O. von Bronk versus E.H. Armstrong

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O. von Bronk versus E.H. Armstrong 
27.Feb.10 10:49
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Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

 

Vorgeschichte
Vor einiger Zeit habe ich ein Kugelvariometer -Marke Eigenbau- auf einem Radiosammlermarkt erstanden.
 
 
Sieht irgendwie interessant aus und erinnert mich an Bauvorschläge aus der Urzeit des Radios, als Drehkondensatoren schwer oder gar nicht beschaffbar (bezahlbar) waren. Damit ließ sich mit einem Festkondensator (oder der Antennenkapazität) eine induktive Abstimmung realisieren. Denselben Zweck erfüllten nierenförmige Variometer oder einfache Schiebespulen.
 
Eigentlich schade, dass das Teil so unbenutzt herumliegt, da kam bei mir eine Erinnerung an einen Artikel in einer amerikanischen Zeitschrift (Radio Broadcast) aus den frühen 20er Jahren auf. Dort wird geschrieben, dass man ein einfaches Audion ohne Rückkopplung nur durch Einfügen eines Variometers zu einem „Regenerative Receiver“ erweitern kann! Das ist schon seit 1913 bekannt und basiert auf eine Erfindung von E.H. Armstrong, notariell beglaubigt im Januar 1913 und als US Pat.1113149 am 29.10.1913 eingereicht.
 
Die Gesellschaft für drahtlose Telegraphie Berlin (Otto von Bronk) konnte 1913 zwei Rückkopplungsschaltungen zur Empfangsverbesserung anmelden:
 
-- DRP 290256 am 16. 7. 1913 als HF-Verstärker mit anschließender Diodengleichrichtung.
-- DRP 290257 am 16.12.1913 als Empfänger ohne HF-Verstärkung.

Vorläufer war Meißners Rückkopplungspatent zur Schwingungserzeugung, DRP 291604, vom 10.4.1913. Auch der Name Strauß wird in diesem Zusammenhang genannt, kann aber nichts Schriftliches finden.
 
Es geht mir nur um die wesentlichen Unterschiede
Wir wissen alle, dass prinzipiell nach einer Verstärkung der Eingangsschwingungen diese zum Teil – und in gleicher Phase- wieder zurückgeführt werden. Das Maß dieser Rückkopplung bestimmt nun, ob es zu einer Selbsterregung (Oszillator), oder nur zu einer Entdämpfung kommt.
 
Armstrongs Rückkopplung ist abhängig von der Kapazität zwischen Anode und Gitter und daher nur bei Trioden wirksam. Hier findet man Näheres dazu. Übrigens, diese Rückwirkung war bei der HF-Verstärkung mit Trioden unerwünscht und machte aufwendige Gegenmaßnahmen erforderlich, sprich Neutralisation. Abhilfe brachten später die Tetroden / Pentoden, wo diese Kapazität auf ein Minimum reduziert werden konnte.
 
Von Bronks Rückkopplungsschaltung dagegen ist leicht durchschaubar und daher bis zum heutigen Tag in vielen einfachen Empfängern zu finden. Es wird am Ausgang einer Verstärkerstufe (oder Audion) induktiv auf den Eingangskreis zurückgekoppelt. Durch entsprechende Polung der Spulen wird die röhrenbedingte 180° Phasenverschiebung aufgehoben und kann man mit dem Abstand der Rückkopplungsspule (Tickler Coil) zur Eingangsspule den Rückkopplungsgrad nach Wunsch dosieren. Zur Regelung werden verschiedene Varianten benutzt, z.B. mit einem Drehko in Serie nach Leithäuser.
Im Laufe der Jahre wurde eine Vielzahl von Abwandlungen hinzugefügt, die hier zu weit führen würde.
 
Und ich dachte, alles über das Audion zu wissen ....
 
 
Aus alten Zeiten habe ich noch einen Brettaufbau eines Einröhren-Audions mit induktiver Rückkopplung und der RE 084 stehen. Mit wenig Aufwand lässt sich mein Kugelvariometer einbauen und schon habe ich einen echten „Regenerative Receiver“ nach Armstrong geschaffen, dachte ich mir so ...
 
 
 
Aber, der sonst so (relativ gesehen) gute Empfang war auf einmal nicht mehr möglich. Alles war viel zu leise und von einer Rückkopplungswirkung kaum zu sprechen. Was habe ich falsch gemacht? Es wurde doch nur die Rückkopplungsspule L2 entfernt und anstatt Drossel L3 das Variometer in die Anodenleitung eingeschleift. Ist vielleicht die Anoden – Gitterkapazität der RE 084 zu gering? Schnell einen Trimmer parallel gelötet. Noch schlechter! Am Variometer kann’s auch nicht liegen, ist mit HF-Litze gewickelt und obendrein mit dem Rohde & Schwarz LARU ausgemessen.
 
Um es kurz zu machen, der Übeltäter war die Eingangsspule L1. Diese ist mit 0,3 mm Volldraht gewickelt und hat einen Widerstand von 3,8 Ohm bei 200 µH! Der Kupferwiderstand ist verhältnismäßig hoch, was die Güte der Spule negativ beeinflusst. Trotzdem waren die Empfangsergebnisse mit der ursprünglichen induktiven Rückkopplung zufriedenstellend...

Als nächster Schritt wurde die alte Spule entfernt und durch eine zufällig vorhandene DKE-Spule ersetzt und siehe da, die gewohnten Empfangseigenschaften waren nun auch mit der Armstrong-Schaltung möglich. Ebenfalls konnte die Rückkopplung mit dem Variometer bis zum Schwingungseinsatz gebracht werden.
Ich habe also gelernt, die Rückkopplungsschaltung nach Armstrong verlangt nach einem verlustarmen Eingangskreis!
Diese DKE-Spule hat wesentlich bessere HF-Eigenschaften, R = 1,7 Ohm bei 250 µH. Die außerdem vorhandene LW-Wicklung wird nicht benutzt, d.h. nicht parallel geschaltet.

