Olympia 405W Radio im Dritten Reich Ausländische Radiosender

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ID: 228261
Dieser Artikel betrifft das Modell: Olympia 405W (Sachsenwerk (bis 1945) ESWE)

Olympia 405W Radio im Dritten Reich Ausländische Radiosender 
06.Sep.10 18:24
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Wolfgang Scheida (A)
Redakteur
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Radio im Dritten Reich - Ausländische Radiosender hören im Dritten Reich

Inhalt:
 
Ein Beitrag am Beispiel der
·        Technik eines speziellen Rundfunkempfängers, sowie einer
·        „juristischen“ Betrachtung hinsichtlich dem Verbot des Hörens ausländischer Sender im Dritten Reich.
 
Abgrenzung:
 
Die Volksempfänger sowie Geradeausempfänger – die lediglich einen Teil des deutschen Geräteparks darstellten werden hier NICHT behandelt.
 
Einleitung:
 
Das Magazin >Funkgeschichte< der GFGF brachte in der Ausgabe Heft 192 August/September 2010 einen Artikel über den Sachsenwerk Olympia 405 W mit dem Untertitel
„Das kontrollierbare Radio“
 
Da diese Art von Rundfunkgeräten mit nur Festsendertasten ohne Abstimmmöglichkeit eine „Besonderheit“ oder gar etwas einzigartiges darstellt, las ich ihn wohl etwas kritischer als ich dies bei „herkömmlichen“ Geräten zu tun pflege.
 
 
Herkömmlich beziehe ich hier auf Geräte mit einem individuell zu bedienenden Abstimmorgan für die Senderwahl, auch als Ergänzung zu Festsendertasten bei diversen Großsuper.
 
Der Sachsenwerk Olympia 405 W mit Festsenderwahltasten:
 
 
 
Bild: Sachsenwerk Olympia 405 W
Bildnachweis: © RM.org Torsten Stein ID = 424886
 
 
Der Sachsenwerk Olympia 405 W hat, und hier wiederhole ich zugegebenermaßen schon die bekannte Literatur wie unten angeführt, ausschließlich acht fest abgestimmte Frequenzen=Festsender die per Drucktasten, davon die ersten beiden für die Langwelle wie u.a. dem Deutschlandsender reserviert, abgerufen werden können.
 
 
Bild: Aggregat aus dem Sachsenwerk Olympia 405 W 
© Bildnachweis Bastelbriefe 1939, Sammlung GFGF-Archiv RM.org ID = 791306
 
Eine Änderung der Frequenzen wird in der Regel vom Radiohändler durchgeführt worden sein der womöglich auch die Erstaufstellung nach dem Kauf vorgenommen hat.
 
Die Abstimmschrauben des Spulenaggregats sind nach Abnahme der dafür vorgesehenen Abdeckung am Boden zugänglich. Da jeweils die Oszillator- und Vorkreisinduktivität auf gleicher Achse liegend synchron betätigt werden ist eine Einstellung auf einen neuen bzw. anderen Sender durch einen technisch halbwegs begabten Radiobesitzer mit einem einfachen Schraubendreher durchaus denkbar. Messgeräte sind hiezu nicht erforderlich. Es wird nur darauf zu achten gewesen sein die Abstimmschrauben an den jeweiligen Bandenden nicht zu überdrehen um die inneren Kerngewinde nicht zu beschädigen.
 
