Für den jungen Techniker: Die Fernsehnorm

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ID: 310923
Für den jungen Techniker: Die Fernsehnorm 
05.Feb.13 18:25
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Pius Steiner (CH)
Redakteur
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Für den jungen Techniker

Folge 3

 

Die Fernsehnorm

Bekanntlich sind die Vorgänge bei der Übertragung von Fernsehsendungen bedeutend komplizierter als bei Rundfunkübertragungen. Es gilt aber, den Austausch der Programme zwischen den landeseigenen Rundfunkanstalten sowie den zwischenstaatlichen Programmaustausch mit möglichst vielen Nachbarländern ohne sonderliche Schwierigkeiten durchzuführen. Dies ist besonders für die Grenzbewohner wichtig, die dadurch die Möglichkeit haben, sowohl das Programm des eigenen als auch das des Nachbarlandes zu empfangen. Voraussetzung dafür ist ein internationales Fernsehsystem.



Die in Europa gebräuchliche Fernsehnorm wurde 1950 in Genf auf einer Tagung des

«Comité Consultatif Internationale des Radiocommunications«,

abgekürzt CCIR, festgelegt. Von den seinerzeit vertretenen europäischen Ländern stimmten Dänemark, Italien, die Niederlande, Schweden und die Schweiz (Belgien zum Teil) für diese Norm, wogegen England und Frankreich auf ihren eigenen Normen beharrten. Deutschland war bei dieser Beratung nicht vertreten, hat sich aber mit Beginn des eigenen Fernsehbetriebes auch der CCIR-Norm angeschlossen.

Das Charakteristikum eines Fernsehsystems ist die Zeilenzahl, eine für den Zerlegungsvorgang des Bildes wichtige Größe. Der Bildaufbau selbst folgt bekanntlich der klassischen Methode des abendländischen Schreibens und Lesens, das heißt von links nach rechts und von oben nach unten. Beim Schwarz-Weiß-Fernsehen werden zur Zeit die Zeilenzahlen 405, 525, 625 und 819 verwendet.
Durch die getrennte Fernsehentwicklung in den einzelnen Ländern, nicht zuletzt unter dem Einfluß des vergangenen Krieges, entstanden verschiedene, z. T. voneinander stark abweichende Fernsehnormen. Die einzelnen Normen und ihre Anwendungs-länder sind:

CCIR-Norm mit 625 Zeilen,
50 Halbbildern/sec und einem Bild-Tonträger-Abstand von 5,5 MHz (Deutschland, Italien, Jugoslawien, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweiz, die skandinavischen Länder, Spanien sowie Australien und Neuseeland)


OIR-Norm mit 625 Zeilen,
50 Halbbildern/sec und einem Bild-Tonträger-Abstand von 6,5 MHz (UdSSR und alle Ostblockstaaten)

FCC-Norm mit 525 Zeilen,
60 Halbbildern/sec und einem Bild-Tonträger-Abstand von 4,5 MHz (USA, Kanada, Japan und die meisten südamerikanischen Staaten)

OIR- und FCC-Norm haben viel Ähnlichkeit mit der CCIRNorm.

Englische Norm mit 405 Zeilen,
50 Halbbildern/sec und einem Bild-Tonträger-Abstand von 3,5 MHz (Großbritannien)

Französische Norm mit 819 Zeilen,
50 Halbbildern/sec und einem Bild-Tonträger-Abstand von 11,15 MHz (Frankreich, Algerien)

Belgien macht insofern eine Ausnahme, als es zwei aus CCIR- und französischer Norm gemischte Fernsehsysteme benutzt, und zwar

im flämischen Landesteil dasjenige mit 625 Zeilen,
im wallonischen Landesteil dasjenige mit 819 Zeilen.


Die CCIR-Norm, die mit Recht auch die «europäische Fernsehnorm« genannt wird, stellt einen sehr günstigen Kompromiß zwischen technischem Aufwand einerseits und

 

Bildwiedergabequalität andererseits dar. Eine Bestätigung dafür finden wir u. a. in der Absicht des englischen Fernsehens, seinen 405-Zeilen-Betrieb in absehbarer Zeit auf 625 Zeilen umzustellen. In der gleichen Richtung gehen auch die Entwicklungen in Frankreich. Von den am Fernsehen interessierten afrikanischen Ländern haben sich die meisten von vornherein für die 625-Zeilen-Norm entschieden.
In der Tabelle  sind die wichtigsten Daten der verschiedenen Femsehnormen zusammengefaßt.

Normalerweise können die Fernsehgeräte nur Sendungen einer Norm empfangen. Ausnahmen bilden die sogenannten 2-Normen- und 4-Normen-Geräte, mit denen auch Sendungen fremder Normen empfangen werden können. Es gibt z. B. 2-Normen-Geräte für die Empfangskombinationen CCIR und FCC, CCIR und OIR oder CCIR und französische Norm. Letztere kommt z. B. im französisch-schweizerischen Grenzgebiet zur Anwendung.

