Mechanische Resonanz und Resonanzdämpfung bei Lautsprechern

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Mechanische Resonanz und Resonanzdämpfung bei Lautsprechern 
24.Jan.19 21:34
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Jochen Bauer (D)
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Jochen Bauer

Lautsprecher haben als schwingendes mechanisches System die für den praktischen Betrieb unangenehme Eigenschaft einer mechanischen Resonanz bei bestimmten Frequenzen. Durch die
mechanische Resonanz des Lautsprechers werden die Resonanzfrequenzen mit einem deutlich höheren Schalldruck abgestrahlt als andere und dadurch in einer Musikdarbietung als störend laut empfunden. Es stellt sich daher natürlich die Frage wie die mechanischen Resonanz eines Lautsprechers möglichst weitgehend unterdrückt werden kann.

Wir werden dazu im Folgenden auf das bereits im Artikel  "Die Frequenzabhängigkeit der Lautsprecherimpedanz" verwendete lineare Modell eines Lautsprechers zurück greifen und die dort hergeleiteten Ergebnisse weiter entwickeln. Dem nicht mit der Thematik vertrauten Leser sei zunächst die Lektüre dieses Artikels empfohlen.

Die Bremsung der schwingenden Lautsprechermembran erfolgt auf zweierlei Weise. Zunächst einmal direkt durch den mechanischen Verlustwiderstand der Lautsprechermembran die in linearer Näherung als harmonischer Oszillator betrachtet wird. Indirekt erfolgt noch eine weitere Dämpfung über die in "Die Frequenzabhängigkeit der Lautsprecherimpedanz" genauer betrachtete mechanisch-elektrische Rückwirkung. Diese kommt qualitativ und kurz gefasst dadurch zustande, dass in der sich im Permanentmagnetfeld bewegenden Lautsprecherspule nach dem Induktionsgesetz eine Spannung induziert wird, die zu einem Strom durch die Spule und die damit in Serie liegende NF Ausgangsstufe führt. Dieser Strom erzeugt wiederum ein Magnetfeld in der Spule, welches nach der Lenzschen Regel [1] die Bewegung der Lautsprecherspule im Permanentmagnetfeld hemmt.

Es liegt also nahe anzunehmen, dass der Ausgangswiderstand der NF Endstufe einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Resonanzdämpfung des Lautsprechers hat.

Wir benötigen an dieser Stelle nun zunächst einen Zusammenhang zwischen der Bewegung der
Lautsprechermembran bei einer gegebenen Antriebsfrequenz und der von einem Beobachter gemessenen Lautstärke.

Das menschliche Ohr reagiert auf Druckschwankungen und die Größe der durch eine eintreffende
Schallwelle verursachte periodische Abweichung p(t) vom normalen Umgebungsdruck pN wird als
Lautstärke wahrgenommen. Wir benötigen also einen Ausdruck für den Schalldruck p(q,t) an einem Ort q zur Zeit t in Abhängigkeit von der Bewegung der Lautsprechermembran. Die  allgemeine Lösung dieses Problems erfolgt über das Rayleigh Integral [1], das für die meisten praktischen Fälle aber nur numerisch berechnet werden kann.

Betrachtet man allerdings vereinfachend eine kreisförmige, homogen bewegte Membran mit Radius a die in eine unendlich ausgedehnte Wand eingebaut ist, so ist das Rayleigh Integral für den Schalldruck, den ein Beobachter im Abstand z von der Membran auf der Achse durch den Mittelpunkt der Membran wahr nimmt, geschlossen darstellbar. Es gilt für den komplexen Schalldruck in diesem Fall [2]

p(z,t)=p_0\cdot e^{j(\omega t-z\omega/c_0)} = \frac{ja^2\rho_0}{2z} \omega v_0\cdot e^{j(\omega t-z\omega/c_0)}

Mit der komplexen Schalldruckamplitude p0. Dabei ist ρ0 die Dichte der Luft (ca. 1.2 kg/m3 bei 20°C auf Meereshöhe), c0 die Schallgeschwindigkeit (ca. 343 m/s bei 20°C auf Meereshöhe) und v0 die komplexe Geschwindigkeitsamplitude der Membran. Unsere Aufgabe ist nun offensichtlich die Ermittlung dieser komplexen Geschwindigkeitsamplitude v0.

