Geister-Röhren: die E-113er Pico-Serie von Telefunken

ID: 34828
Geister-Röhren: die E-113er Pico-Serie von Telefunken 
11.Oct.04 20:50
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Jacob Roschy (D)
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Jacob Roschy

Jedem, der sich etwas mehr als oberflächlich mit Röhren befasst, wird schon einmal auf eine Röhre mit der ausgefallenen Bezeichnung "ECL113" gestoßen sein. Der Typennummer nach kann man sie nirgendwo zuordnen, und nur bei näherer Betrachtung wird man herausfinden, dass es sich um eine Rimlock-Röhre handelt, welche zusammen mit den Typen ECH42, EAF42 und EZ40 einen Superhet-Röhrensatz bildet.
Da taucht automatisch die Frage auf, wie es zu dieser seltsamen Bezeichnung kam und ob es vielleicht noch andere Röhren mit ähnlicher Bezeichnung gab.

Die Benutzer von Funke-W18-Röhrenprüfgeräten können in den Prüfkarten von EAF113, ECH113, ECL113 und EZ113 einen eindeutigen Beweis dafür finden, dass eine solche komplette Serie zumindest einmal geplant war.






Bei den W19- und W20- Geräten sind jedoch nur noch auf den Karten von ECH42 und EZ40 die Paralleltypen ECH113 und EZ113 aufgeführt, welche demnach datengleich sein müssen. Auf der Prüfkarte der EAF42 ist aber keine zugehörige EAF113 mehr erwähnt, dafür ist ein entsprechender Hinweis im Prüfkarten-Verzeichnis.

Andererseits wird in mehreren Fachzeitschriften von 1950 eine neue Röhrenserie von Telefunken vorgestellt, welche im Heft 3 der Funk-Technik [1] und im Heft 2 des Radio Mentor [2] als PIKO- Serie dargestellt wird, während sie im Heft 3 der Funkschau [3] Pico genannt wird (was später so beibehalten wurde) und sich als Parallelserie zu Rimlock-Röhren herausstellt.

Gezeigt werden die Typen EAF42, ECH42 und EZ40, welche gleichwertig zu den entsprechenden Typen von Philips / Valvo sind, sowie jene aus der Reihe fallende ECL113, welche von Philips / Valvo nicht geliefert wird und zu der es auch keine Vergleichstype gibt.

Ursprünglich waren für diese Serie auch andere Sockel vorgesehen, sogar Noval war in Erwägung. Von einer rimlockähnlichen Ausführung, welche statt der Führungsnase einen Stift mit nach innen gebogenen Kralle hatte, wurde sogar die Geräteindustrie bemustert. Da aber die Rimlockröhren bereits eingeführt waren, passte man sich diesen an, damals noch nicht ahnend, dass Noval sich letztendlich durchsetzt. [2]

Hier wurde wieder eine historische Chance verspielt - was wäre gewesen, wenn Telefunken gleich auf Noval übergegangen wäre ?

So abwegig war das nicht. Noval war schon seit Jahren in den USA gebräuchlich, auch der Rivale Philips befasste sich neben Rimlock auch schon mit Noval. So sind die Kurvenblätter der Philips- EBF80 mit 8.6.49, die der UBF80 mit 11.11.49 datiert, von der EQ80 mit 15.3.50.

Sah man bei Telefunken keine Chancen, mit Novalröhren gegen die Philips-Rimlock- Konkurrenz anzutreten ? Wusste man bei Telefunken nichts von der Philips-Noval- Produktion ? Oder fehlte es wieder nur an der Weitsicht und am Erkennen der Zeichen der Zeit, wie es ja auch bei der Wiederaufnahme der Stahlröhrenproduktion nach 1945 der Fall war ?



Doppel-Strategie

Wohl aus einem strategischem Hintergedanken empfahl Telefunken diese Serie speziell für Autosuper, aber "einer Benutzung für Rundfunk-Heimempfänger steht nichts im Wege" heißt es.
Weil die Technik der Stahlröhren "altbewährt" war, hatte Telefunken kurz zuvor ein neues und teures Werk für diese Röhren errichtet und brachte sogar eine ganze Reihe neuer Stahlröhren für UKW-Empfänger heraus [5]. Da aber der Trend zu Miniaturröhren bereits unaufhaltsam war, wurden diese von den Kunden jedoch kaum noch akzeptiert.
Die schweren Kriegsfolgen (Zerstörung, Demontage, Deportation, Enteignung) bei Telefunken trugen möglicherweise mit zu der heute kaum verständlichen Entscheidung bei, diese zu jenem Zeitpunkt bereits veraltete Technik nochmals neu aufzulegen.

