Nullode, Röhre ohne Elektroden, gasgefüllte Nulloden

ID: 157989
Nullode, Röhre ohne Elektroden, gasgefüllte Nulloden 
04.Feb.08 09:38
0

Ernst Erb (CH)
Ratsmitglied
Beiträge: 5741
Anzahl Danke: 15
Ernst Erb

Nulloden sind Gasentladungsröhren bei denen man die Ionisation des Gases zur Herstellung eines Kurzschlusses ausnutzt. Bei einem Sende-Empfangsbetrieb auf gleicher Frequenz ist der Empfänger in Gefahr durch massive Übersteuerung einen Schaden zu erleiden wenn er gleichzeitig mit einer Aussendung auch auf Empfang ist - dies vor allem, wenn an gleicher Antenne liegend. Nulloden hat man vor allem bei Funkmessanlagen bzw. Radar verwendet, wo die Nullode diese Sperrung bewirkt.

Eine gasgefüllte Hochfrequenz-Sperrröhre (Nullode, Sperröhre in alter Schreibweise) kann das Einstrahlen wirkungsvoll verhindern. Man überbrückt quasi den Empfängereingang mit der Nullode. Kommt ein zu grosses Signal, dann ionisiert die Nullode praktisch verzögerungsfrei und die Hochfrequenz kann den Empfängereingang praktisch nicht erreichen.

In Wirklichkeit stellt die gezündete und "brennend gehaltene" Nullode eine mit geringer Energie arbeitende Umschaltung der vorhandenen abgestimmten Hohlleiterwege dar, sodass der grösste Teil der HF-Energie kurz vor dem Empfängereingang zurück in Richtung Sendeantenne reflektiert wird, also nicht etwa in der Nullode "verbraten" wird. Es handelt sich also weniger um eine Art kontaktlosen Überspannungsbegrenzer, sondern eher um eine Art automatisch betätigten Umschalter.

Der anfänglich verwendete Namen Nullode kommt daher, weil die Röhre Null Elektroden hat. In gewissen Fällen ist die Nullode lediglich ein gasgefülltes Glasgefäss - andere Ausführungen tragen auch Metallteile oder eigentliche Elektroden.

Bei der Nullode unterscheidet man Brennspannung (z.B. 15 A 150 V), Zündspannung, z.B. 250 V, Sperrzeit (z.B. 0,6 km = 2 Mikrosekunden), oft auch Resonanzfrequenz und Lebensdauer (z.B. "bei 30 A und einem Tastverhältnis 1:200 = 1200 Std.). Das Beispiel bezieht sich auf die Nullode LG71 von Telefunken (techn. Unterlagen). Die Nullode LG75 ist abgebildet und zeigt eine Aussenmetallisierung. Da beträgt die Brennspannung 75 V, Zündspannung 200 V und Sperrzeit 1 km. Beide Röhren sind ca. 70 mm lang mit einem Durchmesser von 30 mm und die typische "Pumpspitze". Man nennt das auch die Toroid-Form für Koaxialleiter, obwohl nicht ganz korrekt, da gestreckt. Es gibt auch kammerförmige als Hohlleiterabschluss.

Toroid heisst die Form deswegen, weil die Röhre wirklich wie ein Wasserrohr eigentlich nur eine Ummantelung (um den Koaxiallleiter) darstellt. So hat das "Loch" bei der LG71 z.B. 11 mm Durchmesser. Man steckt die Nullode also auf den Hohlleiter. Bei einigen Nulloden ist aber das Loch nicht durchgängig, sondern nur etwa halb so lang wie die Röhre (als Abschluss verwendet).

Auf Englisch nennt man Nulloden "TR tube" bzw. "Transmit-Receive-Switch Tube". Beispielsweise erreicht man mit Zwangskühlung bei der Nullode CV193 von Ekco 500 kW Impuls Spitzenleistung. Das Bild zeigt eine Ausführung einer Nullode mit Metallteilen. Eine andere interessante Ausführung sehen Sie hier mit der Nullode BL25 von Bomac USA für eine ähnliche Leistung. Hier findet man Elektroden, weil man den Zwischenraum klein hält und er zudem veränderbar ist. Es ist eine modernere Konstruktion für den GHz-Bereich. Siehe auch diese Ausführung - WL-532A von Westinghouse. Eine "Nullode" als Dreielektroden Doppel-Schalter ist die 709-A. Auf dem Bild sieht man die beiden Abstände deutlich. Auch ein "Dual T-R Switch" ist die 56032 von Philips (noch kein Bild vorhanden, aber technische Unterlagen.

