telefunken: Riesenskala bei Telefunken?

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telefunken: Riesenskala bei Telefunken? 
18.Jan.08 18:58
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Wolfgang Eckardt (D)
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Wolfgang Eckardt

Riesenskala bei Telefunken?
 
Wenn der Begriff Riesenskala fällt, so denkt man unmittelbar an die Siemens-Modelle um 1929/32, bei denen der Lang- und Mittelwellenbereich ohne Umschaltung auf einer „riesigen“ Halbkreisskala einstellbar ist (z.B. Modelle 21W und G; 22W und G), gegenüber den bisher verwendeten „winzigen“ Skalenfensterchen wirklich riesig erscheinend. Mit dieser Besonderheit hat Siemens auch einen „Riesen“- Werbeaufwand getrieben.
 
 
Telefunken ist offenbar nicht mit einer solchen Skala (optisch gesehen) in Erscheinung getreten.  Normalerweise war Telefunken für die Entwicklung von neuen Geräten in dem großen „Telefunken-Siemens-AEG“-Konzern zuständig und produzierte selbst keine Empfänger. Die Produktion erfolgte in den großen Produktionsstätten von AEG und Siemens. [1]
Es wäre aber doch naheliegend, dass Telefunken unter seinem Namen mit eingebautem Siemens-Chassis auch so etwas auf den Markt brachte. Schließlich ist ja von mehreren Modellen bekannt, dass das gleiche „Innenleben“ in unterschiedlichen Gehäusen mit verschiedenen Firmennamen steckt. Als Beispiel seien nur genannt Siemens 36WL36WLK und Telefunken 330WL/ 330WLK.
 
Geht man der Sache nun genauer nach, so kann man das Prinzip der Riesenskala doch bei Telefunken entdecken. Vergleicht man den Telefunken 121W /121G mit dem Siemens 22bW /22G - ja, da stecken doch jeweils die Chassis mit dem „Riesenskala-Prinzip“ drin und das Äußere hat auch so seine Ähnlichkeiten .....
 
 
....  nur die - optisch gesehen - riesige Skala fehlt beim Telefunken, obwohl elektrisch das Gleiche enthalten ist.
(Leider stehen mir keine geeigneten Innenaufnahmen zum direkten Vergleich zur Verfügung.)
Auch in der Beschreibung zum Gerät, die beim Modell hoch geladen ist,  werden gleichermaßen Siemens 22bW /22G und Telefunken 121W /121G genannt.

 
Was ist denn nun eigentlich das „Geheimnis“ der Riesenskala?
Modelle mit Lang- und Mittelwelle ohne äußeres Umschalten gibt es mehrere, doch werden in der Regel mit dem Zeigerlauf Kontakte betätigt, die die verschiedenen Induktivitäten eines Spulensatzes einschalten.
(Eine Besonderheit wäre noch der so genannte „Einbereichssuper“ mit hoher Zwischenfrequenz, meist 1600 kHz, der ebenfalls Lang- und Mittelwelle ohne Umschaltung überstreicht - z.B. Schaub 229 II "Spitzkühler". Das ist aber ein völlig anderes Prinzip!)
 
Als 1929 Siemens mit dem Rfe32 (später 40W) einen Empfänger herausbrachte, bei dem als Besonderheit genannt wurde:
Überstreichen des gesamten Bereiches von 200 bis 2000 m ohne Wellenbereichsumschaltung“,
betrug der Empfangsbereich für die „kurzen Wellen“ (später Mittelwelle genannt) 600 - 200 m (500 - 1500 kHz) und für die langen Wellen 2000 - 800 m (150 - 375 kHz).
Eine mit gerundeten Werten erfolgte Berechnung ergibt folgenden Sachverhalt, wenn die
Thomsonsche Schwingungsformel       benutzt und umgestellt wird:
Bei einem geforderten Frequenzbereich für die Mittelwelle von 500 - 1500 kHz (also 3) wären 3² = 9 als Kapazitätsvariation notwendig, was sich bei angenommenen Drehkondensatorwerten von Cmax = 500 pF und Cmin = 50 pF (also 10) mit Reserven machen liese.
Gleiche Verhältnisse würden auftreten, wenn ich nur die Induktivität im Verhältnis 1:10 ändere.
Um nun Mittel- und Langwelle von 150 - 1500 kHz gemeinsam zu erfassen, ergäbe sich eine Frequenzvariation von 10 und der Drehkondensator (oder das Variometer) müsste einen Variationsbereich von 10² = 100 haben, was technisch nicht so ohne weiteres realisierbar wäre.
Wird nun gleichzeitig mit der Änderung der Kapazität am Drehko auch die Induktivität mittels Variometer verändert, beide jeweils mit dem Variationsverhältnis von 10, ( also 10 * 10 = 100) so lässt sich - über obige Formel berechenbar - die gewünschte Frequenzvariation von 10 erzielen.
(Ich habe hier bewusst die exakten Formelumstellungen und Rechenvorgänge nicht mit aufgeführt!)
Und nichts anderes wird bei den Geräten mit „Riesenskala“ ohne Wellenschalter gemacht, indem Drehkondensator und Variometer mechanisch gekoppelt und entsprechend variabel sind. [2]
 
