Gegenkopplung und Netzbrumm

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Gegenkopplung und Netzbrumm 
30.May.17 12:50
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Ende der '30er / Anfang der '40er Jahre hielt das Konzept der Gegenkopplung im NF-Zweig der Radios Einzug in die damalige Schaltungstechnik. Um die gewünschte Wirkung einer Gegenkopplung zu erreichen, ist es allerdings notwendig, die richtige Größe (hier eine Spannung) gegen zu koppeln. Ansonsten kann es passieren, daß eine ungünstig dimensionierte Gegenkopplung das genaue Gegenteil bewirkt.

Diesem Thema widmet sich:
„Cathode Ray“ of Wireles World: Second Thoughts on Radio Theory, Iliffe & Sons, London, 1956

Das Buch ist eine Zusammenfassung von Beiträgen aus „Wireless World“ aus den Jahren 1934 bis 1954, in denen häufig verwendete Pauschalaussagen aus der Radiotechnik hinterfragt werden. Und meist ergeben sich daraus völlig neue Einsichten.

Als Beispiel sollen hier die Möglichkeiten zur „Reduktion von Netzbrumm durch Gegenkopplung in der NF-Endstufe“ vorgestellt werden. Der originale Artikel erschien im Mai 1946.
(Netzbrumm in den Vorstufen läßt sich leicht durch R/C Siebmittel genügend unterdrücken und wird hier nicht betrachtet.)

In Bezug auf Gegenkopplung gibt es die Pauschalaussagen:

  • Gegenkopplung reduziert Störungen, also auch Netzbrumm, im gleichen Verhältnis, wie die Verstärkung reduziert wird.
  • Weil Gegenkopplung den hohen Innenwiderstand von Penthoden und Tetroden erniedrigt, führt sie zu einer Erhöhung des Netzbrumms.

Ganz offensichtlich widersprechen sich diese beiden Aussagen. Was also gilt? Und wie hängt es von der verwendeten Schaltung ab? „Cathode Ray“ verwendet zur Analyse und Klärung der Fragestellung eine Testschaltung, mit der das resultierende Netzbrummen in Abhängigkeit von der Art der Gegenkopplung bei Trioden, Tetroden und Penthoden gemessen werden kann.

Damit der Netzbrumm definiert eingespeist werden kann, werden 33Vp / 50 Hz mit Hilfe eines „Hum“ Transformators der Anodenspannung überlagert. Die Messungen (Fig. 2) werden dann auf diesen Wert als 100% Marke bezogen.
Die Anodenspannung ihrerseits ist sehr gut geglättet, insbesondere durch 24 μF zwischen Anodenspannung und Kathode der Endröhre „unter Test“.
Die eingespeiste Brummspannung teilt sich auf zwischen der Impedanz der Last, die über den Ausgangs-Trafo angekoppelt ist und dem Innenwiderstand ra der Endröhre. Als Ausgangs-Trafo in der Meßschaltung wurde ein Trafo mit Übersetzung 1:1 gewählt.

Die Schirmgitterspannung kann entweder „verbrummt“ oder „geglättet“ eingestellt werden.

Die Vorspannung des Steuergitters wird über den Kathodenwiderstand Rc reguliert. Mit Hilfe des Tiefpasses 0,1MΩ / 6μF ist diese gut gesiebt.

Die Gegenkopplung kann (zu 100%) über den Punkt Z oder zu 20% über den Punkt Y wirksam werden. Die für die Gegenkopplung notwendigen Verbindungen sind in Fig. 2 jeweils gestrichelt gezeichnet.

Die Brummspannung wurde oszillographisch gemessen.

Als Endröhren wurden verwendet:

  • Triode: AC/P1; Ua= 200V, Ia = 26mA, Ug = - 30V, RL = 5 kΩ; Gegenkopplung 100%
  • Penthode: AC2/Pen; Ua = Ug2 = 200V, Ia =22,5mA, Ig2 = 5mA, Ug = - 6V, RL = 7 kΩ; Gegenkopplung 20%

Die Meßergebnisse für die Triode sind in Fig. 2 (A, B, C) dargestellt.

Bei der Penthode gibt es Meßergebnisse für ungeglättete Spannung am Schirmgitter (D, E, F) und für geglättete Spannung am Schirmgitter (G, H, I).

Die beiden horizontalen Linien „+ HT“ und „Cathode“ markieren die Größe der eingepeisten Brummspannung. (100% Wert)

Die vertikalen Linien „Without“ und „With“ (Feedback) sind ein Maß für die jeweils gemessene Brummspannung.

Ergebnisse für die Triode

Schaltung (A)

Nimmt man den Ausgangsübertrager als „ideal“ an, so ist der Außenwiderstand der Triode mit 5 kΩ anzusetzen. Ihr Innenwiderstand von ca. 2 kΩ liegt dazu in Serie. Folglich teilt sich die Brummspannung gemäß dieses Widerstandsverhältnisses auf. Das ergibt ohne Gegenkopplung 72% der (eingespeisten) Brummspannung.