Eine kammerförmige Nullode zum Abschluss zeigt sich in der BL-397A von Bomac USA - eine schon ziemlich komplizierte Anordnung für das X-Band (9250 bis 9500 MHz) in diesem Fall. Eine andere Ausführung dieses Typs ersehen Sie z.B. bei der Nullode CV5228 von Ferranti GB (windowed wave guide) und der Nullode CV6116. Eine Nullode, die man mit dem eckigen Hohlleiter integriert ist die 1B36A.

Abstimmbare Nulloden können ähnlich wie Klystron's aussehen und sind z.B. beim Röhren-Codex zum Teil verwechselt - wie hier bei der Nullode 1B24 von Sylvania, USA. Hier eine typische Nullode mit einer Elektrode, genannt "keep alive electrode" in Form der 1B40 von Sylvania.

Wie veraltet und eigentlich unrichtig der Ausdruck Nullode geworden ist, ersehen Sie aus den verlinkten Beispielen. Wir haben den Begriff als Typ jedoch beibehalten, obwohl die englische Bezeichnung TR-Switch eigentlich treffender wäre. Im deutschen Sprachraum sprechen Röhrensammler jedoch weiterhin von Nulloden - und dies hat auch den Vorteil, diese Sperrröhren (alt Sperröhren) gemeinsam auffindbar zu haben. Momentan haben wir etwa 100 davon benannt. Man findet sie über den Reiter "Röhren" in der Suche "Röhren nach Kriterium", wo man zuerst nach Typ sucht und dann ziemlich unten die Nullode findet. Ich habe hier nur einige typische Vertreter mit Abbildungen herausgepickt, damit ein Röhrensammler rasch erkennen kann, wie Nulloden aussehen können und weiss wozu sie gebraucht wurden. Bitte legen Sie Bilder an, wenn Sie in Ihrer Sammlung Nulloden finden. Manchmal sehen die aus wie ein einfaches Glasröhrchen.

Übrigens sind Leuchtstoffröhren und Plasma Lampen auch Gasentladungsröhren bzw. Entladungsröhren, wie auch gewisse Überspannungsableiter, das Thyratron, die Quecksilberdampfgleichrichter oder gewisse Anzeigeröhren.

Gäste können uns ebenfalls Bilder beisteuern, die wir dann in ihrem Namen laden. Bilder und Angaben dazu kann man mit dem Kontaktformular senden, die Mitglieder laden direkt hoch.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 2
Eine Anektode zur Nullode 
07.Feb.08 06:52

Ernst Erb (CH)
Ratsmitglied
Beiträge: 5741
Anzahl Danke: 17
Ernst Erb

Hier zitiere ich gerne den Text, den ich per eMail von unserem Mitglied Wilfried Haack erhalten habe:

Hallo Herr Erb,

Mitte der 60èr Jahre waren in einer sowjetischen Meterwellen-Radarstation mittelgroße Glimmlampen als Sperröhren eingelötet. Ich war etwas amüsiert, aber es war original so vorgesehen und funktionierte einwandfrei. Die Senderöhre war übrigens eine riesige "Leuchtturmröhre" die in den Topfkreis eingesetzt wurde. Ich habe auch ein Bild dieser Röhre. Vor kurzen war im FS ein Bericht über den einzigen Abschuß eines Tarnkappen-Bombers in Ex-Jugoslavien. Darin wurde erwähnt, daß er von einer russischen Meterwellen-Radarstation geortet wurde. Wieder ein Beweis, daß auch veraltete Technik mal wieder zu ihrer Bedeutung kommen kann(hi).

