Bestimmung von Kondensator-Güte bzw. Verlustfaktor

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ID: 342911
? Bestimmung von Kondensator-Güte bzw. Verlustfaktor 
04.Mar.14 11:38
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Hans-Werner Ellerbrock (D)
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Herr Scheida hat vor Kurzem angefragt, wie man die Güte eines Folienkondensators bestimmen kann.

Ich kann diesen Thread z.Zt. nicht wiederfinden.

Am schnellsten und einfachsten geht es wohl mit einer RCL-Messbrücke, die auch eine Q-Messung zulässt. Wenn nicht vorhanden, kann man auch aus gegebenen Werten errechnen.

Die Güte bestimmt sich rechnerisch aus dem Quotienten von Realwiderstand und Blindwiderstand.Vor dem Errechnen des Blindwiderstandes sollte vorab die tatsächliche Kapazität des C mit einem Messgerät gemessen werden. Danach kann dann Xc berechnet werden, z.B. bei 1KHz, wie Herr Scheida es vorschlug.

Misst man nun den Widerstand des Dielektrikums mit einem Multimeter, zeigt dieses ständig zunehmende Werte an. Der Ladevorgang verändert das Messergebnis.Selbst für alte Teerkondensatoren wird bald ein Wert von 2 GOhm angezeigt.

Nun meine Frage an Mitglieder mit Erfahrung in dieser Sache; "Welchen Weg schlagen Sie vor?"

Ich bin gespannt.

Danke für die Mithilfe.

Gruß von HWE

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Bestimmung von Kondensator-Güte bzw. Verlustfaktor  
04.Mar.14 12:07
22 from 16562

Wolfgang Scheida (A)
Redakteur
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Schering-Brücke 
08.Mar.14 00:39
249 from 16562
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Jochen Bauer (D)
Redakteur
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Jochen Bauer

Die Modellierung eines realen, verlustbehafteten Kondensators erfolgt üblicherweise nach folgender Ersatzschaltung:


Hier wird einem idealen Kondensator C ein Serienverlustwiderstand RS vorgeschaltet, der die Verluste im Dielektrikum durch Umpolarisierung mit der angelegten Wechselspannung beschreibt. Zusätzlich wird dem sehr großen, aber dennoch endlichen Isolationswiderstand des Kondensators durch einen parallel geschalteten Isolationswiderstand Risolation Rechnung getragen. Die Umpolarisierungsverluste im Dielektrikum sind in den allermeisten Fällen wesentlich höher als die Verluste durch den Leckstrom. Daher kann, zumindest was den Gütefaktor bzw. den Verlustwinkel angeht, der Isolationswiderstand als unendlich hoch angenommen werden.

Der Zusammenhang zwischen dem Serienverlustwiderstand RS, dem Gütefaktor Q und dem Verlustwinkel  eines Kondensators mit Kapazität C ist bei gegebener Wechselstromkreisfrequenz:

Die Bedeutung des Verlustwinkels ist dabei folgende: Bei einem idealen, verlustfreien Kondensator ist der Strom genau um 90° gegenüber der Spannung verschoben. Der Verlustwinkel eines realen Kondensators gibt die Abweichung dieser Phasenverschiebung von den idealen 90° an. Achtung: Der Verlustwinkel wird in den allermeisten Fällen im Bogenmaß und nicht im Gradmaß angegeben.

Kondensatoren haben gegenüber Spulen einen meist deutlich höheren Gütefaktor. Q=1000 und darüber sind nicht ungewöhnlich. Der Verlustwinkel ist daher meistens so klein, dass er nicht mehr direkt z.B. mittels Lissajous Figuren am Oszilloskop gemessen werden kann. Vielmehr muss hier auf Brückenschaltungen des zu messenden Kondensators mit Widerständen und Kondensatoren mit bekannten Werten zurückgegriffen werden. Eine in diesem Zusammenhang viel verwendete Brücke ist die sogenannte Schering-Brücke, die in der folgenden Abbildung skizziert ist.


Die Brücke wird an den Punkten a und b von einem HF-Wechselspannungsgenerator gespeist,
in der Diagonale befindet sich ein HF-Volt- oder Amperemeter. Bei der Verwendung eines
Oszilloskopes in der Diagonale ist Vorsicht geboten: Meistens ist der Masseanschluss des
Oszilloskopes mit dem Schutzleiter des Stromnetzes verbunden. Bei dem HF-Generator ist dies meistens auch der Fall, so dass hier ein Teil der Brücke kurzgeschlossen wird! Abhilfe schafft hier ein batteriebetriebenes HF-Multimeter anstelle eines Oszilloskopes in der Diagonale.

