Selbstaufnahme-Schellacks

ID: 376090
? Selbstaufnahme-Schellacks 
05.Apr.15 22:52
165

Hans Kraus (A)
Beiträge: 3
Anzahl Danke: 12

Hallo,

ich habe noch - aus Familienbesitz - Schellacks und einen Dual-Plattenspieler mit Magnetsystem und 78er Nadel und natürlich auch 78 U/min.

Bei den Schellacks sind einige (wie mir gesagt wurde) selbst aufgenommene Platten dabei. Sie sind recht flexibel (biegen sich wesentlich mehr als LPs), weiß mit der Hand auf einem schwarzen Label beschriftet (Kreide?) und mir wurde gesagt, man dürfe sie nur mit einer Dornennadel und nicht mit einer normalen Grammophonnadel spielen. Das Format sind die normalen 25 cm Durchmesser. Entstanden/aufgenommen sind sie in der Zwischenkriegszeit in Wien.

Kann ich die Platten mit meinem moderneren Dual spielen oder ruiniere ich sie damit? Das Ziel ist die Digitalisierung der Platten. Auf denen spielt zB. mein Firmpate Jazz-Standars wie Tiger Rag u.ä. Das Ganze ist also für mich interessant.

Weiß vielleicht auch noch jemand, wie man dafür die Entzerrung einstellen solle? Wie bei 'normalen' Schellacks?

Viele Grüße und vielen Dank für Antworten, Hans

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 2
Keine Stahlnadel! 
07.Apr.15 00:40
165 from 5201

Georg Richter (D)
Beiträge: 916
Anzahl Danke: 12
Georg Richter

Hallo Herr Kraus,

selbst bei Schellackplatten gibt es keine eindeutige Schneidkennlinie. Auch beii der Vielzahl an Selbstaufnahmeverfahren und Apparaturen ist daran nicht zu denken.

Zur Wiedergabe benötigen Sie einen Plattenspieler mit 78 U/min mit Leichttonabnehmer. Ich rate zu einem beliebigen OM-System von Ortofon und "Nadel 78". Bei 2 bis 2,5 Pond Auflagekraft sind Ihre Scheiben auf der sicheren Seite.

Nach Überspielung auf den PC (stereo ist ein Muss!) können Sie den Frequenzgang mit Software nach Gehör justieren bzw. Störgeräusche eliminieren. Ein paar Ratschläge dazu gibt es auf meiner bescheidenen Web-Seite (siehe Profil).

Falls Sie keine Experimente machen möchten und das Anliegen nicht zeitkritisch ist können Sie mir die Platten leihweise zu treuen Händen schicken.

Beste Grüsse

GR

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 3
Selbstaufnahme-Schellacks - Zusammenfassung 
12.Apr.15 10:23
380 from 5201

Hans Kraus (A)
Beiträge: 3
Anzahl Danke: 18

Hi,

vielen Dank für die Antworten. Zwei habe ich per PM erhalten, die ich hier zitiere (hoffentlich ist das in Ordnung):


Heinrich Stummer:

Hallo Hr. Kraus,

leider kann ich auf Ihren Beitrag nicht direkt antworten, weil ich dort direkt auf den Thread (auch als normales Mitglied) kein Antwortrecht  habe…  Das Radiomuseum ist da sehr sehr restriktiv. Das Berechtigungssystem habe ich noch nicht durchschaut.

Zu den 78ern.

Das sind „Decelith“  Platten, habe ich auch sogar selbst.  Damit wurde die Audioselbstaufnahme in der Pre Tonband Ära ermöglicht.  Der Dual (Type ?) ist sicher gut geeignet.  Für die Shure M Systeme gibt es einen 78er Nadelträger mit der Kennfarbe grün. N-78 glaube ich. Entzerrung würde ich wie bei normalen 78ern nehmen.

Das normale Grammofon mit Dose und Nadel  ist natürlich tödlich dafür.

Sie können mich gerne kontaktieren. Ich habe auch das notwendige Equipment zum digitalisieren. Kann sie gerne mit Wort und Tat unterstützen.

mfG

Heinrich Stummer


Erwin Scholl:

Guten Tag Herr Kraus,
leider habe ich keine allgemeine Schreibrechte im Forum von RM und kann Ihnen dort nicht antworten.
Vielleicht versuchen Sie es mal im Internet mit den Suchbegriffen "Schallfolie" "Decelith"
oder evtl. hilft dieser Link: Selbstaufnahme Label - Decelith


Mit besten Grüßen
Erwin Scholle


Vielen Dank für die Angebote, ich möchte es aber selbst machen. Mein Plattenspieler ist ein Dual CS 5000 und ein Ortophon-System mit 78er Nadel. Als Entzerrervorverstärker möchte ich was auf Basis des Vorschlags in Multi Standard 78 RPM and RIAA Phono Equaliser bauen. Nur zusätzlich mit Balance-Regler und Umschaltung (nach der Balance) für Summe (Mono), Differenz (Tiefenschrift) und Stereo.

Mit freundlichen Grüßen, Hans Kraus

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 4
Es kommt darauf an ... 
15.May.15 01:20
694 from 5201

Georg Richter (D)
Beiträge: 916
Anzahl Danke: 12
Georg Richter

... ob man (Schellack-)Platten überwiegend anhören oder digitalisieren möchte.

