Legal gesendet und trotzdem Ärger.... (1)

ID: 414134
Legal gesendet und trotzdem Ärger.... (1) 
19.Feb.17 18:17
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Martin Steyer (D)
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Martin Steyer

Als Ergänzung zum von Herrn Lill aufgegriffenen illegalen Senden kann ich noch einige Anekdoten zum legalen Senden mit anschließendem Ärger zum Besten geben.

Geschichte 1a: Als lizensierter Funkamateur mit der damaligen C-Lizenz wohnte ich 1970 als Student der TH in der Barkhausstraße 59 in Darmstadt. Mein damaliges Rufzeichen war DC9BQA, das "A" war offiziell in die Lizenzurkunde für den Auswärtsstandort eingetragen.

Da mein Vermieter keine Sendeantenne gestattete, schob ich abends an einem kleinen Schiebemast eine 4-Element-Yagi durch das Blechfenster der Studentenbude unter dem Dach. Der Sender war wahlweise quarz- bzw. VFO-gesteuert mit einer YL1240-Doppeltetrode. Diese wurde mit 2xEL34 Anoden-Schirmgitter-moduliert und lieferte eine kräftige Amplitudenmodulation mit 30 Watt Trägerleistung bei 450 Volt Anodenspannung.

Eines Tages standen zwei streng aussehende Herren des Funkstörungsmeßdienstes der Bundespost (direkt vom FTZ kommend...) vor der Türe und wollten meine Anlage sehen. Anlaß war die Beschwerde eines mehrere Häuserblocks weiter wohnenden Mieters. Dieser hatte periodisch Störungen im Fernsehbild und als Ton nicht den zugehörigen, sondern wie er es beschrieb, Gespräche mit seltsamen Inhalt.

Durch meine gemeldete Adresse konnte ich von der Post als einziger Funkamateur in der Nähe identifiziert werden. Die Beamten konnten dann einen nicht FTZ-geprüften Antennenverstärker ausmachen, der zudem unfachmännisch mit Bandkabeln falsch an der zugehörigen Weiche angeschlossen war. Dem konsternierten, gestörten Fernsehzuschauer wurde die Anlage sofort stillgelegt, was dieser partout nicht einsehen wollte. Er hat mir mit der Polizei gedroht, was natürlich absolut folgenlos blieb.

Damals wurde noch fein säuberlich zwischen "Störungen" (diese gehen vom Sender ungewollt aus, z.B. Ober- oder Nebenwellen) und "störenden Beeinflussungen" (bei denen die Ursache in mangelnder Störfestigkeit der betroffenen Geräte liegt) unterschieden. Heute ist das alles anders geworden.....

Geschichte 1b: Im direkten Nachbarhaus in Darmstadt hatte sich ein Student ein neues Tonbandgerät gekauft und ausprobiert. Er drehte an allen Knöpfen und startete auch eine Aufnahme, allerdings ohne irgendetwas als NF-Quelle angeschlossen zu haben. Zu seinem höchsten Erstaunen war nun beim Abspielen klar verständlich etwas zu hören, nämlich mein abendliches Gespräch mit Funkfreunden.

Schnell hatte er die beobachtete Antenne aus dem Dachfenster mit den mystriösen Erscheinungen in Verbindung gebracht und forderte mich auf, das Senden zu unterlassen. Wieder mußte der Funkstörungsmeßdienst anrücken und den verdutzten Tonbandfreund darüber aufklären, daß sein Gerät nicht einstrahlungsfest sei, denn schließlich handele es sich ja nicht um einen Empfänger.

Die Beamten der Post leiteten in die Wege, daß  das Tonbandgerät im Werk (Blaupunkt) durch zusätzliche Maßnahmen einstrahlungsfest gemacht werden sollte. Dazu kam es aber nicht mehr, weil der Besitzer ausgezogen ist.

In das gleiche Zimmer zog übrigens dann ein Kommilitone von mir ein. Über die beiden Dachböden haben wir einen verdrillten Klingeldraht gezogen und mit Hilfe zweier Radios, bei denen wahlweise die Lautsprecher als Mikrofone umgeschaltet wurden, eine Wechselsprechanlage aufgebaut. Das war ein strafwürdiger Verstoß gegen das damals noch gültige Fernmeldeanlagengesetz von 1927. Dieses verbot nämlich grundstücksüberschreitenden Telefonverkehr, dieses Privileg stand ausschließlich der Post zu!

