Fragen zu Funkpionier Siegmund Strauß

ID: 268450
? Fragen zu Funkpionier Siegmund Strauß 
26.Oct.11 19:21
48

Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

Bei WIKIPEDIA steht u.a. geschrieben: 

-- österreichischer Physiker
-- langjähriger Mitarbeiter von Robert von Lieben
-- entdeckte 1912 das Rückkopplungsprinzip

Das Letzte macht mich ein bisschen stutzig.

Wenn man rein nach der Patentanmeldung urteilt, komme ich zu folgender Eintragung:  
10. April 1913,   A.Meißner   DRP 291604

Allerdings wurde in den verschiedenen Ländern intensiv an Schaltungsverbesserungen mit Elektronenröhren gearbeitet. Nicht immer sind schriftliche Aufzeichnungen hierzu erhalten geblieben.

Im Buch „Radios von Gestern“ (E. Erb) sehe ich auf Seite 50 eine Handskizze von Lee de Forest, wo er bereits am 6. August 1912 per Zufall die Rückkopplung entdeckte, ohne ein Patent zu erwirken. Er sah das damals mehr als einen Nebeneffekt bei der Erprobung eines Mikrofonverstärkers. 

 


E. Armstrong konnte ebenfalls eine Rückkopplung (jetzt zur Erhöhung der Empfindlichkeit eines Empfängers) demonstrieren und ließ sich seine Idee im Januar 1913 vorab notariell beglaubigen. Zur Patenanmeldung kam es erst am 29. Oktober 1913, US Pat. 1 113 149.

 

Meine Fragen:
Hat jemand Hinweise zu einer Patentanmeldung (in Österreich?) des Rückkopplungsprinzips nach Siegmund Strauß, oder irgendwelche schriftliche Aufzeichnungen dazu?

Sind von A. Meißner schriftliche Dokumente zur seiner Rückkopplungsschaltung erhalten geblieben, welche von vor seiner Patentanmeldung datieren?

Für sachdienliche Angaben bin ich sehr dankbar.

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Siegmund Strauß 
26.Oct.11 23:25
48 from 8745

Rüdiger Walz (D)
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Rüdiger Walz

Siegmund Strauß war ein Mitarbeiter Robert von Liebens und hat an der Entwicklung der Liebenröhre mitgearbeitet. Sein Patent zur Rückkopplung reichte er am 11.12.1912 ein ( Österreichische K.K. Patentschrift Nr. 71340). Meissner hatte sein Patent am 9.4.1913 angemeldet. Beide arbeiteten mit der Liebenröhre.

Literatur hierzu:

Franz Pichler, "Robert von Lieben, 100 Jahre Patent Kathodenstrahlenrelais, Universitätsverlag Rudolf Trauner, Linz.

Im Detail:

Thomas Lebeth, Der österreichische Beitrag zur technischen Entwicklung und industriellen Produktion der Rundfunkröhre, Universitätsverlag Rudolf Trauner, Linz. 

 

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s.o. 
26.Oct.11 23:59
58 from 8745

Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

Danke Herr Walz!

Die Patentsuche unter AT 71340 im Deutschen Patent- und Markenamt bestätigt das Datum 11.12.1912.

Der Titel lautete:
"Einrichtung zur Erzeugung von elektrischer Schwingungen"

Leider ist keinerlei Kopie der Patentschrift vorhanden. Hat jemand die Möglichkeit diese Lücke zu schließen? Eine Skizze der Schaltung würde schon reichen....

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Jetzt ist deutlich geworden.... 
27.Oct.11 22:45
157 from 8745

Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

.... nicht Alexander Meißner war der Erfinder der Röhrenschaltung zur Erzeugung von ungedämpften Schwingungen mit Hilfe einer induktiven Rückkopplung, sondern Sigmund Strauss aus Österreich !
Sein Patentantrag wurde schon Monate vor Meißners in Behandlung genommen.  

Unser Mitglied -und mein Freund- Hans-Thomas Schmidt machte mich darauf aufmerksam, dass das Patent vom 11.12.1912 komplett mit Zeichnungen über das Europäische Patentamt kostenlos(!) heruntergeladen werden kann. Hier die überaus deutliche Darstellung der Funktion:

 

Es stellt sich die Frage: Wie konnte das Deutsche Reichspatentamt die Patentanmeldung von A.Meißner in Behandlung nehmen, wo doch das gleiche Funktionsprinzip bereits erfunden wurde?

