Längstwellensender Goliath in Kalbe

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Längstwellensender Goliath in Kalbe 
29.Mar.19 06:56
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

 

Prinzipschaltbild des Längstwellen- Senders Goliath für die Senderstufen 1 bis 3 

nach C.Lorenz AG/ St 519 374 und D 2138

 

Prinzipschaltbild für die Siebkette und die Antennenkreise , nach C.Lorenz AG ST 519 354 und D 2139

In den Jahren 1941 bis 1943 wurde im Auftrage der Kriegsmarine in der Altmark, nordöstlich der Stadt Kalbe an der Milde, ein Längstwellensender errichtet. Nach einer Bauzeit von nur 27 Monaten erfolgte die Inbetriebnahme im Frühjahr des Jahres 1 943. Er war der leistungsstärkste und der einzige in dem Bereich von 15 bis 60 kHz durch- und abstimmbare Sender des aus sieben Längstwellensendern bestehenden Netzes zur Führung der deutschen Unterseeboote während des Zweiten Weltkrieges. Dieser Sender hatte eine Hochfrequenz-Leistung von 1 000 kW. Alle bis dahin bekannten Anlagen dieser Art wurden von seiner Sende- und Strahlungsleistung um ein Mehrfaches übertroffen. Wohl aus diesem Grunde und wegen des notwendigen hohen Aufwandes wurde er »Goliath« genannt. Die eigentliche Sendertechnik und die Konzeption der Antennenanlage stammte von der Firma C.Lorenz in Berlin-Tempelhof und wurde unter der Leitung des Dr. -Ing. Fritz Gutzmann entwickelt, gebaut, montiert und in Betrieb gesetzt. Der Leiter der Sendestelle war der Marine-Funkamtmann Karl Wrackmeyer. Über seine Mitarbeiter sind bisher nur vage Angaben bekannt geworden, sie setzten sich aber aus Portepee-Unteroffizieren und Beamten der Marine zusammen.

Mit dem Sender »Goliath« stellte man die Verbindungen zu den deutschen Kriegsschiffen und Unterseebooten, die in fernen Weltmeeren operierten, aber auch zu festen Funkstellen der damals mit dem Deutschen Reich verbündeten Staaten her. Im Gegensatz zu den Kurzwellen, die in ihrer Ausbreitung stark von den Tages- und Jahreszeiten abhängig sind, waren mit diesem Sender sichere, zuverlässige und weltumspannende Funkverbindungen möglich.

Der »Goliath« arbeitete im Frequenzbereich von 15 bis 60 kHz, das entspricht den Wellenlängen von 20 bis 5 km, wobei die Hauptbetriebswelle des Senders 18.150 m war, analog der Frequenz von 16,53 kHz. Er war vorwiegend für den Tastfunk oder Morse-Telegraphie vorgesehen, konnte aber auf den Frequenzen über 30 kHz mit dem Hellschreiber (Faksimile), einer besonderen Art des Funkfernschreibers, und ab 45 kHz, wenn auch mit eingeschränkter Sprachqualität, mit Telefonie moduliert werden.

Bei einer maximal abgestrahlten Leistung von 900 kW war die Antennenkreis-Leistung des Senders 1000 kW, das entspricht einem Antennenwirkungsgrad von 90% bei 60 kHz, während dieser Wirkungsgrad noch 47% bei der längsten Welle von 20 km (15 kHz) erreichte.

Um diese Leistungen sicher zu beherrschen und die notwendige Effektivität zu erreichen, war die Antenne das Hauptproblem bei der Konstruktion und dem Bau des Senders. Sie sollte einen möglichst hohen Wirkungsgrad besitzen, also eine maximale Leistung bei wenig Verlusten abstrahlen. Das erforderte eine besondere Lösung, die sich von den bisher üblichen Antennenkonstruktionen völlig unterschied. Es wurde das Konzept der mehrfach abgestimmten Antenne gewählt, wie es in den Grundzügen von Alexanderson bereits in den Anfangsjahren der Funktechnik vorgeschlagen worden war, jedoch bis dahin aber nach nie so richtig realisiert wurde. Der Grund dafür ist wahrscheinlich das Fehlen der notwendigen und geeigneten Steuereinrichtungen für die Betätigung der abgesetzten Antennen-Abstimmittel. Beim »Goliath« wurden dafür weitgehend fernbediente Motorantriebe verwendet.

Die Antenne bestand aus drei Dachflächen, die in Form von symmetrischen Sechsecken miteinander verbunden waren. Getragen wurden sie an ihren Eckpunkten von 15 geerdeten Stahlgittermasten von 170 m Höhe. Die Mittelpunkte der drei Sechsecke stützten je drei 203 m hohe Rohrmaste, die an ihren Fußpunkten durch zwei übereinander angeordnete Isolatoren gegen Erde isoliert waren. Zur Potentialsteuerung waren die Isolatoren durch einen Metallkragen getrennt, der gleichzeitig als Regenschutz diente. Dieser Fußpunkt-Isolator soll selbst bei Regenwetter spannungsfest bis 300 kV gewesen sein. Die Rohrmaste wurden über Antennen-Abstimmspulen, die in einem 20 m hohen Haus unmittelbar neben dem jeweiligen Mast aufgestellt waren, mit dem Erdnetz verbunden und so auf die Sendefrequenz abgestimmt. In der Mitte des Dreiecks, das von den Seiten der drei Sechsecke gebildet wurde, stand das Sender-Betriebsgebäude, das den Sender mit allen Hilfseinrichtungen sowie die Hauptabstimmspule in dem sogenannten Variometerturm enthielt. Von dort aus wurde die Antenne, jedes Dreieck getrennt, mit je einer zweidrähtigen Zuführung gespeist. Jede der Antennenabstimmspulen hatte eine Höhe von 5 m und einen Durchmesser von 3,5 m sowie ein Gewicht von insgesamt 5000 kg. Die äußere Spule war mit schaltbaren Abgriffen versehen und hatte eine Wicklung aus Hochfrequenzlitze von 7 x 50 mm² Querschnitt. Zur Induktivitätsänderung und damit zur Abstimmung wurde eine Tauchspule verwendet, die, bei einem Durchmesser von 3,2 m, aus 42 getrennten Kurzschluß-Windungen - Hochfrequenzlitze 1 0 mm2 - bestand. Diese senkrecht stehende Tauchspule kannte in ihrer Höhe durch einen ferngesteuerten Präzisionsantrieb mit einer Genauigkeit von 0,1 mm eingestellt werden. Die Gesamtscheinleistung der Antennen-Abstimmspulen war etwa 500.000 kVA.