Durch die Gegenkopplung erniedrigt sich nun aber der Innenwiderstand der Triode auf ca. 350 Ω. Folglich erhöht sich hier die Brummspannung am Außenwiderstand auf 95% der (eingespeisten) Brummspannung.

Andere Betrachtungsweise:
Die Gegenkopplung reduziert die Brummspannung an der Röhre. Wenn aber dadurch weniger Brummspannung an der Röhre abfällt, muß dadurch mehr Brummspannung am Lastwiderstand erscheinen. Denn Röhre und Lastwiderstand liegen (in Serie) an der gesamten Brummspannung.

Schaltung (B)

Der Ausgangs-Übertrager soll 1:1 übertragen. Gegengekoppelt wird hier die Spannung am Lastwiderstand RL - und nicht wie im Fall (A) die Spannung an der Anode der Röhre! Dadurch ergibt sich nun eine Reduktion der Brumm-Spannung (am Lastwiderstand) auf 15%, was mit der „üblichen“ Theorie der Gegenkopplung übereinstimmt.

Schaltung (C)

Der Ausgangs-Übertrager wirkt nur als Drossel. Hätte die Drossel eine unendlich hohe Impedanz, würde an dieser die gesamte Brumm-Spannung abfallen und die Anodenspannung der Triode wäre (absolut) brummfrei. Eine reale Drossel hat jedoch eine endliche, wenn auch sehr hohe Impedanz, so daß eine kleine Brummspannung (hier 24%) an der Triode übrig bleibt, die sich mit Gegenkopplung auf 6% verringert.

Ergebnisse für die Penthode

Ohne Siebung der Schirmgitter-Spannung (D, E, F)

Die über das Schirmgitter eingespeiste Brumm-Spannung wird in der Röhre verstärkt und erreicht ohne Gegenkopplung dadurch fast den doppelten Wert der originalen Brumm-Spannung.

Schaltung (D)

Die über das Schirmgitter eingespeiste Brumm-Spannung erscheint in Gegenphase an der Anode mit 180%. Die Gegenkopplung von der Anode zum Gitter verringert nun zwar die Brumm-Spannung an der Anode, aber das Ergebnis ist mit 106% unbefriedigend.

Schaltung (E)

Hier wird die Brumm-Spannung von 180% ohne Gegenkopplung auf 16% mit Gegenkopplung verringert. Das entspricht wieder der „üblichen“ Theorie.

Schaltung (F)

Hier wird die Brumm-Spannung von 140% ohne Gegenkopplung auf 12% mit Gegenkopplung verringert, was wieder der „üblichen“ Theorie entspricht.

  • Aus den Ergebnissen (D, E, F) wird deutlich, daß ein Brumm der Schirmgitterspannung der Endröhre einen ganz wesentlichen Einfluß auf den Netzbrumm an der Anode hat. Ohne Gegenkopplung ist hier der Brumm „unerträglich“ groß.

Mit Siebung der Schirmgitter-Spannung (G, H, I)

Schaltung (G)

Die Penthode hat ca. 350 kΩ Innenwiderstand. (Im Gegensatz zur Triode (A) mit 2 kΩ.) Folglich bleibt infolge Spannungsteilung an 7 kΩ Lastwiderstand nur ca. 2% Brumm-Spannung übrig.

Infolge der Gegenkopplung geht nun der Innenwiderstand der Penthode drastisch zurück, was dazu führt, daß in diesem Fall die Brumm-Spannung auf 90% ansteigt.

Die alternative Betrachtungsweise entsprechend zu (A) gilt hier genau so.

Schaltung (H)

Diese Schaltungs-Konfiguration gab auch bereits in den Fällen (B, E) gute Ergebnisse. Hier wird der Brumm von 2% ohne Gegenkopplung auf (kaum noch meßbare) 1% reduziert.

Wie im Fall (B) wird auch hier die Spannung am Lastwiderstand gegengekoppelt - und nicht die Spannung an der Röhre.

Schaltung (I)

Das Ergebnis mit Gegenkopplung entspricht mit 4% dem Fall (C) bei der Triode. Allerdings ist das Ergebnis ohne Gegenkopplung mit 67% schlecht.

 

Zusammenfassung

  • Um eine gewünschte Wirkung durch eine Gegenkopplung zu erzielen, muß die "richtige" Spannung gegengekoppelt werden.
  • Bei Transformator gekoppelten Endstufen ist eine Gegenkopplung von der Anode zum Gitter ungünstig (A, D, G)
  • Bei Trioden wird üblicher Weise ohne Gegenkopplung gearbeitet. Falls doch, ist Schaltung (C) zu wählen.
  • Bei Tetroden und Penthoden ist die Glättung der Schirmgitter-Spannung wichtig.
  • Eine Trafo gekoppelte Penthode ist auch ohne Gegenkopplung bemerkenswert brummfrei, wenn die Schirmgitter-Spannung geglättet ist.

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