Stromrauschen in Kohlemassewiderständen

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Stromrauschen in Kohlemassewiderständen 
04.Sep.16 18:32
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Jochen Bauer (D)
Redakteur
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Jochen Bauer

Ein Kohlemassewiderstand besteht aus einer Mischung aus Kohlepulver und einem keramischen Isolatorpulver die von einem Klebeharz zusammen gehalten wird. Im Gegensatz zu Draht, Kohle- oder Metallschichtwiderständen findet der Stromfluß daher durch den gesamten Widerstandskörper statt. Das folgende Bild zeigt einen in der Mitte durchgesägten Kohlemassewiderstand:

Diese Widerstände waren in den 1950ern und 1960ern sehr gebräuchlich, haben aber ein unvorteilhaftes Rauschverhalten. Insbesondere wird in von Gleichstrom durchflossenen Widerständen zur Einstellung des Arbeitspunktes von Transistoren ein Rauschen beobachtet, dessen Leistungsspektraldichte mit abnehmender Frequenz stark ansteigt und das sich daher vor allem im NF Bereich bemerkbar macht. Dabei handelt es sich um das sogenannte Stromrauschen.

Dieses Stromrauschen besteht aus zwei Komponenten, dem Schrotrauschen und dem Funkelrauschen. Dabei überwiegt im Niederfrequenzbereich das Funkelrauschen, welches eine zur Frequenz umgekehrt proportionale Leistungsspektraldichte besitzt, deutlich [1]. Wie kann man sich nun das Zustandekommen dieses Funkelrauschens in Kohlemassewiderständen erklären?

Ein Kohlemassewiderstand besteht, wie bereits erwähnt, aus einer Mischung aus Kohlepulver und einem keramischen Isolatorpulver die von einem Klebeharz zusammen gehalten wird. Mikroskopisch gesehen liegt also eine sehr inhomogene Anordnung von leitenden Kohlepartikeln und isolierenden Keramikpartikeln vor. Der Gesamtwiderstand kommt dadurch zustande, dass sich die Kohlepartikel berühren und leitende Strompfade bilden. Diese mikroskopischen Kontakte zwischen den Kohlepartikeln sind natürlich teilweise sehr instabil, so dass sich diese Strompfade ständig ändern, was zu einer dynamisch-statistischen Schwankung des Gesamtwiderstandes führt. Diese dynamisch-statistische Schwankung des Widerstandes führt natürlich bei einem Gleichstromdurchfluß nach dem Ohmschen Gesetz zu einer entsprechenden dynamisch-statistischen Schwankung des Spannungsabfalls am Widerstand, eben einem Rauschen [2].

Die Konsistenz der Mischung von Kohlepulver und einem keramischen Isolatorpulver ist weiterhin relativ empfindlich gegenüber äußeren Einwirkungen (elektrische Spannung, mechanische Belastung, thermische Belastung), so dass sich über einen längeren Zeitraum (Betrieb oder Lagerung) die Gesamtkonsistenz dieser Mischung ändern kann. Dies führt meistens zu einer mehr oder weniger deutlichen Abweichung des Widerstandes vom nominalen Wert und in einigen Fällen auch zu einer drastischen weiteren Verschlechterung der Rauscheigenschaften. In Empfängern können solche Kohlemassewiderstände im NF Teil zu einem störenden Rauschen führen, das ursprünglich so nicht vorhanden war.

Es stellt sich in diesem Fall also die Aufgabe Rauschmessungen an Kohlemassewiderständen durchzuführen. Generell sind Messungen von absoluten Rauschleistungen oder spektralen Rauschleistungsdichten ein experimentell schwieriges Gebiet, dass in vielen Fällen den Einsatz von entsprechend teuren Messgeräten erfordert. Wir wollen uns daher auf die Messung von Verhältnissen von Rauschleistungen bzw. spektralen Rauschleistungsdichten beschränken. Insbesondere sind wir dabei am Rauschspektrum (spektrale Leistungsdichte über Frequenz) im NF Bereich interessiert, da das zu erwartende Funkelrauschen in den Kohlemassewiderständen eine 1/f (f=Frequenz) Abhängigkeit zeigen sollte.

Zur Verstärkung und Messung des von dem zu testenden Widerstand RDUT (engl. DUT=Device Under Test) erzeugten Rauschen bauen wir folgende Verstärkerschaltung auf:

Alle Widerstände in der Schaltung sind 1W Metallschichtwiderstände, die Koppelkondensatoren sind unipolare Elektrolytkondensatoren, der Kondensator zur Spannungsstabilisierung ist ein Tantal-Elektrolytkondensator. Das Ausgangssignal wird mit einem digitalen Speicheroszilloskop (DSO) und einem PC weiter verarbeitet. Durch Umlegen des Schalters S1 auf Masse kann RDUT stromlos gemacht werden ohne die Wechselspannungsparameter der Schaltung zu verändern. Die erste Transistorstufe hat unter Berücksichtigung des Basisspannungsteilers einen Eingangswiderstand von ca. 17kΩ (bei β=400 des BC547C).

