Zeitzeichenempfänger? - 'uraltes' Gerät

ID: 177475
Zeitzeichenempfänger? - 'uraltes' Gerät 
18.Nov.08 18:49
0

Wolfgang Eckardt (D)
Ratsmitglied
Beiträge: 1915
Anzahl Danke: 6
Wolfgang Eckardt

Wer kann mir dabei helfen, ein mir unbekanntes Gerät zu identifizieren. Es handelt sich um einen Holzkasten Typ E.49b der "Gesellschaft für drahtlose Telegraphie m.b.H. Berlin".
Könnte das einen "uralten" Detektorempfäger aus der "Vorradiozeit" darstellen? Zeitzeichenempfänger, links der Hörer, unten Detektor?

 

Hier die Typenschilder:

Danke sagt

Wolfgang Eckardt

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 2
Zeitzeichen-Empfänger E49b 
19.Nov.08 06:59

Thomas Günzel † 1.8.22 (D)
Beiträge: 212
Anzahl Danke: 5
Thomas Günzel † 1.8.22

Hallo Herr Eckardt,

nachfolgend der Gerätebericht aus der Telefunken-Zeitung Nr.23 vom Mai 1921.

Der Telefunken-Zeitsignalempfänger E49b enthält in einem verschlossenen und plombierten Holzgehäuse sämtliche Abstimmorgane, während Hörer und Detektor von außen zugänglich sind. An den Seiten des Gehäuses liegen die Anschlüsse für die Antenne und die Erde. An der Vorderseite ist ein Schema angebracht, aus welchem die Art des Zeitsignals ersichtlich ist, (Bild 32.) Der Empfänger besteht aus 3 Schwingungskreisen.

Der Antennenkreis wird gebildet durch die Antennenverlängerungsspule L1 und L2, sowie durch den Luftdraht und die Erde, Die Spule L1 ist in 3 Unterstufen a, b und c unterteilt. Die Verbindung der Antenne mit diesen Unterstufen richtet sich nach der Größe der Antenne, deren Kapazität 350—800 cm und deren Eigenschwingung 200—400 m betragen kann. Parallel zu den Antennenverlängerungsspulen liegt ein Kontakt EK, welcher den Empfänger bei angehängtem Hörer an Erde legt, so daß Beschädigungen durch atmosphärische Störungen bei Nichtempfang ausgeschlossen sind. Der Zwischenkreis hat den Zweck, eine größere Sicherheit gegen fremde Funkstellen, die den Empfang des Zeitsignals beeinträchtigen oder ganz unmöglich machen könnte, zu schaffen. Ferner verhindert er den Empfang einer anderen als der für den Zeitsignalempfang vorgesehenen Welle. Er besteht aus Zwischenkreis-Spule L3 und dem Kondensator C.
Der Detektorkreis wird durch einen Teil der Spule L3, dem Kondensator C1, dem Hörer T und dem Detektor D gebildet.
Meist wird der Empfänger noch mit einem Empfangsprüfer ausgerüstet. Mit diesem Hilfsapparat kann ohne weiteres die Antenne oder Erdleitung erregt werden, so daß man jeder Zeit in der Lage ist, sich von dem betriebsfähigen Zustand der Empfangsanlage zu überzeugen. Ferner läßt sich der Detektor, falls er in der Empfindlichkeit nachgelassen hat, mit Hilfe dieses Apparates leicht wieder auf die alte Empfindlichkeit einstellen. Er besteht im wesentlichen aus einem auf die Zeitsignalwelle abgestimmten Zwischenkreis, der sich in einem kleinen Holzkästchen befindet; der in diesem Gehäuse befindliche Prüfsummer stößt diesen Schwingungskreis an, dessen Schwingungen mittels einer kleinen Kopplungsspule auf den Antennenkreis übertragen werden.
Nachdem die Anlage hergestellt ist, wird der Empfänger auf die Zeitsignalwelle abgestimmt. Ist die Antenne sehr groß, so sind von der Spule L 1 nur wenige Windungen einzuschalten; der Anschluß A1 ist also mit a zu verbinden. Bei kleineren Antennen wird Al mit b oder c verbunden. Die Spule L3, welche drehbar in der Spule L2 angeordnet ist, wird zunächst so eingestellt, daß sich der an dem Drehknopf der Spule befestigte Zeiger in der Mitte der beiden Anschlagstifte befindet. Dann verschiebt man den Kontakt K solange, bis die größte Empfangslautstärke erreicht ist. Ist dies mit dem jeweiligen Anschluß von A l nicht zu erreichen, so ist eine andere Abstufung der Spule L1 zu wählen. Hat man so die größte Lautstärke erzielt, so kann man diese durch Drehen der Spule L3 noch verbessern. Ist der Empfänger auf diese Weise genau abgestimmt, dann wird die Spule L3 von der Spule L2 soweit abgedreht, daß das Zeitsignal mit gerade ausreichender Lautstärke empfangen werden kann. Nach beendeter Abstimmung wird die Spitze des Schiebers K mit den Spulenwindungen verlötet. Die Verbindungen des Detektors D mit der Spule L3 ist auf Grund von Versuchen an der günstigsten Stelle vorgenommen und festgelegt. Bei der Abnahme wird der Empfängerkasten von der Reichs-Telegraphenverwaltung verschlossen und plombiert.