Im Moment fehlen mir die weiteren Worte......

 

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Erfinderschicksal 
28.Oct.11 13:11
208 from 8745

Dietrich Grötzer (A)
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Dietrich Grötzer

Ein Schicksal vieler Erfinder, dass abgekupfert wird und man sich mit fremden Federn schmückt. Allerdings wurden auch manche Erfindungen fast zeitgleich gemacht ohne vom Anderen zu wissen. Das Rückkopplungsprinzip lag zu dieser Zeit praktisch in der "Luft", die Frage war nur wer ist schneller beim Patentamt. 

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Österreich 
28.Oct.11 17:53
241 from 8745

Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

Lieber Herr Grötzer,
vielleicht darf ich noch etwas zum Hintergrund meiner Recherche darlegen.

Der Name Strauß (oder Strauss?) wurde in der Vergangenheit schon öfters mit der "Meißnerschen Schwingschaltung" in Zusammenhang gebracht, aber meist ohne etwas Konkretes, wie z.B. eine Pat. Nr. (in den mir zugänglichen Quellen wohlgemerkt) zu nennen. 

Weil er jedoch Österreicher war, suchte ich zuerst Informationen zu seinen Forschungsarbeiten betreffend Schwingungserzeugung in einem österreichischen Lehrbuch mit dem Titel:

Einführung in die Funktechnik
Verstärkung, Empfang, Sendung  
von Dipl.-Ing., Dr. techn. Friedrich Benz
Leiter der Versuchsanstalt für Radiotechnik in Wien

Das Buch hat 548 Seiten und ist im Springer-Verlag Wien erschienen. Ich besitze die Ausgaben von 1943 und 1944.


Ab Seite 419 werden die wichtigsten Schwingungserzeugerschaltungen in der Theorie behandelt. An erster Stelle wird die induktive Rückkopplung genannt und in der Fußnote auf Alexander Meißners DRP 291604 vom 10.4.1913 hingewiesen!
 Der Name Sigmund Strauß wird nirgens erwähnt, auch nicht im Namen- und Sachverzeichnis!

Was soll man dazu sagen......?

 

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 7
Das Radiobuch von Hanns Günther 
28.Oct.11 21:09
274 from 8745

Dietrich Grötzer (A)
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Dietrich Grötzer

Hallo Herr Holtmann,

In dem mir zur Verfügung stehenden Buch aus 1924 "Das Radiobuch - Einführung in die Wellentelegraphie & Telephonie für jedermann"" von Hanns Günther, erschienen im Francks Technischer Verlag, Dieck & co Stuttgart, wird auf Seite 216 Meißner 1913 als Erfinder der Rückkopplungsschaltung angeführt. Allerdings wird folgendes als Fußnote angeführt:

Erwähnt muß werden, daß ein Mitarbeiter v. Liebens, Siegmund Strauß, schon einige Monate vor Meißner sich in Österreich eine rückgekoppelte Glühkathodenröhre patentieren ließ. Da aber die Liebengesellschaft, für die Strauß arbeitete, die Tragweite seiner Erfindung übersah, nahm man darauf nur ein österreichisches Patent. So kam es, daß Meißner erst nach Anmeldung seines Patentes in allen Kulturstaaten von der Straußschen Erfindung erfuhr. Das Meißner-Patent für die Schwingungserzeugung ist später in Amerika von de Forest, Armstrong und Langmuir bestritten worden, doch wurde der Prozeß vor kurzem zu Gunsten Meißners entschieden.

Wenn es Sie interessiert kann ich die Seite scannen und übermitteln.

Mit besten Grüßen D. Grötzer

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 8
s.o. 
28.Oct.11 23:34
303 from 8745

Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

Danke Herr Grötzer, für die wertvolle Ergänzung.
Und natürlich hätte ich gerne einen scan der besagten Seite.

Sie zitieren:
..."So kam es, daß Meißner erst nach Anmeldung seines Patentes in allen Kulturstaaten von der Straußschen Erfindung erfuhr...." ..."..

Ich frage mich: Hätte denn nicht das Deutsche Patentamt in allen Kulturstaaten nach einer bereits bestehenden, gleichartigen Erfindung suchen müssen um zu der Erkenntnis zu kommen, eine frühere Anmeldung in Österreich hat die Priorität.

