Neues im Rundfunkwesen 1924

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Neues im Rundfunkwesen 1924 
17.Jul.09 13:21
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Uwe Ronneberger (D)
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Uwe Ronneberger

Radio-Korrespondenz aus "Der Maschinenmarkt Asch" Wien-Neudorf 10.Sept.1924

Enteignung von Radiopatenten
. Die tschechoslovakische Regierung hat die der Firma Kreschl & Co. gehörige Patente aus dem Gebiete der drahtlosen Telegraphie und Telephonie, zu welchen insbesondere das Meißnersche Rückkoppelungspatent gehört, sowie ein der Firma Siemens & Halske gehöriges tschechoslovakisches  Patent  (Reihenschaltung für Wechselstromverstärker) im Sinne des § 15 des Patentgesetzes mit der Begründung enteignet, daß die Enteignung im Interesse der bewaffneten Macht, der öffentlichen Wohlfahrt und überhaupt im zwingenden Staatsinteresse gelegen sei. Die Firmen sind mit ihren Rechtsansprüchen gegenüber der Staatsverwaltung auf Bezahlung einer angemessenen Entschädigung auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden.

Das polnische Radiowesen
ist gegenüber der Entwicklung in den anderen europäischen Staaten noch wenig vorgeschritten. Ein starkes Hindernis für die Entwicklung bildet das Fehlen entsprechender Vorschriften, die den allgemeinen Radioverkehr aufs genaueste regeln würden. Zwar ist ein Gesetz über den Radioverkehr schon herausgekommen, aber die notwendigen Ausführungsbestimmungen fehlen bis jetzt. Ihr Erscheinen ist für Ende des Monats in Aussicht gestellt. Es ist geplant, einer inländichen Gesellschaft die Konzession zum Bau einer Sendestation zu erteilen. Diese soll mit einer Leistung von 8 Küowatt und einer Reichweite von etwa 500 km noch im Herbst in Warschau errichtet werden und ganz Polen umfassen. Meherere Gesellschaften bewerben sich darum, die Konzession zu erhalten, u. a. die Gesellschaft "Polskie Radio", die größte unter ihnen. Die zu errichtende Station wird wie in Deutschland Konzerte, Pressenachrichten usw. wofür voraussichtlich jeder Empfänger einen Beitrag von 25 Zloty im Jahre zahlen wird. Die Radioindustrie selbst befindet sich noch im Anfangsstadium. Zurzeit besitzt Polen nur ein Unternehmen, die "Polskie Towarzystwo Radiotechniczne" (Polnische radiotechnische Gesellschaft), die in zwei Farbiken ausschließlich staatliche Aufträge erledigt. Für den Privatgebrauch werden im Inlande noch keine Apparate hergestellt, so daß Polen bis jetzt auf die Einfuhr ausländischer Apparate angewiesen ist. Auf dem polnischen Markte befinden sich augenblicklich besonders Apparate der englischen Gesellschaft "Marconi" und einer französischen Gesellschaft. Man erwartet durch die Gründung einer Boadcasting-Gesellschaft eine Entwicklung der heimischen Radioindustrie. Radiotelegraphische Stationen besitzt Polen augenblicklich für den Ueberseeverkehr in Posen, Krakau, Graudenz sowie eine militärische Station in Warschau.

Neue Rundfunksender in Deutschland
. Zu den ursprünglich vorgesehenen neun deutschen Sendestationen Berlin, Breslau, Leipzig, München, Frankfurt a. M., Hamburg, Königsberg i. Pr. und Stuttgart ist vor kurzem auch Nürnberg getreten. Der Nürnberger Rundfunksender, der zunächst als Relaissender, gedacht ist, überträgt die Münchener Darbietungen auf Welle 340 bei einer Sendeenergie von etwa 0.7 KW. Einen weiteren Relaissender erhält demnächst auch Bremen, das sieh seit langem um die Errichtung einer Sendestation bemüht. Die Bedienung des Senders erfolgt voraussichtlich von Hamburg aus. Die Sendestation Münster, die demnächst dem öffentlichen Verkehr übergeben werden soll und seit einigen Wochen günstige  Versuchssendungen  unternommen hat, wird auf der Welle 407 tätig sein. Auf diesen neuen Sender, der auch ein eigenes Programm verbreitet, werden mehreremale in der Woche die Berliner Vorträge und Konzerte übertragen, der sie seinerseits weitergibt, ähnich wie das schon bei dem Nürnberger Sender mit München geschieht.

Radio in Italien. In Italien arbeitet zurzeit nur eine Rundfunksendestelle der Gesellschaft "Radioraldo", welche nur 100 Watt Antenneneistung besitzt und auf einen Umkreis von 100 Kilometern um Rom gehört wird. Das Programm dieser Sendestelle besteht meistens aus Opernübertragungen, die Wellenlänge ist 470 Meter. Im Bau befindet sich die Station der Gesellschaft "Unione Radiofonica Italiana", welche von der Marconi-GeseIlschaft nach dem Muster der Einrichtung der Station 210 in London gebaut wird. Diese neue Station arbeitet auf Wellenlänge 425 Meter und hat eine Antennenleistung von 1 1/2 KW. Außer abendlichen Versuchen gibt sie regelmäßig 16.30 Uhr Versuchsdienst.

Wirtschaftsnachrichten durch den deutschen Unterhaltungsrundfunk. Ab 15. August d.J. werden durch den Unterhaltungsrundfunk täglich zwei- bis dreimal besondere Wirtschaftsnachrichten verbreitet. Diese Nachrichten sind nur für den Geschäftsverkehr bestimmt. Sie werden verschlüsselt übermittelt.
Für den Bezug ist neben der Rundfunk-Teilnehmergebühr von monatlich zwei Goldmark noch eine Gebühr von 15 Goldmark für den Monat und den Teilnehmer zu entrichten.

Der Bau einer Radiostation in Kowno ist begonnen worden. Das litauische Parlament nahm den Gesetzentwurf über den Betrieb von Radioapparaten an. Damit wird die Benutzung von Empfängerapparaten allgemein freigegeben. Sie unterliegt jedoch einer Gebühr von 50 bis 300 Lits. Außerdem werden die Empfangsapparate bei der Einfuhr mit einem Zoll von 15 Lits belegt.

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