Daher versuchte man mit einem Trick, einerseits die Rundfunkgeräte-Industrie weiterhin bei der Verwendung von Stahlröhren für Heimempfänger zu halten. Andererseits wollte man mit der angeblich speziell für Autoradios eilends herausgebrachten Pico-Serie verhindern, dass die Gerätebauer völlig zur Konkurrenz Valvo überliefen. Die Gerätehersteller bauten dann tatsächlich eifrig "Autosuper"-Pico-Röhren in Heimempfänger ein, und die Stahlröhren waren für die Neubestückung sehr schnell so gut wie vom Markt verschwunden.
In dem Bericht wird auch geheimnisvoll auf eine noch geplante 9-Watt-Endpentode und eine direkt geheizte Gleichrichterröhre hingewiesen, womit nichts anderes als die "Pico"-Versionen der von Valvo längst erhältlichen EL 41 und AZ41 gemeint waren.

Mit einer etwas seltsamen Logik versuchte Telefunken von der "zufälligen" Nähe zu Rimlock abzulenken und eine Verbindung zwischen der 11er-Stahlröhrenserie und der Pico-Serie zu suggerieren. So wird im Funkschau-Artikel mitgeteilt: "... entsprechen die Röhren ECH42, EAF42 und EZ40 in Prinzip und Funktionen den Paralleltypen der Stahlserie".
Im RPB-Bändchen "Rimlock- und Picoröhren und ihre Schaltungen" [4] bemerkt Dr. A. Renardy auf Seite 14: "... die von Telefunken gepflegte Kombination eines Triodensystems mit einem Tetrodensystem in einem Kolben zum Zweck der Nf-Verstärkung hat zur Konstruktion einer besonderen Röhre ECL113 geführt, die somit eine Mittelstellung zwischen der Rimlock- und der Stahlröhrenserie einnimmt."

Des Rätsels Lösung: das Beweisfoto

Nun bestand also nach wie vor eine Diskrepanz zwischen der tatsächlich hergestellten Telefunken Pico-Serie EAF42, ECH42 und EZ40 und der Geister-Serie EAF113, ECH113 und EZ113. Als dann im Internet eine EZ113- Bemusterungsröhre auftauchte, war der erste Beweis erbracht, dass an dieser mysteriösen E113er-Telefunken-Serie doch was Wahres dran sein muss, und die Suche danach neuen Auftrieb erhielt.

Eine Suchmeldung in der FunkGeschichte 147 und in der FunkGeschichte- Online-Radio-Börse, auf welche GFGF-Mitglied Peter von Bechen antwortete, brachte dann den entscheidenden Durchbruch.
In dem Buch: "So arbeiten unsere Röhren" Band III, von Rolf Wiegand, Lehrmeisterbücherei 2031/2032, Leipzig 1952, [6] fand er ein Bild, auf dem die EAF113, ECH113, ECL113 und EZ113 genau so schön nebeneinander aufgereiht stehen, wie auf dem Bild in Funkschau und Funk-Technik die EAF42, ECH42, ECL113 und EZ40.



Damit ist der Beweis erbracht, dass diese Serie wirklich geplant war und zumindest Musterröhren davon existierten! Bei dem Bild handelt es sich offensichtlich um ein Telefunken-Pressefoto, das möglicherweise "voreilig" herausgegeben worden war und zum Autor dieses Bändchens der Lehrmeisterbücherei gelangte.

Umgestempelt ? !

Bei genauerer Betrachtung des in Funkschau und Funk-Technik gezeigten Bildes fällt auf, dass die Zahlen 42 auf der Röhrenbezeichnung der ECH und EAF viel größer sind als die Buchstaben. Es könnte also sein, dass für dieses Foto die 113 abgekratzt und in größerer Schrift die Zahl 42 neu aufgestempelt wurde! Bei der ECL113 ist die Bezeichnung erwartungsgemäß in der kleineren Schriftgröße geblieben, während sie bei der EZ40 insgesamt in größerer Schrift ist. (sh. Bild)

Offensichtlich hatte man Anfangs 1950 die ursprüngliche Idee der kompletten 113er-Serie verworfen und die Bezeichnungen der schon vorhandenen Philips / Valvo-Röhren übernommen, um Verwirrung zu vermeiden. Nur die einzige echte Telefunken- Entwicklung, die Triode-Strahlbündel-Endtetrode ECL113, die nicht von Philips / Valvo gebaut wurde, behielt weniger sinnvoll die Zahl 113.
Vor dieser Entscheidung gelangten aber wohl Informationen über die geplante 113er Serie nach außen, wie das Bild mit der kompletten Serie beweist, wie auch die entsprechenden Angaben auf den Funke-Prüfkarten und Vergleichstypenangaben in einigen Röhren-Datenbüchern. So findet man im Electronic Universal Vade-Mecum [7] noch 1964 die ECH113 in einer Äquivalenz-Tabelle (Seite 548). Danach entspricht die ECH113 der ECH42.