Eine weitere Story demnächst.

Mit vy  73 (vielen Grüßen),

EE: 20.2.17 zwei Links eingefügt.

Martin Steyer, DK7ZB (ex DC9BQ)

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Legal gesendet und trotzdem Ärger.... (2) 
19.Feb.17 23:00
93 from 2094

Martin Steyer (D)
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Martin Steyer

Nach Ablegen der A-Lizenz 1973 mit dem Rufzeichen DK7ZB habe ich zuhause in Eschwege Richtantennen aufgebaut (2-Element-HB9CV) für die Bänder 10 m, 15 m und 20 m. Eine selbstgebaute Endstufe brachte etwa 400 Watt HF.

Die Bedingungen waren bis nach Mitternacht gut auf 21 MHz Richtung Südamerika. Nun stand genau in dieser Richtung das Nachbarhaus, in dessen oberen Stockwerk die 86-jährige Oma ihr Zimmer hatte. Just an diesem Abend war dort eine Familienfeier, die alte Dame ging gegen 23.00 Uhr ins Bett. Kurz darauf erschien sie im Nachthemd wieder unten und berichtete verstört, daß sie im Zimmer Stimmen höre. Die gute Frau wurde wieder ins Bett bugsiert und man fürchtete wohl schon um ihren Zustand, da sie wenige Minuten später wieder mit demselben Problem auf der Matte stand.

Nun konnten sich aber auch die anderen davon überzeugen, daß aus dem (ausgeschalteten) Radiowecker auf dem Nachttisch unverständliches Gebrabbel meiner SSB-Sendungen (Einseitenbandmodulation) kam. Man wollte die nächtliche Ruhestörung dadurch unterbinden, daß man den Netzstecker aus der Dose zog. Das Ergebnis war, daß daraufhin die Lautstärke erheblich zunahm, was dem jetzt noch besser als Antenne wirkenden Anschlußkabel zu verdanken war.  Erst als die Netzschnur um das Gerät gewickelt wurde und man es mit nach unten nahm, war das Problem beseitigt,

Ursache war, wie häufig in diesen Fällen, eine zu hohe, eingekoppelte HF-Spannung. Diese brachte bei Transistoren die Diodenwirkung mit Gleichrichtung auf der Basis-Emitter-Strecke zustande und die demodulierte NF ins Gerät. Ich habe mit eingebauten Kondensatoren und Drosseln das Problem behoben und die Oma konnte wieder beruhigt mit ihrem geliebten Radiowecker schlafen.

Ein Glück, daß damals der Begriff "Elektrosmog" noch unbekannt war. Heute bekommt mancher Nachbar schon beim Anblick einer noch nicht angeschlossenen Antenne Kopfschmerzen und andere Anfälle...

 

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Legal gesendet und trotzdem Ärger.... (3) 
19.Feb.17 23:36
99 from 2094

Martin Steyer (D)
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Martin Steyer

Nach Umzug in Eschwege interessierte sich die Lokalzeitung 1975 für den Amateurfunkfunk und brachte einen ganzseitigen Artikel über meine Station und meine Vorliebe, in Telegrafie zu senden. Dadurch wurde ich kurzzeitig stadtbekannt.

Kurz darauf stand wieder mal der Funkstörungsmeßdienst vor der Haustür und bat mich, auf verschiedenen Frequenzen in Richtung Westen mit meiner höchsten Sendeleistung Morsezeichen zu senden.

Wie ich dann von den Beamten erfuhr, war einige hundert Meter entfernt an einer Kreuzung eine neue, moderne Ampelanlage mit Bedarfssteuerung in Betrieb genommen worden, die ab und zu unerklärliche Störungen aufwies. Mehrfach war daraufhin ein Serviceteam der Herstellerfirma vor Ort, konnte des Problems aber nicht Herr werden. Eines Tages glaubte ein Ingenieur mit einem Ozilloskop unbekannte Peaks auf den Schaltspannungen zu erkennen, die er „eindeutig auf Morsesignale“ zurückführte.

Dies löste den besagten Einsatz der Bundespost aus, was allerdings nachweisen konnte, daß ich nicht der Übeltäter war. Später stellte sich heraus, daß offensichtlich „wild gewordene“ TTL-ICs für die Effekte verantwortlich waren....

