wobbe: Wobbe Zeitsuper

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wobbe: Wobbe Zeitsuper 
25.May.15 14:01
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Rüdiger Walz (D)
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Rüdiger Walz

Wem die Stunde schlägt

Wobbe Zeitsuper Prototyp

Der Wobbe Zeitsuper wurde 1950 von Wilhelm Hardt entwickelt. Wilhelm Hardt war Feinmechanikermeister bei der Firma Wobbe und beschäftigte sich intensiv mit der Möglichkeit Radios mittels Zeitschaltuhren zu steuern. Er ist vermutlich durch Artikel in Zeitschriften darauf aufmerksam geworden. In den Unterlagen, die ich zusammen mit dem Zeitsuper erworben hatte befinden sich zwei Zeitschriftenausschnitte aus einer amerikanischen und einer deutschen Zeitschrift, die über kleine amerikanische Radios berichten, die per Uhr gesteuert werden. Konkret ist es das Model 62 von General Electric. Die Einstellräder des Wobbe Zeitsuper sehen daher wahrscheinlich nicht zufällig dem Einstellrad des Model 62 ähnlich. (siehe hier im RM.org)

Ein Memorandum zum Zeitsuper findet man unter den Dokumenten zum Gerät. Hier erläutert Wilhelm Hardt die Funktion des Gerätes und das Ziel, einen Musterschutz zu erhalten. Seine Unterlagen enthalten Konstruktionszeichnungen und Kalkulationen zur Produktion des Zeitsupers mit einer Stückzahl von 1.000, 5.000 und 10.000  Stück. Er sagte mir beim Erwerb des Gerätes 1992, dass auf der Funkausstellung eine Mindestbestellung von 10.000 Stück hätte erreicht werden müssen um eine Serie aufzulegen. (siehe angehängte Dateien) Leider gab es diese Bestellung nicht und daher ging der Zeitsuper nie in Serie. Es wurden lediglich zwei Prototypen gebaut, die auf dem Foto des Wobbe-Funkausstellungsstandes 1950 zu sehen sind. (Bild: Funkausstellung-1950.jpg)1)

Das hier im Detail vorgestellte Gerät trägt die Chassisnummer 02 und ist auf dem Funkausstellungs-Foto links außen zu sehen. Es war im Besitz des Konstrukteurs Wilhelm Hardt und ich konnte es 1992 auf dem Radiomarkt in Altensteig erwerben. Über den Verbleib des zweiten Gerätes ist nichts bekannt. Das Basismodell ist ein Wobbe Senator WS 2003, in den die Uhr und das Schaltwerk vor dem Lautsprecher eingebaut wurden. Dadurch liegt der Lautsprecher etwas nach hinten verschoben und im Netzteil musste dadurch die AZ 41 in das Montageloch nach hinten gesetzt werden. Das wurde aber offensichtlich aus unbekannten Gründen auch bei den Netzteilen des normalen „Senator“ unterschiedlich gemacht. (sieh Bilder hier im RM.org unter Wobbe Senator) Das Chassis des Netzteiles enthält offensichtlich zwei Montagelöcher für die Gleichrichter- Röhre.

 

Auf obigen Bild befindet sich hinter dem zentralen Blech ein Synchronuhrwerk, an dass die Ein-Ausschaltmechanik angekoppelt ist. Bei den Einstellrädern fehlten die Skalen, von denen aber glücklicherweise im Gerät Fragmente zu finden waren. Auf Basis dieser Fragmente, die auf Film hergestellt waren konnten mit Photoshop im Computer die kompletten Skalen ergänzt werden. In den Einstellrädern befinden sich Bleche, die sich ca. über 4 Stunden der Skala erstrecken. Innen an der Achse rotieren Schleifkontakte. Je nach Einstellung der Räder schaltet sich das Radio zum gewünschten Zeitpunkt ein und läuft 4 Stunden. Zusätzlich lassen sich die Bleche über Hebel im Skalenrad verschieben, so dass man eine Schlummerfunktion 0-4 Stunden einstellen kann. Die Skala ist daher im Bereich 0-4 Uhr doppelt. (siehe Bild unten)

Es lassen sich also vier verschiedene Zeiten einstellen. An der Rückseite des Gerätes befindet sich ein Kippschalter, über den sich der Schaltmechanismus der Uhr überbrücken lässt und das Gerät wie ein normales Radio betrieben werden kann. Der Ein-Ausschalter für das Gerät befindet sich wie für den „Senator“ üblich links im Lautstärkeregler.

