Ein Verbesserungsvorschlag von 1931 nachgebaut

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Ein Verbesserungsvorschlag von 1931 nachgebaut 
11.Apr.19 19:28
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Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

Herr Jens Romeikat machte mich auf einen Artikel im Heft 7 der Funkschau von 1931 aufmerksam.

Der Titel lautet:
„ Noch bessere Audione! Vom klangreinen Empfang der neuen Grossender „

Das ist eine interessante Sache und lässt den Radiobastler aufhorchen. Was steckt dahinter?

Der Autor C. Hertweck bemängelt die Neigung zum Bumsen und Zischen bei vielen Empfängern und schlägt zur Abhilfe eine „neue“ Art des Empfangsgleichrichters vor, die u.a. eine bessere Höhenwiedergabe zum Ziel hat.

In der Anfangszeit wurde in der Regel Gittergleichrichtung, mit oder ohne Rückkopplung, zur Demodulation verwendet, was auch heute noch ein Optimum an Empfindlichkeit (unter Berücksichtigung der Tennschärfe) darstellt.

Hertweck erklärt, dass so eine Audionschaltung (=Gittergleichrichter) leicht in einen Anodengleichrichter (=Richtverstärker) zu verwandeln ist, indem einfach die RC-Kombination am Gitter entfernt und eine kleine(!) neg. Vorspannung eingefügt wird. Wichtig ist auch der rel. hohe Außenwiderstand der bei einer Ub von 100V bis zu 1 MOhm betragen kann.

Auch wenn der Autor meint ein neues Empfangsprinzip gefunden zu haben, Tatsache ist, dass schon Mitte der 20er Jahre das im Loewe Ortsempfänger OE333 mit der 3NF verwirklicht wurde. Man lobte den reinen Empfang, wobei man wohl bedenken muss, dass damals die Sender nur um die 30% moduliert wurden!

Das ist heutzutage gänzlich anders, wie jedermann weiß... Vor etwa 15 Jahren wurden zwei SABA Radios von mir repariert, der S35W und der 520WL. Beide benutzen die Anodengleichrichterschaltung zur Demodulation. In jener Zeit gab es noch genügend MW-Sender, die auch tagsüber gut zu empfangen waren. Es waren hauptsächlich Stationen mit fortlaufender Pop-Musik, voll durch moduliert! An der Antenne angeschlossen waren die beiden SABAs plötzlich ganz schlechte Empfänger, mit deutlich verzerrter Wiedergabe! Das kann nicht wahr sein, dachte ich mir und speiste zur Kontrolle ein mit ca. 50% moduliertes Prüfsendersignal ein. Alles wieder gut, so wie es sich gehört. Muss ich noch mehr sagen?

Zur Schaltung selbst:

Wie bereits erwähnt, es ist ein Anodengleichrichter. Zunächst verwunderlich ist die Aussage, dass der Arbeitspunkt genau in der Mitte der Kennlinie liegt, dafür sorgt eine 1,5V Zelle. In vielen Bücher wird aber von einer Einstellung in der Nähe des unteren Knicks der Ia/Ug Kennlinie geschrieben, was logischer erscheint. Denn eine Austeuerung im geradlinigen Bereich, würde an der Anode verstärkt und um 180° gedreht, ein Ebenbild der Signalspannung zeigen, also ohne NF.

Was schreiben die Fachautoren dazu?
Die Bücher von Barkhausen (Elektronen-Röhren, 4.Band) und Kammerloher (Hochfrequenztechnik, Teil III) habe ich im Regal stehen, sind aber für mich zu wissenschaftlich, mit vielen Formeln versehen. Leichter macht es uns Dr. Ing. F. Bergtold in seinem „Röhrenbuch für Rundfunk- und Verstärkertechnik“ von 1936. Ab Seite 142 findet man illustrierte Auseinandersetzungen, ganz ohne Formeln. Ich erlaube mir einige Hauptpunkte zum Thema Anodengleichrichtung zu zitieren:

„ Eine eigentliche Gleichrichtung findet nicht statt. Es kommt nur eine Bevorzugung der einen bzw. eine Benachteiligung der anderen Gitterspannungshälfte zustande.“
Im englischen Sprachraum wird das treffend mit „Anode Bend Detection“ formuliert. Die Kennlinien sind also genau genommen immer etwas gekrümmt!

