DM300 und EF98, ...wir experimentieren weiter !

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DM300 und EF98, ...wir experimentieren weiter ! 
29.Feb.04 15:03
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Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

 

Vorwort

Eine Auseinandersetzung über den Sinn und Zweck des vorliegenden Artikels erscheint angebracht. Es kamen Zweifel bei mir auf, ob das überhaupt hier in's Radiomuseum gehört? Dazu erlaube ich mir, vorab die Leser und Besitzer eines KOSMOS-Experimentierkastens in zwei Gruppen aufzuteilen, die vielleicht folgende Standpunkte einnehmen:

  1. Ich beschaue den RADIOMANN als ein nostalgisches Lehrspielzeug. Weitere Gedanken mache ich mir nicht. Habe auch nicht vor, irgendwelche Aktivitäten zu entfalten.
  2. Ich habe den RADIOMANN neu entdeckt und bin an technische Details interessiert. Werde mir den Kasten hervorkramen und den einen oder anderen Versuch ausführen.

Es mag deutlich sein, dass Leser der 1.Gruppe wenig Nutzen in diesem Artikel sehen. Meine "Zielgruppe" sind -wie könnte es anders sein- "Radiomänner" der 2.Gruppe. Ich hätte vorher nicht geglaubt, das so simple Empfangs- und Senderschaltungen (siehe: Sendeversuche mal anders betrachtet) noch Verbesserungen zulassen. Zugegeben, große Dinge darf man -bei dem Aufwand- nicht erwarten. Es geht mehr um's Prinzip! Und gerade das sollte bei einem LEHRSPIELZEUG stimmen!

Natürlich darf der ursprüngliche Charakter des RADIOMANN nicht zerstört werden!

Aus diesem Grund werden keine "moderne" Lösungen vorgeschlagen, oftmals bringt schon eine kleine Verdrahtungsänderung eine hörbare Verbesserung!

 

A. Der RADIOMANN mit den Doppelgitterröhren. (bis 1959)

Was spielt sich zwischen Gitter und Heizfaden ab ?  

Die Doppelgitterröhre DM 300(neu) im RADIOMANN der 50er Jahre wird bekanntlich in der Schirmgitter- (besser gesagt, Schutz-)gitterschaltung betrieben. Wir verdanken ihre gute Funktion bei der niedrigen Betriebsspannung, auch der bei Audionschaltungen üblichen Arbeitspunkteinstellung im Bereich des Gitterstromeinsatzes !

In der oben umgezeichneten Basisschaltung des Radiomannes mit der DM 300(N) habe ich versucht, die Vorgänge im System zu verdeutlichen. Die Heizspannung wird durch den Rv auf 3 Volt reduziert. Die Spannungen wurden mit einem digit. Multimeter (Ri = 10 MOhm) ohne Ansteuerung(!) gemessen. Auf den zusätzlichen Schalter komme ich später noch zurück.

Zunächst fällt die ungleichmäßige Elektronenverteilung zwischen Heizfaden und Anode auf. Bekanntlich wird die Gittervorspannung als Potentialdifferenz zwischen der Kathode und dem Steuergitter definiert. Die Kathode = Heizfaden, zeigt jedoch ein Spannungsgefälle von einem, zum anderen Ende. Das macht die Erklärung etwas komplizierter! Daher ist eine punktuelle Betrachtung notwendig. Über den Gitterableitwiderstand (Rg) ist g1 mit dem pos. Pol der Heizbatterie verbunden.

Am rechten Fadenende messen wir eine Gitterspannung von +0,8 Volt in Bezug auf die negativste Stelle des Heizfadens. Hier ist also das Gitter positiv gegenüber dem Heizfaden. Die von der Heizbatterie gelieferte Vorspannung wird durch den Spannungsabfall am 2 MOhm Gitterwiderstand auf diesen Wert reduziert. Es fließt dort der größte Gitterstrom! Ebenfalls ist die Emission im rechten Teil des Systems maximal.

Anmerkung: Es mag nicht unerwähnt bleiben, dass der Einsatzpunkt des Gitterstromes sehr vom verwendeten Kathodenmaterial abhängig ist. Die Einzelheiten hierüber würden in diesem Rahmen zu weit führen.   

Eine Wanderung entlang des Heizfadens

Man stelle sich vor, wir könnten mit unserem Voltmeter 'in die Röhre steigen' und mal die Spannung in der Mitte des Fadens zum Gitter messen, dann sieht die Sache schon anders aus. An dieser(!) Stelle ist die Spannung des Heizfadens nun um 1,5 Volt in  positiver Richtung verschoben. Das bedeutet wiederum, dass für die Elektronen das Steuergitter hier plötzlich nicht mehr positiv, sondern ca. 0,7 Volt negativ(!) erscheint. Der Elektronenstrom geht zurück.

