Stromversorgung 1923 in Thüringen

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Stromversorgung 1923 in Thüringen 
05.Sep.11 09:42
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Wolfgang Eckardt (D)
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Wolfgang Eckardt

In einem Ordner einer früheren Elektro-Installationsfirma in der Nähe von Jena fand ich unter anderen Schreiben ein mit Schreibmaschine auf dünnem Durchschlagpapier mit Hilfe von violettem Pauspapier geschriebenes vervielfältigtes Dokument:

"Vorschriften für den Anschluss von Licht- und Kraftanlagen an das Leitungsnetz der Thüringischen Elektricitätsversorgungs-Aktiengesellschaft, Jena"

In dem 18 Seiten umfassenden Dokument fand ich auch einen Abschnitt "Stromsystem", in dem die zur Verfügung gestellten Stromarten benannt werden. Hier dieser Ausschnitt aus der Vorschrift:

Die Ortschaften um Jena und die Stadtteile, die Gleichstrom erhielten (gab es noch bis etwa 1960!) waren natürlich auf die Allstrom-Geräte angewiesen. Es gab ja sogar bis Mitte der 1930-er Jahre reine Gleichstrom-Radios, die dann beim Umzug in eine "Wechselstrom-Gegend" nicht mehr zu verwenden waren. Abgesehen von der in den 1920-er Jahren noch üblichen Batterie-Versorgung der Radios  waren diejenigen übel dran, die von dem aufgeführten "Gleichstrom 2x110 Volt" nur einen Zweig gegen Erde installiert bekamen - was es nachweislich in einigen Dörfern gab. Die waren mit ihrem Radio dann sogar auf eine Anodenspannung von nur ca. 110 V angewiesen, was die Leistung des Radios natürlich enorm schmälerte. Besser waren die dran, die eine Phase des "Drehstroms 3x220/120 Volt" bekamen. Die konnten  die 120 V~ mit Hilfe des Netztrafos eines Wechselstromempfängers oder eines zusätzlichen Vorschalttrafos (gab es z.B. speziell für die Volksempfänger) auf die üblichen 220 V hochtransformieren.
Für die leistungsfähigeren Wechelstrom-Empfänger gab es in den 1930-er Jahren auch Wechselrichter (Zerhacker), um diese auch am Gleichstromnetz betreiben zu können - z.B. hier

Übrigens fand ich auch Hinweise in dieser Mappe, dass diese Elektro-Installationsfirma Radios reparierte! Das war damals so "üblich".

Eine ähnliche "Vielfalt" der Stromversorgung gab es natürlich auch in anderen Regionen Deutschlands.

Wolfgang Eckardt 

 

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