Röhren-Sockelkitte und deren Eigenschaften

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Röhren-Sockelkitte und deren Eigenschaften  
17.May.10 17:41
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Thomas Günzel † 1.8.22 (D)
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Thomas Günzel † 1.8.22

Immer wieder fragen sich Röhrenliebhaber, die es mit wackeligen Röhrensockeln zu tun haben: Wie kann ich den Sockel reparieren, welche Materialen wurden damals verwendet, welche Eigenschaften haben diese Kitte und wie kann man diese anlösen?

Der nachfolgende Artikel mit einer Übersichtstabelle gibt bestimmt viele Antworten auf diese Fragen.


Auszug aus Werkstoffkunde der Hochvakuumtechnik

Von W. Espe und M. Knoll

Berlin, Verlag von Julius Springer, 1936

 

19. Röhren-Sockelkitte.

 (Bartlett 1, Keiling 1, Knepper 2, Mc Bain 1, Stäger 1, 2.)

Man benutzt sie zur Verbindung des Röhrensockels mit dem Vakuumgefäß außerhalb des Vakuums; ihre Zusammensetzung und ihre wichtigsten Eigenschaften enthält Tabelle 93. Der Kitt wird in flüssiger oder breiiger Konsistenz auf die Innenfläche des Sockelhalses oder die Oberfläche des Glashalses gestrichen bzw. gepreßt und dann Sockel und Röhre zusammengefügt. Bis zur Erstarrung des Kittes muß der Sockel, gegebenenfalls mit Hilfe einer Sockellehre, fest gegen die Röhre gedrückt bleiben. Der Übergang von der flüssigen in die feste Phase erfolgt je nach der Kittart durch Phasenänderung (Schmelzkitt), durch allmähliche chemische Reaktion der Kittkomponenten (Reaktionskitt), durch Aufnahme von Kristallwasser (Abbindekitt) oder durch Härtung infolge Wasserabspaltung (Konstitutionskitt). Bei Abbinde- und Reaktionskitten erfordert die vollständige Aushärtung oft sehr lange Zeit. Derartige Kittverbindungen dürfen daher erst nach Tagen aus der Kittlehre genommen werden.
Die Bindung von Glas und Sockel durch den Kitt beruht entweder auf Adhäsion (,,Kleben“) oder darauf, daß der erhärtete Kitt die zusammenzuhaltenden Teile mehr oder weniger umklammert (sog. „Formschluß“). Die Formschlußbindungen sind besonders sicher, wenn Einbuchtungen (Kittbeulen) oder Wulste im Glas oder Rillen im Sockelhals angebracht sind.
Manche Kitte besitzen die unangenehme Eigenschaft, allmählich Wasser aus der Atmosphäre in sich aufzunehmen, wobei sich vielfach ihr Volumen erheblich vergrößert („Treiben“ des Kittes). In Grenzfällen kann es dabei sogar zum Springen des im Sockel steckenden Glashalses der Röhre kommen. Außerdem kann ein solcher Kitt bei Wasseraufnahme, falls er innerhalb des Sockels zwei oder mehr Zuleitungen berührt, zu Isolationsfehlern (z. B. an Gitterzuleitungen) Veranlassung geben. Derartige hygroskopische Kitte müssen daher durch einen Aufstrich gegen Wasseraufnahme geschützt werden.
Da Unreinheiten, besonders Öl- und Fettschichten, ein festes Haften des Kittes verhindern, sind die Kittflächen stets (unmittelbar vor dem Sockeln) gut zu reinigen. Um bei den für Glühlampen verwendeten Kitten die zur Härtung notwendige relativ hohe Temperatur sicher einzuhalten, wird Bakelitkittmassen häufig Malachitgrün beigemischt, dessen Farbe bei 150° C unter der Wirkung des aus dem Bakelit austretenden NH3-Dampfes in Braun umschlägt. Bei größeren Stückzahlen (Glühlampen, Rundfunkröhren) erfolgt das Erhitzen der Sockel in (meist elektrisch beheizten) langsam rotierenden Sockelmaschinen.
 
 
Thomas Günzel
 
 

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