TFK: 50; Bajazzo. Ein kurioser Fehler und die Reparatur

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TFK: 50; Bajazzo. Ein kurioser Fehler und die Reparatur 
31.Mar.07 02:21
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Bernhard Nagel (D)
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Bernhard Nagel


Seit einigen Jahren steht der Telefunken Bajazzo 50, der Urahne dieser Kofferradio-Familie, in meiner Sammlung. Ich hatte das Gerät seinerzeit nur flüchtig inspiziert, fand innen alles im Originalzustand vor. Lediglich das Netzkabel, welches mal ersetzt wurde, kommt durch ein nachträglich in den Gehäuseboden gebohrtes Loch aus dem Apparat.
Der Vorbesitzer fand es wohl lästig, bei vorwiegendem Netzbetrieb die hintere Klappe offen stehen zu lassen...

Erster Kurztest
Ein befreundeter Sammler wollte das Radio nun von mir übernehmen, und so wurde das Gerät genauer überprüft.
Am Regeltrafo wurde der Apparat das erste Mal seit vielen Jahren in Betrieb genommen.
Die originalen Elkos formierten sich rasch, die Leistungsaufnahme war normal.
Gespielt hat der Bajazzo auch sofort, auf Mittel- und Langwelle recht schlecht, die Kurzwelle war dagegen sehr empfindlich.

Schlechter Empfang bei MW und LW
Also musste die gesamte Schaltung nach der Mischstufe (DCH11) in Ordnung sein, die mangelhafte Leistung bei LW/MW andere Ursachen haben. Ich versuchte zunächst, die Vorkreise nachzugleichen. Sie sind in dieser Schaltung bei MW mit der Induktivität der Rahmenantenne in Serie geschaltet, bei LW wird diese Reihenschaltung zwecks Transformation an einen Anzapf der LW-Vorkreisspule angeschaltet.
Das Trimmen am MW-VK ergab keinerlei Reaktion, nur die stärksten Sender (hier in Frankfurt AFN auf 873 kHz und HR-Info auf 596 kHz) kamen schwach durch. Ausserdem fiel mir eine Brummempfindlichkeit der Mischröhre auf, wenn ich mit der Hand in die Nähe des MW-Vorkreises kam.

Bei LW war das Radio minimal empfindlicher, hier reagierte der Vorkreis deutlich auf das Trimmen. Nur musste ich den Eisenkern ganz herausdrehen, um einigermassen das (immer noch schwache) Maximum zu finden.
Die Induktivität schien zu gross geworden zu sein.
Da alle Drahtanschlüsse der VK-Spulen in Ordnung waren, die Wicklungen selber Durchgang hatten, wurde mein Interesse nun auf den Empfangsrahmen gelenkt.

Die Fehlersuche
Bei diesen frühen Bakelit- und Holzbajazzos ist die Rahmenantenne "unsichtbar" unter der genarbten Gehäuseoberfläche in Vertiefungen des Holzkorpus' gewickelt. Die Wicklungsenden treten benachbart zu den Vorkreisen aus dem Holz aus.
Zunächst mittels Ohmmeter stellte ich fest: Die Wicklung hat Durchgang, ca. 1,5Ohm.
Die Induktivität lag bei knapp unter 40µH, die Güte bei 100kHz bei ungefähr 5.
Schade, dachte ich, der Rahmen ist soweit ok. Und trotzdem hatte ich keine galvanische Verbindung zum MW-Vorkreis!

Also sah ich noch einmal genauer hin. Etwas versteckt unter der Kante des Gehäuses gab es ein weiteres Wicklungsende, unter einem Textilklebeband (noch original von Telefunken zur Fixierung der Drähte angebracht)
fand ich ein viertes Drahtende.
Nun war alles klar: Die Rahmenantenne war in zwei Hälften unterteilt. Die eine Hälfte war im vorderen Teil des Holzrahmens untergebracht, die zweite im hinteren. Und beide Teile sind in Reihe geschaltet.
Die nun gefundene zweite Hälfte hatte aber keinen Durchgang!
Am Gehäuse gab es aussen keine Beschädigung, bis auf... genau, das Bohrloch für das Netzkabel!



Es war ziemlich genau mittig in die zweite Wicklungshälfte des Rahmens gesetzt worden.

Was nun, wie instandsetzen? Eine Lösung.
Für eine Reparatur des Rahmens hätte ich die Bespannung um das Bohrloch abziehen müssen.
Ein Versuch zeigte mir, sie sitzt sehr fest und lässt sich nur in kleinen Fetzen lösen.
Um den äusseren Zustand des Radios nicht zu verschlechtern, musste also eine andere Lösung gefunden werden.
Unter der Annahme, beide Wicklungsteile des Rahmens seien identisch, habe ich eine einlagige Zylinderspule mit ca. 35µH gewickelt und diese an Stelle der unterbrochenen Teilwicklung in die Vorkreis-Schaltung eingefügt.
Für Abgleichzwecke wurde ein Ferritkern eingeschraubt.



Beim ersten Test hatte ich direkt Empfang, der sich durch Abgleich der Vorkreise (erst MW, dann LW) stark verbessern liess. Die Empfindlichkeit war nach dieser Reparatur sehr gut, selbst auf LW spielt das Radio nun gut.
Erstaunlich, dass die nun "halbierte" Rahmenantenne mit Verlängerungsspule diese Leistung bringt.

Ein simples Bohrloch für ein Netzkabel mit fatalen Folgen!

Auch die Brummempfindlichkeit der Mischstufe  war nach der Reparatur beseitigt. Durch den unterbrochenen Rahmen hatte das Gitter 1 der DCH11 in Stellung MW des Wellenschalters keine galvanische Verbindung mit der übrigen Schaltung.


Viele Grüße,
Bernhard Nagel

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31.Mar.07 14:54

Konrad Birkner † 12.08.2014 (D)
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Konrad Birkner † 12.08.2014

Gratuliere!

Nur schade, dass der "Bohrer" lediglich auf einen harmlosen Draht stieß und nicht auf Netzspannung (oder das jedem Heimwerker bekannte Wasserrohr). Das hätte ich ihm vergönnt.

Dass eine Verdoppelung der Induktivität funktioniert, wundert mich ein wenig, weil sich durch die zweifellos wirksame Verkopplung der beiden Wicklungshälften beim Original deutlich mehr ergeben müsste. Allerdings bei weitem nicht der bei engstmöglicher Kopplung theoretisch erreichbare Wert x4 (doppelte Windungszahl ins Quadrat).

Da es sich aber nur um einen Teil der Kreisinduktivität handelt, reduziert das die Auswirkung.

Die (theoretische) Halbierung der Antennenspannung dürfte sich im praktischen Betrieb kaum auswirken.

Ich wünsche noch viel Freude an dem Gerät!

 

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