4-Normen-Geräte, deren Umschalttechnik schon wesentlich schwieriger ist als die der 2-Normen-Geräte, werden vorwiegend in Belgien und dessen Nachbarländern benutzt.

Beim zwischenstaatlichen Programmaustausch der europäischen Länder ("Eurovision") werden die Bilder in Deutschland mit Hilfe je eines Bildwandlers bei den Übergabestellen in Köln und auf der Hornisgrinde in die jeweilige Norm umgewandelt.

Das kontinental-europäische Fernsehen arbeitet also überwiegend mit einem Zeilenstandard von 625 Zeilen pro Bild, die je Sekunde 25mal durchlaufen werden. Im allgemeinen wählt man eine Bildfolgefrequenz, die gleich der halben Netzfrequenz, in Europa also 25 Hz, beträgt. In Wirklichkeit werden jedoch 50 Halbbilder je Sekunde abgetastet, d. h. im ersten Halbbild werden die ungeradzahligen Zeilen 1, 3, 5 ... und im zweiten die geradzahligen Zeilen 2, 4, 6 ... übertragen. Dadurch entsteht der Eindruck eines schnelleren Bildwechsels als tatsächlich vorhanden. Dieser Kunstgriff, das sogenannte "Zeilensprungverfahren" ,hat eine geringere Übertragungsbandbreite bei gleicher Bildgüte zur Folge und verhindert ein störendes Bildflimmern. Steht nämlich der zeitliche Ablauf des Bildaufbaues nicht im richtigen Verhältnis zur Nachleuchtdauer des Leuchtstoffes der Bildröhre, so schwindet die Helligkeit der oberen Zeilen bereits wieder, bevor die unteren Bildpartien geschrieben sind.

Infolge der endlichen Zeilenzahl ist die Bildschärfe in der vertikalen Richtung geringer als in der horizontalen. Der Fachmann sagt: Die vertikale Auflösung ist kleiner als die horizontale. Im Interesse gleicher Bildauflösung in beiden Richtungen muß die bessere Auflösung der weniger guten angeglichen werden. Dazu wird die horizontale Auflösung mit einem entsprechenden Korrekturglied, dem sogenannten
"Kell-Faktor", multipliziert. Bei der CCIR-Norm beträgt dieser ≈0,7. Während ohne diesen Kell-Faktor die für gleiche Auflösung in beiden Bildrichtungen erforderliche Bandbreite etwa 7,5 MHz benötigen würde, beträgt die korrigierte Bandbreite nur 5MHz. Sie hält einerseits den schaltungstechnischen Aufwand für die Bild-HF- und ZF-Verstärkung in wirtschaftlich tragbaren Grenzen und reicht zudem aus, jedes Bild mit seinem ganzen Detailreichtum zu übertragen.

Jeder Fernsehkanal, der auch den Tonkanal einschließt, hat nach der CCIR-Norm eine Breite von 7MHz. Diese relativ kleine Kanalbreite erreicht man durch Einseitenband-Betrieb. Würden beide Seitenbänder übertragen, wäre auf der Sendeseite ebenso wie auf der Empfängerseite die doppelte Bandbreite erforderlich.


Bild 1
Sender- und Empfänger-Frequenz-Charakteristiken

Senderseitig wird noch ein 1,25MHz breites "Restseitenband" — hier das untere Seitenband — beibehalten, um mögliche Phasenverzerrungen infolge zu steil abfallender Flanken zu vermeiden. Das obere Seitenband dagegen wird von 0 bis 5MHz voll übertragen. Der Vorzug einer kleineren Kanalbreite liegt vor allem darin, daß man mehr Sender in den verschiedenen Frequenzbändern unterbringen kann.

Die Empfangscharakteristik hat einen etwas anderen Verlauf als die Sendecharakteristik (Bild 1). Die linke Flanke der Durchlaßkurve, "Nyquistflanke" genannt, verläuft so, daß die links und rechts vom Bildträger liegenden Seitenbandfrequenzen in der Addition immer wieder die Maximalamplitude ergeben. Die Steilheit dieser Flanke ist so bemessen, daß die Verstärkung an der Stelle, an der der Sender das unterdrückte Seitenband abzuschneiden beginnt, so klein geworden ist, daß sie vernachlässigt werden kann.