Um die Einstreuung von Umgebungsstörungen soweit möglich zu vermeiden wird die Schaltung in einem Metallkäfig mit solider Metall-Grundplatte untergebracht. Diese Abschirmung ist über den GND (Masse) Anschluss des Oszilloskopes geerdet. Die Speisung erfolgt mir einem 12V Bleiakku um Störungen durch ein Netzteil zu vermeiden. Der Aufbau ist im folgenden Bild gezeigt.

Vor der jeweiligen Messung wird noch ein Deckel auf den Metallkäfig aufgesetzt.

Wird diese Verstärkerschaltung von einer Signalquelle mit 10kΩ Innenwiderstand (anstelle des RDUT, S1 auf Masse) angetrieben, so liegt die obere -3dB Grenzfrequenz bei über 150kHz. (Der im weiteren Verlauf verwendete Kohlemassewiderstand hat einen Wert von 10kΩ und damit als "Rauschgenerator" natürlich auch diesen Innenwiderstand). Die gesamte Spannungsverstärkung ist in diesem Fall ca. v=600.

Da wir, wie bereits erwähnt, uns auf die Messung von Verhältnissen von Rauschleistungen bzw. spektralen Rauschleistungsdichten beschränken, brauchen wir an dieser Stelle eine geeignete Referenz auf die wir uns beziehen. Es liegt nahe, das Grundrauschen der obigen Messanordnung dafür heran zu ziehen. (Aus diesem Grund wurden auch typische NF Transistoren und nicht explizit rauscharme Typen verwendet.) Wir entfernen daher zunächst den RDUT und zeichnen das Rauschspektrum der Anordnung auf. Dieses ist im Frequenzbereich von 0-25kHz praktisch konstant und eignet sich daher auch gut als Referenz.

Die spektrale Leistungsdichte bei alle weiteren Messungen wird nun in Vielfachen dieses Grundrauschens der Messanordnung als "Spektraler Leistungsdichtefaktor" angegeben.

Wir setzen nun als RDUT einen 10kΩ Kohlemassewiderstand ein, der im Vergleich aller vorliegenden Exemplare was das Rauschen angeht ungefähr im Mittelfeld liegt. Zunächst legen wir S1 auf Masse, der Gleichstrom ist also IDC=0. Danach wird S1 an +12V gelegt, was einen Gleichstrom von IDC =0.6mA durch RDUT zur Folge hat. Die beiden damit gemessenen Rauschspektren sind im folgenden Diagramm abgebildet:

Es ist hier sehr deutlich das Stromrauschen des von einem Gleichstrom durchflossenen Kohlemassewiderstandes RDUT zu sehen. Offensichtlich liegt bei diesem Widerstand die spektrale Leistungsdichte des Rauschens signifikant über dem Grundrauschen der Messanordnung. Ohne Gleichstrom entspricht das Rauschspektrum ungefähr dem Grundrauschspektrum der Messanordnung. Der Verlauf der spektralen Leistungsdichte des Stromrauschens (bzw. Funkelrauschens) ist, wie erwartet, näherungsweise ein 1/f Abfall zu höheren Frequenzen hin.

 

[1] Dr. habil. H. Pfeifer, Elektronisches Rauschen, B.G. Teubner Verlagsgesellschaft Leipzig, 1959

[2] Dr. Michael Belman, Yuval Hernik
 Selecting Resistors for Pre-Amp, Amplifier, and Other High-End Audio Applications
 Vishay Precision Group, June 11, 2010

 

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Stromrauschen bei Schichtwiderständen 
05.Sep.16 11:46
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Schichtwiderstände, also solche Widerstände, die eine Kohleschicht auf einem Keramik-Körper haben, zeigen ebenfalls das "1/f -Rauschen", wenn auch nicht so stark wie die Masse-Widerstände. Hierzu findet man in der o.g. Literaturstelle "Pfeifer, Elektronisches Rauschen, Teil 1, Teubner, 1959" folgende Diagramme, die auf Messungen beruhen.

Infolge der doppelt-logarithmischen Achseneinteilung wird in Abb. 23 der 1/f - Verlauf, der im Post#1 für Masse-Widerstände im linearen Maßstab dargestellt ist, zu einer mit 10dB/Dekade (für Leistung) fallenden Geraden. Die Meßpunkte sind der jeweilige gemessene Effektivwert des Rauschens. (Die Größen a, b, c stammen aus den empirisch für das Rauschen ermittelten Gleichungen.)

Nicht allgemein bekannt dürfte sein, daß auch Draht-Widerstände (Kurve 6 in Abb. 23) diesen Verlauf des Stromrauschens aufweisen!

In Abb 24 sieht man einerseits die Abhängigkeit des Stromrauschens von der Größe der angelegten Spannung - und damit des Stromes durch den Widerstand - und andererseits die Abnahme des Rauschens mit der Frequenz. Hierbei wurde das Rauschen jeweils in einem schmalen Frequenzband gemessen.

MfG DR

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