Strukturlacke wie Schrumpflack, Kräusellack,Hammerschlaglack

ID: 63831
Strukturlacke wie Schrumpflack, Kräusellack,Hammerschlaglack 
30.Aug.05 12:01
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Ernst Erb (CH)
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Ernst Erb

Es gibt ganz verschiedene Strukturlacke wie Schrumpflack (wrinkle), Kräusellack (wrinkle oder crackle finish), Eisblumenlackierung (crackle finish) Hammerschlaglack (hammer enamel, hammertone enamel, hammertone finish (Bearbeitung), hammerscales varnish), Reisslack (eher für Kunst angewendet), Perllack etc. Diese sind vor allem um die Mitte der 20er Jahre recht populär gewesen. Dazu gab es auch z.B. maschinell hergestellte, kreisförmige Flächen, z.B. auf Aluminium oder Hartgummi und weitere Verfahren. Dies wohl vor allem, um eine weniger glänzende Fläche bzw. eine weniger schnell abgenutzte Fläche zu erreichen.

Heute werden diese Oberflächenbehandlungen weder genügend unterschieden, noch richtig bezeichnet, da man sie nur noch selten anwendet und einige davon nicht mehr. Dabei gibt es neue Ausrücke wie Runzellack, die zum Teil sogar für Schrumpflack verwendet werden - wahrscheinlich um dem unbedarten Anwender einen Ausdruck zu geben unter dem er sich etwas vorstellen kann. Ein Werk wie "Lexikon der Elektronik" Harry Wernicke (1968, Rohde & Schwarz) kennen z.B. den Ausdruck Runzellack nicht. Runzellack entsteht auch anders als Schrumpflack (Hitze) und zeigt eine andere Oberfläche.

Details finden Sie unter:
http://www.radiomuseum.org/forum/aeg_e011002z_oszillograph.html
Bei diesem Modell fehlt aber leider eine Abbildung, um die Oberfläche anschaulich zu zeigen.

Deshalb wäre interessant, wenn ein Mitglied verschiedene angelegte Modelle mit Strukturlack aufzeigen würde, wenn möglich für jede Art ein anderes Gerät - oder sogar einen Beitrag mit speziellen Fotos für jede Art, evtl. auch erneuerte.
 
Malereien verwenden heute moderne Strukturlacke auch für Hausanstriche (vor allem aussen).
http://malerkiller.ch/doc/malerkiller-22.htm nennt das Effektlacke wie Risslack, Schrumpflack, Perllack. Ich bekam eine Zusendung einer Befragung - wohl wegen obigem Beitrag: Man nennt in diesem Gewerbe vor allem Schrumpflack (9 von 14) aber auch Runzellack (5). Ein weiteres eMail sagt noch aus:
Grosshandelskatalog 1951/52 p.136:  Telefunken Autoradios ...Schrumpflack
Grosshandelskatalog 1952/53 p.116: Krefft Autoradio....Schrumpflack
 dito p.122:  Wündsch, Omnibusanlage....Schrumpflack
dito  p.159ff   Teladi....Kräuselbrennlack
Grosshandelskatalog 1953/54 p.124ff   Telefunken Autoradios ....schrumpflackiert
dito  1953/54 p.143ff Pinternagel WV10 ....Hammerschlaglack
Handb.d.dt.Rdfk.handels WDRG1939/40 p.142  TelefunkenV410/1....Schrumpflack

Man erkennt, dass zumindest auf unserem Gebiet meist Schrumpflack das Thema war.

Da Strukturlacke doch immer wieder ein Problem bilden, hoffe ich nun auf fachmännischen Rat, wie man mit den verschiedenen Arten von Struckturlacken umgeht, als Erweiterung meiner Beiträge in "Radios von gestern" Seite 303. Es gilt zu zeigen, wie man wenigstens annähernd einen gegebenen Strukturlack erneuert, ohne dass das Gerät dann eine ganz andere Oberfläche aufweist.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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Moderne Produkte ergeben oft nicht das gewünschte Resultat 
05.Oct.05 08:12

Ernst Erb (CH)
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Ernst Erb

Wenn man eile leicht beschädigte Strukturoberfläche vor sich hat, sollte man meistens darauf verzichten, diese ausbessern zu wollen. Meist sieht geflickt wohl schlechter aus als beschädigter Originalzustand.

Hier würden uns aber positive Beispiele interessieren für Strukturlacke wie Schrumpflack, Kräusellack, Hammerschlaglack. Schon eher gelingt  das, wenn man die ganzen Flächen erneuert - aber auch hier habe ich meine Vorbehalte: Wem ist es gelungen, solche Flächen aus der Vorkriegszeit oder direkten Nachkriegszeit (WW2) originalgetreu zu erneuern?

