Tetroden-Kennlinien der RENS1234

ID: 547210
Dieser Artikel betrifft das Bauteil: Zur Röhre/Halbleiter

Tetroden-Kennlinien der RENS1234 
02.Dec.20 15:13
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

 

Theoretische und praktische Kennlinien

Die im Zusammenhang mit der Analyse des Siemens 47WL gemessenen Ausgangs-Kennlinien der Röhren der HF Stufen (RENS1234) gefundenen Abweichungen vom theoretisch erwarteten Verlauf werden hier näher betrachtet.

  • Speziell der zu geringe Abstand der Kennlinie für Gitterspannung 0 V von der Kennlinie für -1 V.

Bei einer neuen Tetrode nehmen diese Abstände zwischen den Ausgangs-Kennlinien kontinuierlich zu, wenn die Gitterspannung gegen 0 V erniedrigt wird. Abb. 124 [1] zeigt dies am Beispiel der AH1 als Nachfolgetype der RENS1234. Aus diesem Grunde war in einem 47WL eine RENS1234 durch eine AH1 ersetzt, weil vermutlich anläßlich einer Reparatur keine RENS1234 mehr beschaffbar war.

 

In dieser Graphik Abb. 124 ist sehr deutlich zu sehen, daß der gegenseitige Abstand der Ausgangs-Kennlinien deutlich zunimmt, wenn die negative Vorspannung (hier von Gitter 1) gegen 0 V geht.

Da laut Vorwort in [1] die Auflagen seit der 1. Auflage 1938 praktisch unverändert geblieben sind, kann man unterstellen, daß Kammerloher zur Aufnahme aller Kennlinen in diesem Buch damals neue (und unverbrauchte) Röhren zur Verfügung standen.

 

In Abb. 95 [1] sieht man die Tetroden-Kennlinien einer AF7, bei der das Bremsgitter mit der Anode verbunden ist, wodurch aus der "Penthode" eine "Tetrode" wird.

Man erkennt die große Ähnlichkeit der Ausgangs-Kennlinien einer Tetrode mit denen einer Hexode, Abb. 124.

Aus den Ia(U1) Eingangs-Kennlinien erkennt man auch den Grund, weshalb der gegenseitige Abstand der Ausgangs-Kennlinien zunimmt für U1 → 0V. Dieser besteht darin, daß die Steilheit S = ΔIa/ΔUg der Eingangs-Kennlinien für U1 → 0V  beständig zunimmt, Abb. 95 links.

 

 

Wenn nun aber, wie hier gemessen, (im 2. Post der Analyse des 47WL) der Abstand zwischen der Ausgangs-Kennlinie für 0 V Gitterspannung und -1 V Gitterspannung sich nicht mehr erhöht, sondern sogar kleiner ausfällt als der Abstand zwischen den beiden nächsten Kennlinien, kann daraus eigentlich nur geschlossen werden, daß die Eingangs-Kennlinie der (hier gemessenen) RENS1234-2 für Gitterspannungen → 0V nicht weiter ansteigt, sondern S-förmig "abbiegt". (Bild links)

(horizontaler Maßstab: 50 V pro Kästchen)

 

Sekundär-Elektronen

 

Abb. 96 [1] stellt für eine Tetrode den Austausch von sekundären Elektronen dar, die durch Aufprall auf die betreffenden Elektroden der Röhre frei werden und dann jeweils zu der Elektrode fliegen, die momentan ein höheres Potential hat.

Dieses Verhalten ist gerade typisch für Tetroden und Hexoden. Durch ein zusätzliches Bremsgitter zwischen Schirmgitter und Anode wird dieser Austausch von Elektronen bei Penthoden bzw. bei Oktoden unterdrückt. (Bei "Beam Power Tubes" erfolgt die Unterdrückung des Elektronen-Austausches durch eine besondere "Strahlführung" des Elektronenflusses.)

 

 

In Fig. 10.17 [3],[4] findet sich eine zu Abb. 96 [1] entsprechende Darstellung. Hier sind nun die Kennlinien für mehrere (negative) Gitter-Spannungen VG dargestellt, was die Figur nicht ganz so übersichtlich macht. (grid : Gitter) Der "primary plate current" ist der für die Gitter-Vorspannung 0 V berechnete Anodenstrom. (plate : Anode)

Der Verlauf des Schirmgitter-Stroms (screen current) ist im unteren Diagramm gezeigt.

Auch Spangenberg verwendet (wie Kammerloher) eine Penthode, bei der das Schirmgitter (suppressor grid) mit der Anode verbunden ist.

 

Sättigungs-Effekte

Dieses Abbiegen der Raumladungs-Kennlinien einer Röhre erfolgt, wenn die Heizspannung zu niedrig ist, wie in [1] an einem Beispiel gezeigt ist.