Während wir in "Die Frequenzabhängigkeit der Lautsprecherimpedanz" von einer idealen
Antriebsspannungsquelle ohne Ausgangswiderstand ausgegangen sind müssen wir hier, wie bereits erläutert, einen von Null verschiedenen Ausgangswiderstand RA der Antriebsspannungsquelle (NF Ausgangsstufe) berücksichtigen.

Sehen wir uns dazu die in "Die Frequenzabhängigkeit der Lautsprecherimpedanz", Post#4 hergeleitete Ersatzschaltung des linearen Lautsprechers an, an die die Thevenin Ersatzschaltung der NF Ausgangsstufe bestehend aus einer idealen Spannungsquelle U0 in Serie mit dem Ausgangswiderstand RA, angeschlossen ist.

Offensichtlich liegen der Ausgangswiderstand RA der NF Ausgangsstufe und der ohmsche Widerstand R der Lautsprecherspule in Serie. (Die Elemente RM, CM und LM modellieren die mechanisch-elektrische Rückwirkung im Lautsprecher.)

In den in "Die Frequenzabhängigkeit der Lautsprecherimpedanz" durchgeführten Betrachtungen muss daher lediglich beginnend ab der dortigen Gleichung (2) der ohmsche Widerstand R der Schwingspule durch die Summe des ohmschen Widerstandes R der Schwingspule und des Ausgangswiderstandes RA der Antriebsspannungsquelle ersetzt werden.

Es ergibt sich damit für die komplexe Auslenkung x(t) der Membran der Ausdruck

x(t)=x_0e^{j\omega t}

mit der komplexen Auslenkungsamplitude

x_0=\frac{Bl}{s-m\omega^2+jr\omega}I_0

Für die komplexe Stromamplitude I0 der die Lautsprecherspule und die dazu in Serie liegende NF Ausgangsstufe durchfließt gilt nun

I_0=\frac{U_0}{Z}=\frac{U_0}{R+R_{\scriptscriptstyle A}+ j\omega L+(Bl)^2\cdot\frac{j\omega}{s-m\omega^2+jr\omega}}

mit der Impedanz Z des Lautsprechers. Die Parameter B, l, s, m, r, R und U0 wurden bereits im oben genannten Artikel definiert und erläutert. Zur besseren Übersicht sei hier nochmals eine kurze Aufstellung gegeben:

B: Magnetische Flußdichte des radialen Magnetfeldes im Lautsprecher
l: Gesamte Leiterlänge (Umfang x Windungszahl) der Schwingspule
s: Federkonstante des Lautsprechers in linearer Approximation
m: Masse von Schwingspule und Membran
r: Mechanischer Verlustwiderstand des Lautsprechers
R: Ohmscher Widerstand der Schwingspule
RA: Ohmscher Ausgangswiderstand der NF Ausgangsstufe
L: Induktivität der Schwingspule
U0: Komplexe Amplitude der sinusförmigen Antriebsspannung

Für die komplexe Auslenkungsamplitude x0 der Membran folgt daraus schließlich

x_0=\frac{Bl}{j\omega(Bl)^2+(R+R_{\scriptscriptstyle A}+ j\omega L)(s-m\omega^2+jr\omega)}\cdot U_0

Die komplexe Geschwindigkeit v(t) der Membran ergibt sich als Zeitableitung der komplexen Auslenkung x(t) zu

v(t)=\dot{x}(t)=j\omega x_0 e^{j\omega t} = v_0 e^{j\omega t}

mit der komplexen Geschwindigkeitsamplitude

v_0 = j\omega x_0

und damit folgt sofort

v_0=\frac{j\omega Bl}{j\omega(Bl)^2+(R+R_{\scriptscriptstyle A}+ j\omega L)(s-m\omega^2+jr\omega)}\cdot U_0

womit sich für die komplexe Schalldruckamplitude

p_0=-\frac{a^2\rho_0}{2z}\cdot \frac{\omega^2 Bl}{j\omega(Bl)^2+(R+R_{\scriptscriptstyle A}+ j\omega L)(s-m\omega^2+jr\omega)}\cdot U_0

ergibt. Die reelle (physikalische) Schalldruckamplitude ist durch deren Absolutwert |p0| gegeben.