 
Beide Schaltungen im Vergleich
Mit der DKE-Spule werden nun Experimente durchgeführt, wobei deren elektrischen Eigenschaften absichtlich -und reproduzierbar- verschlechtert wird. Dazu vergrößere ich den Wicklungswiderstand von L1 mit Widerstand Rs um 15 Ohm (= Brücke entfernt).
 
Eine Frequenz von 825 kHz mit 1,5 mV (m = 60%, 400 Hz) wird an den HF-Eingang gelegt. Die Rückkopplung wurde bis kurz vor dem Schwingungseinsatz angezogen. Das ist natürlich für den normalen Empfang viel zu schmalbandig, aber für den Test kommen die 400 Hz noch einwandfrei durch.
 
Ergebnisse:
Sowohl von Bronks als auch Armstrongs Rückkopplungschaltung zeigen in etwa gleiche Eigenschaften mit der DKE-Spule bei überbrücktem (!) Rs. Die NF-Ausgangsspannung beträgt dann 30 mV.
 
Schaltung Von Bronk
Nun entferne ich die Brücke über Rs, was einer deutlichen Verschlechterung der Spulengüte entspricht!
Mit der induktiven Rückkopplung ist es jedoch möglich, diese Verluste mit der Rückkopplungsregelung (C3) zu kompensieren, d.h. wieder dieselbe NF-Ausgangsspannung zu erzielen! Auch die Bandbreite ist nahezu gleich geblieben. Obendrein habe ich keine nennenswerten Einbußen in der Weitabselektion feststellen können. Ob mit oder ohne Rs, ein modulierter Träger 100 kHz unterhalb wird mit 1:220 unterdrückt. Durch die kapazitive HF-Ankoppelung ist die Absenkung bei 100 kHz oberhalb der Nutzfrequenz auf 1:150 reduziert.
 
Über die genannte Kompensation wurde hier bereits ausführlich geschrieben!
 
 
Schaltung Armstrong
Ganz anders verhält sich Armstrongs Schaltung. Mit dem zusätzlichen 15 Ohm Widerstand ist die Rückkopplung kaum noch wirksam, d.h. nicht mehr zum Schwingungseinsatz zu bringen. Damit bleibt die Entdämpfung des Eingangskreises nur gering, was mit einem starken Empfindlichkeitsverlust einhergeht. Auch geht die Selektivität verloren!
Um wieder die 30 mV NF-Ausgangsspannung zu erhalten, muss die HF-Eingangsspannung jetzt auf 12 mV erhöht werden. Also um das 8fache! 
 
So wird’s noch anschaulicher
Die Auswirkungen werden sichtbar gemacht, indem die Resonanzspannungen in Abhängigkeit der Frequenz auf dem Oszilloskop dargestellt werden. 
 
 
Gewobbelt wird die Frequenz des Function Generators hp-3310A, dessen VCO-Eingang mit der Sägezahnspannung des Oszilloskops verbunden ist. Mit diesem Aufbau sind keine absoluten Messungen möglich (unlineare Verhältnisse). Ich will nur aufzeigen, welche Auswirkungen die künstliche Verschlechterung des Eingangskreises auf Armstrongs Regenerative-Principle hat.
Durch Gittergleichrichtung wird die Richtspannung negativer bei Anstieg der Resonanzspannung, was einen Anstieg der Anodenspannung zur Folge hat. Diese wird abgegriffen und dem Y-Verstärker zugeführt. Das habe ich so gemacht, um den hochohmigen Gitterkreis des Audions nicht zu belasten. Die ebenfalls noch vorhandenen HF-Reste werden mit einem Tiefpass (4,5 mH und 300 pF) vom Y-Verstärker ferngehalten.
 
 
Fazit
Die aufgezeigten Nachteile der Armstrong-Methode eines Rückkopplungsempfängers müssen (stillschweigend) schon lange bekannt gewesen sein. Darum sieht man nur wenige Anwendungen in den verschiedenen Publikationen, die USA eingeschlossen. Trotzdem ist und bleibt E.H. Armstrong der geistige Vater der Rückkopplung zur Empfangsverbesserung! 
Dass das höchste Gericht in den USA 1934 anders entschied, ist hier angedeutet ....
 
 

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Die Theorie zur Rückkopplung nach Armstrong 
12.May.10 16:52
555 from 8305

Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

Ein ganz großes Lob an Herrn Felix Schaffhauser aus der Schweiz,

für die Auseinandersetzung der doch komplexen Funktionsweise der Rückkopplung nach Armstrong (Empfang).
Es ist nur zu verständlich, dass in der damaligen Zeit (1913) der Kenntnisstand noch unzureichend war, um die wahren Hintergründe zu beschreiben.

Das wird besonders im Text zum Huth-Kühn Patent DRP 310152 von 1917 deutlich! Obwohl gedacht für die Erzeugung von Schwingungen, sehe ich keinen prinzipiellen Unterschied zur Armstrong-Schaltung. In beiden Fällen ist die Anoden-Gitterkapazität einer Triode der entscheidende Faktor. Siehe untenstehende Abbildung aus der Patentschrift:

 

Ich zitiere auszugsweise:

"Das Neuartige dieser Schaltung besteht darin, daß zwischen dem Schwingungssystem des Gitters und dem Anodenkreise keinerlei induktive oder kapazitive Kopplung besteht."

 

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