 
 
Bild: Offene Abdeckblende am Geräteboden mit (beschrifteter) Zuordnung der Kreise am Sachsenwerk Olympia 405 W
© Bildnachweis RM.org Torsten Stein ID = 424890 
 
 
Einige direkte wie auch indirekte Aussagen im netten Funkgeschichte Beitrag von GFGF Mitglied und Autor Herrn Melloni, der mir nach Kontaktaufnahme über die GFGF freundlicherweise auch ergänzendes Material zukommen hat lassen möchte ich hier abseits vom technischen Teil des Artikels hinterfragen.
Was ich aber um Missverständnissen vorzubeugen lediglich als vertiefende Ergänzung bzw. Zusammenfassung zu dem Artikel wie auch diversen Threats in Foren einschließlich der des RM.org verstanden wissen will:
 
Darin fand ich die Aussage 1:
 
Das Gerät (Ein Radio mit nur voreingestellten Sendern) wurde vom Reichsminister Generalfeldmarschall Göring schon ungeduldig erwartet....“
 
Zu meiner eigenen Überraschung war im Reichsgesetzblatt Teil 1 vom 7. September 1939 Nr. 169 „Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen“, nicht der von mir „zum Thema passend erwartete“ Reichspropagandaminister Dr. Goebbels, sondern eben Marschall Göring als Vorsitzender des Ministerrats für die Reichsverteidigung angeführt, der nebenbei an anderer Stelle u.a. auch das Fernsehen als Oberbefehlshaber der Luftwaffe vom „Führer angehängt“ bekam.
 
Die im Artikel erwähnte „Erwartung“ durch Göring, respektive durch seine unterstellten Ministerien, auf ein Radio das nur Reichssender empfangen konnte vermochte ich jedoch bis dato (9/2010) nirgendwo greifbar dokumentiert finden.
 
Das DRA verweist auf seiner Webpage zum Thema mit Datum 9/2010 daher ebenfalls auf Dr. Goebbels als den eigentlichen Urheber der Verordnung, der noch dazu im Widerstand gegen andere Minister stand da die Verordnung mangelndes Vertrauen der Regierung gegenüber der Bevölkerung zum Ausdruck brachte. (Originalquelle wäre zum Nachtragen)
 
Auch ist klar, daß die Verordnung(en) schon etwas früher – also durchaus auch schon vor der Funkausstellung 1939, anlässlich derer die Geräte der Saison 1939/40 vorgestellt wurden verfasst worden sein könnten.
 
Weiters sind das Gros der Superhet-Rundfunkempfänger der Saison, für den Kurzwellenempfang ausgestattet, was eine politisch gezielte Ausrichtung der Empfängerschaltungen auf Verzicht des KW-Teils nicht nachvollziehen lässt.
 
Auch beim im Preiswettbewerb stehenden Telefunken Super 944 wird eher die durch Schaltungsvereinfachung gewünschte erzielbare Preisklasse ausschlaggebend für den Wegfall des KW-Teils gewesen sein, denn eine Intervention „von oben“.
 
Wäre diese auch nur informell als „unverbindliche“ Empfehlung der Regierung an die Industrie erfolgt würde sich im Gerätepark dies auch zumindest in Ansätzen widerspiegeln was aber nicht der Fall ist. (Für die Thematik der Geradeausempfänger und Volksempfänger siehe die bereits umfassende Literatur zum Thema auf Papier und www)
 
Nachtrag von Herrn Birkner: "Im Eltax-Katalog 1939/40 (hat keine Jahresangabe, zeigt aber die Saisonmodelle wie imWDRG-Handbuch 1939/40) ist z.B. der Graetz 49  W/GW als "leistungsfähiger Europaempfänger angepriesen. Der 51W/GW gar als Übersee-Super. Ingelen 540 W/GW "Ein Weltsuper",Lumophon WD/GW 302 "mit leistungsfähigem Kurzwellenteil", Mende 153 W/GW "Der betriebssichere Europa-Empfänger", Telefunken D 750 "ein Weltsuper", Wega 249 W "Geradeaus-Fernempfänger. Und immer wieder wird das "leistungsfähige Kurzwellenteil" betont... kurz vor dem 2.Weltkrieg! Die 16. Deutsche Rundfunk- und Fernsehrundfunk-Ausstellung Berlin war vom 28. Juli - 6. August 1939",  also knapp vier Wochen vor Kriegsausbruch zu ende. 
 