Im Beispiel der RENS1234-2 entspräche das z.B. der Raumladungs-Kennlinie  III in Abb. 26. Es ist zu erkennen, daß diese Kennlinie ab einer "Sättigungs-Spannung" in die Horizontale übergeht.

Die Kennlinien I &II verlaufen noch fast identisch, obwohl die Heizspannung hier von 4 V auf 3 V reduziert ist.

 

Die Graphiken Fig. 9.10 & 9.11 [4] zeigen diesen Sättigungs-Effekt für den Emissions-Strom (in unterschiedlicher Darstellung) ebenfalls. Für die Darstellung dieses Effekts ist der Typ der Röhre unerheblich, weil es sich nur um eine Eigenschaft der Kathode handelt.

 

Bild 4a [5] sind Messungen des Anlaufstromes einer (neuen) EF12. Man erkennt, daß auch bei leichter Unter- bzw. Überheizung einer neuen Röhre mit Oxydkathode schon ab wenigen Volt Anodenspannung die Kennlinien "konvergieren", also praktisch zu einer zusammenlaufen.

Das gilt so für alle Röhren bei ausreichend großer Raumladung.

In der Zusammenfassung schreibt Barkhausen unter Punkt 15: "Im Raumladungsgebiet ist der Strom daher nahezu unabhängig von der Stärke der Heizung, nur abhängig von der Spanung U der Anode."

 

 

In den Bildern 5a und 5f sind auch die Kennlinien von Bild 4a dargestellt. Allerdings in linearem Maßstab und in  5f in Abhängigkeit von anderen Parametern. Bild 5a ist dadurch leichter mit Abb. 26 [1] vergleichbar. Bild 5f entspricht Fig. 9.11 [4]. Daraus sieht man, daß alle diese Graphiken den gleichen physikalischen Zusammenhang darstellen.

 

Nun entsteht die Frage, wie das sein kann bei einer mit 4 V (normal) geheizten Röhre für 4 V Heizspannung?

In Abb. 12 [2] ist schematisch gezeigt, wie sich eine Röhre mit Oxyd-Kathode bei Unterheizung verhält, Abb. 12 a). Es emittieren nur noch die (verbliebenen) aktiven Zentren. Und dadurch wird auch der maximal mögliche Anodenstrom begrenzt. Denn mehr Elektronen abziehen, als emittiert werden, geht nicht.

 

Nimmt man nun bei der RENS1234-2 Verhältnisse an, wie in Abb. 12 links, so kommt man zur Schlußfolgerung, daß deren Kathode mittlerweile "verbraucht" ist und nur noch manche "aktiven Zentren" emittieren.

Und tatsächlich zeigt es sich, daß das gemessene Kennlinien-Feld in Y-Richtung "wächst", wenn die Heiz-Spannung für die RENS1234-2 von 4 V auf 6,3 V erhöht wird. Bei ausreichend großer Raumladung bereits bei 4 V Heizung dürfte das jedoch nicht sein. 

Röhrentester

Beim Testen von Röhren auf Röhren-Testern wird meist nur der Anodenstrom für einen vorgegeben Arbeitspunkt gemessen und dann ab einem bestimmten Wert auf "gut" entschieden.

Vergleicht man nun darauf hin z.B. die in "Analyse des 47WL" bzw. "Ersatz der RENS1234 durch AH1" mit dem Curve-Tracer gemessenen Kennlinien-Felder, so ist zu sehen, daß ein maximaler Wert für einen gemessenen Anodenstrom nicht in jedem Fall mit einer tatsächlich "guten" Röhre korreliert.

  • Bei einer Änderung der Heizspannung z.B. um ±10% darf sich der im Röhrentester angezeigte Wert für eine wirklich gute Röhre folglich nicht ändern. Um das zu testen, ist es also (zusätzlich) erforderlich, die Heizpannung entsprechend zu variieren.
  • Es gibt spezielle Röhrentester, die es gestatten, die Heizspannung definiert abzusenken, z.B. Grundig 55A oder Siemens Rel 3K312b. Aus dem entsprechenden Meßwert ist dann erkennbar, ob die Röhre noch genügend Raumladung erzeugt.

 

Lit.:

[1] Kammerloher, J.: Hochfrequenztechnik 2, Elektronenröhren und Verstärker, 8.A., C.F. Winter'sche Verlagshandlung, Prien, 1958

[2] Hinke, G.: Überlegungen beim Auftreten von Röhrenausfällen, S.35 - 38 in Radio-Techischer Almanach, Schneider, 1947

[3] Spangenberg, K.R.: Vacuum Tubes, McGraw-Hill, 1948

[4] Spangenberg, K.R.: Fundamentals of Electron Devices, McGraw-Hill, 1957

[5] Barkhausen, H.: Lehrbuch der Elektronenröhren, Bd. 1, Allgemeine Grundlagen, 9.A., Hirzel, 1960


Ich danke Herrn Eckhard Kull für Unterlagen zum Röhrentester Grundig 55a.

MfG DR

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