Der Zeitsignal-Empfänger auf der Uhrmacher-Ausstellung in Berlin.

Diese Angaben dürften wohl zur Anlage des Empfängers genügen.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Günzel

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 3
Zeitsignalempfänger E49b 
19.Nov.08 08:46

Wolfgang Eckardt (D)
Ratsmitglied
Beiträge: 1915
Anzahl Danke: 8
Wolfgang Eckardt

Hallo Herr Günzel,

vielen Dank für Ihren Beitrag. Damit ist ja das "Rätsel" gelöst und dank Ihrer Information bin ich etwas schlauer geworden. Mit Geräten aus der "Vorrundfunkzeit" kenne ich mich nicht gut aus.

Dass der Hersteller später TELEFUNKEN hieß, war mir schon bekannt und ich habe auch in den Scans zur Telefunken-Zeitung, die Sie dankenswerter Weise zu einem Teil bereits im RM eingestellt haben, nachgesehen, doch sind diese noch nicht bis 1921 "vorgeschritten".

Ich werde jetzt das Modell anlegen. Unklar ist mir aber noch das Baujahr?. Ab 1903 hieß doch die "Gesellschaft für  drahtlose Telegraphie" = Telefunken. Soll das bedeuten, dass dieser Empfänger von vor 1903 stammt, da doch der Hersteller so angegeben ist ???

Leider ist das Gerät nicht mein Eigentum, ich erhielt nur das Bild von einem Bekannten, der es nicht zuordnen konnte.
Vielen Dank und beste Grüße

Wolfgang Eckardt

Ergänzung:
Inzwischen ist dieses Gerät in meinen Besitz übergangen, so dass ich demnächst detaillierte Aussagen machen kann. Als Baujahr kann man von 1918/19 ausgehen.

W.E. 16.12.08

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 4
Gesellschaft für Drahtlose Telegraphie 
19.Nov.08 10:47

Nikolaus Löwe (D)
Beiträge: 221
Anzahl Danke: 7
Nikolaus Löwe

1903 als "Gesellschaft für Drahtlose Telegraphie mbH Berlin" gegründet, hatte die Firma von Anfang an die Telegraphenadresse "Telefunken". Dieser einprägsame Name wanderte dann im Logo nach oben, wurde aber bis zu Beginn der Rundfunkzeit immer ergänzt mit dem Zusatz "Gesellschaft für Drahtlose Telegraphie". Siehe hierzu z. B. die Titelseite des "blauen Buches", des Telefunken-Kataloges von 1919. Erst mit der Einführung des Telefunkensterns als alleiniges Logo auf den ersten Rundfunkempfängern entfiel der Zusatz.

Funkentelegraphische Zeitzeichen wurden ab 1910 zweimal täglich durch die Küstenfunkstelle Norddeich, ab 1917 auch durch die Telefunken-Großfunkstation Nauen gegeben.

