Mini-Boy Transistor 200 1960

Grundig (Radio-Vertrieb, RVF, Radiowerke)

  • Year
  • 1960/1961
  • Category
  • Broadcast Receiver - or past WW2 Tuner
  • Radiomuseum.org ID
  • 2123
    • alternative name: Grundig Portugal || Grundig USA / Lextronix

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 Technical Specifications

  • Number of Transistors
  • 6
  • Main principle
  • Superheterodyne (common); ZF/IF 460 kHz; 2 AF stage(s)
  • Tuned circuits
  • 5 AM circuit(s)
  • Wave bands
  • Broadcast only (MW).
  • Power type and voltage
  • Dry Batteries / 9 Volt
  • Loudspeaker
  • Permanent Magnet Dynamic (PDyn) Loudspeaker (moving coil) / Ø 5 cm = 2 inch
  • Material
  • Plastics (no bakelite or catalin)
  • from Radiomuseum.org
  • Model: Mini-Boy Transistor 200 [1960] - Grundig Radio-Vertrieb, RVF,
  • Shape
  • Very small Portable or Pocket-Set (Handheld) < 8 inch.
  • Dimensions (WHD)
  • 104 x 65 x 27 mm / 4.1 x 2.6 x 1.1 inch
  • Notes
  • .
  • Net weight (2.2 lb = 1 kg)
  • 0.3 kg / 0 lb 10.6 oz (0.661 lb)
  • Price in first year of sale
  • 99.00 DM

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1     Einführung

Sicher gab es Ende der 1950er - Anfang der 1960er Jahre weltweit bereits viele Miniaturradios , aber keines hat es mir so angetan wie der GUNDIG Mini - Boy 200 (Transistor), den ich von einem ehemaligen VALVO Kollegen zum achtzigsten Geburtstag geschenkt bekommen habe. Trotz seiner geringen Abmessungen von 104 x 65 x 26 mm (BxHxT) wog dieser Zwerg inklusive 9V Batterie gewichtige 300 Gramm!

Hier zunächst einige Bilder meines Gerätes:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Leider hat das Gehäuse meines Mini - Boy zwei kleine Ausbrecher, die aber dem ansprechenden Äußeren des Gerätes keinen Abbruch tun.

Wie in den weiter unten gezeigten GRUNDIG Mitteilungen von 1960 zu sehen ist, gab es als praktisches Zubehör einen  Ohrhörer, eine Tragetasche und als besonderen Luxus einen Tischlautsprecher mit integrierter Uhr. Als i-Tüpfelchen des Designs, hat man den Tischlautsprecher so gestaltet, dass beim Einschieben des Mini - Boy in die rechtsseitige Gehäusehöhlung die äußere Symmetrie erhalten bleib. Dies erreichte man dadurch, dass auf der linken Seite eine Taste herausgeschoben wurde, die um die gleiche Weite wie das Radio aus dem Gehäuse herausragte. Diese als Auswerfer fungierende Taste verschwand wieder im Gehäuse, wenn das Radio entnommen wurde!

Was hatte sich nun eigentlich gegenüber dem Vorgängermodell dem Micro - Boy geändert, der ja auch schon recht zierlich wirkte? Hier einige Bilder des Micro - Boy von der RM - Modellseite:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Natürlich gab es auch schon einen hübschen Tischlautsprecher:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zwar entsprach die Schaltung des hier besprochenen Mini - Boy im wesentlichen der des Micro - Boy, jedoch hatte man sowohl den Aufbau des Gerätes als auch die verwendeten Komponenten einer weitgehenden Revision unterzogen. Bei fast gleich gebliebenem Gewicht hatte man so erreicht, dass das Volumen des Mini - Boy auf rund 2/3 des Volumens vom Micro - Boy geschrumpft werden konnte. Hier noch einmal die Abmessungen: 

Micro - Boy: B x H x T:   115 x 75 x 32 mm           Mini - Boy: 104 x 65 x 26 mm

Also hatte man in Breite und Höhe jeweils ca. 1 cm eingespart, in der Tiefe 0,6 cm!