Eine künstliche Antenne, für 1 000 kW Leistung dimensioniert, konnte so zur Bedämpfung der Antenne und damit zur Vergrößerung der Bandbreite geschaltet werden. Dadurch wurde es möglich eine höhere Tastgeschwindigkeit zu erreichen, jedoch erfolgte dadurch zwangsläufig eine Verminderung der abgestrahlten Leistung.

Das Erdnetz bestand, wegen des kriegsbedingten Materialmangels, aus feuerverzinkten Eisenbändern mit den Abmessungen 20 mm x 2 mm bzw. 30 mm x 2 mm, von denen jeweils 204 Bänder, mit einer Länge von maximal 540 m, strahlenförmig von jedem Mittelmast und vom Betriebsgebäude ausgingen. An den Stellen, an denen sich die einzelnen Erdungsbänder überschnitten, waren sie mit einem gemeinsamen Leiter verbunden. Das in dem wasserreichen Teil des Urstromtales der Elbe verlegte Erdnetzmaterial hatte eine Gesamtlänge von etwa 465 km. Es wurde mit einer Lebensdauer von etwa vier bis fünf Jahren gerechnet, dann sollte das Erdnetz erneuert werden. Die Verlegung erfolgte mit einem Spezialpflug, der von zwei 75-PS-Raupenschleppern gezogen, in einem Arbeitsgang den Erdboden bis etwa 30 bis 40 cm Tiefe aufriss, das Erdungsband von einer Trommel in die gezogene Furche abrollte und anschließend wieder mit Erdboden abdeckte.

Das dachförmige Antennengebilde überdeckte fast völlig die Fläche von etwa 270 Hektar des gesamten Geländes der Sendestelle. Die Antenne bestand aus insgesamt 50 km Stahl-Aluminium-Hohlrohrseilen. Dieser riesige Parallelschwingkreis nahm einen Strom von 2500 A bei einer Spannung von 200 kVeff auf und hatte eine Kapazität von 113.000 pF.

Der eigentliche Längstwellensender bestand aus einem vierstufigen Steuersender und einem dreistufigen Leistungsverstärker oder Hauptsender. Der Steuersender war in zwei Bereiche unterteilt und konnte entweder auf zwölf quarzgesteuerten Frequenzen oder mit einem durchstimmbaren Steueroszillator betrieben werden. Der Modulationspegel wurde der Treiberstufe zugeführt und linear auf 600 W verstärkt. Mit dieser Leistung wurde der dreistufige Senderverstärker angesteuert, dessen erste und zweite Stufe linear war, während die dritte und letzte Stufe für die Morse-Telegraphie in Anoden-C und für die Hellschreiber und Telefonie-Übertragung in Anoden-B-Modulation geschaltet wurde. Zur Reduzierung der Abstrahlung der harmonischen Oberwellen war dem Hauptsender ein dreistufiges Tiefpass-Filter nachgeschaltet. Der gesamte Sender wurde von einem zentralen Bedien- und Steuerpult, einem Erzeugnis der AEG, überwacht und geschaltet. Es war möglich mit zwei Mann in weniger als fünf Minuten den Sender auf eine andere Frequenz abzustimmen.

Der Sender wurde durchweg nur mit Röhren der Firma TELEFUNKEN betrieben, von denen die sechs mit Wechselstrom geheizten und wassergekühlten Leistungsröhren vom Typ RS 301 die interessantesten sind. Bei einer Länge von 1 ,90 m, wog die Röhre mit Kühltopf 90 kg. Wegen ihres Gewichtes und der Abmessungen konnte sie nur mit einem besonderen Röhrenwagen transportiert werden. Bei einer Heizspannung von 1 4,5V bis 1 6V, die für jede Röhre besonders angegeben wurde, war der maximale Heizstrom 1 600 A und die maximale Anodenverlustleistung 150 kW bei 10 kV Anodenspannung. Die mit der Röhre erzeugte Nutzleistung belief sich auf etwa 200 kW. Zur Abführung der entstehenden Wärme waren für jede Röhre 1 25 Liter Wasser pro Minute erforderlich und auch die Katodenzuführungen mussten gekühlt werden, dafür genügten aber nur 8 Liter in der Minute. Der Stückpreis für eine Röhre dieses Typs betrug 8.400 RM. Der Gesamtpreis für einen kompletten Satz Betriebsröhren belief sich auf 106.638,50 RM.

Die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit des Senders »Goliath« war für den damaligen Stand der Technik sehr hoch. Mit zwei Mann konnte der Sender innerhalb von fünf Minuten auf jede Frequenz des zur Verfügung stehenden Bereiches abgestimmt werden. Die tägliche Betriebszeit soll zwanzig Stunden betragen haben für einen Zeitraum von sechs Tagen, danach musste ein Tag für die erforderlichen Wartungs- und Erhaltungsarbeiten eingeschaltet werden. 

Zur Führung der Unterseeboote wurde der Sender von der Befehlsstelle des Befehlshabers der U-Boote, zuletzt aus Bernau bei Berlin (»Koralle«), ferngetastet. Eine Fernschaltung oder -bedienung war damals nicht möglich.

Die Gesamtkosten der gesamten Anlage sollen einschließlich aller technischen Einrichtungen, der Gebäude und des Geländes etwa 1 5 Millionen Reichsmark betragen haben. Kurz vor Kriegsende wurde vor den heranrückenden amerikanischen Truppen Teile des Senders zerstört. Variometerwicklungen wurden zerschnitten, Messinstrumente ausgebaut, der Steuersender mit den Stufen 1 bis 4 nachhaltig gelähmt und vor allen Dingen in dem Hauptsender die Röhren RS 301 der Endstufe unbrauchbar gemacht. Das Personal der Sendestelle wurde in den ersten Apriltagen des Jahres 1945 in die Gegend von Heide in Holstein kommandiert und soll dort den mobilen Längswellensender »Felix« im Auftrage der Regierung Dönitz betrieben hoben. Die Amerikaner besetzten das Gelände des »Goliath« am 11. April 1945 und nutzten es als Kriegsgefangenenlager, wahrscheinlich wegen der vorhandenen hohen Umzäunung. Noch Berichten von Beteiligten sollen auf dem freien Feld zwischen den Antennenmasten bis zu 85.000 Mann kampiert und gehungert haben. Nach wenigen Wochen wurde die amerikanische Truppe durch eine britische Einheit abgelöst. Ende Juni 1945 rückte die Sowjetarmee in die Altmark ein. Die Russen ließen den Sender und die Antenne von deutschen Firmen reparieren, setzten die Anlage noch einmal in Betrieb und demontierten unter Aufsicht der sowjetischen Marine den gesamten »Goliath«. In viele Kisten verpackt wurde das Material nach Rußland transportiert und dort wieder aufgebaut. Während amerikanische Quellen die Nähe von Nishni Nowgorod, östlich von Moskau 56,2°N, 44°O, als neuen Standort nennen, behaupten andere es sei die Gegend um Charkow. Jedenfalls soll dieser Sender aber nie wieder seine alte Leistung und den früheren Wirkungsgrad erreicht haben.