Der wunderschöne Zeitzeichenenpfänger dürfte aus der Zeit zwischen 1919 und 1922 stammen. Im Telefunken-Katalog von 1919 kommt er vor. Noch 1921 ist der Zeitzeichenempfänger E49 bei Artur Fürst: "Im Bannkreis von Nauen" als aktueller Vertreter der Spezies abgebildet.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 5
Im Bannkreis von Nauen 
17.Dec.08 19:13

Wolfgang Eckardt (D)
Ratsmitglied
Beiträge: 1915
Anzahl Danke: 7
Wolfgang Eckardt

Guten Abend Herr Löwe,

vielen Dank für Ihren Beitrag mit dem Hinweis auf das Buch "Im Bannkreis von Nauen" 1922. Dort ist der Empfänger wirklich auf der Seite 284 abgebildet.

Ich stelle für  Interessenten hier einen Textauszug ein, der auf diese Zeitzeichensender eingeht.


Auszug aus: Artur Fürst „Im Bannkreis von Nauen“, S. 283.
Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart und Berlin 1922

  
Etwa um 12 3/4 Uhr tritt Nauen jedesmal mit Hamburg über die Drahtverbindung, mittels welcher die Auslösung erfolgt, durch Morse-Schreiber in telegraphische Verbindung, um den guten Zustand der Leitung festzustellen.
Augenblicklich wird zur Abgabe des Zeitsignals noch die alte Tonfunkenstation benutzt. Sie soll jedoch auch in diesem letzten Bereich ihrer Wirksamkeit alsbald durch die Sendeanlage für ungedämpfte Wellen ersetzt werden. Da aber die meisten Schiffe noch keine Empfangsanlagen mit Überlagerer besitzen, so wird es alsdann notwendig sein, die Überlagerung am Sendeort vorzunehmen. Zu diesem Zweck wird der Gleichstrommagnetisierung des letzten Frequenztransformators in der 130-Kilowatt-Anlage ein 500periodiger Wechselstrom aus einer kleinen Maschine zugesellt werden. Infolgedessen kann in jedem einfachen Detektorempfänger die Zeitmeldung nach wie vor mit dem Ton 1000 abgehört werden.
Das Zeitsignal ist natürlich auch auf dem ganzen Festland von Europa wahrzunehmen. Das machen sich auch hier viele zunutze, für die der Besitz einer genauen Zeitangabe wichtig ist. Mit besonderer Erlaubnis des Reichspostministeriums lassen wissenschaftliche Institute, Normalzeitgesellschaften, Uhrmacher einen Zeitsignalempfänger bei sich aufstellen, der für Aufnahme der Welle 3900 Meter eingerichtet ist und ausschließlich zum Abhören der Zeitmeldung benutzt werden kann.
 

Hier noch die Abbildung aus dem Buch:
 
 
 
Wolfgang Eckardt
 
 
 

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 6
Zeitzeichen-Schema ONOGO 
19.Dec.08 22:25

Wolfgang Eckardt (D)
Ratsmitglied
Beiträge: 1915
Anzahl Danke: 8
Wolfgang Eckardt

Auf der Vorderseite des beschriebenen Zeitsignal-Empfängers E49b befindet sich eine Tabelle, in der die Bedeutung der Zeitzeichen erklärt wird.

Hier ist im Titel der Tabelle kein Sender speziell eingetragen, da es verchiedene Sender gab, je nachdem, wie die Entfernung zum am besten zu empfangenen Sender war.

In diesem Beitrag wird auch etwas zu den ersten Zeitzeichenempfängern ausgesagt.

Dabei geht es um das so genannte ONOGO - System. In der rechten Spalte der obigen Tabelle kann man es nachvollziehen, nach welchem Schema die Buchstaben O-N-O-G-O gesendet werden.

Zur Ergänzung: In der Literatur findet man 1913 den Zeitsignal-Empfänger E49 beschrieben. Er stellt den Vorläufer des E49b dar und ist in seiner Schaltung wesentlich einfacher gestaltet.

Wolfgang Eckardt

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.