Die Zahl 113 für die ursprüngliche Pico-Serie ließe sich wie folgt erklären: Um die Verbindung zu den Stahlröhren zu demonstrieren, mussten die Ziffern unbedingt mit  "11" beginnen. Da Telefunken zu dieser Zeit aber schon Typen mit dreistelligen Nummern in der Stahlröhrenreihe hatte, wie EA111, EF111, EF112 und EL112, wollte man erst mit 113 anfangen. Damit waren in dieser 110er-Serie nun zwei sehr unterschiedliche Röhrenbauarten, und eine neue Serie startete mit einer total "krummen" Zahl.
Wenn man schon unbedingt eine andere Nummerierung wie die Konkurrenz wählen wollte, dann wäre z. B. eine 140er-Serie viel zweckmäßiger gewesen. Damit hätte man leicht die Austauschbarkeit zu den Rimlock-Typen herstellen können; im Sinne von Pico = Rimlock + 100, und es hätte trotzdem eine eigene Zahlenreihe bestanden.




Die glücklose ECL113 - das Opferlamm?

Bedauerlich ist eigentlich, dass diese ECL113 nie erfolgreich wurde. Mit 2,25 W bei 25 mA Anodenstrom ist sie zwar kein Wunder an Wirkungsgrad (EL95: 3 W) , aber sie erreicht mit 12% des Raumvolumens immerhin 60% der Sprechleistung der ECL11! Damit war sie doch eine Röhre, die in jedes Küchen- und Nachttisch-Radio gehört hätte, wie z. B. die spätere EL95, die zudem nur eine Endröhre ist, die ECL113 aber ein komplettes NF-Teil !

So finden sich hier im - "www.radiomuseum.org"
441 Geräte, die mit der ECL11,
546 Geräte mit der EL95, aber nur
18 Heimgeräte, die mit der ECL113 bestückt sind.
(Stand Oktober 2004)

Es lag wohl an der ungeschickten Vermarktung, z. B. der Vorschlag nur als Autoradio-Endröhre (und dann auch noch im Gegentakt). Dazu kommt noch die krumme und hässliche Zahl 113, womit die nach außen erkennbare Zugehörigkeit zur Rimlock-Serie zerstört war. Auch diese Röhre hätte man als Letzte der nun nicht mehr existierenden 113er Serie zweckmäßigerweise in "ECL41" umbenennen müssen. Es ist auch schade, dass sie nicht von Philips / Valvo übernommen wurde, was zu dieser Zeit aus Gründen der Firmenpolitik wohl undenkbar war.

Es ist möglich, dass der Verkaufserfolg dieser Röhre geopfert wurde, um den Absatz der mittlerweile zum Ladenhüter gewordenen Stahl-Serie nicht noch mehr zu behindern. Man wollte wohl vermeiden, dass die gesamte Geräteindustrie von ECH11, EBF11, ECL11 und AZ11 auf ECH42, EAF42, ECL113 und EZ40 umsteigt.



Erwähnenswert ist die originelle Katodenform der ECL113: obwohl die Röhre eine gemeinsame durchgehende Katode für die übereinander stehenden Systeme hat, ist diese im oberen Endtetrodenteil eine Flachprofilausführung, im unteren Triodenteil ist sie jedoch rund mit dem Durchmesser der Flachprofil-Schmalseite.


Die weitere ECL-Entwicklung


ECL113-PCL81-UCL81: die Verwandschaft ist unverkennbar. Auffälligster Unterschied ist die größere Triode (unten) der 81er Typen.

Trotz des geringen Erfolgs mit der ECL113 war deren Entwicklungsarbeit nicht umsonst: ihre Konstruktion wurde mit nur wenig Änderungen in der PCL81 übernommen, die in TV-Anwendungen recht erfolgreich war. Eine von der PCL81 für Allstromradios abgeleitete UCL81 blieb jedoch ebenfalls erfolglos. Als UKW auch in kleineren Empfängern zum Standart gehörte, gab es wegen der fast unvermeidlichen EABC80 oder UABC80 keine Verwendungsmöglichkeiten mehr für ECL- und UCL- Röhren.