Weiterhin:
„Eine im Vergleich zur gleichzurichtenden Spannung schwache Krümmung ist für die „Gleichrichtung“ ungünstig. Die (gewollte) Verzerrung und damit die Mittelwertschwankungen fallen gering aus.“
„Bei Verwendung eines Hochohmwiderstandes im Anodenzweig oder bei sehr kleiner Anodenspannung kann die negative Gittervorspannung für Batterieröhren weggelassen werden...“
Nicht zu vergessen, hier spielt der Spannungsfall entlang des Fadens auch eine Rolle!

Für die experimentellen Untersuchungen
verwende ich -wie auch bei Hertweck- die direkt geheizte Triode RE 034. Die Auskopplung der NF an der Anode geschieht über eine Serienschaltung von einem Kondensator plus Widerstand die dann zur Primärwicklung des NF Trafos leitet.

Hier kommen wir dem ersten Stolperstein entgegen: die Primärwicklung eines 1:4 Trafos hat meist eine zu niedrige Induktivität (um die 10H), um eine unverzerrte Übertragung der tiefen Töne (< 500Hz) zu gewährleisten, also eine Fehlanpassung. Im Artikel wird das in einer Fußnote schon erwähnt. Leider zeigt auch ein 1:2 Trafo (Lprim 15H) keine Verbesserung! Nur bei Sparlösungen (siehe VE301W) ist das akzeptabel, schon wegen der vierfachen -gratis- Spannungsüberhöhung.

Herr Romeikat war so nett und hat die Folgehefte der Funkschau nach Leserreaktionen zum Artikel durchsucht und auch gefunden. Schon damals hatten die Nachbauer Probleme mit der ursprünglichen NF-Auskopplung über den Trafo. Als Ausweg schlägt man vor, die Sekundärwicklung (mit viel mehr Induktivität) als NF-Drossel zu benutzen. Ich gehe mal davon aus, dass die Industrie spezielle NF-Trafos liefern konnte. Aber waren die für den gewöhnlichen Bastler greifbar ? Nach den Leserreaktionen zu urteilen nicht.....

Die Testergebnisse
Zur Verdeutlichung: Für die Beurteilung von Verzerrungen mache ich von einem „visuellen“ Verfahren gebrauch. Das hat den Vorteil, Fehler im Testgenerator, wie Unlinearitäten in der Modulation, sind zu vernachlässigen...

Durch die gleichzeitige(!) Darstellung von diesem Eingangssignal und der gewonnenen NF am Ausgang genügt nur ein Vergleich, ob die NF tatsächlich der Hüllkurve entspricht...
Einen Nachteil dieser Methode will ich nicht verschweigen, es lässt sich keine zahlenmäßige Aussage des Klirrgrades machen. Meine Erfahrung ist, wenn das visuell in Übereinstimmung ist, dann ist auch das Gehör zufrieden, salopp ausgedrückt.

Es folgen zwei Oszillogramme, die das Verhalten von Hertwecks Schaltungsvorschlag zeigen. Es wird einmal mit 800 Hz und mit 200 Hz moduliert. Der Modulationsgrad ist jeweils ca. 60%. Wir erkennen, dass bei 200 Hz starke Verzerrungen auftreten, die -wie schon erwähnt- im NF-Trafo zu suchen sind.

Verbesserungsvorschlag verbessert
Wenn schon von „klangreiner“ Wiedergabe die Rede ist, dann wäre der erste Schritt, auf den Trafo ganz zu verzichten! Das ist umsomehr wahr, wenn man einen getrennten NF-Verstärker mit gutem Lautsprecher nachschaltet. Das richtige Verhältnis zwischen den Höhen und Tiefen lässt sich dann bequem inviduell einregeln.

Im Grunde genommen ist das die Anordnung, wie sie in vielen Geradeausempfängern Anfang der 30er Jahre verwirklicht wurde, dann jedoch mit indirekt geheizten Tetroden bzw. Pentoden.

Um den Unterschied hervorzuheben, zeige ich nochmal die Bildschirmaufnahmen, jetzt aber ohne Trafo!

Zusammenfassend
Ich komme nochmal auf Hertwecks Zielsetzung zurück, mit der Anpassung wird in erster Linie eine Verbesserung der Wiedergabe angestrebt. Mit anderen Worten, der infrage kommende NF-Frequenzbereich sollte möglichst gleichmäßig wiedergegeben werden. Das ist mit den gängigen Trafos schwer zu realisieren. Das Audiogramm macht das deutlich.

Ich möchte zum Schluss noch darauf hinweisen, dass der Vorschlag, eine bestehende Audionschaltung (Gittergleichrichter mit 1:4 Trafo im Anodenzweig) in einen Anodengleichrichter zu ändern, mit einem Lautstärkerückgang von etwas mehr als 20 dB verbunden ist!

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.