Von den deutschen Unterseebooten liegen aus den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges Unterlagen über Empfangsbeobachtungen des »Goliath« vor. Diese Ergebnisse wurden den Angaben zufolge mit dem Peilrahmen, also einer Rahmenantenne und dem Peilempfänger gewonnen, wobei auch orientierende Peilungen unter Wasser vorgenommen werden konnten. Diese Empfangsergebnisse wurden beim Tastfunkbetrieb (Morse) mit Lautstärken 2 bis 3 der damals fünfstufigen Lautstärkeskala, und mit dem in das Empfangsmaximum gedrehten Peilrahmen erreicht. Das soll einer Feldstärke von 2 bis 5 µV/m entsprochen haben. Als Empfänger diente der seit 1938 eingesetzte TELEFUNKEN Peil-Überlagerungsempfänger T 3 PL Lä 38 mit der dazugehörigen ausfahrbaren Rahmenantenne, der eine wesentliche Verbesserung gegenüber den bis dahin benutzten sogenannten Geradeaus-Empfängern darstellte. Für den Empfang und die Peilung der Längswellen stand der Bereich von 5 bis 33 kHz zur Verfügung. Diese Beschränkung des zu empfangenden Frequenzbandes war offensichtlich ein Ergebnis der Überlegung, dass die Funkwellen mit zunehmender Frequenz weniger tief in das Seewasser eindringen. Die Rahmenantenne war damals, wegen ihrer Richtwirkung und der Notwendigkeit des Ausfahrens mit Druckluft bis etwa einen Meter über die Oberkante des Brückenschanzkleides des Unterseebootes, ein etwas schwierig zu handhabendes Gerät. Die späteren U-Boote mit hoher Unterwassergeschwindigkeit unterlagen beim Längstwellenempfang einer taktischen Bindung, da auch die neue, ölhydraulisch auszufahrende Rahmenantenne bei Unterwassergeschwindigkeiten von mehr als acht Knoten in starke Schwingungen geriet. Neue Antennen waren in der Entwicklung, jedoch kamen sie nicht mehr zum Einsatz. Materialien wie die Ferrite, die heute für die modernen Längstwellen-Empfangsantennen verwendet werden, waren damals noch nicht technisch verwendbar.

Auch für kommerzielle Aufgaben soll der »Goliath« eingesetzt worden sein, so mit ständiger und absoluter Betriebssicherheit für die Verbindung Berlin-Tokio, anstelle der oft durch das Nordlicht und andere ionosphärische Einflüsse gestörten Kurzwellenverbindung dieses Verkehrskreises

Nach jüngsten Informationen war Ende April 1947 die Demontage des besten und leistungsstärksten Längstwellensenders der Kriegsmarine beendet. Danach wurden von den Russen alle Gebäude des »Goliath« gesprengt und das Gelände später landwirtschaftlich genutzt. Reste des Erdnetzes sollen die Bauern dann mit ihren Traktoren aus der Erde gezogen haben, weil sie beim Pflügen der Äcker davon behindert wurden. Obwohl inzwischen Bäume auf ihnen gewachsen sind, sind die Trümmer des »Goliath« heute noch deutlich zu erkennen. Nur ein Fundament eines 1 70-m-Gittermastes blieb nahezu unbeschädigt übrig, anscheinend wurde es bei den Sprengungen vergessen. 

Nach dem Krieg wurde das Gelände von den Amerikanern kurzzeitig als Kriegsgefangenenlager für Deutsche Soldaten benutzt, zeitweilig sollen bis zu 80.000 Mann dort kampiert haben.

Ein interessanter Zeitzeuge berichtet:

Herr Architekt Richard Breither, ehemaliger Bauleiter der Firma Ludwig Schneider erzählt nach seinen Erinnerungen.

Das Projekt "Goliath" war damals von dem Neubauamt der Kriegsmarine öffentlich ausgeschrieben worden und unser Büro in Berlin holte die Unterlagen zur Abgabe eines Angebotes.

Die Geschäftsführung meiner Firma in Gießen hatte mich mit der Kalkulation des Angebotes betraut. Unter größter Konkurrenz von Großfirmen hat uns das Neubauamt den Auftrag erteilt. Da ich bis zur Auftragserteilung für die Fern-kabel AG in Suwalki in Polen eine Baustelle für Fernkabel hatte, wurde ich acht Tage vor Ausbruch des 2. Weltkrieges von dort abgerufen zur Ubernahme der Baustelle in Kalbe (Milde).

Bei einer Begehung des für den Bau der Funkstation vorgesehenen Areals mit den Herren der Marinebauleitung zeigte sich ein Wiesengelände in ebener Form, auf dem das Vieh der benachbarten Dörfer weidete. Nach der Besichtigung der Baustelle liefen dann in Gießen die Vorbereitungen zur Einrichtung der Baustelle an. Das meiste Gerät und Material wurde per Bahn in Marsch gesetzt und über den Gleisanschluß der Kleinbahn zur Baustelle befördert.