 

In der GRUNDIG Taschenradio Familie gab es meines Wissens nur noch einen Empfänger, der die Größe des Mini - Boy unterbot: Der mit Toshiba Transitoren arbeitende Solo - Boy 201, der bei Abmessungen von B x H x T:  78 x 54 x 25 mm nur 145 Gramm wog! Allerdings schlug sich die niedrige Batteriespannung von 3 V (2 x Petrix 245) und der sehr kleine Lautsprecher (50 mW) mit nur noch 4 cm Durchmesser dann doch auf die Leistung und Güte der Klangwiedergabe nieder.

 

 

 


 

2     GRUNDIG Technische Informationen 1960 (S. 107 - 109)

Eine ausführliche Beschreibung aller in den Mini - Boy eingebrachten Neuerungen finden man in den auf der Modellseite des Mini - Boy hnterlegten Technischen Informationen von 1960

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Da in dieser Informationsschrift bereits alle wesentlichen Punkte angesprochen wurden, beschränke ich mich in der folgenden Schaltungsbesprechung auf einige Details, die mir erwähnenswert erscheinen:

 


 

3     Die Schaltung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie bereits erwähnt, entsprach sowohl die Halbleiterbestückung als auch die Schaltung des Mini - Boy im wesentlichen der des Vorgängermodells Micro - Boy. Traditionell arbeitete GRUNDIG mit VALVO zusammen, was sich auch in der Halbleiterbestückung widerspiegelt: OC44, OC45, OC45, OC71, OC72, OC72, 2 x OA90  In frühen Exemplaren wurde wohl an Stelle der OA90 noch die TeKaDe Germanium - Diode K5/2 eingesetzt.

Das in der selbstschwingenden Mischstufe mit dem OC44 auf die Zwischenfrequenz von 460 KHz umgesetzte Eingangssignal wurde in zwei mit dem OC45 bestückten ZF - Verstärkerstufen auf Demodulationsniveau gebracht und mit der Diode OA90 (K5/2) demoduliert. Das NF - Signal wurde in zwei Verstärkerstufen (Treiber OC71, Gegentakt - Endstufe 2 x OC72) auf Lautsprecherniveau angehoben. Der NTC Widerstand R23 = 1KΩ diente in üblicher Weise der Arbeitspunktstabilisierung der Gegentakt - Endstufe.

Obwohll wahrscheinlich den meisten Lesern bekannt, möchte ich doch noch einige Besonderheiten des ZF - Verstärkers rekapitulieren: 

Im Vergleich zu Röhren haben bipolare Transistoren niedrige Eingangs - und Ausgangswiderstände. Um die Kreisbedämpfung in tolerablen Grenzen zu halten, wurde der Kollektor nicht direkt mit dem Hochpunkt des ZF - Kreises verbunden sondern an eine Anzapfung gelegt. Der Ausgangswiderstand des Transistors wurde also mit dem Quadrat des Windungsverhältnisses in den Kreis transformiert.

Die Speisung des Folgetransistors erfolgte über eine niederohmige Koppelwicklung (Transistoren werden stromgesteuert - nicht spannungsgesteuert wie Röhren!)

 

 

  • Aufgrund ihrer hohen Rückwirkunskapazität zeigten ZF - Verstärkerr mit Ge - Transistoren eine hohe Schwingneigung. Um diese zu unterdrücken, mussten Neutralisationsglieder eingefügt werden
  • Die zwischen den Kollektoren von Misch- und erstem ZF - Transistor liegende Diode diente der Bedämpfung (Verstärkungsreduktion) bei hohen Signalamplituden. ⇒ Verhinderung der Übersteuerung des ZF - Verstärkers.

Wie Sutaner zeigt, verwendete der BRAUN T4 im ZF - Verstärker übrigens eine ganz ähnliche Schaltung wie der Mini - Boy:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

4     Das Innenleben

4.1     Verschiedene Ansichten der Bestückungsseite

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                  Lautstärkepoti ausgebaut.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bemerkenswert sind die folgenden Punkte:

  1. Extrem dichte Komponentenpackung durch geschickte Verschachtelung.
  2. Alle Transistoren wurden über Kopf eingebaut. Die damals verwendten Ge - Flächentransistoren waren extrem hitzeempfindlich. Durch diese Einbauweise gewann man einen zusätzlichen Abstand von ca. 2 cm zwischen Platine und Transistorkörper und verringerte so signifikant die Wärmelast des Transistors beim Lötprozess. Da der Empfänger nur für den MW - Empfang konzipiert war, spielten lange Zuleitungen zu den Bauelementen keine Rolle.
  3. Verhinderung von Kurzschlüssen zwischen eng benachbarten Komponenten durch Rüschschlauch - Überzug der Anschlussdrähte.
  4. Die oberen Enden .aller Komponenten haben ungefähr den gleichen Abstand zur Platine, bilden also eine Fläche. Dadurch wurde die damals noch standardmäßig angewandte manuelle Bestückung der Platine mit den kleineren Komponenten erleichtert, die sonst in der Umgebung "untergingen".
  5. Im Gegensatz zu dem mit VITROHM Widerständen bestückten Vorgängermodell Micro - Boy wurden im Mini - Boy ausschließlich Widerstande von Beyschlag eingesetzt. Ich frage mich, ob man schon damals schlechte Erfahrungen mit der Langzeitstabilität der elektrischen Daten von Kohlemassewiderständen gesammelt hatte, und daher vorzog, normale Schichtwiderstände verwendete. Siehe auch hier

4.2    Die gedruckte Schaltung

Gedruckte Schaltungen wirken auf den ersten Blick immer unspektakulär. Man ist geneigt zu sagen, dass der einzige Unterschied zu den zuvor frei verdrahteten Radios darin lag, dass man die Komponenten nun bequem über Kupfer - Leiterbahnen verband.

Die Realität ist komplizierter, insbesondere in den Fällen wo man auf möglichst gedrängten Aufbau abzielt. Das Problem liegt in der hochfrequenten Verkopplung. Durch kapazitives Übersprechen zwischen benachbarten Leiterbahnen kann es bei ungünstiger Leitungsführung dazu kommen, dass das Oszillatorsignal in weit entfernte Komponenten einstrahlt oder die 3. Oberwelle der Zwischenfrequenz (3 x 460 KHz = 1380 KHz) vom Demodulator ausgehend bis in den Mischereingang vagabundiert und dort einen Geistersender produziert. Verhindert werden solche parasitären Effekte durch geeignete Leitungsführung und insbesondere durch geschickt verzweigte Massebahnen. Im rechten Bild habe ich diese blau eingefärbt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

4.3     Gehäuseschale und Lautsprecher

 

Hier zwei Bilder der Gehäuseinnenseite nach Entfernen der gedruckten Schaltung. Der zur Stabilisierung der Batterieposition dienende Schaustoffstreifen war zerfallen und wurde erneuert.

 

 

 

 

 

 

  

Obwohl der Korbdurchmesser des für den Mini - Boy neu entwickelten Lautsprechers mit 50 mm um 7 mm kleiner war als der des Micro - Boy, zeigten Schalldruckmessungen, dass trotz der um fast 30% kleineren Abstrahlfläche kaum Leistungseinbußen auftraten.

Sutaner zeigt in RPB 47/47a auf S. 111 eine Tabelle der damals in Transistorgeräten verwendeten Lautsprecher:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

4.4     Der Ferritstab und seine Wicklung

Vergleicht man die im Micro - Boy und Mini - Boy verwendeten Ferritstäbe, so bemerkt man einen deutlichen Unterschied:


Micro - Boy

 

Im Micro - Boy verwendete man einen runden, geschlitzten Ferritstab, vermutlich ein SIEMENS Typ Nr. B 61610. Solche Stäbe hatten zum Erreichen einer hohen Permeabilitat einen relativ hohen Metallanteil und waren entsprechend niederohmig. Das SIEMENS Material 550M25 hatte z.B. einen spezifischen Gleichstromwiderstand von nur 100 Ω • cm!.

Um die Wibelstromverluste trotzdem in tolerablen Grenzen zu halten hat man die Stäbe mit Längsschlitzen versehen.

Zwecks Reduktion der Eigenkapazität hatte man die Vorkreisspule im Micro - Boy in 8 Einzelwickel unterteilt. Dadurch wurde ihre  Eigenkapazität reduziert und man konnte einen Abstimmdrehondensator mit kleinerem Kapazitätshub / weniger Platten verwenden.

Der Abgleich des Vorkreises erfolgte durch Verschieben der Spule. Bei zentraler Positionierung hat die Spule den geringsten Streufluss und damit die größe Induktivität.