 



ECL11 - ECL86: etwa gleiche Leistung, aber sehr ungleiches Raumvolumen

Diese gewannen erst wieder Bedeutung, als man für die FM-Demodulation Ge-Dioden benutzte, weshalb dann die beste Röhre dieser Art, die ECL86, geschaffen wurde. Mit ebenfalls nur 12% Raumvolumen der ECL11 übertraf sie diese nun mit 4 statt 3,8 W in der Sprechleistung!



Wegen des geringen Bedarfs gab es zuvor als Verlegenheitslösung nur noch die Typen ECL82 und UCL82, welche von der für TV-Zwecke entwickelten PCL82 abgeleitet und für Hörfunk zweckentfremdet wurden. Deren Triodensystem war völlig überdimensioniert, die Auslegung des Endsystems für 200V war für Wechselstromempfänger ungünstig und mit -16V Gittervorspannung waren sie in der Verstärkung recht schlapp.

EZ113 - EZ40 Besonderheiten

In den obigen Fachzeitschriften- Artikeln wird für die Telefunken- Ausführung der EZ40 nur 0,475 A Heizstrom angegeben, was aus dem EZ113-Relikt als stromsparende Röhre für Autoempfänger stammt, im Gegensatz zur Philips / Valvo-Ausführung mit 0,6 A. Da jedoch sämtliche Datenbücher einheitlich 0,6 A angeben, wurde auch diese Eigenheit der Telefunken-Röhre wohl frühzeitig aufgegeben.


Weitere Rimlock Unter- und Ab-Arten



Auch die französische Firma Mazda versuchte sich bei der Rimlock-Serie im Alleingang. Diese wurde dort "Mazda-Medium" genannt, was lange Zeit so beibehalten wurde. Zu Beginn erhielten diese Röhren aber auch recht seltsame Bezeichnungen, wie AA61, BF62, CF61, D121, HF62 und V51, unter denen sich niemand etwas vorstellen konnte. Daher wurde dieses System bald durch die üblichen Bezeichnungen ersetzt.




Die für Eigenbrötelei bekannte englische Firma Mazda, die übrigens nichts mit Mazda-France zu tun hat, hatte die Typenvielfalt zur Perversion getrieben, indem sie eine Art "Anti-Rimlock-Serie" herausbrachte. Diese Röhren waren weitgehend baugleich zur Rimlock-Serie, nur mit dem Unterschied, dass sich in der Mitte des Sockelbodens ein ca. 5,2 mm dicker Metallzapfen befindet. Dieser ist durchgehend rund und hat daher keinerlei Orientierungs- oder Haltefunktion wie bei Locktal-Röhren, sondern dient ausschließlich dem Zweck, diese Röhren inkompatibel zur Rimlock-Serie zu machen !
In manche Rimlock-Fassungen lassen sich diese Röhren mit leichter Kraftanwendung einstecken, wobei sich dieser Zapfen festfrisst und die Röhre ggf. beim Herausziehen zerstört wird.

Zuvor gab es von dieser Firma schon Anti-Octal-Röhren, wobei deren Stifte entgegen normalen Octal-Röhren leicht versetzt waren. Hier fehlte offensichtlich ein "Gesetz", das die Herstellung solcher absichtlich inkompatibler Systeme unter Höchststrafe verbot.

Für hilfreiche Hinweise und Ergänzungen zu diesem Artikel sei an dieser Stelle Peter von Bechen, Freising, gedankt.

Literatur:

[1] "Telefunken - PIKO-Serie", Karl Tetzner, Funk-Technik 1950, Heft 3

[2] "Telefunken - PIKO-Röhren", Dr. Horst Rothe (Telefunken), Radio Mentor, 1950, Heft 2
>> Sehen Sie hierzu den nachfolgenden Auszug aus diesem radio-mentor- Artikel >>

[3] "Die neuen Telefunken Pico-Röhren", ohne Verfasser, Funkschau 1950, Heft 3

[4] "Rimlock- und Picoröhren und ihre Schaltungen" Dr. Adolf Renardy, Radio Praktiker Bücherei (RPB) Band 2, Franzis-Verlag 1951