Ich frage das ein wenig provokativ, denn Produkte dazu gibt es jede Menge ...
So berichtete mir Horst Schneider von einem wohl typischen Lieferanten, der Materialien für folgende Effektlackierungen anbietet:

Marmoreffekt, Struktureffekt, Color-Struktureffekt, Hammerschlag-Effekt, Fasereffekt, Tropfeneffekt, Sprenkeleffekt, Stricheffekt, Reisslack-Effekt, Perlglanzeffekt, Perlmutteffekt, Metalliceffect und Ledernarbeneffekt [***.clou.de/frontend_live/start.cfm].

Zu Hammerschlag z.B.: Durch die Variation des Druckes beim Einsprenkeln der Spezialverdünnung MP ergeben sich unterschiedliche Feinheiten bei der Erzielung des Hammerschlag Effektes. Man kann auch etwas zur Arbeitstechnik erfahren wie z.B.:  
Arbeitstechnik
Der zu erzielende Effekt ist stark abhängig von der Arbeitstechnik. Es wird daher empfohlen, vor Beginn der eigentlichen Arbeit ein Muster des gewünschten Effektes nach dem beschriebenen System anzufertigen.

Reisslack - eine Anleitung:
Vorbehandlung
MDF-Platte mit 180er Körnung schleifen und entstauben.

Isolierung
1x CLOUCRYL farblos glänzend (MV 10:1 mit CLOUCRYL-Härter + 25% DD-Verdünnung Nr. 29).
Nach dem Auftrag ist eine Trockenzeit von ca. 2 Stunden einzulegen.
Zwischenschliff (240er Körnung) durchführen und entstauben.

Füller
2x CLOUCRYL Spritzfüller weiß (MV 10:1 mit CLOUCRYL-Härter).
Bei Bedarf etwas DD-Verdünnung Nr. 29 zugeben.
Zwischen den einzelnen Aufträgen ist eine Trockenzeit von mindestens 6 Stunden einzulegen.
Zwischenschliff (280er Körnung) durchführen und entstauben.
Nach dem letzten Spritzfüllerauftrag über Nacht trocknen lassen.

Farblack (Risston)
Unmittelbar nach Planschliff (280er Körnung) erfolgt der Feinschliff (320er - 400er Körnung). Gut entstauben.
1x CLOUCRYL Füll- und Hochglanzlack farblos 2:1 mit CLOUCRYL Decklack nach Wahl mischen und 40% CLOUCRYL-Härter zugeben, d.h.:

200 Teile CLOUCRYL Füll- und Hochglanzlack
100 Teile CLOUCRYL Decklack im gewünschten Rißfarbton
120 Teile CLOUCRYL-Härter

1,5 - 1,8mm Düse, 2,5 - 3 bar Druck

Hauptton
Nach 5-6 Minuten 1x mit folgender Mischung weiterarbeiten:
100 Teile CLOUCRYL Decklack im gewünschten Farbton
10 Teile CLOUCRYL-Härter
100 Teile CLOUcryl Reißlack-Konzentrat

1,5 - 1,8mm Düse, 2,5 - 3 bar Druck

Überzug
Nach ca. 1,5 Stunden Trocknung ohne Zwischenschliff 1x CLOUCRYL farblos im gewünschten Glanzgrad (MV 10:1 mit CLOUCRYL-Härter) gleichmäßig auftragen.
Bei Bedarf etwas DD-Verdünnung Nr.29 zugeben.
Entsprechendes Merkblatt beachten!

Hinweis
Der Reißlackeffekt wird von der Auftragsstärke bestimmt:
1/2 Kreuzgang gespritzt ergibt einen kleinen Reißlack-Effekt
1 Kreuzgang ergibt einen großen Reißlack-Effekt

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Effektlacke in Bildern 
06.Oct.05 16:37

Martin Renz (D)
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Martin Renz

ich habe im folgenden einige Bilder von Effektlacken eingestellt, um nicht nur auf missverständliche Beschreibungen angewiesen zu sein.

Hammerschlaglack
Die folgenden 3 Bilder zeigen die Oberfläche von 2 Gehäusen des Grundig Messsenders AS2. Es handelt sich um eine sogenannte "Hammerschlaglackierung"

Grundig AS2 Gehaeuse

Das linke Gerät wurde von mir neu lackiert, da das Gehäuse jämmerlich diletantisch in blau lackiert war. Das rechte Gerät zeigt die Orginallackierung.

