Heißer Sommer 1968 Urlaub am LIPNO Stausee

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Heißer Sommer 1968 Urlaub am LIPNO Stausee 
21.Nov.21 18:23
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Im August 1968 fuhr ich als 17 jähriger mit meinen Eltern im Wartburg 311 Camping ( 38 PS ) an den LIPNO Stausee. Ich durfte, weil ich inzwischen schon 1,90 m groß war, vorn sitzen.Meine Mutter musste es sich auf der Rückbank gemütlich machen. Neben Ihr hatten wir unsere Neuerwerbung einen Kofferfernseher Staßfurt K67 plaziert. Dieser Fernseher kostete damals 2040 Mark der DDR und war auch mit 12 Volt zu betreiben. An die Autobatterie konnten wir diesen nicht anschließen, der Wartburg hatte noch eine  6Volt- Anlage, aber ein 12 Volt Akku war ja dabei.  Empfangen konnten wir den VHF- Bereich Band I und III, der TON in CCIR- Norm.

Somit war der Empfang tschechischer Fernsehsender nur ohne Ton möglich...aber wir hatten gehört, daß der Sender Wachberg (957m )  in Niederösterreich  ab 03.08.1968 sendete. Er übertrug zwei Programme. Für uns kam nur das erste Programm des ORF infrage, das wurde auf Kanal 7 empfangen. 

Informiert hatten wir uns vor Reiseantritt. In unserem Bekanntenkreis war ein Abonnent der Volksstimme.

Solche Zeitungen  konnten in der DDR bestellt werden, neben dem Morning Star ( London) und anderen vertrauenswürdigen kommunistischen Zeitungen.

Natürlich analysierte ich sofort diese Zeitung. Wir waren auch beruhigt , in der Ausgabe der Volksstimme wurde auf der Titelseite über die Fünferkonferenz in Warschau berichtet. Nach dem Treffen KADAR - DUBCEK  erschien folgende Presseinformation; Budapest sieht keine konterevolutionäre Situation in der CSSR. 

Also können wir unbesorgt fahren. Damals war es auch so, daß wir nur begrenzt umtauschen konnten, pro Person pro Tag 40 Mark der DDR und einmalig pro Reisenden 32 Mark. Der Kurs war fest 1zu 3 (eine Mark der DDR wurde in drei CS- Kronen umgetauscht) . 

Das Preisverhältnis war ähnlich wie in der DDR, allerdings kostete der Benzin nur etwa 70 Pfennig der Liter, was bei dem spritfressenden 2-Takt Motor des Wartburgs durchaus ein Vorteil war.

Im Wartburg hatten wir übrigens noch den A110. Dieser Autosuper  hatte nur Mittel - und Langwelle. Aber bei ausgezogener Antenne, welche sich auf der Beifahrerseite befand, hatten wir auf der gesamten Fahrt und am Urlaubsort guten Kontakt zum Langwellensender "Deutschlandsender" auf 177 KHz von Zehlendorf  und dem Deutschlandfunk auf 151 KHz von Donebach. Natürlich lag hier auch der Sender "Bisamberg" des ORF auf Mittelwelle 585 KHz mit vollen Werten an. Diesen Mittelwellensender konnten wir sogar am Tage in Pirna empfangen.

Mein Vater, der die tschechische Mittelschule besucht hatte, konnte natürlich auch die Ortssender Prag 639 KHz , Topolna 270 KHz sowie die weiterhin anliegenden Regionalsender empfangen und verstehen.

Um sich zu informieren, reichte die AM- Übertragung im Auto für die Sprachübertragungen durchaus. Der Vorteil damals war, das man sich in ganz EUROPA über die zwei deutschen Langwellensender ständig informieren konnte. Mein Vater prüfte auch ständig, wie Radio DDR, Sender Wilsdruff auf 1043 KHz anlag, der sendete mit 250 KW und war mit der Tageswelle schon etwa 100 Km hinter Prag in Richtung Brno nur noch in mäßiger Qualität zu empfangen. Aber man könnte auch sagen 250 KW , guter Standort und 250 Km Tageswelle das war schon ganz gut.  Am Abend kam dieser natürlich ganz stark, wurde jedoch manchmal von Cadena SER aus dem Baskenland etwas gestört....

Aber, jetzt verrate ich mein Jugendweihegeschenk, er war dabei, der Stern 3 von Rochlitz.   Mit diesem Radio konnte ich nicht nur ORF 1 und 2 sondern über Kurzwelle auch Österreich international empfangen sowie natürlich auch das deutschsprachige Programm von Radio Prag.  Das beste war natürlich Ö3 der heutige Popsender auf der UKW- Sendekette.

Am heutigen Welttag des Fernsehens ( 21.11.2021 ) will ich aber unsere Leser auch nochmal einen Blick in das damalige Fernsehprogramm des ORF werfen lassen:

Das zweite Programm war inzwischen auch auf UHF, also in unserem K67 noch nicht vorhanden, und noch  in schwarz- weiß wurde gesendet. Das Farbfernsehen startete erst am 1.1.1969 in Österreich, immerhin 10 Monate vor der DDR !

Ich fand das TV- Programm damals nicht so toll und verkrümelte mich mit dem Stern3 zur Party am Strand.

Geplant war der Urlaub eigentlich bis 23.August, aber das Geld ging zur Neige und DDR- Mark illegal umtauschen, das war ziemlich aussichtslos. Ein Ausflug nach Österreich war uns sowieso nicht möglich. So blieb es dabei, meine Eltern schauten täglich das Erste Programm vom ORF und ich hörte fleißig Ö3.  Am 20.08.1968 machten wir uns auf die Heimreise von etwa 400 Km bis nach Pirna bei Dresden.  

Die Autobahn gab es damals von Brno nach Prag noch nicht, also über Landstraßen und so dauerte es etwa acht Stunden bis wir wieder an der Grenze in Schmilka standen. Dort an der Tankstelle  die letzten Kronen in Benzin verwandelt und es ging weiter. Bis nach Hause waren es noch 28 Km.

Also wieder zurück in den Raum ARD ( Außer Raum Dresden ohne Westfernsehen) mit DDR -Fernsehen auf Kanal10 und nur zwei UKW Sender ( Berliner Rundfunk und DDR II).

Am 21.August 1968 die Info in den Nachrichten;  besorgte Kommunisten haben die Sowjetunion und Ihre Verbündeten um Hilfe gerufen, um die Tschechoslowakei vor dem Kapitalismus zu retten ....

Wie es dann weiter ging, ist sicher unseren Lesern aus der Literatur bekannt. Die DDR - Armee wurde an der Besetzung nicht beteiligt, denn die Uniformen waren optisch die der Wehrmacht, das hätte 23 Jahre nach Kriegsende für Irritationen sorgen können.

Aber die DDR leistete natürlich Beiträge in der Logistik, Versorgung und Ideologisch. Der Sender Vltava nahm auf 1430 KHz von Wilsdruff aus seine Sendungen auf....und die Tschechen und Slowaken hatten etwas zu lachen in dieser schwierigen Zeit. Ich war darüber nicht froh, denn er "störte" hier im Nahbereich auf dem 7 Kreiser  meine Lieblingssender RTL auf 1439 KHz und die Europawelle SAAR auf 1421 KHz. 

Wir konnten dann als DDR- Touristen einige Jahre nicht mehr in unser Nachbarland fahren.      

Sollten Sie auch solche oder ähnliche Erlebnisse gehabt haben, dann bitte  schreiben....

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.