Das Lautstärkeempfinden des menschlichen Ohres geht prinzipiell mit dem Logarithmus der physikalischen Schalldruckamplitude, wobei das Lautstärkeempfinden dazu aber noch stark von der Frequenz abhängt. Wir wollen uns daher im Folgenden auf die physikalische Größe der reellen Schalldruckamplitude |p0| konzentrieren.

Wir betrachten im nun folgenden Diagramm den Frequenzgang des Schalldrucks für den bereits in "Die Frequenzabhängigkeit der Lautsprecherimpedanz " verwendeten Lautsprecher mit einer nominalen Impedanz von 8Ω (Parameter: R=7.9Ω, L=300μH, Bl=4Tm, m=4g, s=1200N/m und r=0.6Ns/m). Ergänzend zu den obigen Parametern setzen wir als Radius der Membran a=5cm und wählen einen Abstand von z=2m des Beobachters vom Lautsprecher. Den Ausgangswiderstand der NF Ausgangsstufe setzen wir zu jeweils 0 (ideale Spannungsquelle), 4Ω, 8Ω und 32Ω an und setzen die Ausgangsspannung der NF Endstufe auf U0=1Vp.

Es ist deutlich die "Bremswirkung" einer NF Ausgangsstufe mit niedrigem, im Idealfall verschwindend kleinem Ausgangswiderstand RA und die damit verbundene Abflachung des Resonanzverhaltens erkennbar.

Es sei an dieser Stelle nochmals bemerkt, dass der Frequenzgang des Schalldrucks von der Summe R+RA der ohmschen Widerstände der NF Ausgangsstufe und der Lautsprecherspule abhängt. Es ist also prinzipiell möglich R+RA unter den Wert des ohmschen Widerstandes R der Lautsprecherspule abzusenken, indem durch positive Rückkopplung ein negativer Ausgangswiderstand der NF Ausgangsstufe erzeugt wird. Ein Beispiel dafür ist der "Bogen DB130". (Danke an Joe Sousa für diesen Hinweis.) Wir wollen uns daher nun den Frequenzgang des Schalldrucks bei einem negativem Ausgangswiderstand der NF Ausgangsstufe für unseren bisher verwendeten Lautsprecher ansehen. Dies ist im folgenden Diagramm für RA=0, -1Ω, -2Ω und -4Ω dargestellt.

Wie zu sehen ist, gibt es offensichtlich einen optimalen Ausgangswiderstand der NF Ausgangsstufe bei der die Abflachung des Frequenzgang des Schalldrucks am besten ist. Ein Unterschreiten dieses Wertes führt wiederum zur Entstehung eines "Resonanzbuckels" auf einer etwas höheren Frequenz.

Es sei noch abschließend bemerkt, dass die dämpfungsabhängige Abweichung des Maximums der
verschiedenen physikalischen Größen von der formalen Resonanzfrequenz

\omega=\sqrt{\frac{s}{m}}

wie sie in den obigen Beispielen beobachtet werden kann, eine generelle Eigenschaft des gedämpften, angetriebenen harmonischen Oszillators ist [3],[4].

 

[1] de.wikipedia.org/wiki/Lenzsche_Regel

[2] Fundamentals of Physical Acoustics, David T. Blackstock, John Wiley & Sons Inc., 2000

[3] de.wikipedia.org/wiki/Schwingung#Linear_gedämpfte_Schwingung

[4] Meyberg, Vachenauer, Höhere Mathematik II, Springer, 1991

 

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