Entstörkondensatoren, welche Spezifikationen erforderlich?

ID: 24162
Entstörkondensatoren, welche Spezifikationen erforderlich? 
16.Apr.04 10:43
0

Herbert Odermatt † 26.Nov.05 (CH)
Beiträge: 100
Anzahl Danke: 8
Herbert Odermatt † 26.Nov.05

Hallo Experten und Radiofreunde

Häufig wurden in Röhren-Radios direkt am Netzeingang, also vor der Sicherung und Netzschalter, "Entstörkondensatoren" mit recht guter Wirkung eingebaut. Bei dem DESO Typ Oslo 208 z.B. (zu finden unter Modell) findet sich über dem Netzanschluss je ein C von 5 nF gegen Masse.

Im Zusammenhang mit dem Ersatz dieser C's (wegen ev. Überalterung, Kapazitätsverlust, usw.) stellen sich mir Fragen der allgem. Sicherheit resp. Vorschriften, die sicher beachtet werden müssen.

Gerne möchte ich darum die Fachexperten folgendes fragen:

-          Welche Vorschriften bestehen heute seitens der Elektrotechnischen Vereine wie VDE, SEV, N, D, usw. für diese Art von Entstörung?

-          Müssen diese Kondensatoren speziell mit obigen Angaben (Kurz-Zeichen resp. Logo von VDE, SEV, usw.) gekennzeichnet sein?

-          Welche technischen Spezifikationen sind erforderlich (Angaben über Prüfspannung, Betriebsspannung)

-          Wer ist Lieferant resp. Hersteller

PS: Weil es hier um Sicherheit geht, schreibe ich absichtlich (noch) nicht in einem öffentlichen Ordner, da meiner Meinung nach erst mal diese Fragen eindeutig von Fachexperten beantwortet sein sollten.

Herzlich grüsst, H. Odermatt

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 2
Enstörkondensatoren 
16.Apr.04 12:44

Peter von Bechen † 15.7.19 (D)
Beiträge: 320
Anzahl Danke: 8
Peter von Bechen † 15.7.19

Hallo Herr Odermatt,

in der Tat sollten die Kondensatoren, die direkt am Netz liegen (noch vor dem Netztrafo) besondee Eigenschaften aufweisen. In den Netzen können Störimpulse mit hohem Energiegehalt auftreten. Heute mehr als früher. Schließlich haben wir der Technologienetwicklung einiges zu verdanken, das die Stromnetzte mit allerlei Störimpulsen verseucht, wie z. B. Phasenanschnittsteuerungen und jede Menge geschaltete Induktivitäten. Von Aufzügen in Wohnhäusern oder Straßenbahnen mit Thyristorumrichtern, die am Haus vorbeifahren, ganz zu schweigen.

Die Kondensatoren zur Entstörung sollten der Klasse X2 entsprechen, d.h. schwer entflammbar sein, sich selbst regeneiren können (d.h. ihre Durchschlagstellen selbst isolieren) und dämpfungsfrei sein (niedrige Eigeninduktivität). Außerdem sollten sie natürlich entsprechend spannungsfest sein. Für das 230-V-Netz sollte der zulässige Wechselspannungswert midestens 630 V betragen.

In der Regel nimmt man zu diesem Zweck Metallpapierkondensatoren, die kunstoffvergossen sind. Die haben Selbsheilungskräfte. Bei Durchschlag brennt der Kurzschuss praktisch weg.

Solche Kondensatoren gibt es mit VDE und SEV-Prüfzeichen (außerdem oft noch UL)

Wenn man ein Radio perfekt vor Störungen aus dem Netz schützen will, nimmt man am besten ein komplettes Filtermodul, der aus Längsinduktivitäten und Querkapazitäten besteht. Die gibts fertig für etwa 5...6 Euro. Sehen allerdings nicht besonders antik aus. Dem echten Radiofan wird das nicht gefallen....

Gruß

Peter von Bechen

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 3
X- und Y-Kondensatoren 
16.Apr.04 15:10

Andreas Steinmetz (D)
Redakteur
Beiträge: 730
Anzahl Danke: 9

Liebe Kollegen,

ohne nun die Vorschriften genau durchgearbeitet zu haben, zumal sie mir momentan nicht zugänglich sind, meine ich mich doch daran zu erinnern, daß es Kondensatoren für zweierlei Anwendungsfälle gibt:

X- oder X2-Typ: eher hochkapazitiv, liegt i.a. zwischen zwei Netzleitern

Y- oder Y2-Typ: eher niedrigkapazitiv, liegt i.a. zwischen einem Netzleiter und dem Gehäuse bzw. Chassis.

Der Y- oder Y2-Typ dürfte für uns Radiorestaurateure wohl der am meisten einzusetzende Typ sein, denn wegen der Berührbarkeit der angeschlossenen Metallteile muß er besonders sicher sein und darf auch keine zu große Kapazität haben, da sonst schon der kapazitive Blindstrom beim Berühren zu unangenehmen, aber noch unschädlichen elektrischen Schlägen führt ("Kribbeln").