Auch der kommunizierte „Wunsch nach einer Kurzwellenskala“ in der Funkschau April 1939 Heft 14 S.111ff wirft in Kenntnis, das auch dieses Magazin „linientreue“ Schreiber hatte, kein Indiz für eine zentral gesteuerte Empfangseinschränkung auf.
 
Mehr ist von Interesse welche Verbreitung (Stückzahlen/Marktanteil) dem Gerät widerfahren ist, da Rundfunkgeräte doch ab 1939 ?! ebenfalls bezugsscheinpflichtig und damit insbesondere Superhets neu kaum zu beschaffen waren.
In diesem Zusammenhang darf auf die „Ostspende“ als einer der Quellen, in diesem Fall für gebrauchte Geräte für durch Bombenschäden betroffene Begünstigte verwiesen werden. (Verordnungsblätter vom Hauptwirtschaftsamt als Nachweis werden gesucht - Danke)
 
 
 
 
Bild: Bezugschein für einen Rundfunk Marken-Empfänger aufgelegt von der Reichsstelle – dem Reichsbeauftragten für elektrotechnische Erzeugnisse
(Ortszuordnung Schlesien, Datum unbekannt)
 
Aussage 2:
„Der billigste Superhet der Saison 1939/40 da Verzicht auf teure Drehkondensator Abstimmung“ [Funkschau Heft 3, 1940 zitiert im DRM Aufsatz]
 
Was zeigt ein Preisspiegel anhand der bei RM.org gelisteten Geräte der unteren Superhet Preisklasse? (kein Anspruch auf Vollständigkeit!)
 
 

 

Tabelle mit Preisspiegel: Untere Klasse der Superhet-Radios der
 
Saison 1939/40 in Deutschland
Preis in RM
Bänder
 
braun_bsk239f_bsk_239_f.html
164
MKK Batterie!
telefunken_super_944w.html
169
LM
Sachsenwerk Olympia 405 W
173
LM
saba_355w_355wp.html
178
LM
loewe_opta_opta_540w.html
180
LMK
mende_super_195b.html
185
LMK Batterie
hornyphon_prinz_40b_w135b.html
185
LMK Batterie
blaupunkt_5w69_5_w_69.html
186
LM
saba_355w_355wh.html
186
LM
lorenz_super_150wi.html
189
LMK
wega_649w.html
189
LMK
nora_linz_w69.html
193
LMK
tefag_tefadyn_150wi.html
193
LMK
mende_super_195w.html
195
LMK
braun_4640w_k.html
197
LMK
aeg_69wk_69_wk.html
198
LMK
saba_356gw_356gwp.html
198
LM
seibt_11w.html
198
LMK
siemens_kammermusik_s_92w_k.html
198
LMK
telefunken_condor_965wk.html
198
LMK
lorenz_super_150ai.html
199
LMK
loewe_opta_opta_2540w.html
200
LMK
loewe_opta_opta_540gw.html
200
LMK
schaub_weltsuper_40w_ws40w.html
200
LMK

 

Insgesamt sind mit 9/2010 auf RM.org 429 Deutsche Radiomodelle der Saison 1939/40 einschließlich chronologischer Unschärfen gelistet. (ohne „Ostmark“ etc.)
 
Davon 367 Modelle = 85,5 % als Superhet, wobei davon lediglich 12 Superhet Modelle = 3,3 % reine LW & MW Modelle sind!
 
Wie erkennbar, ist „die Luft“ im Segment unter 200 RM relativ dünn. Preisgünstigere Geräte unter der RM 180,- Klasse sind zudem durch Verzicht auf Abstimm- & ZF Kreise erkauft, bzw. ist es ein Batteriegerät.
 
Die Aussage aus der Funkschau Heft 3, 1940, zitiert im DRM Aufsatz zum Gerät, wonach der Sachsenwerk Olympia 405 W der billigste Superhet war stimmt damit aber nicht, noch dazu es sich beim 405 W wie auch beim Telefunken ebenfalls um eine Schaltung mit nur einer ZF Stufe handelt.
 
