Piezo-Wandler zur Erzeugung hoher Spannung

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Piezo-Wandler zur Erzeugung hoher Spannung 
21.Apr.20 17:44
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Scanner hatten bis vor einigen Jahren (dünne) Leuchtstoff-Röhren mit der Länge gemäß der Breite von DIN A4 zur Beleuchtung der Vorlage. "Modernere" Scanner verwenden statt dessen LED-Zeilen - mit dem Nachteil, daß damit nur eine sehr geringe Tiefenschärfe erreichbar ist. Es verwundert daher nicht, daß die "alten" Scanner mit Leuchtstoff-Röhren und weit besserer Tiefenschärfe auch heute noch sehr beliebt sind. [Tiefenschärfe heißt korrekt: Schärfentiefe (Erklärung bei Wikipedia).]

Diese Leuchtstoff-Röhren, z.B. ca. 220 mm lang, aber nur ca. 2 mm im Durchmesser, benötigen zum Betrieb eine Spannung von ca. 600V - 800V, die aus den üblichen Beriebsspannungen von z.B. 12 V erzeugt werden müssen. Der Spannungs-Wandler zur Erzeugung dieser hohen Spannung sitzt dabei in unmittelbarer Nähe zur Leuchtstoff-Röhre in dem "Schlitten", der beim Scannen über die Vorlage bewegt wird. Allein schon aus diesem Grund darf dieser Wandler keine große Masse haben.

Scanner HP4670

Die Beschreibungen in diesem Thread beziehen sich auf einen Scanner HP4670, einen "Durchsicht-Scanner", den man (auch) auf eine zu kopierende Vorlage legen kann. Er ist daher in der Anwendung etwas vielfältiger als ein "normaler" Scanner.

Die Leuchtstoff-Röhre und die zugehörige Elektronik befindet sich (im Ruhezustand) unterhalb des linken Rahmens des Scanners (1) auf dem "Schlitten", der zum Scannen sich von links nach rechts bewegt.

 

 

Hier sieht man den Scanner "von oben" (links) und "von unten" (rechts). Mit der Unterseite wird er auf die Scan-Vorlage gelegt. Wird der schwarze Rahmen an der Unterseite entfernt, wird die Elektronik sichtbar.

 

Hier also der Scanner von unten - ohne Abdeckrahmen (links) und mit "ausgehakter" Elektronik des Schlittens (rechts).

In der Elektronik des "Schlittens" (Scannereinheit) ist vorne dran die Leuchtstoff-Lampe und dahinter u.a. die Platine zur Erzeugung der Hochspannung für die Leuchtstoff-Lampe.

Das Foto zeigt die ausgebaute Leiterplatine, mit dem Piezo-Wandler "AT-243T E13Z108" auf der rechten Seite. Der Wandler ist dabei im Betrieb und läßt 3 in Serie geschaltete "Glimm-Lampen" leuchten.

Der Wandler ist ca. 3,5 cm lang, ca. 0,5 cm breit und ca. 2 mm dick.  Auf der Platine ist er mit "PZT1" bezeichnet.

Im Vergleich mit den Tastspitzen kann man auch die Maße der gesamten Platine abschätzen. 

 

(Für alle, denen "die Haare zu Berge stehen" wegen der Zerlegung des Scanners: Er war als solcher nicht mehr funktionsfähig.)

Der Piezo-Wandler

 

Links ist der ausgebaute Piezo-Wandler zu sehen und rechts die Skizze und das Ersatz-Schaltbild aus Wikipedia (Piezoelektrischer Transformator). Der Piezo-Wandler wandelt (auf der linken Seite) eine Hochfrequenz-Schwingung in eine mechanische Schwingung um, ganz entsprechend wie ein Schwing-Quarz. Auf der rechten Seite jedoch hat er einen zweiten Wandler, der die (rechts viel stärkere Schwingung) nun wieder in eine Spannung zurück verwandelt.

Die gemessene Frequenz des Piezo-Wandlers ist ca. 102 kHz bis 106 kHz, abhängig von seiner Belastung und vom Quellwiderstand des Generators mit dem er angesteuert wird.