Wie dem auch sei, ungeachtet des Geltungsbereichs oder Geltungsdauer dieses Patentes, für mich ist Sigmund Strauß der "Erfinder der Rückkopplung".

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 9
Strauß: Priorität in Österreich 
02.Nov.11 22:38
435 from 8745

Thomas Lebeth (A)
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Thomas Lebeth

Hallo Herr Holtmann,

wie bereits aus dem bisherigen Thread hervorgeht gibt es auch in diesem Fall nicht nur einen Erfinder.

Die Priorität des Schwingungspatentes von Strauß in Österreich ist in meinem Buch wie folgt kurz beschrieben (Der österreichsiche Beitrag zur technichen Entwicklung und industriellen Produktion der Rundfunkröhre, Trauner 2011, S.64f.)

'Der Vorrang des Patentes von Siegmund Strauß in Österreich wird Jahre später in den Bauerlaubnisverträgen zwischen Telefunken, Huth und Philips mit den österreichischen Radioapparatefabriken ersichtlich. Im sogenannten „Bauerlaubnisvertrag“, der zwischen 1923 und 1936 in insgesamt 14 Fassungen mehrmals erweitert und überarbeitet wurde, werden den Apparatefabrikanten gegen Lizenzgebühren die Rechte an der Benutzung der Patente der Bauerlaubnisgeber eingeräumt. Neben der Auflistung der relevanten Patente scheint jedoch in den Bauerlaubnisverträgen stets das Patent von Siegmund Strauß auf. Da die Bauerlaubnisgeber für Österreich keine Rechte am Strauß-Patent hatten, wurde dieses im Vertragstext ausgeklammert. Hierzu heißt es in der XII. Fassung der „Baulizenz für Rundfunk-Empfangsgeräte in Österreich“ vom 01. April 1931:

„Die österr. Patente Nr. 71340 (Strauß) u. 97925 (Gowen) sind nicht Gegenstand dieses Übereinkommens“

Lizenzgebühren für die Verwendung dieser Patente waren also direkt an die Patentinhaber abzuführen. Telefunken sicherte sich jedoch für Österreich mit einem eigenen Patent von Alexander Meißner, dessen Gegenstand Anwendungsschaltungen basierend auf dem Patent von Strauß zum Inhalt hat, weitergehende Rechte ab. Dieses Patent (Ö.P. 79.829, vom 15.07.1919) füllt geschickt Anwendungslücken, die Siegmund Strauß in seinem Patent offen ließ.' 

Herzliche Grüße

Thomas Lebeth

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 10
...wer hat nun zuerst die Rückkopplung erfunden?  
03.Nov.11 13:32
501 from 8745

Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

Lieber Herr Lebeth

Vielen Dank für Ihre Recherche über die Behandlung und Beachtung der Erfindung von Sigmund Strauß in Österreich. Hier spielten natürlich kommerzielle Interessen die Hauptrolle! Das ist heutzutage nicht anders....

Ich selber bin -wie die meisten hier im Radiomuseum- eigentlich nur an den technischen Hintergrund der Erfindung interessiert. Daher meine Fragestellung: wer hat nun zuerst die Rückkopplung erfunden?
   
Dabei habe ich mich bewusst auf die Schwingungserzeugung mit gittergesteuerten Röhren beschränkt, also wie das schon viele, viele Jahre praktiziert wurde. Damit klammere ich Namensnennungen wie Sinding-Larsen, Ruhmer, Pieper und Breeland zunächst mal aus.... 

Klar, es gab weltweit mehrere Wissenschaftler die sich mit der gleichen Materie befassten, aber nur einer kann die früheste Patentanmeldung vorweisen. Nach meinen bisherigen Erkenntnissen ist das Sigmund Strauß gewesen.

Laboraufzeichnungen können wertvolle Hinweise über den steinigen Weg zum Patent geben und manchmal sogar entscheidend sein, wie im höchstrichterlichen Urteil in den USA, wo 1934 Lee de Forest anstatt E. Armstrong, die Erfindung der Rückkopplung zugesprochen wurde. 

 

Die dunklen Jahre...

Per e-mail bekam ich von Geert Schulte eine Ergänzung zu meinem Post 6, wo ich mich darüber verwunderte, dass selbst in einem österreichischen Lehrbuch der Name Strauß nicht erwähnt wurde.

