Qualität der Empfänger

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Qualität der Empfänger 
24.Apr.03 08:01
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Ernst Erb (CH)
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Ernst Erb

Hier geht es einmal nicht um den momentanen Zustand eines Radioempfängers. Wir wollen also nicht wissen, ob ein Radioapparat «gut spielt» weil er technisch richtig instand gesetzt ist oder ob er äusserlich einen guten Eindruck macht weil richtig restauriert, sondern um dessen technische Leistungen an sich.

Die Leistungsfähigkeit eines Radios hängt vom technischen Aufwand ab. Durch Verstimmung, Alterung bzw. Abnützung - vor allem bei den Röhren - oder leichte Defekte kann der Apparat jedoch einen Grossteil seiner Leistung einbüssen. Es ist schwierig, ein Gerät zu beurteilen, wenn nicht ein tadelloses Vergleichsmodell oder kostspielige Messapparate zur Verfügung stehen. Vor allem differieren die örtlichen Empfangsverhältnisse. Einige Beurteilungen fallen dann leicht, wenn man das Gefühl für die mögliche Leistungsfähigkeit unterschiedlicher Konstruktionen aus verschiedenen Epochen schon kennenlernen konnte.

Uns interessiert hier vor allem die Leistung des HF-Teils im Vergleich zu anderen Schaltungen. Die wichtigsten Parameter sind Empfindlichkeit (inkl. NF-Verstärkung), Selektivität und beim Super zusätzlich die Spiegelfrequenzunterdrückung [169]. Natürlich könnte man auch die Güte der Schwundregelung oder die Frequenzstabilität prüfen. Neben den drei hier behandelten Punkten gibt es zahlreiche weitere, für uns im Zusammenhang mit ins Auge zu fassender Reparatur und/oder Abgleich weniger wichtige Kriterien wie Qualität des NF-Verstärkers, des Lautsprechers, mechanischer Aufbau etc.

Empfindlichkeit
Zur Bestimmung der Empfindlichkeit gibt man ein zu 30 % moduliertes Signal an die Antenne und misst die tonfrequente Ausgangsleistung. Das notwendige Signal in Mikrovolt zur Erzeugung von 50 Milliwatt am Ausgang definiert die Empfindlichkeit. Die bei Röhrenempfängern erreichbare Empfindlichkeit beträgt 1 Mikrovolt. Allerdings ist die Störspannung bei MW und LW grösser und dieser Wert nützt nur bei den höheren Frequenzen der KW, sofern das Empfängerrauschen nicht höher liegt. Bei zu hohem Rauschpegel stimmt meistens die Mischstufe nicht. Die Empfindlichkeit sollte zudem überall etwa den gleichen Betrag erreichen. Typisch sind z.B. bei einem Super mit ECH21, 2x EF22 und EBL21 Empfindlichkeiten von 15-50 Mikrovolt im MW- und LW-Bereich und 3-8 Mikrovolt im KW-Bereich [123].

Empfindliche Apparate kann man ohne Messgeräte gut beurteilen, wenn man auf das Störgeräusch zwischen den Sendern achtet. Ist der Apparat an bestimmten Stellen «still», bedeutet das mangelhafte Empfindlichkeit für diese Empfangsstellen. Unter 20 m Wellenlänge fehlt allerdings je nach Tageszeit der Geräuschpegel. Mit Funken (Lichtschalter etc.) lassen sich auch diese Frequenzen beurteilen.

Selektivität
Zur Bestimmung der Trennschärfe misst man zunächst die Empfindlichkeit auf der abgestimmten Frequenz und danach bei gleicher Abstimmung bei 9 kHz ober- und unterhalb dieser Frequenz. Das Verhältnis der Empfindlichkeit zwischen dem Empfangspunkt und dem Mittel der Nebenstellen ergibt die Selektivität im Nahfeld. Die Weitabselektivität ergibt das Messen mit entsprechendem Frequenzabstand. Ein typisches Verhältnis für den 6-Kreiser der 40er Jahre ist 1:100 bei 9 kHz und 1:1000 bei 14 kHz Verstimmung.

Ohne Messgerät benutzt man den Lokalsender oder einen starken Sender und prüft, ob dieser bei schwachen Stationen «hereindrückt». Dabei hilft ein Vergleichsempfänger, mit dem man abwechselnd die Versuche wiederholt.

Spiegelfrequenzunterdrückung
Bei Superhets ist diese Prüfung auf den KW-Bändern wichtig. Die Unterdrückung ist dort auch schwieriger als auf LW und MW. Man ermittelt mit dem Prüfsender bei fix eingestelltem Empfänger die Empfindlichkeit jeweils auf der Empfangsfrequenz und auf der Spiegelfrequenz, d.h. auf einer Frequenz, die um den zweifachen Betrag der ZF höher ist. Das Verhältnis (Weitabselektion) soll möglichst gross sein. Ein 6-Kreis-Super der 40er Jahre weist folgende typische Werte auf: Bei 200 kHz 1:2000, bei 600 kHz 1:500-1:1000, bei 6 MHz 1:5-1:10.

Ohne Messgeräte lässt sich dies, speziell bei KW, schätzen, indem man einen möglichst starken Sender einstellt und sich dessen Einstellung sowie die Art seiner Emission genau merkt. Als Abstimmanzeige kann das magische Auge dienen. Nun verstellt man den Apparat um die doppelte ZF in Richtung zu niederen Frequenzen hin. Wahrscheinlich ist der Sender hier ebenfalls - wenn auch bedeutend schwächer - hörbar. Je schlechter der Empfang dieser Station hier ausfällt, desto besser ist der Apparat. Es empfiehlt sich, das Experiment mit verschiedenen Sendern zu wiederholen.

Bei guten Apparaten ist die Norm bei MW ein Verhältnis von 10'000:1 bis 100'000:1 oder besser, wobei es bei zunehmender Frequenz abnimmt und bei 15 m ein Verhältnis von 500:1 hervorragend ist. Nach einigen Versuchen mit gut und schlecht abgestimmten Empfängern erkennen Sie deren Zustand schon nach oberflächlichem Durchdrehen des Stationswählers. Ein Apparat mit besonders schlechter Spiegelfrequenzunterdrückung zeigt an verschiedenen Stellen Interferenzpfeiftöne.

Apparate mit mehr als einem abgestimmten Vorkreis weisen eine wesentlich bessere Spiegelfrequenzunterdrückung auf. Beispielsweise kommt öfters ein induktiv angekoppeltes Bandfilter im Eingang vor. Um eine annähernd konstante Bandbreite über den gesamten Wellenbereich zu erreichen, verwendet man gerne eine kapazitive Kopplung mit einem Quer- und Längskondensator. Zwei Segmente des Drehkos dienen zur Abstimmung dieser Kreise. Der 7-Kreis-Superhet kann natürlich auch eine Vorröhre enthalten, um die Empfindlichkeit wesentlich zu steigern. Man verwendet meistens ebenfalls den 3fach-Drehko, also 7 abgestimmte (davon 3 abstimmbare) Kreise. Damit lassen sich neben besserer Empfindlichkeit und Spiegelfrequenzunterdrückung auch Reserven für maximale automatische Regelungen, Gegenkopplung etc. schaffen.

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