Ich nahm meine Tätigkeit in Kalbe auf und begann mit dem Aufbau einer massiven Baracke mit Büro, Küche, Vorratsroum, Wohn- und Schlafraum für das Stammpersonal sowie für ein Magazin und die Werkstatt. Nach deren Fertigstellung kamen von der Firma Schneider 60 Stammfachleute, die zum Teil auf der Baustelle und zum Teil in Kalbe Quartier bezogen. Als weitere Maßnahme wurden für die französischen Kriegsgefangenen, die schon längere Zeit bei der Firma waren, eine Unterkunft geschaffen und ein Zaun um dieses Areal hergestellt. In der Folge erhielten wir dann Zuteilungen von Gefangenen, wie Serben, Russen und Kroaten, die direkt von der Front in Waggons in Kalbe ankamen. Hier zeigte sich ein fürchterliches Bild des Gesundheitszustandes dieser Leute. Sie waren bei ihrer Ankunft völlig ausgehungert und verlumpt. Nachdem wir die Waggontüren geöffnet hatten, mußten wir feststellen, daß bei dem Transport schon acht Mann gestorben waren. Die anderen Gefangenen hatten sich außerdem bereits deren Kleider angeeignet. So hatten wir die traurige Pflicht sofort Beerdigungen vornehmen zu müssen. Diese Leute wurden dann einschließlich der zugehörigen Wachmannschaften in einem besonderen, von den übrigen abgetrennten Lager untergebracht. So waren 300 Gefangene zu versorgen. Durch eine eigene Küche der Firma versuchte man die Leute in einen körperlichen Zustand zu versetzen, der es ihnen ermöglichte zu Kräften zu kommen, um überhaupt die Bauarbeiten verrichten zu können. Hier habe ich zur Selbsthilfe gegriffen. In Kalbe kaufte ich von dem Gut Alvensleben 400 Zentner Kartoffeln ohne Bezugschein, um wie gesagt die körperliche Situation der Gefangenen zu verbessern. Da diese Handlung, Waren ohne Bezugschein zu besorgen, verboten war und unter strenger Strafe stand, wurde dieser Vorgang gemeldet. Der Stalag-Kommandant suchte mich auf und hielt mir einen langen Vortrag über die strafrechtlichen Folgen einer solchen Handlungsweise. Da ich aber ein gutes Verhältnis mit ihm hatte und wir uns wohl auch gegenseitig irgendwie sympatisch waren, hat er selbst beim Wirtschaftsamt in Magdeburg für die Nachlieferung der Bezugscheine gesorgt. Wie schon gesagt, die uns zugeteilten Fleischwaren für die Gefangenen bestanden aus Pferdefleisch, das schon bei der Abholung unbrauchbar war, um es ganz vorsichtig ausdrückt zu sagen. Ich mußte deshalb eine andere Quelle suchen, um genießbare Lebensmittel zu erhalten. Hierbei muß ich meiner Quartierwirtin, Frau Giese, die einen Fleischereibetrieb hatte, heute noch Dank sagen. Hat sie mich doch in jeder Hinsicht in meiner Absicht unterstützt.

Schon morgens um 4 Uhr fuhr ich mit Frau Giese mit deren PkW und Anhänger in die Umgebung und kauften zusammen Vieh ein. Nach Rückkehr von diesen Fahrten ging es dann schnell wieder zu meiner Baustelle. Von der Firma hatte ich einen Zweisitzer-DKW zur Verfügung, mit dem ich dann immer wieder schnell an Ort und Stelle war. Nebenbei bemerkt, dieses Fahrzeug lief mit Dieselöll. Nachdem wir das Vieh zu Hause hatten, die jüngeren Männer waren ja alle zum Dienst in der Wehrmacht eingezogen, hat ein alter Meister aus Kalbe, dessen Name mir nicht mehr in Erinnerung ist, montags geschlachtet. Zur Verstärkung habe ich einen Franzosen, der von Beruf Fleischer war, montags aus dem Lager hingebracht, damit der alte Mann Unterstützung hatte. Der Franzose ist zuletzt mit dem Fahrrad von der Baustelle zur Fleischerei gefahren, ein Beweis dafür, daß der Mann zu uns Vertrauen hatte und nicht ausgerückt ist.

Es war für Frau Giese schwer in dieser Zeit einen Betrieb in Gang zu halten, denn ihr Sohn Wilhelm war Soldat. Ihr Sohn Horst war vom Militärdienst befreit und von Beruf Bäcker. Er hat einen meisterlosen Betrieb in der Nähe von Kalbe geführt. Bei dieser Gelegenheit möchte ich nicht versäumen zu erwähnen, daß nach Rückkehr aus dem Krieg der Sohn Wilhelm meine Sekretärin, die heutige Frau Lotti Giese, geheiratet hat. Sie wohnte dann noch dreizehn Jahre in Kalbe, und ist nach dem Ableben ihres Mannes wieder in ihren Heimatort bei Gießen gezogen.

Trotz unserer wenigen Zeit haben wir noch Erntehilfe geleistet und an Sonntagen mit einer freiwilligen Truppe meiner Mannschaft Kartoffeln geerntet. Dabei fiel mir die Aufgabe zu, mit eienm alten Lanz Bulldog die Ernte einzufahren.

 

Das nächste Kapitel soll nun die Baulichkeiten und die bauausführenden Firmen beschreiben , die an der Anlage "Goliath" beteiligt waren:

1. Die Bauleitung lag in den Händen von Herrn Dipl.-ing Martin vom Marine- Neubauamt Berlin.              2. Für den Funkteil hat Herr Karl Wrackmeier, Funkamtmann für die Werft Wilhelmshaven gezeichnet.

3. Die Firma Ludwig Schneider, Bauunternehmung aus Gießen /Lahn war für alle Beton- und Stahlbetonarbeiten mit vielen Sonderkonstruktionen sowie Erdbewegungen von 40000 m3 und sehr schwierigen Fundationsarbeiten für die wasserdichte Wanne des Sende- und Dieselhauses, sowie der Kühltürme und der Kläranlage sowie der Tankanlage mit den dazugehörigen Maurerarbeiten verantwortlich.

4. Die Grundwasserdichtung machte die Firma Stapelfeld , Berlin, auf die von uns vorbereitete Wanne. Hier wurden dann Spezialdichtungsbahnen im Heißverfahren aufgeklebt, so daß wir dann anschließend unsere Betonwände erstellen konnten.

5. Die Maurerarbeiten an den Betriebsgebäuden wurden von der Firma Lühmann und Partner als ortsansässige Firma aus Kalbe ausgeführt. 

6. Die für die Antennenanlage zuständige Firma war die Firma Hein, Lehmann & Co Berlin - Tempelhof. Der örtliche  Bauleiter war Herr Hindenberg, der Montageleiter Herr Walter Knappe. Den Auftrag für die Fundamente der Maste hatte eine Firma aus Wolfenbüttel. Der Bauleiter war mein Kollege Herr Frey, der auch die Häuser für die Antennenspulen und Abstimmmittel am Fuß der Rohrmasten erstellte.

