Gittervorspannung unklar

ID: 281887
? Gittervorspannung unklar 
07.Mar.12 23:46
42

Ricco Schafer (CH)
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Ricco Schafer

Guten Tag liebe Kollegen

Ich restauriere derzeit einen NF-Verstärker und da ist mir etwas sehr Komisches unter gekommen. Die Verlötungen sehen grösstenteils doch noch sehr original aus, aber hier und da wurden auch mal ein paar Reparaturen gemacht und jetzt weis ich nicht, ob folgendes Sinn macht: (Bitte im Anhang das Feld A im Bild betrachten)

Da ist die Spannungsversorgung, wie man sie kennt aus geführt (Gleichrichter – Ladekondenser – Drossel – Siebkondenser). Das wesentliche habe ich da mal heraus gezeichnet. Der ganze Rest bezieht sich auf die Masse, aber an der liegt der Ladekondenser ja gar nicht und die Gittervorspannung der letzten Röhre wird da mit dem RC-Glied zwischen Masse und Ladekondenser-Masse ausgeführt. Nach meinem Verständnis schwingt nun das Massepotential der ganzen Kiste mit dem Anodenstrom der letzten Röhre mit und das macht doch keinen Sinn, oder?

Ich habe eigentlich vor, den Ladekondenser auf Masse zu legen, so wie ich das kenne und dann das RC-Glied (natürlich mit leicht kleinerem Widerstand) zwischen die Katode und die Masse zu legen.

Ist das bestehende Konzept Murks, so wie ich vermute, oder gibt es da einen speziellen Grund dass das in meinem Verstärker so gebaut ist?

Meine zweite allgemeine Verständnisfrage bezieht sich auf Feld B:

In vielen Schaltplänen sehe ich immer wieder, dass die erste Röhre (z.B. die Eingangsröhre für einen Phonoverstärker) genau so angeschlossen ist. Ok, da ist die C-Kopplung und der Ableitwiderstand des Gitters, aber wo ist da die negative Vorspannung? Ist meine Annahme richtig, dass man hier auf die Vorspannung verzichtet da das Gitter ja sowieso nur mit ein paar mV angesteuert wird? -> Aber so ist die Steuerung doch nicht ganz leistungslos, da das Gitter ja auch leicht positiv wird; ist das da einfach irrelevant klein?

So, nun bin ich auf eure geschätzten Meinungen gespannt.

Viele Grüsse, Ricco Schafer

Anlagen:

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Negative Gittervorspannung 
08.Mar.12 08:26
42 from 9644

Georg Beckmann (D)
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Georg Beckmann

Gruetzi Herr Schafer,

 

also, die Erzeugung einer negativen Spannung wie vorgestellt ist durchaus üblich. Da es sich bei den Verstärkern um Audio, also Wechselspannungssignale handelt, ist der mittlere Anodenstrom natürlich konstant, durch den Siebelko wird eben die mittlere Spannung gebildet.

Was Sie erkannten mit einer Regelung ist durchaus beabsichtigt. Steigt der mittlere Anodenstrom ( z.B. durch neue Röhren ) ist auch der Spannungsabfall und somit die negative Spannung am Gitter größer, was den Effekt kompensiert.

Diese Gegenkopplung ist i.d.R. stabil, es schwingt nicht. Es sei denn der Siebkondensator ist schlecht geworden.

 

Zur zweiten Frage: negative Gittervorspannung bei Vorstufen ohne Gegenkopplung in der Kathode.

Das Gitter ist über einen 1M Ohm Widerstand auf Kathodenpotential. Am Gitter entsteht eine negative Vorspannung durch die von der Kathode kommenden Elektronen. - messen Sie einmal an so einer Schaltung !.

Wenn Sie den 1M Widerstand entfernen, können Sie beobachten dass der Anodenstrom ggf. bis auf null geht, weil sich das Gitter jetzt soweit negativ auflädt.

 

Gruß aus dem Schwabenland

 

Georg Beckmann

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Gitterspannungserzeugung 
08.Mar.12 08:58
56 from 9644

Dietrich Grötzer (A)
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Dietrich Grötzer

Hallo Herr Schafer.