[5] "Neue UKW-Stahlröhren", ohne Verfasser, Funkschau 1950, Heft 10

[6] "So arbeiten unsere Röhren", Band III, Rolf Wiegand, Lehrmeisterbücherei 2031/2032, Verlag Hachmeister & Thal, Leipzig 1952

[7] Electronic Universal Vade-Mecum, P. Mikolajczyk, B. Paszkowski, Pergamon Press/Wydawnictwa Naukowo-Techniczne, Warschau1964 (Als Reprint bei Jan Wüsten, Ober Ramstadt, erschienen)

 


 

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12.Oct.04 13:05

Felix Schaffhauser (CH)
Beiträge: 189
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Felix Schaffhauser

Sehr gut recherchiert, gut analysiert und dargestellt!
Für einmal ein grosses Dankeschön an Herrn Roschy für die vielen guten Beiträge im RMorg zum Thema Röhren. Ich hoffe, dass wir alle diese "Fundgrube" universellen Röhrenwissens gebührend schätzen.
mfG F. Schaffhauser

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Telefunken - PIKO-Röhren 
12.Oct.04 21:50

Jacob Roschy (D)
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Jacob Roschy

(Danke für das Lob, dafür gibt es hier die Zugabe)


Auszug aus radio mentor 1950 Heft 2

Von Dr. Horst ROTHE, Telefunken, Röhrenwerk Ulm


Die im Jahre 1937 auf den Markt gebrachte Telefunken-Stahlröhrenserie war als eine der ersten Röhrenserien so konstruiert worden, dass bei kleinen Gesamtabmessungen sämtliche Elektrodenzuleitungen am unteren Boden der Röhre angeordnet sind. Um dieses zu ermöglichen, wurde das System horizontal, d. h. parallel zur Grundplatte, eingebaut, wodurch sich hinsichtlich Stabilität, Schüttelfestigkeit und Mikrofoneffekt außerordentlich gute Eigenschaften erreichen ließen. Obwohl diese Röhren mit ihrem Durchmesser von 39 mm bei 35 mm Höhe bereits ein sehr kleines Volumen beanspruchen, hat es sich gezeigt, dass für die Konstruktion von Geräten kleiner Abmessungen Röhren mit geringerem Durchmesser bevorzugt werden, selbst wenn deren Höhe über die der Stahlröhren hinausgeht. Die Telefunken G.m.b.H. hat sich aus diesem Grunde entschlossen, als Ergänzung des Stahlröhrenprogramms eine weitere Serie in Form der Pikoröhren herauszubringen, worunter sockellose Röhren mit Abmessungen von 21 mm Ø bei 60-80 mm Höhe verstanden werden.

Der Automobilempfänger, sowie der tragbare Batterieempfänger sind wohl die einzigen Rundfunkempfangsgeräte, bei denen die Größe der verwendeten Röhren eine entscheidende Rolle spielen kann. Beide Typen von Geräten sollen von kleinen Abmessungen und möglichst leicht sein. Jeder Millimeter, der an Röhrengröße gespart wird, kann daher von Vorteil sein, vorausgesetzt, dass auch die übrigen Zubehörteile wie Widerstände, Kondensatoren,  Lautsprecher usw. in ihren Abmessungen und Gewichten verkleinert werden. Bei den normalen Rundfunkgeräten üblicher Bauart dagegen spielen die Dimensionen der Röhren durchaus keine so entscheidende Rolle, da diese Geräte schon aus akustischen Gründen gewisse Abmessungen nicht unterschreiten und eher eine Tendenz zur Vergrößerung zu beobachten ist. Die ersten Röhren der Piko-Serie sind daher für Automobilempfänger gedacht und in E-Ausführung mit 6,3 Volt Heizspannung versehen. Es sind dies die Mischröhre ECH42, die HF-Pentode EAF42 mit eingebauter Diode, der Doppelweg-Netzgleichrichter EZ40 und die kombinierte Endröhre ECL113. Wobei die ersteren drei Typen in ihrem Prinzip und ihren Funktionen entsprechenden Typen der Stahlserie ähnlich sind und für alle Gerätetypen Verwendung finden können, während die Endröhre ECL113 für die Verwendung im Automobilempfänger neu entwickelt wurde. Durch weitere Typen für allgemeine Verwendungszwecke soll die Piko-Serie laufend ergänzt werden, so dass sich durch Kombination mit der Stahlserie mannigfaltige Möglichkeiten für die Gerätebestückung ergeben. Bei ihrer Entwicklung und Konstruktion wurden alle in den letzten Jahren erzielten Erkenntnisse und Fortschritte verwertet, und zwar sowohl in Bezug auf äußere Gestaltung als auch in Bezug auf Aufbau und Art des elektrischen Systems.