Restauration

Die Uhr und die Schaltmechanik

Ein vor dem Lautsprecher zentral angebrachtes Synchronuhrlaufwerk treibt zusätzlich die Schaltmechanik an. Die Dokumente unter Gerät zeigen das Prinzip. Im Unterschied zum realisierten Gerät sind keine Schaltnocken mit unabhängigen Schaltern in den Einstellrädern wie abgebildet, sondern Schleifkontakte schließen den Stromkreis über Bleche in den Rädern und die gemeinsame Achse. Hier links die Entwurfskizze.

 

Das zweiadrige Kabel zur Achse hat in der Hinleitung vier Abzweige zu den Schleifkontakten in den Einstellrädern. Die Isolation des Kabels war total zerbröselt. Es wurde durch ein baugleiches Kabel ersetzt. Auch die Abzweige wurden originalgetreu unter Verwendung von zeitgemäßem Textilisolierband hergestellt.  Auf dem Bild sieht man auch, dass die Skalennachbildung mittels Photoshop recht gut gelungen ist. Hier sieht man auch deutlich die oben erwähnten zusätzlich Einstellhebel für die Schlummerfunktion. Leider stellte sich im Nachherein heraus, dass drei der vier Räder Kontaktschwierigkeiten haben. Da ich aber ein weiteres Zerlegen vermeiden wollte, habe ich es erst einmal dabei belassen.

Da ich aus Erfahrung (Nora L29 mit Synchronuhr und TEKADE WKZ 065) wusste, dass alte Synchronuhren sehr störrisch sein können, wenn es um das Anwerfen geht, war ich skeptisch ob ein Synchronuhrwerk überhaupt in der Lage ist, diese umfangreiche Mechanik mit den vier Schleifkontakten anzutreiben. Synchronuhrwerke müssen angeworfen werden, daher haben sie meist auf der Zeigerachse ein geriffeltes Zierrad, so auch hier. (Manchmal wird der Start auch mit einer Kordel die einen Anwerfmechanismus antreibt wie beim TEKADE WKZ 065 durchgeführt)

Wie nach 65 Jahren zu erwarten lief das Uhrwerk auch ohne zusätzlich Mechanik nicht an. Das Lageröl war verharzt. Es musste zerlegt werden und hier unterlief mir ein folgenschwerer Fehler. Beim Öffnen der Lager des Treibrades (Schraube in der Mitte auf der Achse) ließ sich das äußere Lager gut öffnen und reinigen. Das Öl war total verharzt. Beim Versuch das hintere Lager zu öffnen drehte sich aufgrund fest sitzender Schraube die Lagerhülse mit und verletzte das eingreifende Pertinaxzahnrad. Ein Zahn brach ab ! „!%&*##, das war’s dann wohl“, dachte ich.

Nach Normalisieren des Adrenalinspiegels überlegte ich, was zu tun sei. Es gibt zwei Möglichkeiten: Erstens Exoxidharz auftragen und einen neuen Zahn feilen, oder zweitens eine Silikonform von einer intakten Stelle herstellen und den Zahn mit Epoxidharz angießen.

Ich entschied mich für erstens, da Option zwei bei Misslingen immer noch durchgeführt werden kann. Ein Tropfen Epoxid-Zweikomponentenkleber wurde aufgetragen und mit einer feinen Schlüsselfeile der Zahn herausgefeilt (oben). Um es vorweg zu nehmen: Es funktionierte wieder !

Das Uhrwerk wurde total zerlegt und mit Petroleum, das einen Spritzer feines Waffenöl einhielt und Pinsel gereinigt. Beim Uhrwerk möchte ich hier auf drei Punkte hinweisen, wo das Uhrwerk modifiziert wurde, bzw. die sich später als wichtig erwiesen.