Day / Lee [1] beschreiben die Anwendung von Piezo-elektrischen Transformatoren zum Betrieb von Leuchtstoff-Röhren (CCFL, cold cathode flourescent lamp), wie sie in der Anwendung bei Scannern vorkommen (linkes Bild). Wells [2] zeigt in seinem Beitrag wie die mechanische Bewegung und Stress sich in einem solchen Transformator verhalten.

 

In Koch [3] werden die Eigenschaften und Anwendungen der Piezo-Schwinger beschrieben. Siehe hierzu auch "Piezo-Elektrizität" bei Wikipedia. Man staunt, wie viele Anwendungen es gibt.

 

Messungen am Piezo-Wandler

Ansteuerung niederohmig

Für diese Messungen des Piezo-Wandlers werden Generatoren mit Innenwiderständen von 50Ω bzw. 600Ω verwendet. 

Die erste Messung zeigt den Zeitverlauf von Eingangs-Spannung und Ausgangs-Spannung.

 

Bei dieser niederohmigen Ansteuerung ist die Resonanz-Frequenz des Wandlers fr = 102,612 kHz. Seine 3dB Bandbreite beträgt 435 Hz. Das Übersetzungs-Verhältnis von Ausgangs-Spannung zu Eingangs-Spannung beträgt 100, wie dem Bild des Oszilloskops entnommen werden kann.

 

Messungen mit dem Spektrum-Analyzer (horizontal: 0 - 200 kHz; vertikal: 10 dB/Teil)

Im Schirmbild der jeweiligen Messung ist die Meß-Schaltung angegeben.

Der Tracking-Generator hat einen Innenwiderstand von 600Ω. Der Eingangs-Widerstand des Analyzers ist 1MΩ.

 

Die höchste Resonanz-Spitze ist (bei dieser Beschaltung) bei ca. 110 kHz. Es zeigen sich hier aber noch 2 Neben-Maxima und eine Null-Stelle bei ca. 38 kHz, die besonders gut ausgeprägt ist, wenn der Generator nicht mit 50Ω abgeschlossen ist, also leer läuft (unteres Bild).

Die horizontalen Refererenz-Linien ergeben sich dann, wenn der Piezo-Wandler, wie in der Schaltskizze angedeutet, abgeklemmt wird und Ein- und Ausgang direkt verbunden werden.

 

 

Bei dieser Messung ist der Masse-Anschluß des Piezo-Wandlers nicht beschaltet. Er wird also nur zwischen der Eingangs- und der Ausgangs-Klemme angeschlossen. Der Generator ist dabei mit 50Ω abgeschlossen.

Die 3 Resonanz-Spitzen sind trotzdem wieder vorhanden, wie bei der ersten Messung.

Man hat aber jetzt ausgeprägte Nullstellen.

 

Das untere Spektrum ist ein Ausschnitt aus dem oberen, wobei die Ablenkung für die Frequenz-Achse hierbei 5kHz pro Teilstrich ist. Die Frequenz der Resonanz-Spitze beträgt hier ca. 110 kHz.

 

Der "Schlitten"

Die Konstruktions-Zeichnung zeigt einen Querschnitt des "Schlittens", der sich beim Scannen über die Vorlage bewegt. (Der Schlitten bewegt sich beim Scannen von links → rechts.)

Der Aufbau des Schlttens erscheint zunächst relativ kompliziert zu sein. Aber man muß sich vor Augen halten, daß sich die elektrischen Signale einerseits in der Leuchtstoff-Lampe (ca. 800V~ , 100 kHz) und in den CCD-Elementen (CCD: charge coupled device), in denen das reflektierte Licht in elektrische Signale zurück verwandelt wird, in ihren Amplituden sehr stark unterscheiden. Es muß also vermieden werden, daß Stör-Signale der Hochspannung auf die Nutz-Signale der CCD-Elemente einwirken können. 

In der Figur links sieht man den Strahlengang des Lichts. Zur Entkopplung war es erforderlich, die CCD-Elemente genügend weit entfernt anzuordnen. Damit die Lichtstrahlen dadurch nicht zu weit divergieren, werden diese  mit Lichtleitern gebündelt. Die Blech-Winkel, die die Spiegel halten, sind "geerdet", also mit dem metallischen Gehäuse des Schlittens verbunden, was der Schirmung dient.