Stark reduziert ist der Elektronenstrom an der linken Seite des Heizfadens. Dort hat sich die Heizspannung nochmals um 1,5 Volt erhöht, was einer negativen Gitterspannung von 2.2 Volt an diesem(!) Punkt entspricht. Wir erkennen, dass die mit Gleichstrom -direkt geheizten- Röhren deutliche Nachteile haben.

Anmerkung: Das sind nur Annäherungswerte, weil ich hier absichtlich den Einfluss des Emissionstromes zum g2 und zur Anode weggelassen habe. Auch die Zick-Zack Lage des Fadens der DM 300(N) spielt keine große Rolle.

Wo sind die Beweise ?

Ich dachte mir: schön wär's, wenn man die sonderbare Elektronenverteilung irgendwie sichtbar machen könnte. Zufällig besitze ich eine direkt geheizte Miniaturröhre mit einem in die Länge gespannten Heizdraht. Das Besondere an dieser Indikator-Triode, Type DM 160 (von Philips, hat nichts mit der Fa. Radio-Record zu tun), ist die Anodenkonstruktion. Sie ist nicht als Metallzylinder, sondern als Drahtwendel ausgebildet. Diesen (von außen einsehbaren) Wendel hat man mit einer fluorisierenden Schicht überzogen, vergleichbar mit dem Leuchtschirm der Magischen Augen. Die aufprallenden Elektronen lassen ihn grün aufleuchten. Die Intensität ist von der Stromstärke abhängig. Um deutliche Fotos von dem nur 10 mm langen Leuchtwendel zu bekommen, habe ich die DM 160 kurzzeitig mit 20% überheizt. Die Anodenspannung betrug dabei 15 Volt.

Obenstehende Nahaufnahme zeigt deutlich die besprochene, ungleichmäßige Elektronenverteilung im System, obwohl hier ein Spannungsgefälle entlang des Fadens von nur 1,2 Volt realisierbar war. Bei 3 Volt Differenz sind die Unterschiede dann noch extremer.

 

Unsere Audionschaltung

Bisher wurde immer vom maximal erzielbaren Gitterstrom gesprochen. Das ist jedoch bei der Gittergleichrichtung der Audionschaltung nicht immer die optimale Arbeitspunkteinstellung! Es sollen ja nur die positiven Halbwellen der HF, Gitterstrom bewirken, während die negativen unberührt bleiben. Leider kann man die Sache nicht so Schwarz-Weiß sehen, weil der Gitterstrom einer gekrümmten Kennlinie folgt. Eine Einstellung zu weit im positiven Bereich würde keine gute Gleichrichtung ergeben, weil immer zu viel Gitterstrom fließt. Das führt obendrein zu einer noch stärkeren Bedämpfung des L-C Kreises. Andererseits, ist die Einstellung zu sehr negativ, erzielen die pos. Halbwellen eines schwachen Senders überhaupt keinen Richtstrom.

Bei den meisten (es gibt da Ausnahmen) Rundfunkgeräten hatte man -wie im RADIOMANN- keine Rücksicht darauf genommen und  einfach den Gitterableitwiderstand mit dem positiven Heizfadenende verbunden. Bei einigen früheren Radios sah man sehrwohl eine Justierung der Gittervorspannung mit einem Poti (z.B. 1 kOhm) parallel zum Heizfaden vor. Der Rg wird jetzt mit dem Schleifer verbunden. Ich habe das bei meinem Radiomann von vorneherein angebracht. Empfehlenswert!   

Der Versuch mit dem Schalter

Diese direkt geheizten Röhren kann man für einen kurzen Moment überlisten!

Dazu unterbrechen wir einfach das störende positive Heizfadenpotential mit Öffnen von Schalter S. Der Heizfaden braucht etwa ¼ Sekunde um abzukühlen. Aber in dieser Zeit werden (abklingend) immer noch Elektronen ausgesendet. Da nun kein störendes Spannungsgefälle mehr vorhanden ist, emitiert jetzt die gesamte(!) Fadenlänge! Der Elektronen-Indikator DM 160 leuchtet eben gleichmäßig auf; ein mA-Meter im Anodenstromkreis zeigt einen sprunghaften Anstieg.

 

Wir haben nichts zu verschenken !