Punkt 1: Das Bild zeigt das Uhrwerk von vorne. An der Stundenachse ist ein zusätzliches Zahnrad angebracht. In dieses Zahnrad greift ein zweites Zahnrad im Verhältnis 1:2 ein, das aber am Chassis des Lautsprechers angebracht ist, daher hier nicht zu sehen ist und das dann einmal in 24 Stunden rotiert. Unten am Werk sieht man das Lager für ein Kegelrad mit der Achse für die Schaltmechanik, das in das 24-Stunden-Rad eingreift. Dadurch rotiert die Schaltmechanik im 24-Stunden Rhythmus. Das kann man in dem Bild der gesamten Uhr nicht ganz komplett sehen, da das Chassis das 24-Stunden-Rad abdeckt. Durch die große Übersetzung ist es tatsächlich möglich mit einem Synchronuhrwerk die gesamte Mechanik anzutreiben.

Punkt 2 und 3 sind im Bild des Uhrwerks von oben weiter unten zu sehen. Das Uhrwerk hat zur Zeigereinstellung eine Schleifkupplung, über die aber auch die ganze Kraft für die Mechanik übertragen wird. Es ist ein mit einer Spiralfeder auf einer Achse verspanntes Zahnrad. Die geringste Spur Öl an dieser Stelle bringt die Kupplung ins Rutschen und das Treibrad dreht sich zwar, aber nicht die Zeiger und das Schaltgetriebe. Drittens sieht man hinten ein großes Kunststoffzahnrad, über das eine Kette läuft. Das Gegenrad ist im Bild oben zu sehen. Von dort führt eine Achse hinten aus dem Gerät heraus, an der man die Zeiger der Uhr einstellen kann. (Foto unter dem Gerät) Diese Kette neigt leider zum Verklemmen, wodurch die Uhr stehen bleibt. Ein Konstruktionsfehler, den ich akzeptieren muss, da ich an diesem Prototyp natürlich nichts verändern möchte. Ohne Kette funktioniert die Mechanik einwandfrei.

Zum Starten muß das Werk mit dem Zier-Rad auf der Zeigerachse in Bewegung gesetzt werden und dann der Stecker in 220 V eingesteckt werden. Umgekehrt geht es prinzipiell auch, allerdings wird das Treibrad durch das Magnetfeld festgehalten und die Belastung der Zahlräder ist wesentlich höher.

 

Das Radio-Chassis und die Schaltung

Wie oben schon beschreiben trägt das Chassis die Nr. 02, ist aber offensichtlich aus der Serienproduktion des „Senator“.

Das Netzteilchassis ist offensichtlich leicht modifiziert, da der Lautsprecher durch die Schaltmechanik leicht nach hinten verschoben ist. Auf dem Chassis fielen von oben zwei Defekte auf. An der LW-Spule har eine Zuleitung abgerissen und eine Keramikscheibe des Wellenschalter war in der Halterung gesprungen. Sie wurde mit einem Tropfen Epoxidkleber wieder fixiert.

An der Schaltung hatte der Vorbesitzer leider einige „Verschlimmbesserungen“ durchgeführt. Es war ein zusätzlicher Glättungskondensator 2 x 32 µF von Hydra unter dem Chassis eingebaut, der erst entfernt werden musste um das Chassis überhaupt aus dem Gehäuse herausziehen zu können. Wozu er diente ist rätselhaft, da das Gerät später mit dem Originalkondensator keinen Brumm zeigte. Des Weiteren hatte der Vorbesitzer die 5000/ 6000 pF Kondensatoren im Signalweg vor der EBC 41 und EL 11 auf 50 nF erhöht. (Bild des Chassis unten) Das sollte wohl der besseren Basswiedergabe dienen, hat aber keinen hörbaren Effekt. Schlimmer ist die Veränderung der Klangregelung. Das Rückkopplungsnetzwerk EL 11 auf EBC 41 wurde entfernt und statt dessen mit einem 50 nF und 100 pf Kondensator über das Klangregelpotentiometer eine geregelte Gegenkopplung versucht zu konstruieren. Effekt ist, dass der Lautstärkeregler nicht mehr effektiv arbeitet und die Lautstärke nicht mehr auf „Null“ geregelt werden kann. Auf den ersten Blick sieht das Chassis nicht „verbastelt“ aus, da Originalbauteile aus der Produktion von Wobbe verwendet wurden. (siehe Bild) Daher beschloss ich, den Zustand vorerst so zu belassen. Da es sich um einen Prototyp handelt, gibt es kein Vergleichsgerät. Jedoch ist davon auszugehen, dass ein Standard-„Senator“-Chassis verwendet wurde. Der Rückbau kann also nur mit Hilfe eines Ausschlachtgerätes und Originalbauteilen erfolgen.