Die Mastanlage für jeden Sendekreis, es waren drei an der Zahl, bestanden aus einem runden Mittelmast von 200 m Höhe und einem Durchmesser von 2 m. Dieser Mittelmast stand auf einer 60 cm starken Porzellankugel zur Abschirmung gegen das Erdreich. Weitere fünf Dreiecksmaste mit einer Höhe von 1 70 m gehörten zu jedem Sendekreis. Die Abspannung der Maste geschah durch Pardunen. Dazu wurden, durch die Firma Hein, Lehmann & Go. auf der Baustelle, 70 Stahldrähte auf einer Anlage hergestellt, die dann mit einem verdrillten Draht umwickelt wurden und in Eisenschlaufen an den Befestigungspunkten eingeführt und mit Antimon vergossen wurden, so daß eine Stabilität gesichert war.

Von dem Mittelmast aus gingen dann verdrillte Alu-Seile als Hohlseile in der Abstufung von 200 bis 1 70 m, in deren Inneren sich Stahlseile als Tragseile befanden. Die Abspannung der freistehenden Maste wurde pro Einheit mit je neun Pordunen versehen. Zu den drei Häusern an den Sendemasten wurden dann im Gelände sternförmig verzinkte Erdbänder verlegt. Hierzu wurde von dem Leiter der Firma Lorenz, Herrn Dr.Gutzmann, eine neue Hanomag-Raupe so umgebaut, daß ein pflugartiger Sporn eine RiIle in der Breite des Erdbandes zog, eine anhängende Rolle das Erdband in die Rille verlegte und ein weiterer Sporn das verlegte Band eindeckte. Auf dem Gelände wurden insgesamt 465 km verzinktes Erdband verlegt.

Da unser Auftrag ja für

1. Das Sendergebäude

2. Das Dieselhaus

3. Die Tankanlage

4. Das Nebengebäude

5. Die Kühltürme

6. Die Kläranlage

7. Sendeanlage

8. Erdbewegungen und Anlagen von Viehtränken

9. Der Eisenbiegeplatz

10. Der Zimmerplatz

11. Die Werkstätten

12. Die Betonaufbereitungsanlage

13. Der Aufzug

Zu einigen der vorstehenden Punkte möchte ich nunmehr detailierte Ausführungen machen:

Zu 1. Sendergebäude

Das Sendergebäude war unterkellert, mit einer Spezialgrundwasserdichtung versehen und mit einer 70 cm starken Bodenplatte bewehrt. Weitere Sonderkonstruktionen waren z.B. die Aussparung des Spulenturms mit einem Durchmesser von 8 m.

Bei der Betonierung der Kellerdecke, noch vorheriger Abnahme durch die Bauleitung, war zur damaligen Zeit noch kein Kran üblich zum Transport der Betonmassen; sondern es wurden Schienenstränge mit Drehscheiben verlegt, so daß man nach allen Richtungen fahren konnte. Das Transportmittel dazu war ein Rundkipper, d.h. ein Rollwogen mit einem halbrundem Aufbau und einer Kippvorrichtung nach allen Seiten, in dem der flüssige Beton zu den Verwendungsstellen transportiert wurde. Die Gleisanlage hatte jeweils zu den Öffnungen in der Decke eine zweifache Sicherung und zwar waren zwei Kanthölzer, die als Prellbock dienen sollten, aufgeschraubt, so daß regulär eine Begrenzung der Fahrbahn gegeben war.

Am Tage der Betonierung der Kellerdecke hoben wir nach der Abnahme durch die Bauleitung um 7 Uhr mit den Betonarbeiten begonnen. Um 1 2 Uhr bin ich zum Essen nach Kalbe gefahren und mein örtlicher Vertreter war während meiner Abwesenheit der Oberpolier F.Knortz. Ich fuhr noch Hause, kam gerade an als das Telefon klingelte und mein Oberpolier mir berichtete, daß wir einen Toten hätten. Sofort fuhr ich wieder zur Baustelle zurück und stellte fest, daß sich folgender Vorfall ereignet hatte:

Zwei französische Kriegsgefangene, die schon als Facharbeiter und als zuverlässig galten, kamen mit einem Rundkipper an die Absperrung am Spulenturm. Sie rammten die Absperrung ‚ die flüssige Betonmasse verlagerte sich, der eine Franzose ließ los, der andere hielt sich an dem Rundgitter fest und fiel durch die Öffnung des Spulenturms in das Kellergeschoß. Die Verletzungen waren so groß und schwer, daß jede ärztliche Hilfe zu spät kam.

Diesen Zwischenfall habe ich meiner Firma in Gießen sofort gemeldet, sowie dem Gewerbeaufsichtsamt in Magdeburg und der zuständige Polizeibehörde. Die Untersuchungen des Unglücks begannen noch am gleichen Tag und dauerten drei Tage. Man machte mich zunächst für diesen Unfall verantwortlich, aber noch der abgeschlossenen Untersuchung wurde ich natürlich von dem Verdacht der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Trotzdem hat mich und alle anderen Mitarbeiter auf der Baustelle dieser Unfall sehr betroffen gemocht, auch wenn sich niemand einer Schuld bewußt war.

Weiter zu den Bauarbeiten des Sendergebäudes.