Jetzt ist deutlich warum: meine beiden Bücher vom Autor F. Benz stammen von 1943 und 1944, also aus der Zeit, wo Österreich in das Deutsche Reich einverleibt war.

In der Ausgabe dieses Werkes mit dem Erscheinungsjahr 1937 wird im Kapitel X "Die Rückkopplung" behandelt. Auf der Seite 231 im dritten Absatz, wird als Erfinder der Rückkopplung Meissner genannt!
In der Fußnote (1) dazu steht wörtlich:
"(1) A. Meissner : DRP. 291 604 v. 10. IV. 1913 und S. Strauß: Ö.P. 71340 v. 11. VII. 1912."
Im Namen- und Sachverzeichnis auf Seite 409 ist "Strauß S. 231" angeführt.


Anmerkung dazu meinerseits: Datum sollte wohl 11. XII. 1912 lauten. Und, als Erfindung kann doch nur die Anmeldung von 1912 gelten, nicht wahr? 

 

 
 

 

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 11
 
03.Nov.11 14:22
519 from 8745

Thomas Lebeth (A)
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Thomas Lebeth

Lieber Herr Holtmann,

Danke für Ihre Rückmeldung und weitere Details zu Ihren Quellen. Ich verstehe Ihre Motivation den wahren Erfinder zu erfahren, also jene Person, die etwas zuerst erfunden hat. Dabei sind allerdings Patentanmeldungen nicht immer hilfreich, wie Sie ja sellbst am Beispiel der Laborbücher von De Forest erwähnt haben. Oftmals werden ja Phänomene "entdeckt" und "erforscht" die dann als Erfindungen patentiert oder in Fachpublikationen dokumentiert werden.

Patentanmeldungen sind vorwiegend dazu da, den kommerziellen Nutzen von "Erfindungen" zu schützen.

Wenn es um die "Entdeckung" von rückgekoppelten Schwingungen geht so ist die Liste der Personen, die darauf gestoßen sind wahrscheinlich sehr lang. Mir sind  Lee De Forest, Edwin Howard Armstrong, Irving Langmuir, Frnitz Löwenstein, Siegmund Strauß und Alexander Meißner bekannt. In meinem Buch S.65f. finden sich dazu noch folgende Details und ein Resumee aus meiner Sicht:

'Für Deutschland und andere europäische Länder war das D.R.P. 291.604 von AlexanderMeißner ein Pionierpatent – eines der wertvollsten im Besitz von Telefunken. Kein Röhrensender, kein Empfänger mit rückgekoppeltem Audion oder Überlagerungsempfänger konnte hergestellt und vertrieben werden, ohne dass Telefunken dafür Lizenzgebühren einfordern konnte.

In den USA meldet Edwin Howard Armstrong am 29. Oktober 1913 ein Patent zur Schwingungserzeugung an. Er hatte bereits Ende 1912 erfolgreich mit Rückkopplungsschaltungen experimentiert. Da er als Student nicht das Geld besaß, um seine Erfindung schon früher anzumelden, befolgte er den Rat seines Onkels, seine Schaltung am 13. Jänner 1913 von einem Notar beglaubigen zu lassen. Das Patent wurde später erteilt, und am 6. Oktober 1914 veröffentlicht.
Irving Langmuir reichte ebenfalls am 29. Oktober 1913 ein Patent zur Schwingungserzeugung ein. Auch das Patent von Alexander Meissner wurde durch Telefunken in den USA angemeldet. Drei Erfinder beanspruchten somit das Vorrecht auf die gleiche Erfindung. Lee de Forest legte jedoch 1914 Einspruch gegen die Erfindung von Armstrong ein und versuchte, seine Priorität geltend zu machen, da die Anmeldung von Armstrong zwei seiner eigenen Patentanmeldungen („Regenerative Circuit“ und „Ultra-Audion“) blockierte. Er hatte im Zuge eigener Experimente schon im August die Schwingneigung seiner Verstärkeranordnung entdeckte, die er aber damals als unerwünschten Effekt zu beseitigen suchte. Nun lagen vier Patentansprüche für die gleiche Erfindung vor. Die Anmeldung von Armstrong war jedoch die einzige, nach der auch ein Patent erteilt wurde. Die Anmeldung von Langmuir kam nur um Stunden später als die von Armstrong und schied im weiteren Verlauf aus. Die Patentanmeldung von Telefunken konnte im Weiteren wegen des ausgebrochenen Weltkriegs und der damit verbundenen Boykottpolitik der Alliierten gegen Deutschland nicht aufrecht erhalten werden. In einem von 1914 bis 1934 andauernden Patentstreit konnte sich Lee de Forest – unterstützt durch Aussagen von John Stone Stone – schließlich durchsetzen. Das Urteil in diesem Prozess wurde von der Fachwelt mit Bestürzung aufgenommen – De Forest wurde unter Kollegen niemals als Erfinder der Rückkopplungsschaltung akzeptiert. Rückt man die intendierte Anwendung in den Mittelpunkt der Betrachtung, so hat Armstrong seine Ideen in den USA als erster zielgerichtet in einer Schaltung verwirklicht. De Forest ist es letztendlich gelungen, einen Effekt, der vielen Fachleuten zu dem von ihm angegebenen Zeitpunkt prinzipiell als parasitär bekannt war, für sich als Erfindung zu beanspruchen.116