Folgende Typen von Siemens arbeiten nach diesem
Prinzip der gemeinsamen L- und C- Variation:
1929/30   Rfe 32 (später 40W/134) und Rfe 33 (später 40W/604)
1930/31   21W und 21G; 31W und 31G; 41W/134, 41W/604 und 41G - alle mit Riesenskala
1931/32   22W, 22bW und 22G; 32W35W und 35G - alle mit Riesenskala
 
Die Modelle 45W und 23W / 23WL / 23G / 23GL von Siemens besitzen zwar äußerlich eine „Riesenskala“, die Umschaltung zwischen Mittel- und Langwelle erfolgt aber mit Schaltern beim Zeigerlauf.
 
Und Telefunken hat mit den 121W bzw. 121G das gleiche Chassis vom 22W (Variante b) bzw. 22G mit dem Prinzip der Riesenskala benutzt und auf den Markt gebracht. Nur Gehäuse und  Skalenfront wurden verändert - ohne „riesige“ Skala.
Wolfgang Eckardt
Literatur:
[1] Ebeling, Gerhard: telefunken 121W.  Funkgeschichte Nr. 74, 1990, S.21
[2] Börner, Herbert: Das Geheimnis der Riesenskala. Mitteilungen IG Geschichte der Rundfunktechnik Nr. 9, 1986, S.4
 
 
 
 

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Riesenskala: Abstimmprinzip 
19.Jan.08 12:03

Konrad Birkner † 12.08.2014 (D)
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Konrad Birkner † 12.08.2014

Ein wenig Vorgeschichte:

Eigentlich brauchte Telefunken nur in die Schublade zu greifen und ein bereits 1o Jahre zuvor erfundenes und praktiziertes Prinzip mit modernen Mitteln verbessert anwenden.

Bereits 1920/21 wurde der Westinghouse RA gebaut, bzw das Kombinationsgerät RC. Charakteristisch war die Abstimmung durch gemeinsame Betätigung von Variometer und Drehkondensator.

Anmerkung: Stufenschalter und Feinabstimmdrehko gehören zur Rückkopplung und haben nichts mit der Bereichswahl zu tun.

Die Frequenzvariation betrug seinerzeit >4:1 (170 - 700 m). Das ist für Serienabstimmung bei unbekannter Antennenkapazität gar nicht schlecht. Noch dazu, wenn man bedenkt, dass seinerzeit die verwendeten Spulen relativ hohe Wicklungskapazität aufwiesen, was den Abstimmbereich erheblich einengt.

Um ohne derartige Doppelabstimmung den Bereich von 170 bis 700m zu überstreichen, musste dieser aufgeteilt werden. Im Radiola V bzw AR-1300 (1922) findet sich eine automatische Umschaltung durch einen Schalter auf dem (fast) 360° Drehko mit 2 Paketen. Damit die die Bereiche dadurch nicht in entgegengesetzter Richtung laufen, werden die beiden Kondensatorpakete auch noch durch Schleifkontakt umgeschaltet. Die reine Kapazitätsvariation (ohne angeschaltete Antenne) beträgt für beide Bereiche ca.9:1, d.h die Frequenzvariation 3:1.   Eleganter ist da schon die RA-Lösung.

Durch das Patentaustauschabkommen mit RCA im Jahre 1921 konnte Telefunken den RC mit leichten Veränderungen als "Telefunkon D" oder E 304 nachbauen, und später das Prinzip erneut aufgreifen.

Für den Tuner mit seiner Doppelabstimmung besass Frank Conrad (KDKA ; Westinghouse; RCA) die US-Patente 1,502,848 und 1,515,186.


 

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TFK121W innen 
21.Jan.08 20:00

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Auf die Modellseite des Telefunken 121W habe ich ein Bild vom "Innenleben" hochgeladen, bei dem man die Abstimmeinheit (Flachspulen & Kondensatoren mit Pertinax-Isolation) erkennen kann. Hiermit sollte ein Vergleich mit der Abstimmeinheit des Siemens 22W  (hoffentlich) möglich werden.

MfG DR

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