E311: Kratzen/ kein Empfang, Vorkreis oder Abstimmung

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E311: Kratzen/ kein Empfang, Vorkreis oder Abstimmung 
14.Jun.10 17:24
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Thomas Brunner (D)
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Thomas Brunner

 

Siemens E311 version a-d:
Kratzen bis hin zu -kein Empfang- beim Betätigen der Vorkreisnachstimmung
Kratzen
bis hin zu -kein Empfang- bei Abstimmen des Spektrumoszillators

 


Hinweis in eigener Sache: Damit sie sich oder andere nicht gefährden ist vor jeglicher Reparaturarbeit der Netzstecker zu ziehen oder sie sollten mindestens einen Trenntrafo benutzen.

Auch bei Abgleicharbeiten empfiehlt sich dringend isoliertes Abgleichwerkzeug da einige Abgleichpunkte Andodenspannung führen !!!( ~285V!)

Ich berichte aus der Praxis der eher unfreiwilligen Instandsetzung meiner geliebten Siemens E311,
denn einige Fehler müssen wirklich nicht sein, sind aber bei diesem Modell konstruktions oder altersbedingt.

Benötigte Werkzeuge und Messmittel:
Langer dünner Schraubenzieher, diamantbestaubte 3M Matte oder Glasfaserstift.
Die Techniker: 1kOhm Widerstand, Oszilloskop, Netzteil, diverse Leitungen


Zur Geschichte:
Noch einen E311-b1b eingetauscht der einwandfrei funktionieren soll.
Ich stelle beim Durchdrehen der Grobskala, dahinter verbirgt sich der Spektrumoszillator, an manchen Stellen schlechten oder kein Empfang fest. Zufällig fand ich ein ca 20 kHz breites Band das, ganz langsam durchgestimmt, genau diese Erscheinung zeigte und zwar immer an gleichen Stellen in jedem geschalteten Bereich, es ist also nicht wieder meine Antenne die mir wieder mal einen Streich spielt.
Nun denn, nach nach der Warmlaufphase ohne Antenne erstmal das Grundrauschen geprüft, dazu Teilbereich 3 gewählt mit 7.5Mhz bis 15.1Mhz, den HF Regler ganz aufgedreht, Squelsch minimum, und mit dem Vorkreisregler das Rauschmaximum gesucht. Dass dabei zwar ein Maximum gefunden wurde, dieses aber bei leichtem Drehen am Regler zeitweise ganz verschwand messe ich nur geringe Bedeutung bei und unterdrücke die sofortigen Gedanken die diese Erscheinungen begründen könnten.
Das geistige Aufflackern der dazugehörigen Stromlaufplanbilder lösche ich mit einem kurzen Blick in die Luft, ähnlich der genervten Geste eines pupertierenden Kindes bei der elterlichen Verneinung ihres Wunsches.
Es ist nämlich so dass Fehler auch mal wieder verschwinden wenn man sich mit solches Schätzchen nur wieder genügend beschäftigt; stelle ich fest.
Die schlechte Empfangsstelle bleibt hartnäckig. Sicher ist da kein interessanter Sender.
Also wird die Vorstufe, (es ist eigentlich ein Vierkammerdrehkondensator dessen Grundstellung sich mit der eingestellten Frequenz mitändert, dann aber in einem kleinen Bereich nachgestimmt werden kann) mehrmals hin- und herbewegt.
Ergebnis: eher schlimmer wie vorher.Ich sehe die Schleifkontakte am Drehkondensator schon vor mir, es sind ja nur fünf mal zwei. Wer jetzt meint man könnte an diesen heran wenn man nur die kleinere Platte, an der rechten Seite des Empfängers zugänglich, löst, wird sich freuen nur die Kammerschalter zu sehen mit den vergoldeten Kontakten, unser Übeltäter ist nämlich genau darunter !
Der Ausbau der HF Stufe selbst ist sehr leicht wenn man nur ein paar Grundregeln beachtet.

