Radio Bulgarien

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Radio Bulgarien 
09.Aug.18 18:18
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Radio Bulgarien feierte im Jahre 2016 sein 80 jähriges Jubiläum.

„Hallo, Hallo! Radio Sofia!“ Das sind die ersten Worte, die Ende 1929 im bulgarischen Äther erklangen. Sie wurden im Hof der Militär-Ingenieurwerkstatt in Sofia von Georgi Walkow in ein simples Kohlemikrophon gesprochen. Walkow hatte eine solide Ausbildung in Deutschland erhalten. Der von ihm gebaute Sender bestand aus ausgesonderten alten Teilen aus Militärbeständen. Heute kann man im Museum für Rundfunkgeschichte, das im Gebäude der Journalistikfakultät der Sofioter Universität untergebracht ist, ein Foto sehen, auf dem Georgi Walkow vor einem solchen Mikrophon steht. Zu sehen sind auch Mikrophone von anno dazumal im Original.

Sachari Milenkow, der langjährige Direktor des sogenannten "Goldenen Archivs" legte vor über 20 Jahren den Grundstein für diese Sammlung von Hörfunkempfängern , Antennen, Tonbandgeräten, Tonbändern, Mischpulten, Mikrofonen usw.

Er erzählt:

Jene, die in Bulgarien ein nationales Radio befürworteten, waren Enthusiasten und Intellektuelle. An ihre Spitze stellte sich Prof. Assen Slatarow, der lakonisch meinte: „Wir brauchen sobald wie möglich einen „Heimatfunk“, damit wir nicht dauernd Fremdes hören müssen!“ Bereits im ersten Rundfunkgesetz Bulgariens aus dem Jahre 1927 hieß es, dass das Radio ein Monopol des Staates ist. Sobald jedoch der Staat keine Möglichkeiten besitzt, ein solches zu betreiben, kann er den Hörfunkbetrieb bulgarischen Bürgern in Konzession übereignen. Eine Gruppe Intellektueller mit Assen Slatarow an der Spitze ließ sich diese Chance nicht entgehen.“

Es wurde der Verband "Heimatfunk " gegründet, der auch vom bulgarischen Staat z.B. durch die Bereitstellung  von Räumen unterstützt wurde.

Hier ein Foto von dem ersten Gebäude, wo sich die Produktions- und Studioräume des Heimatfunks befanden. Sicher ist das Foto zu einem Zeitpunkt entstanden, wo es schon lange nicht mehr genutzt wurde- aber doch ein historisches Zeitdokument

Man begann mit einem 50 Watt starken Sender, über welchen an jedem zweiten Tag ein zweistündiges Programm ausgestrahlt wurde. Der Sender war nicht nur in der Hauptstadt Sofia sondern sogar in einigen umliegenden Dörfern zu empfangen. 

Georgi Walkow arbeitet intensiv an der Schaffung eines stärkeren Senders. Seine Vision war, alle Gebiete in Bulgarien mit einem Sender zu erreichen. Er schaffte es jedoch damals noch nicht.

„Schließlich wurde Georgi Walkow dieser Aufgabe enthoben und Georgi M. Georgiew und einigen weiteren Ingenieuren damit beauftragt. Unter ihnen was auch ein türkischer Prinz – Mehmet Refik Fenmen“, erzählt Sachari Milenkow.

Refik war ein Sohn der Schwester des osmanischen Sultans. 1908 fand jedoch der Jungtürkenaufstand statt, so dass Refik nach Wien reiste, wo er Elektrotechnik studierte. Man lud ihn nach Bulgarien ein, sich mit Problemen der Tonaufnahme zu befassen, doch die Arbeit der Funkfreunde interessierte ihn mehr und er schloss sich der Gruppe zum Bau eines stärkeren Senders an. Es dauerte keine zwei Wochen und die Sendeapparatur war fertig.

Das Besondere am bulgarischen Rundfunk ist, das er zunächst als öffentliches und nicht als staatliches Radio seine Arbeit aufnahm. Einer der Pioniere dieses Rundfunks , Assen Slatarow , hatte sogar einen Teil seines Hauses mit einer Hypothek belastet, um das Geld für Röhren zu bekommen. Es wurde dann ein Sender mit einer Leistung von 250 bis 300 Watt erfolgreich gebaut, dieser Sender wurde jedoch nur mit 120 bis 150 Watt betrieben um die Röhren zu schonen.

Am 19. Mai 1934 wurde in Bulgarien ein Staatsstreich verübt. Er spielte jedoch für den bulgarischen Rundfunk eine positive Rolle“, meint Sachari Milenkow. „Das Parlament wurde aufgelöst und die Parteien und Zeitungen verboten. Das einzige Medium, dass die neue Macht nutzen konnte, war der Rundfunk. Sie war sich bewusst, dass der Rundfunk staatlich werden müsse. Im Januar 1935 wurde im Staatsanzeiger ein Erlass von Zar Boris III. veröffentlicht, Kraft dessen die Sendeanlagen verstaatlicht wurden. Damit wurde der Grundstein für „Radio Sofia“ gelegt.

1936 gründete Sirak Skitnik die Fremdsprachensendungen des bulgarischen Rundfunks. So konnten die Nachrichten über Bulgarien andere Länder in deren Sprachen erreichen...