Der zu messende verlustbehaftete Kondensator ist C+RS, R1 ist ein austauschbarer fester
Widerstand, C1 ist ein austauschbarer, weitgehend verlustfreier Luftkondensator, CV ist
ein ebenfalls weitgehend verlustfreier Luftdrehkondensator und RV ist ein variabler
Widerstand. Die Brückendiagonale ist dann spannungs bzw. stromfrei wenn gilt:

D.h. nach Abgleich der Brücke durch geeignete Wahl bzw. Einstellung der anderen Brückenglieder kann die Kapazität C und der Serienverlustwiderstand RS (bzw. Gütefaktor oder Verlustwinkel) des zu messenden Kondensators direkt aus den obigen Formeln berechnet werden.

Das große Problem hierbei ist, dass der Gütefaktor von Kondensatoren eben sehr hoch sein kann, d.h. RS kann problemlos im Milliohm Bereich liegen. Um zu verhindern, dass deswegen R1 ebenfalls problematisch klein gemacht werden muss, sollte C1 einige Größenordnungen über CV liegen. Beide, CV und C1 müssen aber verlustarme Luftkondensatoren sein. D.h. es wird neben einem Standard Luftdrehkondensator CV auch ein Luftkondensator C1 mit sehr großer Kapazität benötigt.

Es gibt auch noch andere Methoden, den Gütefaktor von Kondensatoren zu messen. Diese beruhen meistens auf einem Test des Kondensators mit Nadel oder Rechteckimpulsen. Dazu werden aber entsprechende Signalgeneratoren mit sehr geringer Anstiegszeit benötigt.

Vielleicht lassen sich ja mit der Schering-Brücke im Hobby-Labor zumindest bei Kondensatoren mit höheren Verlusten brauchbare Ergebnisse erzielen.

 

Gruß Jochen Bauer

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Bestimmung der Kondensator-Güte 
17.Mar.14 10:05
485 from 16562

Hans-Werner Ellerbrock (D)
Redakteur
Beiträge: 649
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Bestimmung der Kondensator-Güte rechnerisch mit Isolations-Daten aus einem Hersteller-Datenblatt.

Der Hersteller WIMA gibt z.B. in seinen Datenblättern für MKS-Kondensatoren  für einen MKS4 mit Un>250V=   Isolationswiderstände von 3 bis 5 * 10exp4 ......1*10exp5 MΩ an.

Daraus resultieren für eine Kapazität von 22nF pro KHz Gütewerte von

G=3*10exp4 MΩ / 1 / 2*Pi*1KHz*22nF = 30GΩ / 7234Ω  ≈ 4* 10exp6 .

Also eine Güte mit dem Wert 4 Millionen. Ausgangspunkt war der niedrigste angegebene Isolationswiderstand in den Datenblättern.

 

Resultat dieser Betrachtung:

1.) Für höhere Ansprüche stets Neu-Kondensatoren verwenden.

2.) Die Güte beim Kondensator steigt mit zunehmender Betriebsfrequenz, weil der Wechselstrom-Widerstand im Verhältnis zum Isolationswiderstand sinkt..

3.) Hoher Isolationswiderstand der Kondensatoren besonders bei hohen Betriebsspannungen wichtig.

 

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Kondensator-Güte aus dem Datenblatt 
29.Mar.14 20:31
706 from 16562

Jochen Bauer (D)
Redakteur
Beiträge: 126
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Jochen Bauer

Der durch den Isolationswiderstand eines Kondensators gegebene Leckstrom trägt, wie bereits in Post #3 bemerkt, nur sehr wenig zum Gesamtverlust bei. Die Verluste entstehen hauptsächlich durch die Umpolarisierung des Dielektrikums bei Wechselspannung. Die Q-Werte, die nur unter Berücksichtigung des Isolationswiderstandes bzw. Leckstrom berechnet werden sind daher viel zu hoch.

In dem im obigen Post referenzierten Datenblatt für die WIMA MKS4 Serie ist neben dem Isolationswiderstand ja auch direkt der Gütefaktor bei verschiedenen Frequenzen angegeben. Und zwar in der zweiten Tabelle direkt unter der Tabelle für den Isolationswiderstand (Dissipation factors at +20°C: tan delta). Die dort angegebenen Werte sind der Tangens des Verlustwinkels und damit, wie in Post #3 erläutert, der Kehrwert des Gütefaktors Q.

Z.B. ist für die Kondensatoren dieser Serie mit Kapazitätswerten kleiner als 0.1uF bei einer Frequenz von 1kHz ein tan delta von kleiner oder gleich 8*10exp-3 angegeben, d.h. der Gütefaktor Q ist größer oder gleich 125.

 

Gruß Jochen Bauer

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