Weitere (Kauf-)Argumente für dieses Gerät:
 
Das Kaufargument für die potentiellen Kunden des Olympia 405 W wird tatsächlich eher die einfache Bedienung des Gerätes ohne lästige Sucherei gewesen sein, um es so bequem wie möglich zu haben da man gar acht Sender ohne aufwendige Suche praktisch auf Knopfdruck an der Hand hatte. (Vergleiche die frühe Tastensenderwahl bei TV Geräten im Deutschland der Wirtschaftswunderzeit im Vergleich zu den obligatorischen Trommel- und Abstimmtuner selbst bis in die 1980er Jahre in den USA.)
 
Der zitierte „Radio-Händler“ H.15, 1939 führt eine heute nicht mehr tragbare Argumentation an, wonach das Gerät „der ideale Fernempfänger für die Frau darstellt, da diese damit spielen könne, ohne es begreifen zu wollen“ .......
 
Die explizit ausgewiesene Tauglichkeit zum „Fernempfänger“ mit nur einer ZF-Stufe stelle ich aber in Frage.
 
Dem Argument der einfachen Bedienung wird aber nicht nur „die Frau“ erlegen sein.
 
Inwieweit sich Käufer vom Vorteil der acht einwandfrei eingestellten „Sofortsender“ aber mitunter vielleicht sogar eher bevormundet gefühlt haben mögen wäre in der Rückblende von Interesse.
 
Dies im Zusammenhang mit der Klage einschlägiger Stellen aus dem April 1939, wonach die Deutsche Bevölkerung selbst auf dem Lande eher nach leistungsstärkeren Rundfunkempfängern mit KW-Teil fragt denn nach den billigen Volksempfängern (ohne KW-Teil; anm.) [10].
 
Das die Kurzwellen Sendersuche und Abstimmung nebst eingeschränkter Tonqualität ein mehr an Bedienungsaufwand abverlangte, wird erneut im Artikel „Der Wunsch nach einer Kurzwellenskala“ in der Funkschau April 1939 Heft 14 S.111ff mit den beschriebenen Defiziten selbst bei Großsupern erörtert, was bei offizieller Ächtung dieses Themas unterlassen worden wäre.
 
Ermöglichte doch gerade der Rundfunk im Allgemeinen, und der Kurzwellenteil im Besonderen einen geistigen Zusammenschluß aller Deutschen Bürger auch jenseits der politisch gezogenen Grenzen zu einem einheitlichen „Volkskörper“.
 
Ein weiteres Argument für die Anschaffung gerade dieser Type könnte auch in bestimmten Orten die Möglichkeit gewesen sein eben nur dieses Modell bei Bezugsschein-Rationierung als neues Gerät zu erhalten - siehe oben.
 
 
 
Der Olympia 405 W aus der Sicht der Verordnung:
 
Die Verordnung zum Thema „Feindsender“:
 
Die Verordnung bezieht sich auf den Terminus „ausländischer Sender“ die das Abhören aller nicht dem Deutschen Reich und den Verbündeten unterstellten Ländern und deren Sendungen verbot. Umgangssprachig auch als „Feindsender“ bezeichnet.
 
Wie der Hitler-Stalin Pakt ab August 1939 in dieses Schema passen soll wo Radio Moskau verboten war bleibt dabei neben diversen anderen Anachronismen unbeantwortet.
 
 
In der Benutzerpraxis konnte also ein halbwegs versierter Hobbybastler die Abstimmung zugunsten eines „dem Reich fremden Senders“ ändern. Dies aber mit dem Nachteil, das im Fall einer Kontrolle oder auch nur durch neugierigen „Tastenscan“ eines Besuchers sein Tun aufgeflogen wäre.
 
Benutzer herkömmlicher Abstimmradios konnten sich hier besser schützen indem obligatorisch und penibel darauf geachtet wurde nach dem verbotenem Tun wieder zurück auf den Deutschlandsender o.ä. zu drehen. (Vergleiche mit der „Chef-Taste“ am PC J ).
 