Ausbau des HF Moduls:

Das Handbuch beschreibt es sehr gut, hier die kurze Version:
Bereichsschalter in Mittelstellung, Vorstufenregler ganz nach rechts.
Unten am HF Modul eine Feder aushängen, retten sie diese indem diese weit beiseite legen !

Die sechs Versorgungsleitungen ablöten und den Kabelbaum zur Seite drücken, die Drähtchen können nicht verwechselt werden die sind durch das Wachsband gebündelt.
Stecken Sie die oberen HF Leitungen ab indem sie vorher dessen Bajonettverschluss wegkippen.
Jetzt sind es nur noch 4 Schrauben bis zum Ziel!

Zum besseren Verständnis hier die Schraubenlöcher im Schacht bei ausgebautem Modul:


Suchen sie sich ihren längsten schmalsten Schraubenzieher um da heranzukommen.
Das grösste Geduldsspiel ist vorn vorne gesehen an die linke vordere Schraube da der umgefalzte Rand vom Chassis im Wege ist.
Die Freude ist gross wenn der lange Schraubenzieher völlig schräg verkantet die erste Umdrehung an dieser Schraube ausführt. Sind alle Schrauben gelöst wird das Modul nach hinten gedrückt, hier löst sich dann auch der runde Mitnehmer des Gruppenschalters vom Modul.
Alles wird gut, es geht keine Markierung oder eine Grundstellung verloren.

Kippeln sie nun das Modul durch Kippelziehen nach oben heraus, denn die zwei Schrauben an der Rückwand werden ihnen jetzt zu schaffen machen.
Ich habe es probiert, ist der Trick gefunden kann man das Modul innerhalb von 20 Sekunden heraushebeln.
Auf dem rechten Bild sieht man die störenden zwei Muttern der Schrauben an der Rückwand.
Die Schweissperlen auf ihrer Stirn sind nun direkt proportional zur bisher gezogenen Höhe des Moduls, ich packe jenes an den dicken HF Leitungen und an der Hülle der hinteren Röhre an.
Es ist geschafft, Restchassis des Empfängers zur Seite gelegt und endlich das vorher nicht zugängliche Blech entfernt, jetzt sehen sie eine Modellaufnahme des schönen VierKammerDrehkos:


Schnell sind die Schleifkontakte in den Kammern gesichtet:

Leider erlaubt unser neuer Fundort keinerlei Blick auf die Kontaktbahn unterhalb der Kontaktfedern, denn dort ist dieser ohmsche Übergang und unterbricht ja zeitweise. Wir vermuten also alten Abrieb und verschmutzte Kontakte, zu deutsch: oxidierte Bahnen.
Zum Spektrumoszillator:
Wie der Titel schon beschreibt gab es auch ein Problem beim Durchstimmen des Spektrumoszillators,
hier ist auch ein Schleifer verbaut.
Die Vorgehensweise dazu sehen sie weiter unten.

Problembeseitigung:
Nun wäre es Zeit für eine kleine Pause! Espresso oder Kaffee? Sollten Sie sich gönnen denn danach gehts gleich los, wir reparieren professionell ganz ohne jegliches technisches Wissen.
(Wenn Sie kein Oszi, Netzteil und einen 1KOhm Widerstand haben dann überspringen Sie bitte folgenden Abschnitt, denn wir Techniker wollen wissen wie man den Fehler nachvollziehen und vor Einbau des Moduls prüfen kann ob denn dieser auch wirklich verschwunden ist!)

---Für unsere Techniker---
Es handelt sich um einen klassischen Schleifer auf veredelte Kontaktbahn, verunreinigt durch Schmutz und Altfette. Hier wird zwar dieser fast stromlos betrieben, aber gerade weil zeitweise gewisse HF Eigenschaften (Kapazitätsveränderung) fehlen wird sich dies beim Empfang immer störend auswirken.
Ich habe mir eine einfache Schaltung ausgedacht wie man zum einen den Fehler nachvollziehen, zum anderen  auch nach der Behandlung prüfen kann ob dies Erfolg hätte.
Sehen sie sich bitte dazu bitte folgenden Schaltbild an:

Die Umsetzung in die Praxis, der graue Draht ist an der Achse festgelötet und bildet die Masse:
 
Im Bild A wird über einen 1kOhm Widerstand ca 9V eingespeist. Der Strom wird über R1, den Schleifer,
(ist am anderen Ende eines Drehkos zum Gruppenschalter herausgeführt) dann über die Bahn und
schliesslich auf die Kammer des Drehkos fliessen, unserer neu gebildeten Masse.
(Der Schleiferkontakt ist jetzt mit ca 9mA vorbelastet) .
Natürlich müssen sie vorher die Verbindungen anbringen, die Verbindung der Masse an der beweglichen Kammer muss am runden Teil angelötet sein. Unser Oszi ist mit dieser Masse, der Tastkopf selbst ist mit dem Schleifer verbunden. Ich ging von der sofort funktionierenden Theorie aus dass sich eine messbare Spannung einstellen würde wenn der Übergang rauh oder hochohmig wird. Ich unterstelle in diesem Falle die Entstehung zusätzlicher Widerstände am Übergang die, parallel oder in Reihe, wie auch immer, ich hier als Ru (u=unerwünscht) bezeichne. Immer dann wenn dieser Widerstand (idealerweise Null Ohm) sich erhöht müsste auch eine messbare Spannung vorhanden sein.
Bild B zeigt diese Widerstände die aufgrund von Verschmutzung entstehen.
Daraus ergibt sich das Ersatzschaltbild in Bild C.
Ist Ru grösser 0 Ohm wird Spannung an ihm abfallen.
Folgende Einstellung am Oszi: Coupling:AC, Y Gain: 1mV, 1:1(kein Teiler)
Ich staunte nicht schlecht dass sich folgendes Bild am Oszilloskop zeigte als ich den Drehko bewegte der an einem fehlerhaften Übergang angeschlossen war:

Hier war nun der Beweis meßtechnisch nachvollziehbar, nach der eigentlichen Behandlung nochmals geprüft zeigte auch dann mein Oszi keinerlei Ausschlag mehr und ich sollte nach dem Moduleinbau gleich mit der Fehlerbehebung belohnt werden.
---Ende der Technikerweiterbildung---

Kommen wir nun zur Reinigung der unsauberen Bahn.
Diese Prozedor gilt sowohl für den Drehkondensator des Spektrumoszillators auch als für den der HF Stufe.
Eingangs hatte ich erwähnt mit der 3M Matte zu arbeiten, wir pressen diese in den Zwischenraum der Kammerwand und der Bahn und bewegen den Drehko mindestens zehnmal hin und her bis zum Endanschlag :

leicht schleifen und sehr wenig Fett aufgebracht:
 
Falls sie so eine Matte nicht haben könnte ich mir auch einen voll ausgefahrenen Glasfaserstift vorstellen. Ist nun die Bahn sauber (sicherheitshalber kann man auch einmal unter den Schleifer mit der Matte gehen) müssen wir die neue Sauberkeit ausblasen und mit einem langlebigen Silikonfett beglücken, da gibt es zB KLÜBER/Österreich/Schweiz/BRD
Machen Sie also alle Schleifer jeder Kammer sauber mit dieser Methode und fetten alle nur sehr leicht nach.
Unsere Techniker prüfen jeden Kondensator ob sich nicht doch noch schnell ein Feinschluss eingeschlichen hat, ohmsche Messung an Stator-Rotor, erwarteter Widerstandswert: TeraOhmBereich, aber auch nur dann wenn der Drehko vom Rest abgelötet wurde.
Das Modul ist schnell wieder zusammengebaut, in den Schacht gesteckt und verschraubt, vergessen sie nicht die Feder wieder einzuhängen, diese garantiert den mechanischen Kontakt zur weissen Kappe und dem Messingdorn, dem Teil der den Drehko in einem kleinen Bereich für die Feinabstimmung verstimmt:

Verbinden Sie das Modul nun wieder mit den Anschlußdrähtchen und den HF Kabeln und schalten den Empfänger wieder ein, der Fehler sollte nun beseitigt sein!
Achten sie darauf daß in jeder Stellung des Kondensators, unteren/oberen Grobbereich anwählen, kein Spiel entsteht, heisst daß die dreieckige Nase immer am weißen Röhrchen ansteht, erkennt man auch beim Drehen der Vorkreisabstimmung, fühlt sich irgendwie wie eine Lücke an.
Ist dies nicht der Fall können sie gerne eine Windung der Feder abzwicken und wieder einhängen damit mehr Federspannung entsteht.
Stolz können Sie nun diesen Teil der eigentlich schon längst überfälligen Wartung abschliessen.
Unser Spektrumoszillator:
Obwohl davor gewarnt wird die Abdeckung zu öffnen tun wir genau dies, diese ist von unten zugänglich:

Schalten Sie auf -Eichen- und stellen die Skala an eine gestrichelten Eichmarke, bis Sie einen markanten 1kHz Ton hören.
Fixieren Sie jetzt Grobskala und Interpolator Drehknopf mit dem Riegel und schalten den Empfänger stromlos.
Gerne liegt jetzt der Empänger wieder einmal auf der linken Seite hochkant.
Die Wirkung des Espressos ist jetzt grade so noch verhanden so daß Sie jetzt auch den letzten Drehkondensatorkampf gewinnen werden.
Mit dieser positiven Grundhaltung lösen Sie die zwei Schrauben am Deckel des Spektrumoszillators.
Wir sind nicht beunruhigt zu wissen daß sich jetzt der Empfänger um ca 50 kHz verstimmen wird.

Finden Sie den Übeltäter rechts ?

Gehen Sie jetzt mit der Reinigung genau wie bei der Vorkreisstufe vor und bringen die Abdeckung  wieder an.

Übrigens, es wäre verführerisch die äusseren oft schräg abstehenden Lamellen der Drehkondensatoren wieder zu begradigen weil ja vielleicht dem Vorbesitzer etwas bei der Reparatur hängengeblieben ist:
Tun Sie das nie, das sind gewollte Werkseinstellungen, sonst stimmt die Skala oder die Abstimmlinearität nicht mehr.
Bringen Sie nun den Deckel wieder an und ziehen die zwei Schrauben nur leicht an, ich selbst hatte danach eine Grundverstimmung von ca 1kHz, maximal, wenn überhaupt.
Schalten Sie den E311 wieder ein und warten ca 15 Minuten, das sollte ausreichen. Sie haben den Grundton noch im Kopf? Deckel leicht verschieben bis dieser Ton wieder ähnlich dem vor dem Ausschalten ist danach die Schrauben anziehen.
Sollte der Ton weit daneben sein wurde eventuell die Röhre oben auf  ihrem Sockel verdrückt. Leider ist der Spektrumoszillator dort sehr empfindlich und ich rücke die Röhre nur in die Mitte und warte ab.
Jedenfalls wird eine eventuelle Verstimmung nur sehr gering sein und betrifft wenn dann alle Bereiche.
Ist also ein neuer LC Abgleich vonnöten werden Sie sich den am nächsten Sonntag vornehmen, ein Kinderspiel im Vergleich zu heutigen Aktionen.


Zusammenfassung:

Meines Wissens betrifft das alle Versionen a-f da hier das gleiche HF Modul verwendet wird, gerne verweise ich auch auf den hervoragenden Beitrag von Sepp Juster weiter oben dazu.
Diese Nacharbeit wird sicher die nächsten 20 Jahre halten, denn dann ist ihr Siemens E311 64 Jahre alt, wenn sie sich in 2010 dazu überwunden haben. Leicht ist jetzt das Baujahr ihres
E311errechenbar!
Mir hat die Reinigung Spass gemacht und musste insgesamt 2 Stunden investieren.
Als ich diese Zeilen für euch schrieb hatte ich 3,5 Stunden Forumbeitrag gerne investiert.
Ist dann auch nur EINEM Radiofreund damit geholfen würde ich mich riesig über eine Rückmeldung freuen.
Viel Erfolg!!!
Ihr
Thomas Brunner

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.