M.E. ist der Einsatz von X- oder X2-Typen hier nicht zulaessig, denn im Falle eines Kurzschlusses legt der Kondensator die Netzspannung an das Chassis, brennt aber nicht frei, weil kein geschlossener Stromkreis zustandekommt. Aus diesem Grunde sind die Anforderungen an Y-Kondensatoren noch deutlich hoeher, denn bei denen darf es natürlich erst gar nicht zum Selbstheilungsprozess kommen. Ein parallel zum Netz liegender X-Kondensator verursacht durch den Selbstheilungsprozeß keinen Schaden, solange er sich nicht nennenswert erhitzt oder einen Dauerkurzschluß erzeugt.

Bitte korrigieren Sie mich, falls ich Unrecht habe, denn es geht bei diesem wichtigen Thema um unsere Sicherheit und auch um die anderer Personen.

 

Andreas Steinmetz

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 4
Wirkung von Entstörkondensatoren 
16.Apr.04 21:25

Rüdiger Walz (D)
Ratsmitglied
Beiträge: 743
Anzahl Danke: 9
Rüdiger Walz

Ich persönlich habe noch keine Wirkung der Entstörkondsatoren feststellen können. In vielen Fällen, in denen sie defekt sind, isoliere ich sie einseitig und belasse die Originale im Gerät. Später in den 50ern gab es sie in den Radios oft nicht mehr.

Studiert man die Literatur der 30er, findet man viele Hinweise auf Störquellen wie Straßenbahnen oder Kleinmotore und Heilgeräte im Haushalt. Aber selbst der berüchtigte Haarföhn hat heute kaum noch Störwirkung auf Mittelwelle.

Einzig die Spartrafos der Halogenbeleuchtung und Neonlampen direkt in meinem Sammlungsraum verursachten Störungen, die aber beim Einsatz von normalen Netztrafos im Falle der Halogenlampen verschwanden. Die Entstörkondensatoren in den Radios halfen da auch nicht.

Die meisten Störungen kommen meiner Ansicht über den Antenneneingang.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 5
Entstörkondensatoren sind Sicherheits-BE 
17.Apr.04 01:09

Mario Tieke (D)
Beiträge: 185
Anzahl Danke: 14
Mario Tieke

Zur Verwendung der Entstörkondensatoren sollte man sich mal den Link durchlesen: http://www.wima.com/wimamp3.pdf .

In neueren Schaltplänen sind bestimmte Bauelemente als Sicherheits-Bauelemente entsprechend gekennzeichnet und nur durch entsprechend geprüfte Bauelemente zu ersetzen. Darunter sind Entstörkondensatoren und Kombinationen von diesen Kondensatoren mit entsprechenden Drosseln (Störschutz- oder Netzfilter), die die Funktion haben Spannungsspitzen (Nadelimpulse) zu reduzieren. Empfänger sind dadurch nur Netzseitig geschützt. Die im Empfänger wiedergegebenen Störungen werden über den Antenneneingang empfangen und können nur durch eine geignete Antenne mit geschirmter Leitung reduziert werden. Die Verwendung einer Netzantenne ist für ein Störungsarmen Rundfunkempfang völlig ungeeignet.

Die elektronischen Trafos (fälschlich in Post 4 als Spartrafo bezeichnet - sparen nur am Volumen und Gewicht haben aber eine vollständige Netztrennung) für Niedervolthalogenlampen sind die besten Störsender für den AM-Empfang. Die Störungen gehen hauptsächlich auf der Niedervoltseite in die Umwelt da dort kein Filter eingebaut ist.

Nach erfolgter Reparatur eines Gerätes sollte eine Überprüfung auf Einhaltung der Sicherheitsvorschriften erfolgen. Einen Überblick gibt es hier: http://www.mb-kometec.de/shopmbk/shop/pdf/vdevorschriften.pdf .

Gruß Mario

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 6
Forum und Expertenforum 
17.Apr.04 07:29

Ernst Erb (CH)
Ratsmitglied
Beiträge: 5742
Anzahl Danke: 10
Ernst Erb

Herbert Odermatt hat eine wichtige Frage aufgeworfen, die auch immer wieder beschäftigt. Man kann sie eigentlich auf zwei Fragen erweitern: Wo kommen «Radiostörungen» her (Netz, Antenne, direkte Einstrahlung, Verursachung im Apparat) und wie kann man sie vermeiden. Wir haben nun seine direkte Frage gut behandelt, denke ich, und Eilert kann diesen Thread nun in den öffentlichen Teil setzen.

