Stereo auf Mittelwelle (AM Bereich)

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Stereo auf Mittelwelle (AM Bereich) 
21.Jan.08 22:05
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

In den USA ist Stereo auf Mittelwelle durchaus üblich. Aus dieser Tatsache ergeben sich folgende Fragen:
  • Stereo auf Mittelwelle - wie funktioniert das?
  • Gibt es mehrere technische Möglichkeiten (oder Systeme) hierfür?
  • Wie sieht Mittelwellen-Stereo auf der Empfangsseite aus?
  • Warum hat man in Europa kein Stereo auf Mittelwelle realisiert?
Die Antworten zu diesen Fragen fallen unterschiedlich umfangreich aus. Und zu den technischen Hintergründen gibt es dann ein Papier mit 36 Seiten als .pdf im Anhang.

Die prinzipielle Funktionsweise sei an einem Blockschaltbild erklärt.


Auf der rechten Seite sehen wir einen "ganz normalen" AM Sender (z.B. Mittelwelle) und den Sendemast. Der AM Sender ist eigentlich ein selektiver Leistungsverstärker auf der Träger-Frequenz ΩC = 2πfC mit der Möglichkeit, die Amplitude der HF Schwingung (RF Signal, RF: radio frequency) in Abhängigkeit eines Audio-Signals A(t)  (NF Signal) zu steuern, und das mit einem möglichst hohen Wirkungsgrad um Energie und Kosten zu sparen.

Der AM Sender hat deshalb 2 Eingänge, einen für das Audio Signal A(t) und einen für das RF Signal. Wird der Sender nur mit AM (mono) betrieben, so erhält er das RF Signal direkt aus dem Steuersender (links unten).

Da ein AM Sender nur einen NF Eingang hat, muß man sich für eine Stereo Übertragung einen "Trick" ausdenken. Hierbei ist im Auge zu behalten, daß es ja auch immer auch noch reine Mono Empfänger gibt, deren Funktion durch eine Umstellung auf Stereo nicht beeinträchtigt werden darf. Demzufolge muß also eine Stereo Übertragung auf Mittelwelle kompatibel zur AM Übertragung bleiben.

Um hier zu einem Ansatz zu kommen, muß der Demodulator im AM Empfänger analysiert werden. Dieser ist ein Hüllkurven-Detektor, der die Amplitude des AM modulierten Signals "abtastet". Auch hier ist wieder eine Kompatibilität zu erkennen. Die ersten Empfänger für AM waren "Detektoren" mit einem Detektor-Kristall und feiner Spitze als Gegenelektrode. Alle Verbesserungen auf der Seite der Empfänger oder der Sender mußten auf die einmal festgelegte Definition Rücksicht nehmen.

Die Abtastung der Hüllkurve einer HF Schwingung funktioniert praktisch unabhängig von der eingestellten Resonanz-Frequenz. Also ist eine Frequenzmodulation oder eine Phasenmodulation der Trägerschwingung möglich, ohne die Hüllkurven-Demodulation zu stören.

Man bezeichnet deshalb die Amplituden-Modulation und die Phasen-Modulation als zu einander orthogonal, weil sie sich unabhängig von einander modulieren lassen. Und die beiden Modulationen lassen sich im Empfänger getrennt demodulieren. Somit hat man 2 von einander unabhängige Übertragungswege, wie sie für Stereo notwendig sind.

Nun muß aber erneut die Kompatibilität zur zuerst vorhandenen AM berücksichtigt werden. Deswegen erhält die Hüllkurve das Summensignal S(t) = L(t)+R(t), also die Summe aus Links- und Rechts-Signal. Das entspricht dem bisherigen Monosignal und ist deshalb kompatibel. Man bildet nun noch das Differenzsignal D(t) = L(t)-R(t) und moduliert damit die Phase der HF-Schwingung des Senders. Summen- und Differenz-Signal werden in der Stereo-Matrix gebildet, im Blockschaltbild links oben.

Die verschieden AM Stereo-Systeme unterscheiden sich nun in der Art, wie S(t) und D(t) auf das Hüllkurven-Signal und das Phasen-modulierte HF-Signal (RF-P Signal) im Detail einwirken. Das geschieht im "Exciter". Und um diese Details zu verstehen, ist eine genaue Analyse der dabei verwendeten Modulationen erforderlich, die in dem pdf Papier "AM - AM-Stereo" behandelt wird. Hier wird dann auch einiges an Hintergrundwissen vermittelt.

Stereo lohnt nur dann, wenn für die Übertragung genügend Bandbreite zur Verfügung steht. Dies ist in USA der Fall. Zwar gibt es nominell ein Kanal-Raster von 10 KHz, jedoch ist die Kanal-Belegung aufgrund der relativ geringen Senderdichte (gemessen an der großen Fläche) und aufgrund der viel geringeren Sende-Leistungen viel weiter. Deswegen konnte die dortige Regulierungsbehörde (FCC) eine viel großzügigere Spektrums-Maske vorgeben, als dies z.B. in Europa mit der großen Senderdichte und den meist riesigen Sender-Leistungen möglich ist.

AM-Sender in USA modulieren bis zu 15 KHz, während in Europa aus den genannten Gründen nur 4,5 KHz (bessere Telefonqualität) zulässig sind. Da Winkel-Modulationen (FM, PM) eine größere bis viel größere Bandbreite ergeben als Amplituden-Modulationen (AM, DSB), muß die Spektrums-Maske entsprechend bis ±30 KHz reichlich bemessen sein, wie man an der FCC Maske erkennt. Unter der Europäischen EBU Maske ist eindeutig kein Platz für ein Spekrum, das für AM-Stereo notwendig ist.

MfG DR Anlagen:

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.