Das CCD-Element (Pfeil) ist ca. 14,1 mm lang, ca. 0,3 mm dick und ca. 0,6 mm hoch. Man erkennt auch die Bond-Drähte mit denen es mit der Leiterplatte verbunden ist.

 

 

Experimente mit Geißler-Röhre

Bei der Analyse des Scanners ging die 2mm dünne und ca. 20 cm lange Leuchtstoff-Lampe leider zu Bruch. Ersatzweise werden die nächsten Experimente deshalb mit einer Geißler-Röhre CV264 durchgeführt. Gemäß Datenblatt ist CV264 mit 80% Ne, 20% He & 0,4% Ar bei einem Druck von 10 mmHg (10 Torr) gefüllt. Zusätzlich enthält sie eine "Spur" von Hg.

Die Geißler-Röhre wird hier über einen Vorwiderstand von 2 MΩ aus einer 50Hz Hochspannungs-Quelle (Zünd-Trafo von einer Ölheizung) mit Wechselspannung versorgt. Die Brennspannung der Entladung ist ca. 600V. Sie liegt also so etwa in der Nähe derjenigen der originalen Leuchtstoff-Lampe. 

Bei Anregung der Entladung durch einen Teslator leuchtet die CV264 Röhre  gelb-orange. Das entspricht also eher einer Entladung von Neon.


Geißler-Röhren, benannt nach dem gleichnamigen Erfinder, waren um die Jahrhundertwende von 1900 sehr verbreitet. Sie wurden von vielen Forschern und Experimentatoren gebaut und untersucht.

In Abb. 199 aus Beck [4] sind drei typische Formen dargestellt. Man beschränkte sich nicht auf eine gerade Entladungs-Strecke, sondern wählte oft "verspielte" Formen, wie z.B. hier gezeigt.

 

Wie aus dieser Farbtafel [4] zu sehen ist, erfreute man sich auch an den virtuosen Formen der Gefaße und an den Farbspielen der Entladungen.

Durch Einbringen von verschiedenen Salzen in die Gefäße ließen sich unterschiedliche Farben darstellen.

 

Wenn das Füll-Gas der Gefäße variiert wird, erhält man je nach Art des Gases (He, Ne, Ar, Kr, Xe) verschieden gefärbte Entladungen.[5]

 

 


Nun wird die Geißler-Röhre mit Hilfe des Piezo-Wandlers betrieben.

Der Piezo-Wandler ist wieder (behelfsmäßig) auf der Leiterplatte befestigt. Links neben ihm (mit 4 gelben Drähten) hoch gehoben ist der Ansteuer-Trafo (ü = 1:12) für den Piezo-Wandler PZT1.

 

Das Oszilloskop-Bild zeigt die gemessenen Spannungen (links). Rechts ist die Schaltskizze für diese Messung.

Man kann deutlich erkennen, daß der Piezo-Wandler nur mit Halbwellen angesteuert wird (C-Betrieb). Aufgrund der geringen Bandbreite bzw. hohen Güte des Piezo-Wandlers ist dessen Ausgangs-Spannung (grün) jedoch rein Sinus-förmig.

Literatur

[1] Day, M., Lee, B.S.: Understanding piezoelectric transformers in CCFL backlight applications, http www ti.com /lit/an/slyt107/slyt107.pdf

[2] Wells, E.: Comparing magnetic and piezoelectric transformer approaches in CCFL applications, http focus.ti.com/general/docs/lit/getliterature.tsp?baseLiteratureNumber=SLYT125

[3] Koch, J.: Piezoxide (PXE), Eigenschaften und Anwendungen, Valvo / Philips, 1988

[4] Beck, W.: Die Elektrizität und ihre Technik, Bd. 1., 60. bis 70. Tausend, Wiest, 1906

[5] Schäfermeier, C.: Edelgasentladungen, 2011


Ich danke meinem Freund J.Z. für die Bereitstellung der Bilder und der Meßwerte.

MfG DR

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