Alle Konstruktionen wurden in Stahlbeton ausgeführt und zwar aus dem Grund, daß bei einer Holzkonstruktion des Daches die einzelnen Nägel durch die lnduktionsströme des Senders zum Glühen gekommen wären. So mußten für die Dacheindeckung die Dachlatten aus Beton gefertigt werden. Hierbei ist ein Vorfall zu erwähnen: Am 9. Dezember 1941 habe ich der Bauleitung gemeldet, daß wir bereit seien, das Sendehausdach zu betonieren. Die Thermometer zeigte an diesem Morgen minus 9 Grad Celsius. Darauf machte mich Herr Martin von der Bouleitung aufmerksam. Er war der Meinung, daß wir bei dieser Temperatur besser nicht betonieren sollten. Ich habe daraufhin Herrn Martin erklärt, daß ich das Risiko auf mich nehmen werde, da man nicht wußte, wie die Temperaturen an den folgenden Tagen sich entwickeIn würden. Er akzeptierte meine Entscheidung und wir begannen mit dem Betonieren. Alles lief gut bis nachmittags gegen 1 5 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt fiel plötzlich unsere Wasserversorgung aus, die aus dem eigenen Brunnen mit Pumpanlage erfolgte, und wir mußten notgedrungen das Betonieren einstellen. Wir hatten gerade die Hälfte der Dachdecke betoniert und damit keinen Abschluß. Jetzt stand ich vor der Frage: "Was tun ?" Ich führte ein Blitzgespräch mit meiner Firma in Gießen, einer zur damaligen Zeitpunkt sehr schwierigen Maßnahme. Aber auch von dort konnte mir keine Hilfe zuteil werden. Ich habe daraufhin gehandelt und meinen Maschinenmeister beauftragt die Pumpe auszubauen und zu der Lieferfirma der Löwe-Pumpen, die in Salzwedel, also in der Nähe von Kalbe, ein Werk hatte, eine neue Pumpe zu besorgen. Die Pumpe kam, wurde eingebaut und war gegen 20 Uhr wieder betriebsbereit. Wegen der einbrechenden Dunkelheit konnten wir allerdings die Betonierungsarbeiten nicht weiter fortsetzen. Als Sofortmaßnahme in dieser Situation habe ich von meinen Leuten alle Ölfässer aufschlagen und unten mit Eisenstäben versehen lassen, so daß ich diese Fässer unter die Abstützung der Dachkonstruktion stellen konnte. Eine Mannschaft wurde anschließend abgestellt, die in den so vorbereiteten Fässern ein leichtes Feuer machte. Die hierbei entstehende Wärme sollte den bereits zwischen die doppelte Schalung eingebrachten Beton anwärmen, um ein frühzeitiges Abbinden zu verhindern. Meine Theorie ging auf, obwohl mich diese Situation eine weitere schlaflose Nacht kostete. Am kommenden Morgen bei Tagesanbruch bin ich auf die Dachfläche gestiegen, habe eine Betoneinfülluke geöffnet und habe festgestellt, daß bei dem Beton noch eine weiche Konsistenz vorhanden war. Ein wenig Glück stand mir natürlich auch zur Seite, da die Temperaturen in der Nacht auf 0 Grad angestiegen waren. So haben wir am Morgen sofort damit begonnen, alle bereits betonierten Flächen des Daches wegen des besseren Verbundes mit einer Spezialmischung zu versehen. Anschließend konnten wir die Dachfläche fertig betonieren. Noch 28 Tagen wurde planmäßig ausgeschalt, wobei sich keine Absätze zeigten. Auch die Prüfung mit dem Prallhammer zeigte gleichmäßige Ergebnisse. Man muß, wie so schön gesagt, auch einmal etwas wagen und Glück gehört manchmal auch zum Geschäft.

Zu 2. Dieselhaus

Beim Bau des Dieselhauses, das in der gleichen Ausführung, wie bei dem Senderhaus beschrieben, erstellt wurde, passierte uns folgender Vorfall: Bei den Ausschachtungsarbeiten, bei denen der 0 & K-Bagger mit 50 t Gewicht eingesetzt war und bedingt durch schlammigen Boden und Triebsand auf Matrazen aus Holz stand, rutschte uns dieser bei einer Drehung seitlich ab und lag im Morast der Baugrube. Mehrere Tage benötigten wir mit allen Hilfsmitteln, die wir zur Verfügung hatten, den Bagger wieder flott zu bekommen. Allgemein muß zu den Vorgängen erwähnt werden, daß wir mit unserer Baustelle der sog. Baustufe 00 angehörten, was absolute Dringlichkeit und Priorität in Bezug auf die rechtzeitige Fertigstellung hatte. Obwohl uns also vorgenannte Widrigkeiten zeitlich arg zurückgeworfen hatten, konnten wir durch hervorragenden Einsatz aller Beteiligten den Rückstand wieder aufholen. Und das obwohl die Mannschaft aus Stammpersonal und Kriegsgefangenen bestand. Noch den Ausschachtarbeiten wurde auch wieder mit der Grundwasserdichtung nach dem System des Senderhauses begonnen. Die Grundplatte hatte eine Stärke von 70 cm mit starker Bewehrung. Auf der Platte wurden zwei Längsfundamente in einer Höhe von 1 m und einer Stärke von 60 cm erstellt. Auf diese Längsfundamente wurden Federböcke in den Abmessungen 50 x 50 cm und einer Höhe von 60 cm aufgebracht, mit je einem Federpaket von neun Federn bei einer Federstärke von 3,5 cm. Diese Böcke wurden benötigt für die beiden Dieselmotoren von je 4.000 PS für die Notstromaggregate zur Aufnahme der Anlaufschwingungen der Motoren. Von dem Dieselhaus ging ein Rohrregister von 32 Rohren in die danebenliegende Tankanlage mit entsprechender Grundwasserdichtung.

Zu 3. Tankanlage

Die Tankanlage war betoniert mit Sohle und vier Wänden. Zu erwähnen ist, daß wir auf dem Gelände eine zentrale Pumpanlage hatten, die das Grundwasser auf eine bestimmte Höhe absenkte und diese dann einhielt. Unsere Betonarbeiten konnten dadurch im Trocken vorgenommen werden. Eines Tages erhielt ich von der Bauleitung eine Aufforderung, in der mir durch Herrn Martin mitgeteilt wurde, daß ein Schreiben der obersten Bauleitung gekommen sei, in dem angeordnet wurde, daß die Wasserhaltung aus Kostengründen sofort eingestellt werden müsse. Ich habe gegen diese Anordnung protestiert und ein Schreiben an die Bauleitung gegeben, daß ich keinerlei Verantwortung für diese Maßnahme übernehmen kann, da die betonierte Tankanlage noch keine Auflast durch Tank und Decke hatte.

Doch "Befehl ist nun einmal Befehl" und das Pumpen des Wassers der Grundwasserabsenkung wurde eingestellt! Am nächsten Morgen war mein erster Gang zur Tankanlage, die unmittelbar neben meinem Büro lag. Ich bemerkte sofort, daß etwas nicht stimmte. Ich holte mein Nivellierinstrument, stellte nach Prüfung der vier Eckpunkte der Tankanlage fest, daß die Wanne, mit einem Eigengewicht von ca. 200 t, sich an der Ecke der Rohrdurchführung vom Dieselhaus zur Tankanlage um 29 cm gehoben hatte und das nach Einstellung der Grundwasserabsenkung. Ich habe Herrn Martin und Herrn Wrackmeier sofort geholt und ihnen das Ergebnis ihrer Anordnung gezeigt. Herr Martin fragte mich: "Was wollen Sie jetzt machen?" Da gab es von mir nur eine Antwort: "Die Pumpe der Grundwasserabsenkung sofort wieder anstellen, den Ablaufschlauch der Pumpe in die Wanne hängen und die Wanne mit Wasser füllen!" Vielleicht denkt man nun, an dieser Stelle hätte die Tankanlage auch noch ein Schwimmbad werden können. Wie wahr!