Hier die neue Oberfläche im Detail:

Hammerschlaglack neu

Hier die alte Oberfläche im Detail:

Hammerschlaglack orginal

Die neue Lackierung erfolgte mit einem Hammerschlag Effektlack, den ich in einem Toom Baumarkt erstanden hatte (genaue Bezeichnung folgt) Es sind leichte Farbunterschiede zu sehen, der neue Lack wirkt eine Spur heller. Die Struktur ist ebenfalls geringfügig anders. Dies hängt mit der Art des Trocknungsprozesses zusammen: Erfolgt die Trocknung auf einer liegenden Fläche, verläuft der Lack entsprechend dem alten Muster. In diesem Fall erfolgte die Trocknung an einer Seitenfläche, was zu den sichtbaren leichten Schlieren führt. Um das exakt gleiche Bild zu erreichen, müsste das Gehäuse so drehbar gelagert sein, dass es während des Trocknungsprozesses (ca. 5-10 min) ständig rotiert. Dies wurde bei industrieller Fertigung wohl teilweise auch so gemacht. Mir war der Aufwand dafür zu hoch.

Kräusel-/Runzel-/Schrumpflack
Die nächsten Bilder zeigen eine Oberfläche mit sogenanntem Runzel- oder Kräusellack. Das Gehäuse ist unbenutzt und stammt  aus einer Serie für eine Art Netzgerät. Das Herstellungsjahr ist unbekannt, ich vermute 50er bis 60er Jahre.

Runzellack

Sehr schön ist hier zu erkennen, wie sich der Lack beim Trocknen ausgedehnt hat, und so die Runzeln gebildet hat:
Runzellack Detail


Vielfach wird diese Art der Lackierung, insbesondere auch in der elektronischen Fachliteratur, als "Schrumpflack" bezeichnet. Da sich der Lack beim Trocknen ausdehnt und schrumpelt, aber gerade nicht schrumpft, ist diese Bezeichnung zwar gebräuchlich, aber in der Sache unlogisch. Da sich diese Begriffe durch ihren Gebrauch gebildet haben und meines Wissens keine "amtliche" Terminologie besteht, führt ein Streit um die "richtige" Bezeichnung vermutlich zu nichts.

Diese Lackart wird heute noch in den USA hergestellt und auch in Deutschland in Spraydosen vertrieben. Ich habe damit aber keine eigene Erfahrungen gemacht. Diese Lackart war früher beliebt, da sich Unregelmässigkeiten von Guss- und Blechgehäusen leicht verdecken lassen und eine recht hohe Kratzfestigkeit erziehlt wird.

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Beispiele für Geräte mit Effektlacken 
31.Mar.06 22:54

Martin Renz (D)
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Martin Renz

Herr Lutz Jänicke hat einige Beispiele von Geräten, die mit Effektlacken lackiert sind, zusammengestellt und bat mich, diese hier zugänglich zu machen. Dieser Bitte komme ich gerne nach:

"Prominente"  Vertreter für Kräusel- bzw. Schrumpflack sind die Geräte 
Radione R2 beispielsweise 
hier und hier und hier  und Radione R3  hier (Blechgehäuse, im Original olivgrün und wohl auch grau lackiert). Hier im RM sind gute Fotos vorhanden. Kräusellack wurde nur bei wenigen Radiogeräten verwendet, eher bei Verstärkern, Oszillographen, Netzteilen usw.
 
Für Blechgehäuse gebräuchlicher war der Risslack, meiner Meinung nach identisch oder nah verwandt mit dem von Herrn Erb erwähnten Ledernarbeneffekt-Lack.
Gutes Beispiel: LORENZ Ordensmeister 3b bzw. NEWO 329W
hier , aber auch einige andere Geräte von Lorenz mit Blechgehäuse. Ganz typisch noch die "Rundfunkwürfel" von Zerdik FG 3 und FW 3 hier  (zur Zeit der Artikelerstellung kein Bild)
 
Zusammen mit dem Hammerschlag-Lack sind das wohl die 3 gebräuchlichsten Effektlackierungen der "alten" Geräte mit Blechgehäuse. Beispiele bei Messgeräten sind unter anderem 
hier und hier und hier zu finden
Da alle Lacke im Handel noch zu bekommen sind, kann man mit diesem Thread hier vielleicht erreichen, daß sie bei Restaurierungen auch verwendet werden. Es ist immer sehr schade, wenn ein Gerät aus fehlender Kenntnis heraus einfach "glatt" lackiert wird.
Lutz Jänicke

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