Viele Grüße Wilfried Haack

Das Foto der "Leuchtturmröhre" würde uns sicher vor allem dann interessieren, wenn der Typ bekannt ist. Bei der Suche nach dem Gas in den Nulloden, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass das "eine winzige Menge Wasserdampf" sein soll - eher Wasserstoff - bin ich im Netz auf weitere Informationen über die Nullode gestossen, die ich aber zuerst noch verifizieren muss. Wenn ich denke, wie leicht Recherchen heute zu machen sind gegenüber der Zeit als ich für "Radios von gestern" recherchierte - aber auch wie leicht man (meistens) Falschinformationen "einfängt", dann bin ich manchmal skeptisch, auf welcher Basis wir manchmal das "Wissen" aufbauen.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 3
Nullode und andere Verfahren 
07.Feb.08 19:37

Ernst Erb (CH)
Ratsmitglied
Beiträge: 5741
Anzahl Danke: 12
Ernst Erb

Wenn man die Radartechnik international verfolgt, findet man es erstaunlcih wie weit man in den 30er Jahren vor allem auch in Russland war. Aber das gäbe einen ganz anderen Aufsatz. Zuminest hat die Erfindung des Magnetrons d.h. die Erzeugung von Höchstfrequenzen durch Gruppierung der Dichte des Elektronenflusses durch ein elektrisches und ein magnetisches Feld, im Jahr 1940 durch F. Randall und A.H. Boot aus Großbritannien die Technik revolutioniert.

Das Problem blieb immer das Gleiche, sehr schnelle Mikrowellenschalter (Duplexer auf Englisch) in Form von, TR- und ATR-Röhren bzw. Nulloden, PIN-Dioden oder Zirkulatoren (Ferritzirkulator) heissen dies schnellen "Schalter" je nach Technik.

Die Nulloden oder Sperrröhren (Sperröhren) als eine Art Weiche wurden später durch Begrenzer-Dioden bzw. PIN-Dioden abgelöst, denn Sende-Empfangsschalter nach dem Gasentladungsprinzip, also die Nulloden, benötigen noch eine Einrichtung, um eine Reaktionszeit im Nanosekundenbereich zum Zünden zu haben. Eine Vorspannung (Keepalive Voltage von etwa 800 bis 1200 V) an eine der Funkenstrecken beschleunigt das Zünden der Nullode (TR-Zelle).

Leistungsfähige PIN-Dioden als Sende-Empfangsweiche (engl.: „Duplexer”) haben diesen Nachteil nicht.

Ein Zirkulator wäre die einfachste Lösung, doch diese sind für Spitzenleistungen bis zu vielen 100 kW nur schwer aufzubauen. Zudem haben Zirkulatoren eine Entkopplung von nur ca. 30 - 40 dB und können den hochempfindlichen Empfänger nicht ausreichend vor den hohen Sendeleistungen schützen. Ferritzirkulatoren werden oft als Duplexer eingesetzt. Da teilt sich die Energie am Eingang zunächst in zwei gleiche Teile, die aber durch das Ferrit eine unterschiedliche Ausbreitungsgeschwindigkeit erhalten. Man sorgt dafür, dass dann am Anschluss beide Signalhälften durch die unterschiedlichen Laufzeiten gegenphasig anliegen, sie löschen sich also gegenseitig aus.

Ausser der Nullode gibt es in der HF- und Mikrowellentechnik fanz unterschiedliche "Röhren", die solche schnelle Wechselfelder erst erzeugen (oder verstärken) wie:

Scheibenröhren (Disc Tubes), Scheibentriode, Scheibentetrode
Verstärkerklystrons, Zwei- und Mehrkammerklystron
Klystroden (Klystrons, Linear Beam), Reflexklystrons
Wanderfeldröhren, Travelling Wave Tubes (TWT)
Rückwärtswellenröhren, Carcinotrons, Backward Wave Oscillators (BWO)
Magnetrons, Koaxialmagnetrons, Impuls-Magnetrons, Dauerstrich-Magnetrons 
Kreuzfeldverstärker, Cross Field Amplifier (CFA), Amplitron
Gyrotrons, Gyromonotron, Gyroklystron, Gyro-TWT
Krytron (wohin?)
Nlloden bzw. Sperrröhren (Sperröhren) haben eine ganz andere Aufgabe als die "Generatoren".

Vielleicht sollten wir diese Art von Röhren mit der Zeit in diesem Schema differieren. Wer meldet sich als Spezialist? Ich habe zu wenig Zeit, um das Feld gut recherchieren zu können, möchte aber gerne erreichen, dass wir eine Struktur in jede Art von Röhren einführen zu können, um auch je interessante Beispiele geben zu können. Wie oft steht doch ein Röhrensammler vor Rätsel, wenn er mit ganz anderen Röhren konfrontiert wird als mit Radioröhren ... Da können wir sicher gute Aufklärungsarbeit leisten.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.