Aber wieder im Ernst: Nach Einbringen dieser Wassermasssen als Auflast in die Tankanlage hat es sich so ausgewirkt, daß die Wonne an einem Punkt um 27 cm in die alte Lage zurückging. Die verbleibende, kleine Differenz war unbedeutend für das Bauwerk. Allerdings stellte sich durch die Hebung der Wanne eine neue Schwierigkeit ein, die darin bestand, daß verschiedene Rohre dieses Registers eingeknickt waren. Diese mußten natürlich ausgewechselt werden und mit einer neuen Abdichtung gegen Grundwasser geschützt werden.

Zu 5. Kühltürme

Die Gründung der Fundamente war einfacher, weil wir die reguläre Fundamenttiefe für die Platte brauchten. Der Aufbau wurde von einer Berliner Firma du rchgeführt.

Zu 6. Kläranlage

Bei dem Aushub der Kläranlage hatten wir große Schwierigkeiten, denn der gewählte Standort dieser Anlage lag in einem besonderen Gebiet von Triebsand. Wenn man eine Schaufel Sand aufnahm, kamen einem zwei entgegen. So mußte eine Spundung geschaffen werden, um überhaupt die Ausschachtungsarbeiten und die danach folgenden Arbeiten bewältigen zu können. Durch die Wiederaufnahme der Grundwasserabsenkung der Tankanlage ist es uns gelungen, die Betonarbeiten zügig durchzuführen.

Zu 7. Sendeanlage

Der Sender "Goliath" war eine einmalige Neukonstruktion unter der Federführung der Firma G. Lorenz AG., Berlin-Tempelhof. Der Chefkonstrukteur war Herr Dr. Gutzmann mit seinem Mitarbeiter Herrn Dr. Dietsch. Der örtliche Bauleiter war Herr Heumann, der Montageleiter Herr Koch. Herr Dr.Gutzmann war die meiste Zeit mit auf der Baustelle, hat Hand angelegt, wo es fehlte und die Probleme selbst an Ort und Stelle geklärt. Ich muß sagen, das Team dieser Firma war hervorragend und uns verband ein partnerschaftliches Verhältnis. Auch die Firma AEG hat im Verbund mit der Firma Lorenz die Gleichrichteranlagen gebaut und alle Verdrahtungen der Anlage durchgeführt. Für den Sender wurden durch die Firma Telefunken sechs Senderöhren von 2 m Höhe und 60 cm Durchmesser mit Spezialtransporten einzeln angeliefert.

 

Neuer Standort (nach Auslagerung durch sowjetische Kräfte nach 1945 auf russisches Territorium):

 

Originalaussagen von Boris Grigoriewitsch Tschurotschkin.

Die Anlagen des Goliath wurden, so besagen die Nachrichten aus Russland nach der Demontage zunächst in der Nähe von Leningrad eingelagert. 1949 wurde dann der Beschluss gefasst, den Goliath wieder aufzubauen. Es wurde ein Gebiet gesucht, welches möglichst weit von den Grenzen entfernt lag, (hier sollte nicht vergessen werden, dass der Krieg gerade erst vorbei war) und daneben ähnliche Bodenverhältnisse aufwies wie der alte Standort bei Kalbe Milde.
1952 war der Sender wieder errichtet, es war der erste Längstwellensender der damaligen Sowjetunion. Der Standort wurde am Fluß Kudma im Gebiet Kstowsk östlich von Moskau in der Nähe von Nishnij Nowgorod ausgewählt. Der Sender war damit ca 400 km von Moskau, 900 km von St. Petersburg und 2.122 km von Kalbe entfernt wieder aufgebaut. Entfernungen sind für Längstwellen nicht das Wichtigste, die Reichweite ist enorm, wichtig waren günstige Bodenbedingungen zur Erzeugung der Sendeleistung vorzufinden.
Welche Leistungsfähigkeit erreicht wurde kann nicht genau gesagt werden. Bis auf geringfügige Wartungsarbeiten hat der Sender nach russischen Angaben ununterbrochen seinen Dienst erfüllt. Er ist bis heute in Funktion und dient wie nach dem ursprünglichen Bau hauptsächlich militärischen Aufgaben. Der Sender wird mitten auf dem Land durch eine Einheit der Marine betrieben. Daher wurde auch ein Artikel vom 27.07.2007 in der Regionalen Zeitung des Kstowsker Gebietes anläßlich des Tages der Seestreitkräfte mit dem Titel "Die Seestreitkräfte tauchen im Gebiet auf... Dank des Bodens" überschrieben.

Ursprünglich wurde der Goliath auf freiem Feld errichtet, in den Jahren siedelten sich jedoch vorwiegend Offiziere in der Nähe des Senders an. Nach 1960 erhielt das Gebiet den Status einer Siedlung, "Druschny" wurde der Ort genannt, was soviel wie "Eintracht" bedeutet.

Es ist schon erstaunlich, dass der Sender, der 1945 - 46 abgebaut wurde, heute noch steht und vor allem immer noch in Betrieb ist. Hervorzuheben ist auch, dass noch vor 20 Jahren ein derartiger Briefwechsel undenkbar gewesen wäre.

Der Goliath bei Kalbe Milde ist zu finden unter Breite: 52.669174°; Länge: 11.421862° 
- Ort finden über GeoNames -

Der Goliath bei Druschny ist zu finden unter Breite: 56.170833° Länge: 43.936111°. - Ort finden über GeoNames -

Aus Russland existieren Fotos vom alten Goliath als auch vom neuen Standort.

