Mediator MD4527A Bi-Ampli - Reparatur

ID: 401550
Dieser Artikel betrifft das Modell: MD4527A (Mediator; La Chaux-de-Fonds)

Mediator MD4527A Bi-Ampli - Reparatur 
17.Jul.16 00:00
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Marc Gianella (CH)
Beiträge: 325
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Das Gerät wurde in der schweizer Auktionsplattform Ricardo angeboten und sollte angeblich funktionieren. Angebote wo Laien einen harten Funktionstest durchführten ignoriere ich eigentlich immer. Aber es stand in der Nähe und ein Bi-Ampli* wollte ich einmal hören. Wenn zu viel kaputt wäre könnte es immerhin hier dokumentiert werden, also bot ich das Minimum. Ich war der einzige Bieter und holte das Radio ein paar Tage später ab. Der Verkäufer gab an er hätte das Gerät zehn Minuten laufen lassen.

Nachdem ich es öffnete stellten sich die Teerkondensatoren als formhaltig heraus, also nicht warm geworden - Hoffnung kam auf. Für einen ersten Test waren nur vier zu wechseln. Die Elkos hatten noch etwa die Hälfte der Kapazität. Der Test verlief kurz: Mit Trenntrafo langsam hochgefahren kam ab 100V der erwartete Brumm, ab 150V knisterte es unerwartet nach "Spannung", bei 180V Rauchentwicklung - Abbruch.
Dann zog ich die Röhren und Lampen und mass die Stromaufnahme im Leerlauf - etwa 30 VA (das stimmt natürlich nicht ganz, deckt sich aber mit der gefühlten handwarmen Temperatur). Dazu brummten die Lautsprecher, obschon keine Spannung anlag. Windungsschluss!
In einem anderen Forum (erst jetzt habe ich IE ersetzt und kann hier wieder vernünftig schreiben) wurde mir ein grösserer Trafo angeboten, der ganz knapp Platz hätte.
Um die grundsätzliche Funktion zu prüfen und zu sehen ob allfällig die Heizung alleine noch brauchbar ist und die Anodenspannung mit dem Regeltrafo bereitgestellt werden könnte wollte ich den Test zu Ende führen und den Trafo halt einen Moment rauchen lassen. Wider erwarten zeigten sich weder Knistern noch Rauchzeichen, die Kiste spielte fast einwandfrei und hat einen Bombensound. Der Trafo erwärmte sich nach zwei Stunden aussen auf knapp 60°C, man kann ihn gerade noch kurzzeitig anfassen. Die Stromaufnahme beträgt 400mA bei 220V, also runde 10 Watt mehr als angegeben. Bei 230V steigt der Strom auf 435mA, bei 240V auf 470mA. Die Primärwicklung hat kalt 12.95Ω, nach 2 Stunden 15.5Ω, womit eine Erwärmung im Kern von 50°C errechnet wird. Fazit: Da das ein recht seltenes Gerät ist lasse ich den Trafo drin.
Diese Messung zeigte schwankende Kontaktgabe des Netzschalters. Der Versuch, die Kontaktscheibe aus Hartpapier herauszubekommen ohne zumindest eine der Nieten aufzubohren endete mit dem Bruch der Scheibe. Zwei Mikroschalter wurden übereinader eingebaut. Der Schaltzapfen wurde mit einem Aluröhrchen verlängert: MikroschalterMikroschalter2

Die originale Kabelage der Primärseite und der Anodenwicklungen ist insbesondere in Anbetracht des Alters der Isolierung stellenweise sehr fragwürdig. Schutztüllen wurden eingebaut und die Verdrahtung um den Trafo so geführt dass sich nichts mehr berührt.
Die restlichen Teerkondensatoren wurden gewechselt, da im Hintergrund immer ein Knistern und Zischen zu hören war.

Um den Trafo thermisch zu entlasten wurden in die Sockel der defekten Skalenlampen eine bzw. zwei warmweisse LED eingelötet, die mit ca. 30 mA deutlich unter ihrem Nennstrom betrieben werden. Sie werden von einer kleinen Gleichrichterbrücke mit Ladeelko gespiesen. Die SMD LED sind auf einen Hartpapierstreifen gelötet, für die Skalenlampe wurden zwei gegeneinander angewinkelt, dass das Reflektorblech gut angestrahlt wird. Der Vorwiderstand muss je nach LED durch Versuch ermittelt werden.
Skalenlampe mit zwei LED

Für 230 V Netzspannung wird noch ein Vorwiderstand eingebaut. Dieser wird mit Netzanschlussklemmen zusammen mit einer Feinsicherung auf einen Aluwinkel montiert. Das Chassis werde ich mit dem Schutzleiter verbinden.

* Ich habe schon unterschiedliche Bi-Ampli Schaltungen gesehen. Dieses Modell hat nach den beiden gemeinsamen Vorstufen EABC80 und EBC41 eine Frequenzweiche und separate Endstufen mit EL84, die die Lautsprecher für Bass und für Mittel-/Hochton direkt antreiben.