Gefeit vor verbotenem Tun war man aber auch mit dem 405 W nicht wenn sich die Frontlage zu ungunsten des Reichs geändert hat.
 
Die Tastenbelegung „Paris“ als Beispiel würde ab August 1944 den Gerätebesitzer als Indiz eines Rechtsbruch ausgelegt werden können. (Ein tatsächliches Hören ist damit ja noch nicht nachgewiesen)
 
 
Tabelle: Die von der Reichsregierung freigegebenen Mittelwellen & Langwellen Rundfunksender,
die abgehört werden dürfen, und damit ausdrücklich vom Abhörverbot der Auslandssender - alias Feindsender ausgenommen waren; Zeitzuordnung ~vor dem Juni 1944.
 
Die „juristische“ Interpretation der Verordnung
 
Zum Reichsgesetzblatt ist juristisch das Detail interessant wonach in §1 „das absichtliche Abhören“ .... sanktioniert wird.
 
Mehr schon in den Fokus kommt der § 5, wonach die Strafverfolgung nur auf Antrag! der Staatspolizei stattfindet.
 
Ich verstehe dies so, das eine Anzeige z.B. im Rahmen einer Denunziation bei der örtlichen Polizei in der Folge an die Gestapo weitergeleitet wurde und diese nach eigenem Gutdüngten „gemäß §“ zu verfahren hatte oder die Freiheit hatte dies auch nicht zu tun ? und der Fall ad acta wenn überhaupt gelegt werden konnte. Das ganze also eine Ermessensangelegenheit des zuständigen Bearbeiters wurde.
 
Den rechtsfreien Raum und die Willkür der Organe insbesondere ab dem sich abzeichnenden Zusammenbruch lassen wir außen vor ohne tiefer in die Materie vorzustoßen da letztlich alles nach heutigem Verständnis nicht rechtsstaatlich aufgebaut war.
 
Das Thema wird weiters auf Wikipedia mit umfangreicher Literaturangabe ausgeführt. Die Häufigkeit und die Bedeutung des Straftatbestandes im Verhältnis zur Behandlung in der Nachkriegserinnerung wird angesichts der verhältnismäßig geringen Zahl der tatsächlich verurteilten oder gar zum Tode verurteilten Hörer in der Erinnerung der betroffenen Generationen nach Ansicht des Autors überproportional verklärt.
 
Mehr wird die in diesem 3. Threat angeführte Bequemlichkeit den brauchbar bis gut empfangbaren Ortssender zugunsten der Suche nach dem Verbotenen und der etwas Geschick fordernden „mühevollen“ Rückkehr zum Ausgangssender sowie die selbstauferlegte Hördisziplin der Bevölkerung die Häufigkeit dieses Vergehens zumindest bis zur immer deutlicher abzeichnenden Wende und des Zusammenbruchs dezimiert haben.
 
Etwas „gestoßen“ habe ich mich mit der Weitergabe von Hörensagen am Schluss des GFGF Beitrages, wonach „vom Onkel des...“ eine Strafverfolgung wiedergegeben wird.
 
Da hier die Feinheit, ob tatsächlich eine Verurteilung wegen des absichtlichen Hörens oder eben nach § 3 die Weitergabe solcher Inhalte ausschlaggebend waren leider fehlt, und eine Zuordnung/Auswertung dieser Delikte erschwert und damit das Aufkommen selbiger Berichte mehr und mehr verklärt werden wäre eine sachliche Faktenprüfung sinnvoll. 
 
Das bereits 1933 kurz nach der Machtergreifung gegen Radio Moskau gewettert wurde mit dem Titel „Radio Moskau Hörer kommen ins KZ“ sei hier ebenfalls erwähnt.
Jedoch war mangels entsprechender Erlässe und Verordnungen nicht das Abhören an sich verboten sondern „nur“ der damit einhergehende Zusammenschluss der oppositionellen Kräfte. Ansonsten blieb es lediglich bei der sozialen Ächtung derer die diesem Treiben nachgingen sowie dem psychologischen Nachdruck auf die Eigenverantwortung des Hörers sich durch solchen Schmutz und Unrat nicht vergiften zu lassen.
 