Zum besseren Verständnis habe ich die Schaltung umgezeichnet. Daraus ist jetzt besser ersichtlich, daß die Gitterspannungserzeugung automatisch durch den Anodenstrom der Endröhre erfolgt. Stabilisiert wird die Gitterspannung durch den parallel zum Katodenwiderstand liegenden Kondensator (Elko) - die Masse schwing somit nicht mit dem Anodenstrom. Die Masse des Gerätes liegt allerdings nicht an "Minus" sondern an der Katode der Röhre. Eine nicht ganz ungewöhnliche Schaltung.

 MfG D. Grötzer

PS: Herr Beckmann war schneller :-)

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Gittervorspannung 
08.Mar.12 23:19
202 from 9644

Ricco Schafer (CH)
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Ricco Schafer

Guten Tag die Herren und vielen Dank für die schnellen Antworten!

Leider konnte ich die Röhre nicht mehr als etwas alltägliches erleben und bin nun nach und nach dabei, solche Dinge zu lernen (der 4-Bändige Barkhausen hilft mir unter anderem auch sehr dabei).

Bei der ersten Frage habe ich nun meine Fehlüberlegung geschnallt: Ich dachte, dass das Massepotential nicht mit dem Wechselstrom als solches, sondern mit dessen Amplitude mitschwinge würde, dass also die Spannung über dem RC-Glied mit einem sich mehr änderndem Anodenstrom auch steigen würde.

Wenn ich mir jetzt denke, dass der Gleichstromanteil rein über dem Widerstand abfällt (dessen Höhe ja immer gleich bleibt) und der Wechselstromanteil durch den Kondi kurz geschlossen wird, dann ist es mir nun klar.

Was mich auch vor allem irritierte ist, dass wenn über diesem RC-Glied nun durch einen grösseren, oder kleineren Gesamtanodenstrom aller Röhren die Spannung dort steigt bzw. sinkt, dann wird ja auch die allgemeine Anodenspannung umgekehrt leicht kleiner bzw. grösser, da die ja die Spannung am Ladekondensator minus Drosselspulenspannung minus Gittervorspannung der letzten Röhre ist. Hinzu kommt aber wohl eher unwesentlich noch die Weichheit des Trafos und der je nach Strom sich leicht ändernde Spannungsabfall bei der Drosselspule.

Das sind wohl maximal 2, 3 Volt und ist das richtig, dass man das in einer solchen Überlegung vergessen kann?

Danke Herr Beckmann für die Ausführung bei der Vorröhre. Ich erlaube mir, sie auch da noch mit einer weiteren Frage zu belästigen, da mich halt vor allem auch die Physik interessiert:

Warum sollen denn die Elektronen überhaupt auf das Gitter kommen? Meine Überlegung zielt von da, dass die ersten paar Elektronen bereits das Gitter ja ganz leicht aufladen. Sobald das geschehen ist, ist das Gitter gegenüber der Kathode leicht negativ und dann kommen ja keine Elektronen mehr an das Gitter (Grundsatz im Barkhausen). Diese Ladung kann dann ja wohl infinitesimal klein sein, so dass dann keine vernünftige Gittervorspannung entstehen kann. Wo ist da meine Fehlüberlegung? Hat das etwas mit der Raumladung zu tun, die von der Katode her und darum auch noch in der Nähe des Gitters negativ ist?

Gruss, Ricco Schafer

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negative Aufladung des Gitters 
09.Mar.12 15:46
275 from 9644

Georg Beckmann (D)
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Georg Beckmann

Hallo Herr Schafer,

 

die negative Ladung ist sehr wohl messbar. Falls Sie eine Gleichrichterröhre zur Verfügung haben, messen Sie einmal die Spannung an der Anode gegen Kathode mit einem Multimeter mit hohem Innenwiderstand, ohne dass eine Anodenspannung angelegt wäre. Sie beobachten ein deutlich negatives Potential an der Anode, sobald die Röhre geheizt wird.

Die geheizte Kathode erzeugt eine Wolke von Elektronen. Diese Elektronen bewegen sich.
Einige treffen die in der Nähe liegenden Metallteile. Von einem Leiter lösen sich die Elektronen dann nicht mehr ab ( ausser bei sehr großen Feldstärken wenn sich dann ein Lichtbogen bildet. )

Jetzt hat man am Gitter 2 Effekte. Je negativer das Gitter schon ist, desto weniger Elektronen werden treffen und hängen bleiben.

