grundig: 210; ungewöhnlicher Zeilentrafo ohne Ferritschenkel

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grundig: 210; ungewöhnlicher Zeilentrafo ohne Ferritschenkel 
17.Nov.15 22:43
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Bernhard Nagel (D)
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Bernhard Nagel

Im Grundig Type 210 Fernseher ist ein Zeilentransformator einer mir bisher unbekannten Konstruktion eingebaut: Im Gegensatz zum Vorgänger, den Fernseh-Standgerät (080), gibt es keinen rechteckigen (zweigeteilten) Ferritschenkel-Kern, der sonst für die Horizontalübertrager von Fernseh-Empfängern gebräuchlich ist.

Die "Primärwicklung" des Autotrafos befindet sich in kapazitätsarmer Kreuzwickeltechnik aussen. Darauf sind im gelben Isolierschlauch 2 Windungen zur Heizung der DY80 befestigt.

Die Hochspannungswicklung befindet sich offenbar innen unter dem schwarzen Gummi-Isolierschlauch, da von dort auch die Verbindung zur Anode der DY80 ausgeht. Erstaunlich ist der recht grosse Abstand zwischen der äusseren (Leistungs-) und inneren Wicklung. Ganz innen im Papprohr befindet sich eine Justiermöglichkeit (für einen Kern?) die von aussen an der linken Seite des Zeilentrafos betätigt werden kann. Ist im obersten Bild erkennbar.

Wahrscheinlich gab es einen weiteren (früheren) Zeilentrafo-Typ für den 210, da an der Innenseite des Zeilenkäfigs ein Hinweis auf eine Kundendienst-Mitteilung 47/54 angebracht ist.

"Achtung! Dieser Horizontalübertrager darf in das FS-Gerät 210 nur nach Entfernung des Impulsübertragers BV 3132 eingebaut werden. Beachten Sie die KD-Mitteilung KD 47/54"

Bei den hinterlegten Modell-Bildern sind zwei Ausführungen des Zeilenkäfigs erkennbar. Die schwarze Ausführung mit Luftschlitzen enthält den Zeilentrafo möglicherweise um 90° gedreht eingebaut, vielleicht eine ähnliche Konstruktion wie die oben gezeigte? Lediglich die Hochspannungsdiode ist laut Schema als EY51 ausgeführt.

Wer kann Innenbilder dieser ersten Ausgabe des ZTR zum Modell laden?
Wer hat die orig. Kundendienst-Mitteilung 47/54 (wohl 1954) vorliegen?


Leider existieren vom FS-Gerät 210 bislang keine Original-Schaltunterlagen. Das bekannte Schema ist im Band 5 der: Lange, Schaltungen der Funk-Industrie (Grundig FS-Geräte), enthalten. Ein Ausschnitt der Zeilenendstufe:

Auffällig für den Grundig 210 und weiteren Modellen (z.B. 310, 550) bis zum Jahrgang 1954/55 ist die Verwendung von 2 Schalterdioden in der Horizontal-Endstufe. Gibt es einen Zusammenhang mit dieser Zeilentrafo-Konstruktion ohne Ferritschenkel-Kern?

Zu weiterführenden Hinweisen dieser Zeilentrafo-Bauart und der notwendigen Beschaltung wäre ich dankbar.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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'Eisenlose' Zeilenübertrager in zwei Versionen 
02.Dec.15 00:36
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Bernhard Nagel (D)
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Bernhard Nagel

Die entscheidenden Hinweise finden sich im Büchlein P. Marcus, Kleine Fernsehempfangspraxis (RPB 52/54, 1953-55, S.145 ff.) des Franzis Verlags. Grundigs Bauart des eisenlosen Zeilenübertragers (Marcus beschreibt das als Bandfilterkopplung der Zeilenausgangsspule mit der Ablenkspule) vermeidet die Eisenverluste und ebenso die dadurch verursachten Nichtlinearitäten des Zeilenhinlaufs.

