Mittelwellensender Jihlava ( Iglau in Mähren)

ID: 380635
Mittelwellensender Jihlava ( Iglau in Mähren)  
23.Jun.15 19:28
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Hallo, hier spricht der Reichssender Böhmen, wir melden uns auf Mittelwelle 795 KHz jetzt auch für die Hörer in Iglau und Brünn. Das war Mitte August 1944.

Der Sender Böhmen war damals bereits weitgehend dem Reichsdeutschen Rundfunk angeschlossen, während die Hörer in Prag, Brünn, Mährisch Ostrau und Pilsen , also im Protektorat an sich, vom tschechischen Rundfunk versorgt wurden. 

 

Iglau und Brünn bezeichnete man damals auch als Deutsche Sprachinseln, diese waren jedoch im Protektorat Böhmen und Mähren, die Ausnahme waren die zwei Sender Melnik und eben Iglau.

Bereits 1942 wurde mit den Planungsarbeiten begonnen. Zunächst musste ein günstiger Standort gefunden werden.

Der etwa 50 m hohe Sendemast ist von der Straße aus welche in Richtung Znoijmo führt, gut zu sehen.

Insgesamt standen, nachdem sich der Bauer Anton Siegl von zwei Flurstücken getrennt hatte, 67330 m2 an Grundstücksfläche zur Bebauung zur Verfügung.

Das Betriebsgebäude wurde von der Prager Firma Ing. Milan Mencel projektiert.

Es bestand im EG aus folgenden Räumlichkeiten; Sendesaal, Senderleiter, Maschinenraum, Personalräume, Schlafzimmer, Wohnzimmer , Küche Sanitäranlagen.... die Konstruktion wurde nach CSN ( tschechoslowakische Norm ) erstellt. Aus kriegsbedingten Sparsamkeitsgründen wurde eine Stahlbetondecke nur bei den Räumen; Sendesaal, Hochspannungsanlage, Maschinenraum und Gleichrichter vorgesehen.

Im Keller befand sich das Notstromaggragat. Dazu später.

Der Sender sendete eigentlich bis zum bitteren Ende, am 5 Mai  verschwand der nazifreundliche Senderleiter während des Mittagessens auf Nimmerwiedersehen und der Sender wurde abgeschaltet.

Die Wiederinbetriebnahme des, Dank tschechischen Bedienungspersonales unzerstörten Senders, erfolgte am 21.Mai 1945. Er war der einzigste in Mähren, der noch einsatzfähig war, nachdem man die externe Stromversorgung wieder in Gang gebracht hatte.

Mit seinen 5 KW Leistung konnte man den Sender auf der gesamten böhmisch- mährischen Höhe und auch noch in Brno  empfangen.

Die Sender in Brno und Dobrochov, welche in den letzten Kriegstagen von der Wehrmacht gesprengt wurden  werden im Eiltempo erneuert  und es wird eine halbwegs flächendeckende Versorgung der Region mit dem Standardprogramm des Tschechoslowakischen Rundfunks erreicht.

Am  17.April 1957 nimmt in Jihlava ein regionales Studio seine Arbeit mit technischer Hilfe des Brünner Studios auf, es werden die produzierten Sendungen  über Kabel ( Rozhlas po drate) übertragen und auch 1 Stunde über den Rundfunksender Jihlava auf 202 m.

vergleiche; Z ANTENY ROZHLASU A TELEVIZE Verlag ORBIS Praha 1958 Seite 53 

 

Aber es gibt wie immer eine spannende Geschichte: auch hier wurden kleine Kurzwellen- Störsender mit betrieben, welche die Aufgabe hatten, die Sendungen von Radio Freies Europa u.a Feindsender zu stören. In anderen Veröffentlichungen spricht man von hochgeheimer Tätigkeit.

Das Areal wurde Anfang der 50 iger Jahre mit Stacheldrahtumzäunung versehen, zwischen dem Sender und dem Betriebsgebäude baute man einen 12m hoher Wachturm.

Ein Bild habe ich leider in keinem Archiv gefunden, aber die Konstruktionszeichnung des Turmes. Dazu kam eine Baracke für die Wachmannschaft, etwa so Standard wie auch bei anderen Sendeanlagen, z.B in Domamil, für etwa 20 Wachleute. Beide baulichen  Anlagen sind längst abgerissen.

 

Im Keller des Gebäudes befindet sich ein Notstromdieselaggregat mit 40 KW Leistung, dies wurde 1970 rekonstruiert. Ebenso wurden die 22 KV Eltanschlüsse  ( es kamen immer wenigstens 2 Leitungen zum Sender) 1976/77 erneuert.

Hier wurden die Frequenzen "geschoben"

Im Jahre 1967 wurde auch ein Kellerraum zum Schutzraum umgebaut mit Filteranlage, Druckausgleich und Wasserreservoir.

Foto; Schutzraumtür. Damit war bei Luftangriffen doch ein gewisser Schutz der Bedienkräfte in Aussicht gestellt, in der Zeit des Kalten Krieges waren solche Räume sicher bei den meisten Sendeanlagen üblich.

1962 und 1970 erscheint der Sender Jihlava auf 1484 KHz mit 2 KW Leistung angegeben. Erst 1994 findet sich eine Angabe mit 7 KW .

Zurück zu den Baulichkeiten ( alle nachfolgenden Fotos stammen vom 17.06.2015) 

Hier die Einfahrt, wie sie sicher schon ursprünglich existierte. In den 70iger Jahren wurde vermutlich die links im Bild zu sehende Fernsehkamera nachgerüstet.

Das ehemalige Betriebsgebäude ist noch optisch wie 1944 erhalten, hat jetzt jedoch das in CZ übliche Blechdach, die Fenster und Türen wurden ebenfalls erneuert. Im ehemaligen Sendesaal arbeiten heute die Mitarbeiter der Spedition Kombitrans s.r.o. und der Chef Herr Kaczmar sitzt im Raum des Senderleiters.

Er hat das Grundstück 2006  erworben und erhält ( dafür ein großes Dankeschön !!!) auch die historischen Bauten .

Der Autor im Gespräch mit Herrn Kaczmar

Der Sendemast von der Firma Jucho aus Dortmund macht einen immer noch guten Eindruck.

Oben die achteckige Kapzitätserweiterung.

Die letzte Revision laut Betriebsbuch war am 19.10.2005, seitdem keine mehr !

Herr Kaczmar sollte , das war mein Vorschlag, versuchen, weitere Anbieter zu finden, welche den Mast nutzen und eine Wartung unbedingt in Auftrag geben.

Ein Wahrzeichen und technisches Denkmal in der Region ! was hoffentlich mit dem gleichen Stellenwert behandelt wird, wie andere Wahrzeichen der Stadt Jihlava ( Bild Kirche St Jakub in Jihlava)

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Herrn Marek Kaczmar für seine ausgezeichnete Unterstützung, ohne ihn wär dieser Beitrag nicht möglich gewesen. Viel Erfolg weiterhin !

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.