Wer hat die Loewe Mehrfachröhre erfunden?

ID: 129617
Wer hat die Loewe Mehrfachröhre erfunden? 
01.Jan.07 11:05
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Hans-Thomas Schmidt (D)
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Hans-Thomas Schmidt

Liebe Röhrenfreunde,

durch die Diskussion zum 100sten Geburtstag des Manfred von Ardenne angeregt, habe ich mal zu Recherchieren begonnen, welchen Anteil der Jubilar an der Erfindung der berühmten Loewe-Dreifachröhren hat. Auch auf die Gefahr hin, einen Mythos zu beschädigen, sollte man die Sache untersuchen.

Dabei bin ich im dem Buch: Der Niederfrequenzverstäker von A. Forstmann und H. Reppisch, 1928, auf interessante Informationen gestossen.

Seite 88:
Eine weitere , später erschienene Spezialröhre war die LA77 der Loewe-Audion G. m. b. H., die auf Grund von Untersuchungen von v. Ardenne und Heinert entstanden ist.
Fussnote dazu: M. v. Ardenne und H. Heinert: Über Widerstandsverstärker. Jahrbuch Bd. 26, Heft 2. (Anm. HTS.: liegt mir leider nicht vor)

Seite 283:
In der Abb. 162 (Anm. HTS.: zeigt Loewe OE333) ist ein solcher Verstärker gezeigt, bei dem Röhren und Kopplungsglieder in ein Vakuum eingbaut sind. Die Lösung dieses Problems ist eine rein technische, die von Dr. Römhild gefunden wurde. Der Gedanke des Einbaus mehrerer Systeme in eine Röhre ist keineswegs neu, sondern fußt auf alten fallengelassenen Huth-Patenten (siehe Fussnote); er wurde dann später von Dr. S. Loewe wieder aufgegriffen.
Fussnote dazu: Vgl. die D. R. P. 310604, 427576, 403492, 394657

Natürlich habe ich dann versucht, diese Patente beim Europäischen Patentamt einzusehen:
310604:  Mehrfachverstärker oder Mehrfachschwingungserzeuger, Dr. Erich F. Huth GmbH in Berlin, 9.3.1917. Mehrere Röhrensysteme in einem Vakuumgefäss.
427576: Glockenspinnmaschine. Diese Nummer wurde anderweitig vergeben
403492: Anordnung und Mittel zur Beseitigung der ungleichmaessigen Erhitzung der Gluehdraehte in Elektronenroehren. Marconi-Patent vom 6.10.1924. Hat nichts mit Mehrfachröhren zu tun.
394657: Einrichtung  für Elektronenröhren. Dr. Erich F. Huth GmbH in Berlin, 16.9.1921. Anspruch 5 nennt einen gemeinsamen Spannungsteiler für die Heizspannung bei der Verwendung von mehreren Röhrensystemen in einem Glaskolben. Fig 3 ist die Zeichnung dazu:

Fig3

Ausserdem habe ich festgestellt, dass es keine mir bekannte Patentliteratur gibt, die Manfred von Ardenne als Erfinder der Mehrfachröhre nennt. Die Loewe-Mehrfachröhren selbst tauchen ebenfalls nicht auf.

Die Untersuchungen gehen weiter.

Viele Grüße,  H.-T. Schmidt

Nachträglich editiert in grün.

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Erfinder der Mehrfachröhre 
01.Jan.07 16:48

Rüdiger Walz (D)
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Rüdiger Walz

Wenn wir hier von Mehrfachröhren sprechen, sprechen wir von Röhren, die passive Bauteile mit eingebaut haben. Röhren mit mehreren Systemen sind schon aus der Frühzeit der Röhrenentwicklung bekannt, vor allem für den Bau symetrischer Telefonverstärker (siehe Thread  http://www.radiomuseum.org/forum/manfred_von_ardenne_100_geburtstag.html ).

Das Huth Patent ist m.E. eines der ersten in Deutschland, das passive Bauelemente mit im Röhrenkolben vorsieht.

Die Loewe Mehrfachröhren hatten den Sinn, Hochfrequenzverluste, die durch die Paralellführung der Zuleitungsdrähte im Quetschfuß der  Röhren entstehen zu vermeiden. Die Verbindungen zwischen den Systemen sollten so kurz wie möglich sein, um breitbandige Verstärkerwirkung bei möglichst hohen Frequenzen zu erzielen. Typisches Beispiel ist der Loewe FE 63, der mit drei Röhren HF 29 und einer 3 NF arbeitet ohne dazwischen geschaltete Selektionskreise !