 

 

 

Zum Vergleich hier die VALVO Übersichtstabelle zu den 1970 empfohlenen ferritischen Materialien "FXC 4A3" und "FXC 4B1". Der spezifische Gleichstromwidersand dieser Materialien lag    bei > 105 Ω • cm, die Antennenstäbe waren also sehr hochohmig! Bei so hohem Widerstand erübrigte sich das Schlitzen der Stäbe.

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Mini - Boy

Im Mini  Boy verwendete man einen Flachstab des  Herstellers STEATIT - MAGNESIA, eines der führenden Unternehmen im Bereich keramischer Werkstoffe.

Kennzeichnung: C 03186.

 

 

 

 

 

Hier ohne Spulen:

 

 

 

 

 

Der Schwingkreiswickel wurde hier in zwei Einzelspulen unterteilt. Der Induktivitätsabgleich erfogte durch Verschieben der größeren Spule (links im Bild) gegenüber der stationären kleineren.

Die Abmessungen des Flachstabs lagen bei nur 85 x 13 x 3,2 mm, was neben der kompakten Komponentenanordnung einen signifikanten Beitrag zur Höhenreduktion des Gerätes lieferte.


Ob es bei der Entwicklung des Mini - Boy außer der angestrebten Größenreduktion noch andere Gründe für den Übergang vom runden, geschlitzten zum Flachstab gab, ist mir nicht bekannt.

Betrachtet man die in den 1950er / 1960er Jahren von den verschiedenen Radio - Herstellern verwendeten Ferritstäbe und Wickelstrategien, so sieht man eine weite Palette:

 

PHILIPS Saturn 594 Stereo B5D94A.  Bj 1959 / 60

MW /LW Spulenpaare jeweils eine verschiebbar.

PHILIPS Philetta.  Bj. 1960 / 61

MW und LW Einzelspulen verschiebbar

.GRAETZ Musica 4R217. Bj. 1955 / 56

Nur eine Spule für MW und LW, mittig angeordnet.

SIEMENS Großsuper 54 Bj. 1953/54

 Einzelne MW - Spule. LW Spule unterteilt - eine davon verschiebbar.

TELEFUNKEN Gavotte 9. Bj. 1958 / 59

Unterteilte Spule für MW / LW. Stationärer Teil über 67% der Stablänge gestreckt.

SCHAUB_LORENZ Weltsuper 58. Bj. 1958 / 59

    Geschlitzter Stab, 2 verschiebbare Kreizwickelspulen.

 


Wie man sieht, verfolgte hier jede Firma ihre eigene Strategie und mir fehlt das Hintergrundwissen, um à posteriori zu beurteilen, welche Argumente zu den verschiedenen Lösungen führte. Für weitere Details zu Ferritstab - Antennen siehe mein Beitrag: Bauformen und Wicklungen von Ferritantennen.


 

5    Reparaturarbeiten

5.1     Lautstärkeregler

Der Lautstärkeregler hatte deutliche Aussetzer. Er wurde ausgebaut und zerlegt.  Da sowohl die Widerstandsbahn als auch der Kohleschleifer intakt aussahen, wurde lediglich die Bronzefeder des Schleifers leicht nachgebogen. Danach funktionierte der Regler problemlos.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

5.2     Anti - Dröhn - Beschichtung

Im Verlauf der Reinigung wurde die Lautsprecherblende abgenommen. Es zeigte sich dass zwischen der Blende und dem Gehäuse eine Dämmschicht eingelegt war. Da diese beschädigt war, wurde sie durch ein dünne Gewebeschicht ersetzt und diese nachräglich schwarz eingefärbt. Das schwarze Einfärben ist notwendig, das sich sonst durch die Perforation der Frontblende hindurch die schwarze Lautsprecherhalterung abhebt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

6      Schlußbemerkungen

Mein Ziel war es, dem Leser anhand dieser detaillierten Gerätebeschreibung vor Augen zu führen, mit welchen speziellen Herausforderungen der damalige Entwickler konfrontiert war, insbesondere dann, wenn es darum ging, mit der noch relativ jungen Transistortechnik ein kleines Gerät mit guter Empfangsempfindlichkeit, angenehmem Klang und ansprechendem Äußeren zu kreieren.

Das war GRUNDIG mit dem Mini - Boy ohne Zweifel gelungen.

Harald Giese

Harald Giese, 31.May.23

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