Weil alle Röhrenversuche mit Spannungen von nur 12 bis 13,5 Volt aus Batterien versorgt werden, ist auf eine so effizient wie mögliche Ausnutzung dieser teuren Energiequelle zu achten. Daher ist jede, wenn auch kleine, Aufstockung der Anoden- , Schutzgitter- oder Raumladegitterspannung willkommen. Bei einer netzgespeisten Spannungsversorgung sind diese Überlegungen natürlich weniger wichtig.

Beispiel: der RADIOMANN mit der DM 300(N)

Unten links sehen wir die Spannungsverhältnisse der Originalschaltung. Ich bin von einer frischen Heizbatterie ausgegangen und -mit dem Abgriff in der Mitte des Heizvorwiderstandes- einer effektiven Fadenspannung von 3 Volt. Leider geht der 1,5 Volt Spannungsverlust an diesem Widerstand, auch der Spannung für die Anode und Schutzgitter verloren. Man sollte dafür sorgen, dass ein Fadenende so negativ wie möglich gegenüber der Anode und g2 ist! Das hat übrigens auch seine Gültigkeit für das Raumladegitter (g1) der RE 074d. 

Das Spannungsgefälle entlang des Heizfadens bei den direkt geheizten Doppelgitter-Röhren, kann man vorteilhaft zu einer kleinen Aufstockung der Betriebsspannungen nutzen! Bei den sowieso geringen Spannungen ist jedes zusätzliche Volt mitgenommen.

Woher kommt nun diese Zusatzspannung? Die Definition der Anoden-, Raumlade- oder Schirmgitterspannung bezieht sich normalerweise immer auf die Kathode. Nun ist hier der Heizfaden die Kathode, die - wie schon erklärt - ein unterschiedliches Potential besitzt. Das macht das Ganze etwas komplizierter.

In den folgenden Abbildungen habe ich versucht, die Einzelspannungen darzustellen. Mit einem Voltmeter kann man das selber nachvollziehen. Gezeigte Spannungsangaben sind in Volt.

Zunächst links, wie in der Originalschaltung mit der DM 300(N) aus den 50er Jahren. Der Minuspol der Heizbatterie ist mit dem Minuspol der Anodenbatterie verbunden. Dann ergibt sich ein Potentialunterschied von der Anode zum pos. Heizfadenende von 6,3 V und zum neg. Heizfadenende von 9,3 V. Wir mitteln das auf Ua = 7,8 V. Das Gleiche wiederholen wir für das Schirmgitter: zum pos. Ende 7,5 V, zum neg. Ende 10,5 V. Die gemittelte Ug2 = 9,0 V.

Nun polen wir die Heizbatterie um (rechte Schaltung).  Anm.: Der Gitterableitwiderstand muss jetzt auch wieder an das pos. Heizfadenende, um die gleichen Gittervorspannungsverhältnisse wieder herzustellen. Die Messungen zeigen die deutlich höheren Spannungswerte, weil die Heizspannung der Bertriebsspannung nicht mehr entgegenwirkt, sondern sich mehr oder weniger addiert! Die neuen Mittelwerte sind: für die Ua = 12,4 V und für die Ug2 = 15,0 V!

Was bringt uns das alles?

Es leuchtet ein, dass das einen günstigen Einfluss auf die Empfangseigenschaften haben muss. D.h., die HF-Empfindlichkeit nimmt zu, bzw. die NF-Lautstärke steigt an. Ich habe Vergleichsmessungen nach Versuch 74 (also ohne Rückkopplung, wegen der besseren Reproduzierbarkeit) gemacht.

  • Die Originalschaltung mit der DM 300(N): Iges = 0,65 mA. Ein ca. 24 mV (30% mod.) HF-Signal ergibt am Ra von 2,2 kOhm (Kopfhörernachbildung) eine NF-Spannung von 10 mV. Reduziert man die Ub auf 6 Volt (verbrauchte Batterien!), fällt die NF-Spannung auf 4 mV ab. (-60%)
  • Die (mit roten Drähten) geänderte Schaltung: Bei gleicher HF-Eingangsspannung erhält man eine NF-Ausgangsspannung von 13,2 mV (+ 32%). Die Belastung der Anodenbatterien ist um 1mA gestiegen. Viel wichtiger erscheint mir die Tatsache, dass bei einer Ub von 6 Volt, die NF-Spannung nur auf 7 mV zurückfällt (-30%).

Ja, wir können sogar die Anodenbatterien ganz weglassen (Anschlüsse miteinander verbinden) und haben dennoch (schwachen) Empfang! Eine Beweis der These: Die Heizspannung kann einen Teil der Betriebsspannung liefern.