Äußere Form und Sockelung der Piko-Röhren.

Bereits seit mehr als zehn Jahren werden in Deutschland in der Fabrikation von Röhren in Glaskolben mit kleinen Durchmessern um 20 mm umfangreiche Erfahrungen gesammelt. In Übereinstimmung mit der ganzen Welt zeigte es sich dabei, dass ein solcher Kolbendurchmesser einen sehr günstigen Kompromiss zwischen den Fabrikationsbelangen und den Anforderungen des Gerätebaues darstellt, weil sich die Elektrodensysteme der üblichen Katoden- und Gitterabmessungen einbauen lassen, wie sie z. B. auch in den Stahlröhren Verwendung finden. Für die Piko-Röhren wurden daher Glaskolben mit einem Durchmesser von 21 mm gewählt, wie sie bereits bei der RV12P2000 benutzt wurden.



Die Entscheidung über die Sockelanordnung warf besondere Fragen auf. Von vornherein stand fest, dass die Elektrodenanschlüsse durch dicke Durchführungsstifte erfolgen müssen, die unmittelbar in den Glasboden eingeschmolzen sind, so dass sich die Anbringung eines gesonderten Röhrensockels erübrigt. Die Unverwechselbarkeit des Einsetzens der Röhre in die Fassung muss dabei durch die Anordnung dieser Stifte bzw. durch Kombination mit weiteren Hilfsmitteln erreicht werden. Die in Deutschland für Behördenzwecke auf dieser Grundlage entwickelten Anordnungen schieden von vornherein aus, da sie wegen überspitzter Anforderungen zu kostspielig sind.

In den USA hatte sich während des Krieges die Sockelanordnung der Miniaturröhren herausgebildet, bei der die Sockelstifte im Glasboden der Röhre auf einem Kreis in gleichen Abständen angeordnet sind, wobei jedoch zur Erreichung der Unverwechselbarkeit einmalig zwischen zwei Stiften ein doppelt so großer Abstand besteht.

Von den beiden normalisierten Anordnungen mit sieben bzw. neun Stiften käme für die in Europa bevorzugten Elektrodensysteme nur die Neun-Stift-Anordnung (Noval !) mit einem Stiftkreisdurchmesser von 11,9 mm in Betracht. Dabei würde zwar meist ein Stift leer bleiben, jedoch hätte diese Anordnung den Vorteil der universellen Verwendbarkeit auch für moderne Kombinationsröhren, bei denen neun Stifte benötigt werden. Ferner hat in den letzten Jahren die Philips- Gesellschaft die Rimlock-Anordnung herausgebracht. Bei dieser, die im Prinzip als bekannt vorausgesetzt werden kann, sind acht Sockelstifte auf einem Kreis von 11,5 mm Ø im gleichen Abstand angeordnet, während die Unverwechselbarkeit durch eine Nase erreicht wird, die in bekannter Weise entweder an einem aufgekitteten Sockelring angebracht wird oder direkt in den Glaskolben eingeblasen ist.

Schließlich wurde von Telefunken eine Anordnung entworfen und teilweise auch an die apparatebauende Industrie bemustert, bei der von acht Stiften, die ebenso wie bei der Rimlock-Anordnung in gleichmäßigen Abständen auf einem Kreis von 11,5 mm Ø angeordnet sind, einer eine nach innen gebogene Kralle erhält. In Anbetracht der Tatsache jedoch, dass die Rimlock-Röhren bereits auch in Deutschland eingeführt sind, wurde von Telefunken von der zusätzlichen Einführung einer weiteren Sockelung abgesehen. Um Einheitlichkeit und Typenangleichung der Röhrenfabriken zu ermöglichen, wurde vielmehr beschlossen, für die Piko-Serie die gleiche Sockelung wie bei den Rimlock- Röhren zu wählen und auch die einzelnen Typen an letztere anzugleichen, soweit dies aus elektrischen Gründen möglich und angebracht ist. Von den Piko-Röhren sind daher die Anfangsstufenröhren EAF42 und ECH42, sowie der Netzgleichrichter EZ40 an die Rimlock- Röhren gleicher Typenbezeichnung angeglichen, während die kombinierte Endröhre ECL113 für Automobilempfänger neu entwickelt wurde.



Das Bild zeigt die Aufnahme einer ECL113. Als Fassungen können die normalen Rimlock- Fassungen Verwendung finden.

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