In den Anfangsjahren des Hörfunks in Bulgarien gab es eine spezielle Verordnung mit einer Liste jener Marken Radioapparate, die importiert werden durften. Immerhin hatte man aber auch 14 bulgarischen Herstellern eine Genehmigung für den Bau von Radios erteilt. Die Statistik von 1935 sagt aus, dass es bei einer Bevölkerungszahl von etwas mehr als sechs Millionen genau 13.013 Hörfunkempfänger gab. Im Jahr darauf waren es bereits mehr als 20.000 Geräte, davon allein in Sofia 8.400. Dafür gab es in den Dörfern lediglich rund 2.400 Empfänger. Das liegt u.a. vor allem daran, dass nur verhältnismäßig wenige Landgemeinden elektrifiziert waren – damals übrigens mit einer Spannung von 150 V. Insgesamt besaßen 1935 lediglich 238 Gemeinden einen Stromanschluss – insgesamt 168.000 Anschlüsse. Daher hörte man Radio nicht selten an öffentlichen Orten, wie beispielsweise Kulturhäuser, Gaststätten, Schulen, Kasernen u.s.w. Nicht selten waren auch auf den Straßen Lautsprecher angebracht. 

Hier ein Radio aus bulgarischer Produktion, Hersteller Fa. Tulan Burgas, vermutlich 1940, Foto Valery Charcenko, Russia

1935 geschah in Bulgarien etwas ungewöhnliches. Eine Handvoll Enthusiasten hatte zwei Telegraphenapparate umgearbeitet, probeweise auf Kurzwelle ausgestrahlt und ging schließlich auf den Wellenlängen 7.460 und 14.970 kHz auf Sendung und dass, ohne die Behörden darüber zu informieren. Bestraft wurde aber keiner. Im Gegenteil! Man erteilte eine Genehmigung. Und am 19. Januar 1936 erfolgte von Bulgarien aus die erste offizielle Ausstrahlung auf Kurzwelle. Die Ansage lautete: „Hier ist Radio LZA aus Sofia, Bulgarien“. Das Programm bestand hauptsächlich aus Musik, wobei am 16. Februar des gleichen Jahres der Frühgottesdienst aus der Sophien-Kirche übertragen wurde. Das Programm wurde im Ausland gehört und schon regnete es Briefe aus Deutschland, Frankreich, Marokko, Großbritannien und sogar aus den USA. Die regelmäßige Ausstrahlung von Kurzwellensendungen begann am 1. April 1936. Bis zum 1. Mai des Folgejahres enthielten die Programme eine Sendung in Esperanto und danach fünf mal wöchentlich Sendungen auf Deutsch, Französisch, Englisch und Italienisch.

           

Sender von Radio Sofia, Foto aus dem Jahre 1937, in Wakarel bei Sofia

Ab 1938 besaßen diese Auslandssendungen einen eigens gewählten Inhalt und waren für spezielle Länder gedacht. Für Deutschland und Österreich wurde auf Deutsch an jedem Montag und Dienstag übertragen, für Frankreich auf Französisch immer samstags, mittwochs erfolgten Sendungen in Esperanto, donnerstags auf Englisch und Italienisch ​

Rundfunkgebäude "Radio Sofia" in Sofia 1942

Auch Bulgarien war in den 2. Weltkrieg eingebunden, zunächst auf Deutscher Seite . im Dreimächtepakt. Dann wurde Bulgarien dazu gedrängt, den USA und Großbritannien den Krieg zu erklären.  1943/44 wurden durch angloamerikanische Flugzeuge die Hauptstadt Sofia sowie weitere bulgarische Orte bombardiert.  Bulgarische Truppen kämpften aber nicht an der Seite Deutschlands und nach dem Angriff der Deutschen Faschisten auf die Sowjetunion hielt Bulgarien sogar die diplomatischen Beziehungen zur Sowjetunion aufrecht.

Im Sommer 1944 besetzten sowjetische Truppen Bulgarien und am 9. September kam es mit sowjetischer Hilfe zum Staatsstreich. Eine kommunistische Regierung wurde installiert. An der Seite der Sowjetarmee kämpften nun auch bulgarische Truppen gegen die Deutschen. Etwa 32500 Armeeangehörige bezahlten dies mit ihrem Leben.

Über das Programm von damals habe ich keine Aufzeichnungen gefunden.

Auf dem 5. Parteitag der Bulgarischen Kommunistischen Partei wurden Beschlüsse gefasst zur weiteren Arbeit im Rundfunk: 

Es werden Maßnahmen getroffen, mittels derer der Hörfunk für die politische und kulturelle Erziehung des bulgarischen Volkes, seiner Kinder und Jugendlichen im Geiste des Marxismus-Leninismus und für die Erziehung überzeugter und enthusiastischer Erbauer des Sozialismus verwendet werden kann“...

Der kommunistische Partei hatte die gewaltige Bedeutung des Rundfunks für Propaganda und auch Manipulation erkannt und nutzte diese. Eine positive Berichterstattung, man kann sogar sagen Pseudopublizistik, im Sinne von Partei und Regierung wurde nun eingeführt.

Im Jahre 1955 hatte man 7 Sendeanlagen, damit war der Rundfunk in nahezu ganz Bulgarien zu empfangen. Es gab jedoch lokal auch Kabelnetze. 

 

alle Fotos : privat und Radio Sofia ( Bulgarien ) Dank an Wladimir Wladimirow

 

Es geht natürlich weiter !

 

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