Zum zweiten kommen durch das negative Feld immer weniger Elektronen durch das Gitter. Nur die freien Elektronen jenseits des Gitters können von der positiven Anode angezogen und beschleunigt werden.

Die Elektronen, welche auf dem Gitter gelandet sind, gelangen nie mehr zur Anode, diese müssen über den Gitterableitwiderstand abgeleitet werden.

Ich hoffe, dass meine Erklärung korrekt ist.

 

Gruß

 

Georg Beckmann

 

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negative Gitterspannung 
09.Mar.12 17:18
315 from 9644

Dietrich Grötzer (A)
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Dietrich Grötzer

Ergänzend zu den Erklärungen von Herrn Beckmann gibt es Schaltungen, insbesondere bei NF-Vorverstärkerstufen mit Trioden, bei denen die negative Gitterspannung alleine durch einen entsprechend hohen Gitterableitwiderstand, verbunden mit der Katode, erzeugt wird. Die auf das Gitter auftreffenden Elektronen werden durch den hohen Gitterableitwiderstand nur gering abgeleitet, es baut sich eine negative Gitterspannung von ca. 2 - 3 Volt am Steuergitter auf.

Beispielhaft folgende Geräte:

Minerva 593W           EABC80   Rg = 10M

Philips BA3534U       UABC80   Rg = 4,7M

Philips 03RB363       ECL80      Rg = 10M

Hornyphon W140U   UCL82      Rg = 6,8M

 

Mit besten Grüßen D. Grötzer

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Anlaufstrom ist die Antwort 
10.Mar.12 00:34
383 from 9644

Ricco Schafer (CH)
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Ricco Schafer

Guten Abend die Herren

Nun kann ich wohl dieses Thema abschliessen. Durch ihre wertvollen Antworten angeheizt, habe ich mal ein wenig in meiner Literatur nach geforscht und folgendes gefunden (Anhang):

Auf der linken Seite (leider relativ schlechte Kopie als Original) kann man genau das umschrieben finden, was ich ursprünglich mal gefragt hatte. Als Hauptgrund für eine solche Vorgehensweise wird da die Unterdrückung des Netzbrumms angegeben. Ich kann die Quelle leider nicht angeben, da ich vor langer Zeit diese Kopie mal von irgendwo her bei mir abgelegt hatte.

Aber auch danach war ich noch nicht befriedigt, da mir immer noch nicht 100% klar war, warum denn die Elektronen einfach so auf dem doch ansonsten bereits negativen Gitter landen sollten und ich fand die Antwort im Barkhausen (Band 1, fünfte Auflage):

Die Antwort liefert die Statistik und heisst Anlaufstrom. So wie das Maxwell seinerzeit postuliert hatte, lösen sich die Elektronen mit ganz vielen verschiedenen Energien aus der Katode (die Wahrscheinlichkeitsverteilung entspricht hierbei einer e-Funktion). Das bedeutet, dass ganz ganz weinige Elektronen, obwohl das Gitter gegenüber der Katode negativ ist, mit einer solch grossen Anfangsgeschwindigkeit sich von der Katode weg bewegen, dass von denen aus gesehen eben nun die Katode als negativ gegenüber dem Gitter gilt. Die können sich dann auf das Gitter setzten. Somit ist auch der unumstössliche Grundsatz, dass ein Elektron nie an eine Stelle gelangen kann, die eine negative Spannung gegenüber der Stelle hat, wo die Elektronengeschwindigkeit null war, nicht ausgehebelt.

Dort wird ja auch genau der Versuch Herr Beckmann, den sie beschrieben hatten und der übrigens auch interessant war, beschrieben ("umgeben der Katode mit einer Auffangelektrode").

Danke nochmals für ihre Hilfe und viele Grüsse, Ricco Schafer

Anlagen:

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Brummkompensation zugleich mit der -Ug1 Aufbereitung  
10.Mar.12 09:17
421 from 9644

Hans M. Knoll (D)
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Hans M. Knoll

Hallo die Runde.

 

Hier ein Text  wie Gittervorspannung und Brummkompensation arbeitet.

 

knoll

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