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Legal gesendet und trotzdem Ärger.... (4) 
20.Feb.17 16:45
222 from 2094

Martin Steyer (D)
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Martin Steyer

Die kurioseste Geschichte meiner Amateurfunktätigkeit hing nicht mit einer  unmittelbaren Sendetätigkeit zusammen.

Ich hatte 1966/67 meinen 18-monatigen Wehrdienst bei der Luftwaffe abgeleistet und in den Jahren danach mehrfach Einberufungen zu Wehrübungen erhalten, die ich aber aus zwingenden Gründen (1. und 2. Staatsprüfung, danach ein Bein gebrochen) nicht angetreten habe. Merkwürdig war dabei allerdings schon, daß es sich einmal um eine Einberufung zu den Gebirgsjägern in Oberstdorf und dann um eine Flak-Übung bei der Marine in Kiel handeln sollte.

Im Hochsommer 1975 erschien an der Haustür bei 30° im Schatten ein Herr im dunklen Anzug mit Hut und einem schwarzen Aktenköfferchen und stellte sich als „Krause vom MAD“ vor. Zunächst ziemlich verdattert bat ich ihn in mein Arbeitszimmer, in dem sich in einer Ecke die Funkstation und darüber an der Wand diverse QSL-Karten (für Funkbestätigungen) befanden.

Zunächste stutzte der Herr, weil an der Innenseite der Tür eine aus dem „Stern“ ausgeschnittene und vergrößerte Karikatur hing. Diese zeigte, passend zum gerade ablaufenden Ereignis eine Hausfrau, die die Tür öffnet, im Hintergrund sitzt ein Männchen an einer Funkstation. Vor der Tür steht ein Mann mit Schlapphut und Trenchcoat, gerade so wie man sich einen Agenten vorstellt, und sagt „Was heißt hier harmloser Amateurfunker gute Frau, gerade ist die gesamte NATO-Flotte ausgelaufen.“

Nachdem wir über den Witz beide pflichtschuldigst gelacht haben, eröffnete er mir, daß wegen der nächsten Wehrübung eine Sicherheitsüberprüfung stattfinden müsse. Nun habe ich mich als Gefreiter UA der Reserve für nicht besonders wichtig gehalten, aber es mußte wohl sein. Ich wurde nach meinen Reisen zu Verwandten in der DDR befragt und ob ich dort irgendwelche Kontakte geknüpft hätte. In der Tat konnte ich davon berichten, daß ich zu Diskussionen mit FDJ und GST eingeladen worden bin. Allerdings ist dabei nichts Greifbares für die Stasi, wenn sie denn damit zu tun hatte, herausgekommmen. Fleißig hatte der MAD-Mann mitprotokolliert und wollte sich gerade mit der Feststellung verabschieden, daß das alles überprüft würde und ich im positiven Fall Bescheid bekäme.

Plötzlich fiel sein Blick auf etliche QSL-Karten an der Wand und sein Kiefer klappte merklich nach unten. „Was haben Sie denn da für kommunistisches Material?“ war seine irritierte Reaktion. Nun muß man wissen, daß seinerzeit die Funkamateure in der Sowjetunion im staatlich geführten Amateurfunkverband kostenlos QSL-Karten erhielten, um sie als Propaganda in alle Welt zu verschicken. Auf diesen war der Sputnik abgebildet, auf anderen das Lunochod-Mondauto oder Raketen. Alle waren mit der roten UdSSR-Fahne geschmückt und mit Hammer und Sichel verziert.

Der MAD-Mann setzte seinen Hut wieder ab, packte sein Köfferchen wieder aus und war ganz entsetzt, als ich ihm erklärte, daß ich mit Funkfreunden in der DDR, der UdSSR und dem gesamten Ostblock Kontakte habe. So ganz beruhigt war aber wohl nicht, als ich ihm erklärte, daß es dabei nur um allgemeine und technische Themen ginge und nicht um Politik.

Für die nächste Wehrübung gab es einige Monate später grünes Licht, aber wiederum konnte ich nicht antreten, weil ich mir bei einem Motorradunfall den linken Arm gebrochen hatte. Anschließend hat mich die Bundeswehr ausgemustert...

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