 

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Ein vorbildlicher Beitrag 
17.Jul.16 17:59
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Hans M. Knoll (D)
Redakteur
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Hans M. Knoll

Hallo Leser im Forum

Ich möchte hier einmal darauf hinweisen, dass die Trafotemperatur in diesem Beitag von H. Gianella, nicht nur wie allerorts üblich, als heiß oder zu heiß beschrieben wird. Sondern fachmaenisch berechnet wurde.

(Die Primärwicklung hat kalt 12.95Ω, nach 2 Stunden 15.5Ω, womit eine Erwärmung im Kern von 50°C errechnet wird. Fazit: Da das ein recht seltenes Gerät ist lasse ich den Trafo drin)

Die Vorgehendsweise möchte ich als beispielgebend herausheben.

In vielen Jahren und nicht nur einmal, habe ich mich bemüht die zulässigen Übertemperaturen nach VDE oder IEC zu benennen bzw. anzugeben.

Die Mehrzahl der Forenuser im www sind nicht in der Lage oder willens, mit einem Thermoelement zu messen welches zu vielen Multimetern lieferbar ist, oder  die heute zu einem Niedrigpreis lieferbaren kontaktlosen Infrarot-Messgeräte zu benutzen.

Man kann  solche Texte finden: Leseprobe aus dem www  zum Thema.
poster 1: Beim Probehören heute viel mir der sehr warme Trafo auf, ist das normal bei den de Luxe Radios? Den Trafo konnte ich fast nicht mehr anfassen, Stromaufnahme 45W.  poster 2:  Stromaufnahme 45W könnte schon hinkommen; daß der Netztrafo (?) aber so knallheiß wird will mir überhaupt nicht gefallen.  Poster 2:   Handwarm (ca 35°Cetwa) lasse ich mir bei einem Netztrafo ja noch gefallen, aber keinesfalls darf der so heiß werden, daß man sich evtl die Finger daran verbrennt. .  

Der Kollege Gianella benutzt die einzig richtige Methode um einem Trafo zu beurteilen, die Widerstandszunahme  der Kupferwicklung mit der Temperatur.

Mittlerweile gibt es zwei Texte hier,   (POST 20)  die auf das Problem eingehen und Zahlen nennen.  Vielleicht nimmt das der eine oder andere Restaurateur hier und in den einschlägigen Foren dazu her,  um  brauchbare Aussagen zur Trafoerwärmung zu machen.    Der Zuwachs an Qualität der Beiträge wäre dem RMorg. zu wünschen.

Links auf weitere, einschlägige,  Beiträge im Rmorg.

#1 Mr. Joe Sousa aus USA

#2 Kollege Beckmann

 #3 Kollege Prof. D.Rudolph

#4 die Kollegen Prof. D.Rudolph und H. Behkmann  

 

Hans M. Knoll                                                

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Heisses Eisen 
18.Jul.16 21:37
264 from 1728

Marc Gianella (CH)
Beiträge: 325
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Hallo Herr Knoll

Gerne gebe ich das Lob weiter an die Verfasser der hervorragenden Fachbeiträge in diesem Forum. An Herrn Sousa’s Beitrag über die Ermittlung der Wicklungs-/Kerntemperatur erinnerte ich mich und fand ihn nach kurzer Suche. Die letzten Beiträge von Herrn Rudolph und Ihnen in den Berechnungen in der Radiotechnik sind da wirklich hilfreich, dafür danke ich Ihnen sehr.

Das lineare Ansteigen der Stromaufnahme bei steigender Primärspannung deute ich so dass der Trafo schon oberhalb des Sättigungsknicks arbeitet.
Erstaunt war ich über den deutlichen Brumm in den Lautsprechern bei abgeklemmtem Trafo.

Elektronische Messmittel für Temperatur stehen mir nicht zur Verfügung. Die Aussentemperatur habe ich mit einem Bimetallthermometer aus einem Boiler bei 23°C Raumtemperatur „gemessen“, den Fühler fest auf das Blech gedrückt und nur mit zwei Fingern gegen Abstrahlung gedämmt, was das Ergebnis sicher gegen unten verfälschte. Die Rechnung stimmte dann auch in etwa mit der „Messung“ überein.

Ganz wohl wäre mir dennoch nicht, das Gerät bei hochsommerlichen Temperaturen stundenlang zu betreiben. Ungenauigkeiten sind ja auch noch im Spiel und die Belastung der Wickel durch Ausdehnung und Zusammenzug hat sicher nicht abgenommen. Darum werde ich es in dem Zustand nicht an Dritte weiter geben, wie eigentlich vorgesehen. Für gelegentlichen Gebrauch und Demonstrationszwecke reicht es allemal. Dass sich einmal ein baugleicher Ersatztrafo findet ist unwahrscheinlich, auch die Parallelmodelle sind nicht häufig.

Freundliche Grüsse
Marc Gianella

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