Zum Anhören mag der genannte "Multi Standard 78 RPM and RIAA Phono Equaliser" eine Hilfe sein, man möge aber bedenken dass die Liste der Entzerrungs-"Standards" unvollständig ist, und auch bei den jeweiligen "Standards" höchst unterschiedlich klingende Aufnahmen existieren.

Zum Digitalisieren reicht die RIAA-Entzerrung - nur dann hat man eindeutige Verhältnisse zur Beurteilung. Auch benötigt man für Seitenschriftplatten zunächst keine Differenz (Phasenunkehr eines Kanals) - das erledigt die Software später genau so gut. Wer ein paar Beispiele von Edison-Platten hören möchte kann bei YouTube nach dem Kanal "N78DE" suchen.

Auch die Mono-Schaltung ist nur bei reiner Wiedergabe nötig. Zur Digitalsierung und für den Bearbeitungsprozess ist Stereo ein MUSS. Das kann man auch hier in mehreren Rubriken nachlesen. Dort gibt es seit heute auch die Rubrik "Amateuraufnahmen" mit Beispielen.

Natürlich möchte ich niemandem vorschreiben was zu tun ist - auch ich lerne nach ca. 4.000 bearbeiteten Plattenseiten gerne dazu.

Gutes Gelingen wünscht

GR

PS: Eine Rückmeldung ob meine Informationen bezüglich "auch als normales Mitglied keine Antwortrechte" bzw. "keine allgemeinen Schreibrechte" weitergeleitet wurden hat mich nicht erreicht ...

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 5
Noch ein Link ... 
27.May.15 21:20
999 from 5201

Hans Kraus (A)
Beiträge: 3
Anzahl Danke: 17

Vielen Dank für die Tipps und Links. Interessant ist vielleicht auch noch ClickRepair. Die angebotenen kostenpflichtigen Pakete ClickRepair und DeNoise habe ich noch nicht benutzt. Mit dem freien Equalizer, mit dem ich schon gearbeitet habe, kann man die RIAA-Entzerrung eines 'normalen' Phonovorverstärkers rückgängig machen und dann beliebige Entzerrungskennlinien ausprobieren. Damit habe ich meine ersten Schritte unternommen.

Mit Audacity oder Adobe Audition (ich habe es noch unter dem Namen 'CoolEdit' gekauft) kann man auch noch, wie Georg Richter auf seiner Website (Link unter 'hier' im vorigen Beitrag) schreibt, in der Mitte zwischen De- und Re-Entzerrung die Umdrehungsgeschwindigkeit wandeln. Interessant, wenn entweder die 78 U/min nicht für die Platte stimmen oder man - für erste Experimente - nur eine 78er Nadel investieren will aber nicht gleich einen 78 U/min Plattenspieler.

Grüße, Hans

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 6
Nun denn ... 
04.Jun.15 21:16
1200 from 5201

Georg Richter (D)
Beiträge: 916
Anzahl Danke: 15
Georg Richter

Damit die "Ideen" (Post 5) niemand für bare Münze nimmt:

  1. Weil es keine (Schellack-)Platten gibt welche linear geschnitten sind ist die nachträgliche Umkehrung der RIAA-Schneidkennlinienentzerrung überhaupt nicht sinnvoll - ja geradezu kontraproduktiv! Alle elektrischen Aufnahmen sind mit Bassabsenkung geschnitten. Auch bei mechanischen Aufnahmen kann dank RIAA-Entzerung noch etwas von Bass herausgehört werden (hier wurde die "Bassabsenkung" zusätzlich zu den Beschränkungen des Verfahrens durch Platzierung z.B. der Tuba weit weg vom Aufnahmetrichter realisiert).
     
  2. Die Umrechnung von 33 oder 45 auf 78 ist wirklich nur in Notfällen sinnvoll. Dazu zählen verwellte Platten bei denen die Nadel abhebt, und besonders verworfene Schallfolien und Tonbild-Postkarten. Bei dieser Umrechnung wird das Rumpeln in den Hörbereich transponiert, auch die Wiedergabeentzerrung ist entsprechend verschoben. Ein solcher Notfall ist auf der Label-Website von Ted Staunton zu sehen und zu hören: Raphael Tuck.

Ob Selbstaufnahme- oder Industrie-Schallplatte - es ist nach bestem Wissen anzustreben was vor dem Mikrophon oder Aufnahmetrichter geschah, anstatt die Unzulänglichkeiten der Verfahren bzw. der Medien zu fixieren. Für diese Arbeit ist es sehr hilfreich viele unverstärkte Darbietungen besucht zu haben, und mit einem neutralen offenen Kopfhörer wie dem HD424 zu arbeiten um nicht den Unwägbarkeiten bei Lautsprecherbetrieb aufzusitzen (Box- und Raum-Resonanzen, Bassanhebung durch ungünstige Aufstellung u.v.m.).

Ganz ohne "beliebige Entzerrungskennlinien" bearbeitete Beispiele:

Die Ouvertüre zur Oper "Die schöne Galathea" wurde Anfang September 1927 mit Apparaturen der Western Electric und einer herausragenden Dynamik aufgenommen! (oben bei Buchstabe G)

Das Couplet "Paule! Paule!" (akustische Aufnahme am 13.12.1920, Platte sehr schlecht erhalten) war eine Gratwanderung zwischen Sprachverständlichkeit und Nebengeräusch (oben bei Hörspiele).

Es mag jeder nach seinem Gusto arbeiten und experimentieren - die Veröffentlichung von Ratschlägen sollte aber bitte doch irgendwie zielführend sein.

Beste Grüsse,

GR

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.