M.von Ardenne beschreibt in seinen Erinnerungen, dass er später solche Verstärker gut für Fernsehsignale verwenden konnte, da sie über die notwendige Bandbreite verfügten.

Ich kann zu Deiner Patentrecherche folgendes Beitragen:

Nr. 533835, 9.3.1926 Audionwerk D.S. Loewe GmbH Berlin Steglitz, Vakuumsicheres Kopplungselement zum Einbau in Mehfachröhren. Beschreibt ein RC Koppelelement mit Vakuumkondensator und Vakuumwiderständen. Leider wird kein früheres Patent zitiert.

Nr. 484374, 20.7.1926, Dr. Siegmund Loewe, Mehrfachröhre mit eingebauter Widerstandsverstärkerschaltung und in Serie geschalteten Kathoden, inbesondere für Netzanschluß. Das Patent enthält einen Schaltplan der 3 NF mit dem Unterschied, das alle Kathoden hintereinandergeschaltet sind.

Nr. 532638, 20.7.1926, Dr. S. Loewe, Mehrfachröhre. Beansprucht Mehrfachröhre mit Abschirmung zwischen den Systemen. Enthält Zeichnung der 3 NF mit Abschirmblechen zwischen Endtriode und den anderen Trioden.

Nr. 526294, 3.12.1927, Walter Kunze und Radio AG D.S. Loewe, Berlin Steglitz, Zweifachhochfrequenzverstärkerröhre mit eingebauten Kopplungselementen. Beschreibt ebenfalls spezielle Abschirmungen zwischen den Stufen, speziell metallbeschichteten Glimmer.

Auf Wusch kann ich Dir Scans zusenden.

Es gibt sicher noch eine Reihe mehr Patente zu den Mehrfachröhren, aber mir ist keines mit M. von Ardenne bekannt. Er hat sicher den Widerstandsverstärker optimiert und damit dazu beigetragen, eine vernünftige Dimensionierung in der Mehrfachröhre zu verwirklichen. Er war sicher auch ein Diskussionspartner für Siegmund Loewe um die Entscheidung zu einer Mehrfachröhre in Serie zu finden, aber "erfunden" hat er sie nicht. Er selbst schreibt in seinen Erinnerungen, dass er gerade erst in dieser Zeit, sicher durch seinen Mentor Loewe, das systematische wissenschaftliche Arbeiten erst erlernte. 1925 war er gerade 18 Jahre alt.

Spätere Gespäche mit ihm in hohem Alter haben keine Lösung dieser Frage gebracht. Für M. von Ardenne waren seine späteren Arbeiten, vor allem auf medizinischem Gebiet wesentlich wichtiger. Der Widerstandverstärker waren die ersten Gehversuche eines Jugendlichen auf dem freischaffenden Erfindergebiet.( Info G. Neef).

Rüdiger Walz

 

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01.Jan.07 20:02

Hans-Thomas Schmidt (D)
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Hans-Thomas Schmidt

Danke Rüdiger,

für die weiteren Hinweise. Es zeigt sich, dass sich die Verhältnisse um die Loewe-Mehrfachröhren auch heute noch sauber recherchieren lassen. -- Das habe ich nicht erwartet.

Der Anteil des Barons von Ardenne bestand wohl aus den Vorarbeiten zur Loewe-Mehrfachröhre: Der Optimierung der Widerstandverstärkung mitsamt des Röhrensystems (LA77). Durch die günstigen Eigenschaften der Konstruktion als Breitbandverstärker war ein weitere Meilenstein auf dem Weg zum elektronischen Fernsehens geschaffen.

Neben vielen wichtigen Einzelleistungen, die den Bau der Loewe-Mehrfachröhren erst möglich machten, brachte offensichtlich die Gesamtkonstruktion von Dr. Römhild der Durchbruch.
Erstaunlich, dass die Firma Huth die Patente zur Mehrfachröhre einfach verfallen ließ; offensichtlich war die Zeit noch nicht reif.

Eine interessante Fundstelle zur Lieben-Zweifachröhre habe ich noch gefunden:

DRP334675 vom 23.4.1914 zeigt die LRS-Zweifachröhre deren beide Systeme als Oszillator und Überlagerer geschaltet sind.
Das dürfte die älteste deutsche Mehrfachröhre sein.
Eine weitere Anwendung als Sendemodulationsverstärker hat ja noch Hans Rukop erwähnt.
Für (bidirektionale) Telephonie wurden keine Mehrfachröhren verwendet.

Gruß,  Hans-Thomas

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