 
 
Bild:
„Radio Moskau Hörer kommen ins KZ“
Zeitungsbericht aus Frankfurter Zeitung, 22. September 1933
 
In diesem Zusammenhang auch ein Teilauszug von Schellack- & Radiolegende Günther Schifter/Wien zitiert, der sein Radio, mit dem er tatsächlich auch seine beliebten ausländischen Jazzsendungen respektive „entarteter Musik“ abhörte zur Polizei bzw. Gestapo bringen musste und dort dieses unbrauchbar gemacht wurde. (Gedächtnismitschrift aus TV Doku >Schlurf – Im Swing gegen den Gleichschritt< mit einem Lokalaugenschein durch G.S. an den Orten seiner Verfolgung; 2007, gesehen 9/2010)
 
Auch hier war aber nicht das Rundfunkvergehen ausschlaggebend gewesen, sondern „nur“ eine Begleiterscheinung, da er sich nebst anderen, sich als „Schlurf“ auch „Swing Jugend“ genannt dem rigiden System gegenüber teils auch frech outete und diese Gruppe als die Volksgemeinschaft schädigend von den Behörden zeitweise drakonisch verfolgt worden ist.
 
Im Web dokumentiert ist auch die mit Tod sanktionierte Manipulation am behördlich stillgelegten KW-Bereich von Rundfunkempfängern die von den „Tätern“ wieder reaktiviert wurde.
 
Ebenso liegt dem Autor ein Dokument zur Beschlagnahme eines Rundfunkempfängers mit zugesichertem Wertausgleich durch das Reich im Februar 1945 zugunsten eines Dritten Nutznießers vor.
 
Die Funkschau 7/1941 führt zum Them Schwarzsenden & Schwarzhören - wobei sich letzteres lediglich auf das illegale Benützen eines Empfangsgerätes ohne Bezahlen der Rundfunkgebühr handeln müsste wie folgt an:
>....April 1940 - März 1941....1.496 Strafverfahren gegen SchwarzHÖRER eingeleitet und 1.231 Personen rechtskräftig verurteilt worden. Davon 26 zu Gefängnisstrafen bis zu 4 Monaten und 1.200 zu Geldstrafen bis zu 300 RM.<[13].  
 
 
Exkurs 1 in die Nachkriegszeit: Von Fachkreisen abgesehen hat es auch kaum eine breitere Ablehnung zur 26,1 MHz Beschränkung bei in Deutschland verkauften KW Empfängern gegeben, oder dem Verbot das UKW-OIRT Band, Flugfunk etc. zu empfangen bis in den 1990er Jahren auch hier eine Liberalisierung stattfand.
 
 
Exkurs 2:
§3 bietet zukünftigen Forschungsstoff, da in Ausübung des Dienstes (bei Wehrmacht, Luftwaffe etc.) reichsfremde Sender gehört werden konnten und deren Programminhalte auch ungewollt Einfluss auf die private Einstellung des Diensthabenden nehmen konnte.
_____________________________________
 
Die Wehrmacht gab auch umfangreiche Lehrunterlagen für Berufe heraus, die soweit ich es verstehen konnte parallel oder als Bestandteil der Soldatischen und/oder Offiziersausbildung studiert und möglicherweise mit einer Prüfung und damit einer weiteren beruflichen Qualifikation abgeschlossen werden konnten. Bisher habe ich zu dem Thema noch keine Literatur ausmachen können.
Noch interessanter wäre auch das Thema und dieses mit der bekannten Ausstellung bitte nicht verwechseln: Verbrechen IN der Wehrmacht, bezogen auf strafrechtlich relevante Tatbestände begangen innerhalb der drei Waffengattungen an Kameraden und Vorgesetzten. Exkurs Ende.
 
