Glät-
tungsmittel. Die allmählich austrocknenden Hochvolt-
Elektrolytkondensatoren verlieren an Kapazität und da-
mit auch an ihrer Eigenschaft, den vom Gleichrichter
gelieferten pulsierenden Gleichstrom zu glätten. Somit
entsteht in Geräten mit Doppelweggleichrichter ein
Brummgemisch mit einer Grundfrequenz von 100 Hz,
dagegen mit Einweggleichrichter ein solches von 50 Hz.
Seltener geben die Entkopplungsglieder (RC-Glieder)
der einzelnen Stromkreise (Gitter, Schirmgitter, Anode)
Anlaß zu einem störenden Netzbrumm. Ing. E. Pürschel

DAS HANDWERK • Heft 7 • 1952 BR9

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