Die Einführung der Rückkopplungsschaltung hat wie viele Neuerungen in der Technik mehrere Väter. Wahrscheinlich ist der Österreicher Fritz Löwenstein der Erste, von dem bekannt ist, dass er eine Verstärkerschaltung, die durch geeignete Verkopplung von Ausgangs- und Eingangskreis die Amplituden- und Phasenbedingung eines selbsterregten Schwingkreises erfüllt, für zumindest eine intendierte Anwendung im Experiment einsetzte.  Die Schwingbedingung wurde über die Verkopplung von Gitter und Anode innerhalb der Röhre erfüllt und erforderte somit keine Kopplung über die äußere Beschaltung. Diese Eigenschaft wurde viel später von Ludwig Kühn für die Dr. Erich F. Huth GmbH. als eigenes Patent in Deutschland angemeldet.Der Österreicher Siegmund Strauß – damals im Nahbereich von Robert von Lieben – hat als erster ein Patent auf eine Rückkopplungsschaltung mit induktiver Kopplung im äußeren Schaltkreis der Röhre erfolgreich angemeldet. Dieses Patent war jedoch nur in Österreich gültig. Alexander Meissner hat seine Schaltung ebenso wie Siegmund Strauß auf die Verwendung der Lieben-Röhre stützt. Es ist davon auszugehen, dass sich Meißner und Strauß über das Lieben-Konsortium später auch gekannt haben, zumindest jedoch über die Arbeiten des Anderen informiert waren. Durch die Erteilung des Patentes an Telefunken in vielen Ländern Europas gilt jedoch Meißner bis heute als Erfinder der „Einrichtung zur Erzeugung elektrischer Schwingungen“. Der Besitz dieses Patentes war für Telefunken von hoher wirtschaftlicher Bedeutung. Der Patentanspruch Telefunkens ging in den USA im Zuge der Erteilung eines ähnlichen Patentes an Edwin H. Armstrong vorläufig, und im darauffolgenden Patentverfahren – vor allem auch durch die Folgen des Ersten Weltkrieges – endgültig verloren. Die Patentanmeldung von Irving Langmuir kam nur um wenige Stunden zu spät. Interessant ist hier noch anzumerken, dass sowohl Robert von Lieben, als auch Irving Langmuir bei Professor Walter Nernst studierten, ein Gedankenaustausch mit Nernst daher vielleicht für beide befruchtend wirkte. Der Beitrag der drei Österreicher Löwenstein, Strauß und Meißner ist geprägt von nachhaltiger Innovationskraft und wissenschaftlicher Zielstrebigkeit.'

In Ihrem Sinne läßt sich die Erfindung (und zeitgerechte Anmeldung zum Patent) also bei Siegmund Strauß festmachen.

Beste Grüße

Thomas Lebeth

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 12
Ein ganz wichtiger Text zum Verständnis 
03.Nov.11 16:12
544 from 8745

Ernst Erb (CH)
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Ernst Erb

Dieser Text hier (aus "Radios von gestern", ab Seite 9 unten) ist ganz wichtig zum Verständins von Missverständnissen und Falschmeldungen bezüglich "wer hat denn das und das als Erster erfunden".