Bild und Ton werden bekanntlich von zwei getrennt arbeitenden Sendern übertragen. Die beiden Trägerfrequenzen liegen bei der CCIR-Norm genau 5,5MHz auseinander. Während der Begleitton frequenzmoduliert bei einem maximalen Hub von ±50kHz übertragen wird, erfolgt die Bildübertragung amplitudenmoduliert. Die CCIR Norm benutzt dazu die sogenannte Negativ-Modulation, d. h., die Spannungsspitzen entsprechen dem Helligkeitswert "Schwarz" , die kleinste Spannung dagegen dem "Weiß". Diese Polarität hat u. a. den Vorzug gegenüber der Positiv-Modulation, wie sie z. B. die französische Norm benutzt, daß elektrische Störimpulse, die sich dem eigentlichen Bildsignal überlagern, schwarze Flecken auf dem Bildschirm verursachen, die weit weniger störend wirken als entsprechende weiße bei Positiv-Modulation.


Bild2 Normmaße eines CCIR-Zeilensynchronisier-Impulses

Das vom Bildsender ausgesandte Signal ist ein Mischgebilde, das zum einen Teil aus den Helligkeitswerten der nacheinander abgetasteten Bildelemente — dem eigentlichen Bild- oder Video-Signal — besteht, zum anderen aus den Austastimpulsen zur Dunkelsteuerung der Strahlrückläufe für Zeile und Bild und aus den Synchronisierimpulsen, die beide Kippgeräte im Empfänger steuern und dadurch für den Gleichlauf des Bildstrahles in der Bildröhre mit dem in der Aufnahmekamera sorgen.

Bild 3 Impulsschema des CCIR-Fernsehsystems

Das Video-Signal und die dazugehörigen Impulse haben verschiedene Amplituden. Nach der CCIR-Norm reicht der Bildinhalt von 10 bis 75% der Maximalamplitude, von »Weißpegel« bis »Schwarzpegel«. Der Bereich 75 bis 100%, in dem sich die Synchronisierimpulse befinden, ist »schwärzer als schwarz«. Der Schwarzpegel gibt demnach lediglich die dunkelste Bildstelle an, nicht aber die Aussteuerung für das absolute Schwarz. Eine gewisse »Schwarzabhebung« um 5% an der 75%-Marke soll sicherstellen, daß hier auch wirklich alle Schwarzwert-»Nuancen« ohne Verlust wiedergegeben werden. Dem Helligkeitswert »Weiß« entspricht die Amplitude von 10%. Dieser -Restträger-, der sachlich gesehen nichts mit dem vorerwähnten Restseitenband zu tun hat, muß unbedingt eingehalten werden, um einen einwandfreien Intercarrierbetrieb zu gewährleisten.

Voraussetzung für den einwandfreien Bildaufbau ist die völlige Übereinstimmung der empfängerseitigen Strahlablenkung mit dem senderseitigen Abtastvorgang. Diesem Zweck dienen die dem Bildsignal beigegebenen Synchronisierimpulse, die mit einem besonderen Taktgeber im Sender erzeugt werden. Die vordere Impulsflanke synchronisiert den Empfänger.

Um zu verhindern, daß etwas vom Bildinhalt in den Synchronimpuls fällt, liegt zwischen den Einsätzen des Austastimpulses und des Synchronimpulses ein zeitlicher Sicherheitsabstand, die «vordere Schwarzschulter«. Entsprechend liegt am Ende des Synchronimpulses die etwas längere «hintere Schwarzschulter«. Diese dient zur neuerlichen Einstellung des Schwarzpegels und verhindert, daß Einschwingvorgänge vom Impuls her ins Bild kommen.

Die Bildimpulse dauern wesentlich länger als die Zeilenimpulse. Während dieser Zeit laufen die Zeilenimpulse weiter und werden in den Bildimpuls entsprechend eingeblendet. Aufgrund der ungeraden Zeilenzahl (625) verbleibt am Ende eines Halbbildes eine halbe Zeile, was bei jedem Bildimpuls eine Verschiebung des Zeilenimpulses um eine halbe Zeilenbreite zur Folge hat. Um einen dadurch bedingten unerwünschten Einfluß auszuschalten, werden dem Bildsignal eine Reihe von Ausgleichimpulsen — auch »Trabanten«  genannt — angehängt, und zwar 5 Früh- und 5 Spätimpulse, die «Vor» und «Nachtrabanten».

Quelle: Siemens Werkstatt-Praxis September 1962

Anlagen:

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OIR-Norm 
07.Feb.13 17:20
144 from 6101

Bernd Viehrig (D)
Beiträge: 18
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Danke für den Beitrag! Nur bei "OIR-Norm..." ist die Angabe "UdSSR u. alle Ostblockstaaten" ungenau, da die DDR sehr zeitig zur CCIR-Norm überging. Beste Grüße, Bernd.

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Karte der mitteleuropäischen TV-Sender 1952 
08.Feb.13 10:12
220 from 6101

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
Beiträge: 2492
Anzahl Danke: 20
Dietmar Rudolph † 6.1.22

Eine Karte der mitteleuropäischen TV-Sender findet sich in einem Beitrag über die UKW-Frequenzen, weil auch hier in der DDR von der OIR Norm abgewichen wurde.

MfG DR

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