Die Kondensatoren waren alle in einem akzeptablen Bereich von wenigen µA bei angelegter Prüfspannung von 350 V. Lediglich der Gitterkondensator der EL 11 wurde zur Vorsicht innen erneuert.

Der Ein-Aus-Schalter war unzuverlässig und musste daher zerlegt werden. Die Bilderserie zeigt das Zerlegen des Potentiometers von Preh durch vorsichtiges Aufbiegen der Befestigungslaschen. Es handelt sich um ein Doppelpotentiometer mit einem Zugschalter für den Klang und einen Drehschalter für die Netzeinschaltung. Die angebrannten Kontakte wurden mit einem Glasfaserpinsel gereinigt und leicht mit Sprühöl WD-40 gefettet.

 

 

Das Gerät hat die Röhrenbestückung ECH 42, EF 41, EBC 41, EM 4, EL 11, AZ 41. Auf der Bodenplatte befand sich der Schaltplan des Senator WS 2003 (siehe hier im RM.org). Außer der Veränderung durch den Vorbesitzer im Nf-Teil waren keine Modifikationen zu erkennen. Die Empfindlichkeit des Gerätes ist wie bei all diesen Standardsupern recht hoch und es brauchte nicht nachabgeglichen werden.

Das Gehäuse

Das Gehäuse war verschmutzt und leichter Flugrost an den Schellen der Rimlockröhrenfassungen und Trafo zeigten, dass es feucht gestanden hatte. Die Kratzer im Lack hielten sich in Grenzen und nach der Reinigung wurde es mit Schellack nachpoliert.

Ein Problem war die Skala, die ebenfalls verschmutzt war. Die weiße Leuchtfarbe der Wobbe-Skalen ist leider sehr wischempfindlich. Selbst mit einem weichen Pinsel löste sich die Farbe schon. Durch Fixierung mit Lack, wie auch hier schon im RM.org diskutiert hätte ich allerdings den Dreck mit fixiert. Mit leicht befeuchteten Wattestäbchen habe ich die Zwischenräume zwischen der Schrift weitgehend gereinigt und von der Skala einen hauchaufgelösten Scan gemacht.

Der Lautsprecherstoff ließ sich nicht entfernen, da das Zifferblatt der Uhr davor montiert ist und der Stoff an den Ziffern teilweise verklebt ist. Er wäre beim Ausbau zu sehr beschädigt worden. Ich mußte mich mit leichtem Abbürsten begnügen.

Das Zifferblatt selbst ist „Altbronze“ lackiert, also mit einer Lacktechnik mit schwarz-goldenen Schatten wird ein Antikeffekt erzeigt. Der Lack hatte teilweise Korrosions-Poren. Mit feiner Zahnarztpolitur habe ich den Schmutz und die Poren weitgehend beseitigen können ohne den Lack selbst zu beschädigen.

Die Abdeckplatte der Einstellräder besteht aus Messing und war stark angegriffen. Es war nicht klar, ob sie brüniert worden war und durch Alterung korrodiert war oder ob sie ursprünglich messingfarben war. Ich habe sie zuerst poliert und dann im Ofen bei 350 °C gealtert. Auf dem Foto der Funkausstellung erkennt man, dass die Platte hell war. Ich glaube so fügt sie sich gut in das Gesamtbild des Gerätes ein.

Die weißen Farbringe der Knöpfe mussten neu eingelegt werden. Die Fotos sind unter dem Gerät abgelegt.

Verwunderlich für mich war, dass damals als Wilhelm Hardt sein Gerät auf dem Radiomarkt in Altensteig anbot niemand Interesse zeigte. Obwohl der Zeitsuper ein belegtes Einzelstück einer Firma ist, scheinen die meisten Sammler Seriengeräte zu bevorzugen.

Literatur:

1) C.H. von Sengbusch, H.-P. Saar, Wobbe - Radio Eine Chronik in Wort und Bild, Schriftenreihe zur Funkgeschichte Band 3, Hrsg. GFGF e.V., Verlag Dr. Rüdiger Walz, Kelkheim 1993

"Der Zeitsuper", Memorandum von Wilhelm Hardt

 

Anlagen:

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