Wer dort nich lesen mag, für den zitiere ich das hier daraus:
...
"Unter solchen Voraussetzungen kann es gar nicht anders sein, als dass eine entstellte, nationalistisch zu gefärbte "Kulturgeschichte der Technik" Verbreitung findet. In einem anderen Buch des gleichen Autors stimmen hingegen zahlreiche Lobpreisungen, falls man das Wort "schon" durch "erst" ersetzt, denn viele dieser Taten leisteten andere Erfinder bereits früher! Solche "Geschichten" verursachen Fehlmeldungen in namhaften Zeitschriften bis hin zu einer falschen "Volksmeinung". Kriege vermeiden heisst, die Stärken der anderen und die eigenen Schwächen zu kennen. Darum werfe ich hier einige Gedanken in dieser Richtung auf, auch wenn dies unüblich ist!"

Es ist gut, etwas über Technikgeschichte erfahren zu wollen - aber es ist schlecht, das nationalistisch oder als Einzelerfindung sehen zu wollen. Man kann es sogar bei Gerichten, die jahrelang darüber brüten, eher als Zufallserfolg sehen - oder auch mit Interessenskonflikten verbinden etc., wenn es später solche Urteile über die Priorität fällen muss. Wie erst sollen wir solche Fragen klären können? Sie trennen nur statt zu vereinen und sähen evtl. sogar Unfrieden. Besser ist zu wissen ab wann ungefähr die Zeit reif war, um das Phänomen der Rückkopplung zu erfahren, ja darunter zu leiden, ab wann es zu verstehen und ab wann zu nutzen. Warum soll jemand, der sofort zum Patentamt rennt, der Bessere oder "der Erfinder" sein, wenn andere viel früher mit etwas arbeiteten aber nicht oder nicht mit umfassenden Ansprüchen anmeldeten, so dass andere wiederum durch Patentanmeldung das in Anspruch nehmen?

Trotzdem habe ich im Buch viele Erfindungen und Erfinder genannt. Wie z.B. Cooper-Hewitt für den Quecksilberdampfgleichrichter und spätestens 1904 lässt er die Verstärkung von Wechselströmen, mittels Kathodenstrahlröhre patentieren... Sie würden sicher ganz andere Erfinder nennen ;-)

Tyne ( Autor der "Röhrenbibel") schreibt bei AWA in "The RJ-4 Mystery" z.B. von Urteilen aus 1923, dass das Rückkopplungspatent von Armstrong auf die Anordnung von Paul E. Wallace im Sommer 1911 zurückzuführen ist. Da gab es noch keine funktionierende Lieben-Röhre, sondern ab 1912 ... Noch immer wird gerne vergessen, dass das mannshohe Kathodenstrahlrelais von ihm nie funktionierte und er darum im Dezember 1910 erst auf die Triode von de Forest umschwenkte und das in seiner Patentanmeldung auch nannte. Wenige werden wohl die Versuche (zur Transformator-Kopplung) von de Forest und Van Etten von 1912 kennen ... oder von Franklin mit abgestimmtem Gitter- und Anodenkreis. Noch genauer genommen hat Gaede 1906 wohl mit einer Quecksilberdampflampe und eingebautem Steuergitter erste selbsterregte Rückkopplungs-Schwingungen erzeugt, Sinding-Larsen 1908.

Ich versuchte also beim Kapitel "Erfindungen und Entwicklungen" zu differenzieren und eine möglichst der Wahrheit entsprechende Aufzählung von Erfindern zu erreichen und kam so auf mehr als acht "Erfinder für die Rückkopplung" für 1911 bis 1913. Sicher sind das nicht alle! Manche Leute fanden es direkt spannend, das Kapitel Schritt für Schritt zu lesen. Thomas Lebeth hat übrigens ein sehr empfehlenswertes und interessantes Buch mit Titel "Der österreichische Beitrag zur technischen Entwicklung und industriellen Produktion der Rundfunkröhre" (Trauner Verlag) geschrieben. Es umfasst 200 Seiten (mit grossen Zeilenabstand gut zu lesen).

Heute züchtet man mit möglichst vereinfachtem Mainstream und "politischer correctness" Lemminge, die alles für bare Münze halten, was da so modisch und anscheinend klar daher kommt. "Man" möchte einen Einheitsbrei ... Natur und damit Wirklichkeit sind anders!

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