hewlett-pa: 411A; RF Millivoltmeter als Regelkreis

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hewlett-pa: 411A; RF Millivoltmeter als Regelkreis 
13.Aug.15 18:20
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Das HF Millivoltmeter von HP hat einen Tastkopf, der 2 Dioden enthält. Eine Diode richtet die zu messende HF Spannung gleich, während die zweite Diode (als Referenzdiode) eine 100kHz Schwingung gleichrichtet.

Die zu messende HF Spannung (500kHz - 500MHz) kommt also nur bis zum Tastkopf, während das "Gerät" an sich nur die gleichgerichtete HF Spannung weiter verarbeitet.
Hier wäre eigentlich ein Gleichspannungsverstärker erforderlich. Da aber Gleichspannungsverstärker kritisch sind bezüglich der Stabilität ihres Arbeitspunktes und einen starken Temperaturgang haben, wird statt dessen die (sehr kleine) Gleichspannung, die die Dioden liefern, mit Hilfe eines Choppers zerhackt, so daß eine Wechselspannung entsteht. Diese Wechselspannung kann man mit Hilfe (jetzt eines Temperatur stabilen) Wechselspannungs-Verstärkers sehr leicht in definierter Weise verstärken. Zur Anzeige mit Hilfe eines Zeigerinstruments (Drehspul-Instrument) wird die verstärkte Wechselspannung wieder gleichgerichtet.

Das Blockschaltbild des in Röhrentechnik ausgeführten Gerätes zeigt Bild 4-1.

Links oben sind die beiden Dioden in dem gestrichelten Rechteck. 

Die gewählte Schaltung ist augenscheinlich eine Regelkreisstruktur, wie dem Begriff "Feedback" zu entnehmen ist.
Zur Analyse der Regelkreisstruktur wird diese vereinfacht, indem Böcke zusammengefaßt werden.

In der oberen Struktur sieht man links die beiden Dioden für die HF Spannung und die 100kHz Schwingung, deren gleichgerichtete Spannungen von einander subtrahiert werden. (Technisch im Comparator mit anschließender Modulation durch den Chopper)

Es folgt ein Verstärkungs-Steller, der den Verstärkungsfaktor K ergibt. (Drehknopf an der Frontseite des Gerätes zur Einstellung des Meßbereichs)

Anschließend durchläuft das Signal einen (Wechselspanungs-) Verstärker mit sehr hoher Verstärkung V (und einen Gleichrichter, der im Regelkreis weggelassen ist) um dann zur Anzeige zu gelangen.

Das Ausgangssignal wird nun auch einem Multiplizierer (Modulator) zugeführt und bestimmt damit die Amplitude einer 100kHz Träger-Schwingung. Dieser 100kHz Träger durchläuft dann einen Spannungsteiler mit dem (reziproken) Verstärkungsfaktor 1/K und gelangt so zur Referenz-Diode. Die Werte für K und 1/K werden gemeinsam geschaltet, so daß immer K*(1/K)=1 ist.

Die Schaltung ist also so ausgelegt, daß die Signaldiode und die Referenzdiode jeweils im gleichen Spannungsbereich arbeiten.

Die beiden Dioden sind auf gleiche Kennlinien ausgesucht, so daß sie (vereinfacht) für den Regelkreis als gleich angesehen werden können.

In der unteren Regelkreisstruktur werden (verallgemeinert) nur die Signale Xe und Xa (Signal-Informationen) betrachtet. Da die Eigenschaften der Dioden als gleichartig angenommen sind, werden diese als "Nichtlinearität" N angesetzt und hinter die Summierstelle verschoben. Eine solche Umformung ist zulässig, wenn man beachtet, daß die sowohl im "Vorwärts-Weg" als auch im "Schleigen-Weg" befindlichen Übertragungs-Blöcke sich dadurch nicht ändern dürfen.

Für den Vorwärts-Weg gilt:

Xa = N*K*V*Xe

Für den Schleifen-Weg gilt:

Xa = (1/K)*N*K*V*Xa

Also gilt insgesamt, wenn man die "Summierstelle" (Subtrahierstelle) berücksichtigt:

Xa = N*K*V*Xe - (1/K)*N*K*V*Xa

Xa(1 + (1/K)*N*K*V) = N*K*V*Xe

Daraus folgt:

Xa/Xe = (N*K*V)/(1 + (1/K)*N*K*V)

Wird nun V sehr groß (theoretisch V → ∞ ) so folgt wegen (1/K)*K = 1:

Xa/Xe = K

Das bedeutet aber, daß der Frequenzgang des Millivoltmeters frequenz-unabhängig (bis zur Grenzfrequenz der Diode) ist und einen konstanten Wert K hat, der mit Hilfe des Einstellknopfes auf der Frontseite des Gerätes gewählt wird. Zudem ist auch die Skala im Anzeigeinstrument linear eingeteilt.

Das wird sofort erkennbar, wenn die letzte Gleichung umgeformt wird:

Xa = K*Xe

Also ist die Ausgangsgröße (die Anzeige des Meßinstruments) proportional zur Eingangsgröße (der Amplitude der HF Schwingung). Daher ist die Anzeige linear und unabhängig von der "krummen" Kennlinie der Dioden.

Durch die Bedingung V → ∞ fällt die Auswirkung der Nichtlinearität N der Diode heraus, da N sowohl im Zähler, als auch im Nenner steht und sich dadurch heraus kürzt.

Die Skala ist in Effektiv-Werten (RMS, root mean square) der Spannung beschriftet. Aber das gilt nur dann, wenn die zu messende HF Spannung ebenfalls sinusförmig ist, wie die interne Referenz-Spannung von 100kHz. Das Gerät ist also kein "True RMS" Meßgerät.

Ohne diese Regelkreis-Struktur hätte ein HF Millivoltmeter erstens keine linear unterteilte Skala und brauchte zweitens für jede Einstellung des Eingangsteilers eine extra Skaleneinteilung, weil da die krumme Kennlinie der Gleichrichter-Diode voll zum Tragen käme. Tatsächlich gab es zur damaligen Zeit auch derartige Geräte.

Das HP 411A war in so weit ein Meilenstein, als hier (die ursprünglich getrennten) Fachgebiete HF-Technik bzw. Schaltungstechnik und Regelungstechnik verknüpft wurden.

MfG DR

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