Der Goliath (auf russisch Goliaf) im Jahr 2006/2007

 

Information in der Gebietszeitung "Majak" vom 26.Oktober 2007

 

 

 

 

 

 

 

 
 



 

Übernahme des Artikels gekürzt von Radio Oberlausitz International - vielen Dank - 

Quellen:

 

1. Sowjetische Kriegsenzyklopädie in 8 Bänder, Moskau, „Militärverlag“ 1976-1980
2. Wörterbuch der Kriegsmarine, Moskau, Militärverlag 1989
3. Diplomatisches Wörterbuch in 2 Bänder, Moskau, „????“ (Name eines Verlags) 1950
4. Historische Zeitschrift der 270. Senders der Marine Russlands
5. Goliath. Auf der Basis einer Nachricht von Klaus Gerold. Internetseite Kalbe/Milde kalbe-milde.de/index.htm Übersetzung aus dem deutschen von Muravjev A.V. Doktor der physischen und mathematischen Wissenschaften, Moskau, 2007
6. Friedrich-Wilhelm Schulz, Marine-Funkstation „Goliath“ bei Kalbe/Milde. Das POW-Lager der Alliierten auf dem Gelände des „Goliath“. Schifffahrtsgeschichtliche Gesellschaft OSTSEE e.V. Rostock 2002, Technische Übersetzung von A.A. Petrov
7. Foto aus dem Archiv von Henning Krüger, Kalbe/Milde, Deutschland
8. Chronik der Siedlung Druzhniy, Bezirk der Stadt Kstov, Gebiet von Nizhniy Novgorod
9. Beschluss des Vollzugskomitees über die Auflösung des Siedlungsrats der Siedlung Vyazovka und Übergabe der Militärsiedlung dem Siedlungsrat der siedlung Blizhnee Borisovo
10. Beschluss des Vollzugskomitees über die Registration der neu gebildeten Siedlung Druzhniy
11. Evgeniya Prussakova. Deutsche Provinz: Kalbe und deren Bewohner MDZ (Moskauer Deutsche Zeitung) 23.06.2003
12. russische Zeitung „Komsomol- Wahrheit“  Artikel vom 14.11.2007, von Muchina. E. „Die Deutschen haben eine Sensation in der Stadt Kstov entdeckt“
13. Fernsehsender „Nachrichten aus der Wolga-Gebiet“ über den Sender „Goliath“, November 2007
14. Der 5. Fernsehkanal aus Petersburg über den Sender „Goliath“, Februar 2008
15. Fernsehsendung von Nizhniy Novgorod „Kreml“ über den „Goliath“ November 2007
16. I.H. Nevyazhskiy – Entwicklung der Funktechnik. Zeitschrift „Elektrizität“ Nr.8-1946
17. Kuznetsov, N.G. Im Vorfeld. Der Kurs zum Sieg. Militärverlag, Moskau 1991
18. Veselovskiy N.J. Erinnerungen und Fotoarchiv
19. Golub‘ G.K. – Erinnerungen
20. Kuzmin V.K. - Erinnerungen und Fotoarchiv
21. Terichev N.A. - Erinnerungen und Fotoarchiv
22. Timonicheva V.I. - Erinnerungen und Fotoarchiv
23. Umnova E.N. - Erinnerungen und Fotoarchiv
24. Das Buch der Ehre der Einheit 36026
25. Fotoarchiv Didenko
26. Fotoarchiv der Vertreter des Leiters in Politischer Erziehung der Einheit 36026
27. Fotoarchiv der Familie Zhitetskiy
28. Fotoarchiv der Fam. Kantomirov
29. Fotoarchiv von D.V. Kozin
30. Fotoarchiv der Fam. Krapivin
31. Fotoarchiv von S.Z. Lukjanov
32. Fotoarchiv der Fam. Lutzenko
33. Fotoarchiv der Fam. Mochnatschov
34. Fotoarchiv der Fam. Petrov
35. Fotoarchiv von A.A. Petunin
36. Fotoarchiv von A.J. Pyatko
37. Fotoarchiv der Fam. Rosantsev
38. Fotoarchiv der Fam. Rugaljov
39. Fotoarchiv der Fam. Telegin
40. Fotoarchiv der Fam. Tigin
41. Fotoarchiv von einem gewissen Fjodorov
42. Manuskript Nr. 1 des Heimatskundlers Ljusov I.A. „Über die Geschichte der Heimat“ auf 226 Blättern. Archivabteilung der Administration der Stadt Kstov. Fond des Heimatskundlers Ljusov, Akte Nr. 12. Bulletin Nr. Nr. Der Sektion der Heimatskunde bei der pädagogischen Gesellschaft der Stadt Gorkiy. Die Stadt Kstovo und deren Gebiet in 50 Jahren. Die Rechte eines Manuskripts vorbehalten. 25. Oktober 1967, Seiten: 1-116
43. Gesellschaft Und Regierung. Russische Provinz 1917- 1980 Jahren. In 3 Bänder (Basiert auf den Materialen aus den Archiven der Stadt Nizhniy Novgorod. Moskau – Nizhniy-Novgorod, 2005.)
44. Akte Nr.3. Technische Dokumentation. Begonnen im Januar 1952
45. Bericht über die Forschungen auf dem Gelände der projektierten Siedlung für 1000 Personen Druzhniy. Stand – ??? (???-Technischer Arbeitsprojekt) Betrieb Postfach A-7937. November 1977
46. Technischer Arbeitsprojekt der Aufbau der Siedlung Druzhniy (Materialen für die Abstimmung im Buch Nr.1) Komplex-Entwicklung der „???“ (Bedeutung nicht gefunden) im Zusammenhang mit dem Bau der ???? (Höchstwahrscheinlich ist die Nukleare Wärmelieferstation der Stadt Gorkiy gemeint) Objekt – Siedlung Druzhniy. Betrieb Postfach A-7937. Stadt Pyatigorsk, 1980.
47. Über die Vorbereitung der Ausgabe zum 100-Jährigen Jubiläum der Kommunikation der Marine. Das Telegramm des Leiters des Hauptstabs der Marine A. Dolbnya. 03.05.2007
48. Gorkiy, 1987. Topografische Karte. Maßstab 1:200 00 Nr. 15-38-32
49. T. Dobrozrakov, Siedlung Borisovskoe und Siedlungen seiner Umgebung des Gebiets von Nizhniy-Novgorod. Aus der Zeitschrift „Informationsblatt von Nizhniy-Novgorod“ 1863.
50. T. Dobrozrakov, Siedlung Borisovskoe des Gebiets von Nizhniy-Novgorod. (Sammelband der Stadt Nizhniy-Novgorod unter der Redaktion von A.S. Gasitskiy von 1877, Buch 6, Seite 187-206). Aus den Materialen der Heimatskundlerin von Blizhnee- Borisovo L.V. Tsaregorodseva.

 

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