Diese Schaltung der Zeilenendstufe nach Bild 146 bzw. 147b (unten) ist wohl besonders anfällig für die Erzeugung von Barkhausen-Kurz-Schwingungen, die sich als senkrecht verlaufende dunkle schmale Störstreifen am linken Bildrand (zu Beginn des Hinlaufs) bemerkbar machen würden. Zur Unterdrückung dieser HF-Störung, die auf den Empfangsteil zurück einstrahlen würde, liegt daher eine zweite Schalterdiode (PY81) in Reihe mit einem Dämpfungswiderstand parallel zur G2-Anode Strecke der PL81 (Bild 147b). Die PY83 ist die übliche Boosterdiode.

Bild 147a zeigt zunächst die Schaltung mit einem Zeilentrafo konventioneller Bauart:

Barkhausen-Kurz-Schwingungen (auch als Elektronentanz bekannt) sind Laufzeit-basierende Schwingungen in Elektronenröhren im UKW- oder sogar UHF-Bereich. Sie können auftreten wenn das Anodenpotential wesentlich niedriger als die G2-Spannung liegt und erfordern keine aussen angeschlossenen Resonanzmittel. (Am Rande sei noch auf einen Forumsbeitrag zu einer Glühlampe verwiesen, die breitbandige UKW-Störungen durch Barkhausen-Schwingungen verursacht.)

Die Realisierung der "Zeilenkoppelspule" nach Bild 147b im Vergleich mit einem üblichen Zeilentrafo (oben) zeigt noch einen Ferritstift, der als Einstellung für die Bildbreite fungiert. Die Hochspannungsspule (konisch verlaufende Wicklung mit Federkontakt für die DY80) liegt innen.

Diese Ausführung entspricht der im Ausgangspost vorgestellten Bauart mit auswechselbarer DY80, das ist die zweite Ausführung des Zeilenübertragers. Sie wurde als Ersatz für defekte Übertrager mit angebauter EY51 verwendet und dann generell in den Grundig FS-Empfängern des Jahrgangs 1954/55 eingesetzt.

Die ursprüngliche Ausführung ist bislang nicht als Foto belegt, in der vorläufigen Service-Anleitung zum Grundig 210 (und 610) findet sich immerhin eine Chassisabbildung. Man erkennt den um 90° gedrehten Einbau des Übertragers im Vergleich mit der Version 2:

Innenansicht Zeilenkäfig Grundig 610

Passend hierzu eine Schaltung aus Dr. R. Goldammer, der Fernsehempfänger, S.116, Franzis Verlag 1955:

Der Schaltungsauszug zeigt die erste Ausgabe der Zeilenendstufe (mit EY51) des Standgerätes 610, zusätzlich ist hier ein Impulsübertrager (parallel zu der Ablenkwicklung Z1, Z2 liegend) erforderlich der die Impulse für den Phasenvergleich (Gleichlauf-Nachsteuerung) und Unterdrückung des Zeilenrücklaufs abgibt. Die zweite Ausgabe des Übertragers bekam einen zusätzlichen Anzapf für diese Funktionen, der Impulsübertrager konnte entfallen.

Für zwei Jahrgänge, von 1953 bis 1955, wurden diese "eisenlosen" Zeilenendstufen und den daher erforderlichen 2 Schalterdioden in den Grundig Fernsehempfängern verwendet. Die Idee war prinzipiell wohl überzeugend, auf Dauer war die zusätzliche PY81 jedoch ein sicherlich höherer Kostenfaktor als ein Ferritschenkel-Zeilentrafo üblicher Bauart. Denn ab dem Jahrgang 1955/56 verschwand diese ungewöhnlich ausgeführte Zeilenendstufe aus den Grundig Fernsehern.

Mir ist bislang kein weiterer (deutscher) Hersteller bekannt der dieses Prinzip der "eisenlosen" Zeilenübertrager angewandt hat.

Danke an Hans Knoll der mich mit Literaturhinweisen versorgt hat!

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.