 
Exkurs 3 in die Nachkriegszeit:
 
Wie zu erwarten, wurde man erneut auch nach dem Krieg in totalitären Regierungssystemen wie der DDR dabei fündig Geräte mit fest auf "linientreue" Sender abgestimmte Schwingkreise zu finden.
Als Referenz sei hier der Kolibri sowie Kolibri II erwähnt, die gewissermaßen mit nur DM 50 Kaufpreis den Volksempfänger der DDR darstellen sollen.
 
 
Quellen & Bildnachweis:
 
  1. Bilder: RM.org & Digitalarchiv Scheida
  2. Magazin >Funkgeschichte< der GFGF, Ausgabe Heft 192 August/September 2010 Untertitel „Das kontrollierbare Radio“
  3. RM.org Preistabelle und allg. Recherche
  4. DRM/AV Deutsches Rundfunkmuseum Berlin, Radiokatalog Nr. 3 – 1994 39 SW 02 H 
  5. D - Reichsgesetzblatt Teil 1 vom 7. September 1939 Nr. 169 „Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen“
  6. Beispiel eines Urteils, dem Merkkarton und mehr
  7. Tabelle der erlaubten Radiosender im Dritten Reich vor ~ Juni 1944 die keinem Abhörverbot unterlagen.
  8. Bezugschein für einen Rundfunk Marken-Empfänger aufgelegt von der Reichsstelle – dem Reichsbeauftragten für elektrotechnische Erzeugnisse
  9. Funkschau April 1939 Heft 14 S.111ff
  10. Wikipedia - Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen
  11. Der Volksempfänger, Mythos und Wirklichkeit
  12. Druckknopfabstimmung bei frühen Radios
  13. Funkschau 7/1941 - Reprint in Radiobote Heft 31/2011
© 9/2010 W. Scheida/Wien

 

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 2
Abhören ausländischer Radiosender – Kurzwellenteil 1943 
10.Dec.10 20:27
595 from 7926

Rüdiger Walz (D)
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Rüdiger Walz

Abhören ausländischer Radiosender – Kurzwellenteil  1943

Zur Ergänzung des hervorragenden Beitrages von Wolfgang Scheida ein Auszug aus einem Anleitungsbuch für die Entfernung von Kurzwellenteilen aus Rundfunkgeräten im „Reichsprotektorat Böhmen und Mähren“ 1943.
Wenn auch im Deutschen Reich sogar noch Werbung für die hervorragenden Kurzwelleneigenschaften der Geräte gemacht werden konnte, wurden in den besetzten Gebieten die Radiogräte kurzerhand konfisziert oder wie in Tschechien der Kurzwellenteil entfernt.
In diesem Zusammenhang sei auf die Dissertation  
"Rundfunkverbrechen" vor nationalsozialistischen Sondergerichten. Eine vergleichende Untersuchung der Urteilspraxis in der Reichshauptstadt Berlin und der südbadischen Provinz.
Von der Fakultät I Geisteswissenschaften der Technischen Universität Berlin genehmigte Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Philosophie
vorgelegt von Michael Hensle aus Berlin 2001
verwiesen.
 
Die Einleitung spricht für sich. Die Unterschrift auf Seite 9 lautet „Thürmer“. Das Buch ist tschechisch-deutsch geschrieben und hat 240 Seiten, auf denen die Kurzwellenteile der häufigsten Geräte ähnlich wie in Regelin gezeichnet sind.
 
Da man die Bevölkerung weiterhin für Propaganda und Benachrichtigungen erreichen wollte, mußte das Radio auf Langwelle und Mittelwelle weiterhin einwandfrei funktionieren. Häufig findet man in den besetzten Gebieten produzierte Einfachradios mit zwei oder drei fest eingestellten Sendern wie z.B. hier, hier und hier.
 
Rüdiger Walz
 
Anlagen:

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