Ich möchte noch mitteilen, dass ich auch auf den Gedanken kam, die RE 074d in der Schirmgitter- sowie die DM 300(N) in der Raumladegitterschaltung (also verkehrt herum) zu betreiben. Die Ergebnisse waren in beiden Fällen deutlich schlechter.

 

B. Der RADIOMANN mit der EF 98 (ab 1960)

Es ist eigentlich schade, dass die Heizbatterie nicht auch hier einen Beitrag zur Aufstockung der Betriebsspannung leistet. Diese Möglichkeit bietet sich deshalb an, weil der Heizfaden bei dieser Röhre vollkommen isoliert von der Kathode ist. Damit lässt sich schonmal wenigstens eine Flachbatterie einsparen!

Im Anleitungsheft wird das sogar erwähnt, aber wieder verworfen mit der Begründung, dass bei einer ungewollten Fehlschaltung, der Heizfaden durchbrennen könnte. Das ist für die dünnen (0,08 A) Fäden der Doppelgitterröhren sicherlich zutreffend und die Gefahr ist dort selbst noch größer, weil dann der Faden die dreifache(!) Spannung abbekommt. Im Gegensatz dazu, werden indirekt geheizte Röhren -wie die EF 98- eine Überheizung mit doppelter Spannung für kurze Zeit nicht übelnehmen.

Was ist nun mit 'kurze Zeit' genau gemeint? Daraufhin habe ich eine sowieso schwache EF 80, welche die gleichen Heizdaten wie die EF 98 hat, mit 13 V~ überheizt. Resultat: nach 10 Minuten(!) habe ich den Versuch abgebrochen, der Heizfaden war immer noch nicht durchgebrannt.  

Eine Sparschaltung, diesesmal mit nur einer(!) Spannungsquelle.

Wer, aus welchen Gründen auch immer, nur 4,5...6,3 Volt zur Verfügung hat, kann untenstehende Schaltung mit der EF 98 ausprobieren. Die Heizbatterie (oder eine andere Gleichspannungsquelle) ist jetzt auch Lieferant der Schirmgitter- und Anodenspannung. Der Außenwiderstand von 2,2 kOhm (oder der Kopfhörer) ist optimal für die Versorgung mit 4,5 Volt Gleichspannung. Durch die nun sehr niedrigen Elektrodenspannungen, ist in dieser Anwendung keine(!) Reduzierung der g2 Spannung erforderlich. Erhöhen wir jedoch auf 6,3 Volt, steigt wieder der Ig2 zu stark an, was mit einem Lautstärkeverlust einhergeht. Abhilfe: den Ra auf 1,8 kOhm veringern. Dieser erhöht etwas die Ua und damit geht der Ig2 zurück. Andere Möglichkeit: vor g2 einen Widerstand von 3,3 kOhm einfügen und g2 mit einem Kondensator 0,47 µF nach Kathode entkoppeln.

Wollen wir den Faden noch weiter spinnen, kann sogar der nachgeschaltete Transistorverstärker aus Versuch 112, mit der gleichen Heizbatterie betrieben werden.

Fazit: Wo vorher 5(!) Flachbatterien vorgeschlagen wurden, lässt sich das Ganze jetzt mit nur EINER 4,5 Volt-Batterie verwirklichen. Und das Wichtigste: alles ohne zusätzlichen Aufwand, oder Anpassungen, die RADIOMANN-fremd wären. Sogar die Empfangsleistung hat nicht gelitten!

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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Ein faszinierender Artikel 
06.Apr.04 14:14

Hans Kamann (D)
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Hans Kamann

Hallo Herr Holtmann,

beim Lesen dieses Artikels kam in mir gleich der Wunsch auf, den vor ca. 30 Jahren einmal erfolgreich durchgeführten Aufbau zu wiederholen. Leider existiert mein Radiomann heute nicht mehr, können Sie die Daten der Spulen mitteilen. Es geht mir hier um den "neueren" Radiomann.

Gruss

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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Spulendaten, Kästen ab 1960 
06.Apr.04 16:03

Wolfgang Holtmann (NL)
Moderator
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Wolfgang Holtmann

Sehr geehrter Herr Kamann

Freut mich sehr, wenn ich doch noch "Radiomänner" zum Experimentieren anregen kann.

Die linke Spule hat 60 Windungen 0,25mm Cu Draht (umsponnen) und ~ 70µH. Abmessungen: 69 x 27.

Die rechte hat 66 und 34 Windungen 0,25mm CuL Draht und Lges ~ 210µH. Abmessungen: 61 x 33.

Sollten noch Fragen sein, will ich gerne probieren, diese zu beantworten.

Viel Spaß!

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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