Herbert Odermatt hat im "Sofa" aus folgenden Gründen gepostet - Zitat:
«PS: Weil es hier um Sicherheit geht, schreibe ich absichtlich (noch) nicht in einem öffentlichen Ordner, da meiner Meinung nach erst mal diese Fragen eindeutig von Fachexperten beantwortet sein sollten.PS: Weil es hier um Sicherheit geht, schreibe ich absichtlich (noch) nicht in einem öffentlichen Ordner, da meiner Meinung nach erst mal diese Fragen eindeutig von Fachexperten beantwortet sein sollten.»

Ich verstehe die Vorsicht, weil auch in gewissen Boards (Foren) alle antworten können. Sonst müsste man eher das Gegenteil schreiben: «Im entsprechenden Fachboard ist ein solches Thema besser aufgehoben, da die Redakteure gewählt wurden, damit kein Stuss (mehr) zu einem so wichtigen Thema erscheint.» Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass wir seit ein paar Monaten kein Problem mit zweifelhaften Antworten mehr hatten. Viele Mitglieder (und ich) sind sehr erfreut über diese Tatsache, und ich danke hier den Redakteuren, die sich nur dann meldeten, wenn sie auch etwas Gültiges zu erklären hatten. Nun wäre es schön, wenn jemand Themen zu den weiteren Störursachen und deren Vermeidung / Unterdrückung bringen würde. Die direkte Einstrahlung spielt z.B. bei Apparaten der frühen 20er Jahre (Audion) eine Rolle.

Vor einigen Jahren baute ich ein EFH und verwendete da eine Einrichtung für Niedervoltlampen mit Dimmung über Kapazitäten (Stromsteuerung) statt Trafo und Reihenschaltung der Lampen. Statt dass die Lampen beim Einschalten einen Schlag erhalten, sieht man förmlich, wie sie beim Einschalten verzögert immer eine grössere Spannung erhalten. Welche Schonung! Vor allem gibt diese Lösung keine Störungen für Radio und Mensch. Der grosse Nachteil: Schalter müssten vor zu grosser Belastung (Funkenstrecke) geschützt sein, Elektriker haben aber keine Erfahrung damit. Es gibt zudem auf dem Markt eine Einrichtung über jedes Lämpchen, das es bei Ausfall (bis jetzt nicht passiert) überbrückt, also nicht «Licht aus». Ich frage mich ab wann man eine solche Einrichtung vernünftig mit LEDs realisieren kann.  

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 7
Sicherheit, Bauteile und Vorschriften. 
17.Apr.04 07:41

Hans M. Knoll (D)
Redakteur
Beiträge: 2163
Anzahl Danke: 6
Hans M. Knoll

Hallo Herr Tieke,

das sind zwei sehr wertvolle und qualifizierte Hinweise die Sie da einbrachten.

Daraus kann man ersehen was heute zu tun ist, bzw, welche Anforderrungen muessen  erfuellt werden. Die Daten des VDE-Verlages (Beuth) kann sich ja niemand leisten.

Ich kann nur jedem raten, sich damit auseinander zu setzen.

Von Bedeutung fuer die hier aufgeworfene Frage des H. Odermatt, ist der Typ MP3-Y2 Katalogseite 73.  Dabei ist zu beachten, dass wegen des Beruehrungsstromes <Apparat-Mensch> maximal 4700pf bei 230 Volt ~ Netzspannung eingebaut werden duerfen.  In méinem frueheren Job, habe ich stets nur 3300pf eingebaut, weil die C- toleranz auch beachtet sein will.

An anderer Stelle, (Allstroemer, und Wechselstroemer ohne Netztrennung) lief da ja schon eine lange Diskussion. 

Es sind ja nicht nur die Teile in der Netzzuleitung, auch die C's  in der Antenne , Erde usw. sind ja die gefaehrlichen Anschlustellen. Auch die Kondensatoren die oeffters paralell zum Netzschalter liegen, muessen nach VDE sein. (Das Geraet kann sich sonst von alleine  einschalten)  Dieser Hinweis  ist deshalb angebracht, weil ja nicht nur Oldtimerfreaks das lesen koennen.

Hier sieht man auch die von Herrn Tieke erwaehnten Sicherheits- (Kenn)Zeichen  [(!)]

Gut wenn da einer ist, der noch  vorne steht wo gemessen wird!

Danke,  von Hans M. Knoll

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 8
Entstörkondensatoren 
17.Apr.04 15:35

Herbert Odermatt † 26.Nov.05 (CH)
Beiträge: 100
Anzahl Danke: 26
Herbert Odermatt † 26.Nov.05

Hallo Experten und Radiofreunde

Anscheinend war (ist) dieses Thema von allgem. Interesse. Es freut mich sehr, dass so viele  kompetente Antworten, Skizzen und wichtige Links im Dienste unserer Sicherheit erfolgt sind. Gilt es doch in jedem Fall Elektro-Unfälle und deren Folgen zu vermeiden. Die Umsetzung dieser Erkenntnisse ist lebenswichtig, denn Unfälle sollen und dürfen nicht sein!

Den beteiligten Redaktoren danke ich herzlich für die wertvollen Beiträge und das Engagement!

H.Odermatt

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.